Der Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke hält einen Runden Tisch zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle der Katholischen Kirche für wenig sinnvoll. "Wenn die meisten Taten strafrechtlich verjährt sind, endet da die Kompetenz der Justizministerin", sagte er im Gespräch mit tagesschau.de. Ein Tisch mit allen gesellschaftlichen Gruppen sei dagegen sinnvoll.
Wie beurteilen Sie den Vorschlag von Frau Leutheusser-Schnarrenberger zu einem neuen Runden Tisch?
Klaus Lüdicke: Da gilt das Sprichwort "Schuster, bleib bei Deinen Leisten." Wenn die meisten Taten strafrechtlich verjährt sind, endet da die Kompetenz der Justizministerin. Ein Tisch mit allen gesellschaftlichen Gruppen ist hingegen sinnvoll - wenn es darum geht, wie solche Taten in Zukunft zu verhindern sind. Aber mit welchem Anspruch Frau Leutheusser-Schnarrenberger einen Tisch zu den strafrechtlichen Fragen fordert, ist mir nicht klar.
Was halten Sie von der aktuellen Diskussion?
Lüdicke: Ich finde, es sollte mehr auf die Betroffenen Rücksicht genommen werden. Den Opfern muss es nicht lieb sein, wenn ihre Fälle an die große Glocke gehängt werden. Wer gibt schon gerne zu, in seiner Kindheit missbraucht worden zu sein? Das ist immer noch ein großer Schritt. Auf der anderen Seite haben wir jetzt viele Aussagen über Missbrauch, ohne dass diese gesichert sind. Wenn ein Priester oder ein anderer Angestellter der Kirche einmal öffentlich geächtet ist, wird er das nicht mehr los - selbst, wenn es sich als falsch herausstellen könnte.
Zur Person:
Klaus Lüdicke (geb. 1943), Jurist und Theologe, arbeitete unter anderem am kirchlichen Gericht des Bistums Münster. Seit 1979 lehrte er an der Hochschule der Franziskaner und Kapuziner in Münster Kirchenrecht. Von 1983 bis 2008 war er ordentlicher Professor an der Uni Münster. Unter anderem hat er ein Standardwerk zur Eheprozessordnung geschrieben und den "Münsterischen Kommentar zum Codex Iuris Canonici", dem Kirchenrecht, herausgegeben.
Zur Person:
Klaus Lüdicke (geb. 1943), Jurist und Theologe, arbeitete unter anderem am kirchlichen Gericht des Bistums Münster. Seit 1979 lehrte er an der Hochschule der Franziskaner und Kapuziner in Münster Kirchenrecht. Von 1983 bis 2008 war er ordentlicher Professor an der Uni Münster. Unter anderem hat er ein Standardwerk zur Eheprozessordnung geschrieben und den "Münsterischen Kommentar zum Codex Iuris Canonici", dem Kirchenrecht, herausgegeben.
Wie kann mit dem Kirchenrecht auf die Missbrauchsfälle reagiert werden?
Lüdicke: Auch im Kirchenrecht gibt es eine Verjährungsfrist, die bei weniger schweren Straftaten drei Jahre beträgt. Es gibt aber auch einen Erlass des Papstes von 2001, der bei schwerwiegenden Straftaten wie sexuellem Missbrauch vorsieht, dass die Verjährungsfrist erst nach dem 18. Lebensjahr beginnt und zehn Jahre dauert. Und es gibt die - nach staatlichem Recht vielleicht bedenkliche - Möglichkeit, dass der Papst Kraft seines Amtes im Nachhinein eine Verjährung aufhebt.
Die Katholische Kirche hat ja 2002 Leitlinien für den Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch erlassen. Werden die ausreichend angewendet?
Lüdicke: Es wird nicht zentral erfasst, wie jedes einzelne Bistum die Leitlinien anwendet. Aber die Bischöfe haben in den Leitlinien sehr klar festgelegt, dass sie Pädophilie als eine Krankheit sehen, die möglicherweise nicht heilbar ist. Wenn es einen Fall in einer Diözese gibt, ist es Aufgabe des bischölich Beauftragten, sowohl mit den Opfern als auch den mutmaßlichen Tätern zu sprechen. Danach wird entschieden, ob ein Pfarrer zum Beispiel suspendiert wird und gegebenenfalls Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet wird.
Haben Sie von Fällen gehört, in denen die Leitlinien nicht ausreichend angewendet wurden?
Lüdicke: Nein, es gibt wie gesagt keine genaue Erfassung solcher Fälle. Aber ich bin mir sicher, dass die Kirche bereits mit strengen disziplinarischen Maßnahmen reagieren kann, wenn es einen Fall gibt, auch wenn er strafrechtlich verjährt ist. Es wird aber jetzt darüber nachgedacht, die Leitlinien zu verschärfen - indem es eine Pflicht zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gibt, sobald der Verdacht auf Missbrauch begründet genug ist.
Das Interview führte Johannes Wagemann
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