Mittwoch, 24. März 2010

Ein Mordfall à la Hitchcock

In Frankreich steht ein Juraprofessor vor Gericht, dessen Frau vor zehn Jahrenverschwand. Das Land rätselt: Handelt es sich um einen fast perfekten Mord oder wird ein unbescholtener Bürger gejagt?Von Stefan Ulrich, Paris


Viguier Mordprozess; AFPDer Jurist Jacques Viguier vor dem Gericht in Albi.
 
Jacques Viguier erinnert sich genau an jenen Abend vor vielen Jahren, als er seine spätere Frau Suzanne auf einem Universitätsfest lieben lernte. "Sie schwenkte eine Champagnerflasche und begoss mich damit", erzählte Viguier jetzt vor einem Berufungsgericht im südfranzösischen Albi. "Es war eine prickelnde Begegnung." Der Angeklagte war damals ein junger Juradozent, Suzanne eine Studentin.

Heute ist Viguier Rechtsprofessor, und Suzanne ist tot. So wird jedenfalls vermutet. Denn eine Leiche wurde nie gefunden. Auch gibt es weder eine Tatwaffe noch ein Geständnis.

Das alles macht die Aufgabe der Staatsanwaltschaft so schwer, den Juristen zu überführen. Vor einem Jahr wurde er bereits freigesprochen. Nun, in der Berufung, muss eine Jury darüber befinden, ob der 52 Jahre alte Hitchcock-Fan einen fast perfekten Mord beging - oder nur das Opfer übereifriger Ankläger ist.


Suzy, wie sie ihre Freunde nannten, wurde das letzte Mal lebend am 27. Februar 2000 um 4.30 Uhr in der Frühe gesehen. Zu dieser Zeit will sie ein Liebhaber vor dem ehelichen Haus in Toulouse abgesetzt haben, wo sie mit Viguier und den drei Kindern lebte.

Die Ehe war damals längst gescheitert, die 38 Jahre alte Tanzlehrerin Suzy wollte die Scheidung. Dabei hatte alles so prächtig begonnen. "Wir funktionierten sehr gut zusammen und waren so stark ineinander verliebt", sagt Viguier. Doch dann sei im Jahr 1991ein gemeinsamer Sohn tot geboren worden. Seitdem habe sich "ein Graben aufgetan", der durch die vielen Liebschaften des Professors vertieft wurde. Auch Suzy sah sich anderweitig um - und fand Gefallen an einem Tarot-Spielpartner. Die Eheleute aber gingen sich im Haus aus dem Weg, wenn sie nicht gerade stritten. Bis Suzy plötzlich verschwand.

Der Angeklagte versichert: "Ich habe ihr nie ein Haar gekrümmt." Die Staatsanwaltschaft aber hält ihm allerlei merkwürdiges Verhalten vor. So zeigte er das Verschwinden seiner Frau erst nach Tagen an, angeblich will er es vorher nicht bemerkt haben. Eine Matratze, auf der Suzy im Salon schlief, schaffte er am 28.Februar 2000 auf eine Müllkippe, wo sie verbrannte. Die Spurensicherung fand an mehreren Stellen im Haus zahlreiche Blutflecken. Doch diese Indizien dürften kaum reichen, einen Mann des Mordes zu überführen.

Skeptische Schwägerinnen

Die Familie des Paares ist gespalten. Während die Kinder und die Schwiegermutter fest an die Unschuld Viguiers glauben, sind seine Schwägerinnen von seiner Schuld überzeugt. Im Berufungsprozess sollen nun bisher nicht verwertete Telefonmitschnitte geprüft werden, die die Gespräche Viguiers in den Wochen nach dem Verschwinden seiner Frau enthalten. "Das wird alles ändern, Sie werden sehen!", prophezeit ein Anwalt der Schwägerinnen. Doch auch die Verteidigung gibt sich zuversichtlich und setzt auf Offensive. Sie will demonstrieren, dass die Staatsanwälte den Angeklagten auf Grund vager Indizien obsessiv verfolgten.

Die Wahrheit in diesem Mordprozess ohne Leiche zu ermitteln, ist schwierig bis unmöglich, solange vom möglichen Opfer jede Spur fehlt.

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