Samstag, 20. März 2010

"Klare Anweisung" oder "kein Wort des Mitgefühls"?

Zollitsch
Deutsche Katholiken reagieren auf den Hirtenbrief

Die katholischen deutschen Bischöfe sehen in dem Papstbrief zum Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen Irlands eine klare Botschaft auch an Deutschland. In einer "schonungslosen Analyse" beklage Benedikt XVI., dass häufig auf die "ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien" viel zu wenig Wert gelegt worden sei, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch.

Laut Zollitsch habe für den Papst die Perspektive der Opfer Vorrang. Deshalb kritisiere Benedikt XVI. den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe. Er dringe darauf, dass die Vorgaben der Justiz und des staatlichen Rechts einzuhalten seien. Vor allem aber müsse es, soweit möglich, Heilung für die Opfer geben.

"Besonders bewegt" zeigte sich Zollitsch von den deutlichen Worten des Papstes an die Priester und Ordensleute, die sich versündigt hätten. Sie hätten das Vertrauen junger Menschen aufs Schlimmste verletzt und müssen sich vor Gott und den Gerichten verantworten.

Hirtenbrief:


Der Begriff Hirtenbrief bezeichnet in der katholischen Kirche ein bischöfliches Rundschreiben zu lehramtlichen, seelsorgerlichen oder aktuellen Themen. Er wird in der Regel im Gottesdienst verlesen. Für päpstliche Schreiben wird meist die Bezeichnung Enzyklika verwendet.
Hirtenbriefe gibt es auch in der evangelischen Kirche. Schon im Neuen Testament ist von Apostel- und Gemeindebriefen die Rede. Bis heute werden die Rundschreiben vor allem zur Fastenzeit und bei besonderen Anlässen verfasst.

"Ich bin für diese Worte dankbar"

Über die Kritik des Papstes an den kirchlichen Autoritäten sagte Zollitsch: "Wenn die bittere Wahrheit offen ausgesprochen wird, wirkt dies schmerzlich, aber auch befreiend. Ich bin für diese Worte dankbar." Zu den Fällen in katholischen Einrichtungen in Deutschland erklärte er: "Wir deutschen Bischöfe haben solche Fehler bei unserer Frühjahrsvollversammlung in Freiburg deutlich erkannt und eingestanden. Wir dürfen Fehler nicht wiederholen und brauchen auch in Deutschland eine lückenlose Aufklärung und uneingeschränkte Transparenz. Daran arbeiten wir in allen Bistümern."

Reaktion auf Hirtenbrief:

"Wir gehen den Weg der Aufklärung und Aufarbeitung, den Weg des aufmerksamen Hinschauens und der Prävention. Es ist ein langer Weg, der Zeit braucht und Mühe kostet, den wir in Manchem noch lernen müssen, aber wir werden keine Zeit verstreichen lassen. Der Heilige Vater ruft auch uns zu, dass wir diesen Weg der Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung ohne Angst und gläubigen Mutes gehen sollen."
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, als Reaktion auf den Hirtenbrief des Papstes vom 20.03.2010
Deshalb verstehe er die Mahnung des Papstes an die Bischöfe in Irland zugleich auch als "Mahnung an uns. Der Skandal sexuellen Missbrauchs ist kein bloß irisches Problem, er ist ein Skandal der Kirche an vielen Orten und er ist der Skandal der Kirche in Deutschland", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er schloss sich der Bitte des Papstes an, die junge Generation möge trotz aller tragischen Erfahrungen nicht an der Kirche verzweifeln.

Vorwürfe gegen Zollitsch

Im Missbrauchsskandal bei der katholischen Kirche gibt es inzwischen auch Vorwürfe gegen Zollitsch selbst. Nach Recherchen des ARD-Magazins "Report Mainz" soll er als Personalreferent, 1991 einen unter Missbrauchsverdacht stehenden Pfarrer lediglich in den Ruhestand versetzt zu haben, ohne die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Zollitsch wies den Vorwurf zurück, sagte aber, er würde heute in ähnlicher Situation anders handeln.

Ackermann: Werden uns den Hirtenbrief zu Herzen nehmen

Triers Bischof Stephan Ackermann (Foto: dpa)
Der Sonderbeauftragte der katholische Kirche zur Aufklärung der sexuellen Missbrauchsfälle, Bischof Stephan Ackermann, begrüßte den Hirtenbrief des Papstes. "Ich empfinde diesen Brief als Verstärkung für unseren Weg", sagte er. "Die Entschiedenheit, mit der der Papst die Vorgänge und die Untaten beim Namen nennt und auch Aufklärung erwartet - das ist doch sehr deutlich und das werden wir uns auch entsprechend zu Herzen nehmen." Er sei nicht enttäuscht darüber, dass der Brief sich nicht eigens an Deutschland wende. Es seien "genug Hinweise" auch für die deutsche katholische Kirche enthalten.

"Wir sind Kirche": "Schweigen kommt nicht gut an

Die katholische Reformbewegung zeigte sich dagegen enttäuscht. Es sei sehr schade, dass der Papst sich in dem Hirtenbrief nicht zu Missbrauchsfällen in Deutschland geäußert habe, sagte Christian Weisner, Sprecher der Intiative, der Deutschen Presse-Agentur. "Das Schweigen des Papstes kommt nicht gut an. Dabei hätte ihm schon ein Wort des Mitgefühls an die Opfer Sympathien eingebracht." Der Brief vermittele den Eindruck, es gehe dem Papst hauptsächlich um das Ansehen der Kirche, sagte Weisner.

Christian Weisner, Sprecher von "Wir sind Kirche" (Foto: dpa)Er bezeichnete es als "ärgerlich", dass der Papst in seinem Hirtenbrief die weltliche Gesellschaft für den Missbrauch von Kindern durch Priester mitverantwortlich mache. "Es wird immer noch nicht gesehen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt", kritisierte Weisner. Nun müssten innerkirchliche Strukturen überprüft werden - vor über den Zölibat und die kirchliche Sexuallehre.

Das Zentralkomitee der Katholiken begrüßte den Papstbrief. Die "schonungslos offene Sprache" könne helfen, auch in die Deutschland die richtigen Konsequenzen zu ziehen, sagte der Präsident des obersten Laiengremiums in Deutschland, Alois Glück.

Benedikts Brief zum Missbrauchskandal


Papst Benedikt XVI. hat sich zu dem jahrzehntelangen Kindesmissbrauch in katholischen Heimen und Schulen in Irland geäußert. Er entschuldigt sich bei den Opfern und verlangt öffentliche Schuldeingeständnisse von den Tätern.

Auszüge aus dem Hirtenbrief:

"1. Liebe Schwestern und Brüder, mit großer Sorge schreibe ich euch als Hirte der weltweiten Kirche. Wie Euch haben auch mich die Informationen über den Missbrauch an Kindern und Schutzbefohlenen durch Mitglieder der Kirche Irlands, besonders durch Priester und Ordensleute, sehr beunruhigt. Ich kann die Bestürzung und das Gefühl des Vertrauensbruchs nur teilen, das so viele von euch beim Erfahren dieser sündhaften und kriminellen Taten und der Art der Autoritäten der Kirche, damit umzugehen, erfahren haben. (...)

2. Die Schwere der Vergehen und die oftmals unangemessenen Reaktion der kirchlichen Autoritäten in eurem Land erwägend habe ich entschieden, diesen Hirtenbrief zu schreiben, um meine Nähe zu euch auszudrücken und einen Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung vorzuschlagen.

Wie viele in Eurem Land betont haben: es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs von Kindern weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist. Trotzdem ist Eure Aufgabe nun, das Problem des Missbrauchs aufzuarbeiten, das in der irischen katholischen Gemeinschaft entstanden ist, und dies mit Mut und Bestimmtheit zu tun. (...) Gleichzeitig muss ich aber auch meine Überzeugung mitteilen, dass die Kirche in Irland, um von dieser tiefen Wunde zu genesen, die schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor Gott und vor anderen offen zugeben muss. Solch eine Anerkennung, begleitet durch ernste Reue für die Verletzung dieser Opfer und ihrer Familien, muss zu einer gemeinsamen Anstrengung führen, um den Schutz von Kindern vor ähnlichen Verbrechen in der Zukunft sicher zu stellen. (...)

"Fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche"
4. (...) Das Programm der Erneuerung, das das Zweite Vatikanische Konzil vorgelegt hat, wurde häufig falsch gelesen; im Licht des tiefen sozialen Wandels war es schwer, die richtigen Weisen der Umsetzung zu finden. Es gab im Besonderen die wohlmeinende aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Umstände zu vermeiden. In diesem Gesamtkontext müssen wir das verstörende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verstehen versuchen, das nicht wenig zur Schwächung des Glaubens und dem Verlust des Respekts vor der Kirche und ihre Lehren beigetragen hat.

Nur durch sorgfältige Prüfung der vielen Faktoren, die zum Entstehen der augenblicklichen Krise geführt haben kann eine klare Diagnose ihrer Gründe unternommen und können wirkungsvolle Abhilfemaßnahmen gefunden werden.

Sicherlich können wir zu den entscheidenden Faktoren hinzuzählen: unangemessene Verfahren zur Feststellung der Eignung von Kandidaten für das Priesteramt und das Ordensleben; nicht ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien und Noviziaten; eine Tendenz in der Gesellschaft, den Klerus und andere Autoritäten zu favorisieren; und eine fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche und die Vermeidung von Skandalen, die zum Versagen in der Anwendung bestehender kanonischer Strafen und im Schutz der Würde jeder Person geführt hat.

Es muss dringend gehandelt werden um diese Faktoren anzugehen, die so tragische Konsequenzen in den Leben von Opfern und ihrer Familien hatten und die das Licht des Evangeliums in einer solchen Weise verdunkelt haben, wie es noch nicht einmal Jahrhunderten der Verfolgung gelungen ist.

Direkte Worte an Opfer, Täter und Kirchenleitung
5. (...) Ich wende mich nun an euch mit Worten, die von Herzen kommen und ich möchte zu euch einzeln und zu euch allen gemeinsam als Brüder und Schwestern im Herrn sprechen.

6. An die Opfer des Missbrauchs und ihre Familien
Ihr habt viel gelitten und ich bedaure das aufrecht. Ich weiß, dass nichts das Erlittene ungeschehen machen kann. Euer Vertrauen wurde verraten und eure Würde wurde verletzt. Viele von Euch mussten erfahren, dass, als Ihr den Mut gefunden habt, über das zu spreche, was euch zugestoßen ist, Euch niemand zugehört hat.

Diejenigen von euch, denen das in Wohnheimen und Internaten geschehen ist, müssen gefühlt haben, dass es kein Entkommen gibt aus Eurem Leid. Es ist verständlich, dass es schwer für Euch ist, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr zu versöhnen. Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen. Gleichzeitig bitte ich Euch, die Hoffnung nicht aufzugeben.

7. An die Priester und Ordensleute, die Kinder missbraucht haben
Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde, verraten und Ihr müsst Euch vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten dafür verantworten. Ihr habt die Achtung der Menschen Irlands verspielt und Schande und Unehre auf Eure Mitbrüder gebracht. Die Priester unter Euch haben die Heiligkeit des Weihesakraments verletzt, in dem Christus sich selbst in uns und unseren Handlungen gegenwärtig macht. Gemeinsam mit dem immensen Leid, das Ihr den Opfern angetan habt, wurde die Kirche und die öffentliche Wahrnehmung des Priestertums und des Ordensleben beschädigt.


Ich mahne Euch, Euer Gewissen zu erforschen, Verantwortung für die begangenen Sünden zu übernehmen und demütig Euer Bedauern auszudrücken. Ehrliche Reue öffnet die Tür zu Gottes Vergebung und die Gnade ehrlicher Besserung. Durch Gebet und Buße für die, denen Ihr Unrecht getan habt, sollt ihr persönlich für Euer Handeln Sühne leisten. Christi erlösendes Opfer hat die Kraft, sogar die größte Sünde zu vergeben und Gutes sogar aus dem schlimmsten Übel wachsen zu lassen. Gleichzeitig ruft uns Gottes Gerechtigkeit dazu auf, Rechenschaft über unsere Taten abzulegen und nichts zu verheimlichen. Erkennt Eure Schuld öffentlich an, unterwerft Euch der Rechtsprechung, aber verzweifelt nicht an der Gnade Gottes.

8. An die Eltern
Ihr seid zutiefst entsetzt über die furchtbaren Dinge, die an den Orten stattgefunden haben, die eigentlich die sichersten und sorgenfreiesten Orte hätte sein sollen. (…) Ich bitte Euch dringend, Eure Rolle bei der Gewährleistung der besten möglichen Fürsorge für die Kinder sowohl zu Hause als auch in der Gesellschaft zu spielen, während die Kirche ihre Rolle wahrnimmt und weiter die Maßnahmen der letzten Jahre umsetzt um junge Menschen in Pfarreien und Schulen zu schützen.

9. An die Kinder und die Jugend Irlands
Euch möchte ich ganz besonders ermutigen. Eure Erfahrung der Kirche ist sehr unterschiedlich von der Eurer Eltern und Großeltern. Die Welt hat sich sehr geändert seit sie in Eurem Alter waren. Trotzdem sind alle Menschen aller Generationen dazu berufen, denselben Weg durchs Leben zu gehen, gleich unter welchen Umständen. Wir sind alle skandalisiert von den Sünden und dem Versagen von einigen Mitgliedern der Kirche, besonders durch die derer, die eigens dazu ausgesucht waren, jungen Menschen zu dienen und sie anzuleiten. Aber es ist die Kirche, in der Ihr Christus findet, der derselbe ist, gestern, heute und morgen (Hebräerbrief 13:8). Er liebt Euch und er hat sich am Kreuz für Euch hingegeben. Sucht eine persönliche Beziehung zu ihm in der Gemeinschaft der Kirche, denn er wird nie Euer Vertrauen missbrauchen!

Papstbrief enttäuscht Missbrauchopfer

Der Hirtenbrief des Papstes zum Missbrauchskandal ruft ein geteiltes Echo hervor. Trotz Benedikts Schweigen zu den Fällen in Deutschland loben katholische Kirchenvertreter und Laien das Schreiben. Reformer und irische Opfer dagegen zeigen sich verärgert.

Hamburg - Der Papst kommt an. Wenigstens bei den Kirchenführern. Die loben den Hirtenbrief von Benedikt XVI. an die irischen Katholiken in den höchsten Tönen. Das Schreiben zu den Missbrauchsfällen sei ein zentraler Schritt auf dem Weg zu einer Erneuerung der Kirche, sagte das Oberhaupt der irischen katholischen Kirche, Kardinal Sean Brady: "Lasst uns beten, dass dies jetzt der Beginn einer großen Zeit der Wiedergeburt der irischen Kirche wird."

Ähnlich das kirchliche Echo in Deutschland - obwohl die Hoffnung vieler Katholiken, der Papst möge auch die Fälle sexuellen Missbrauchs in den deutschen Bistümern ansprechen, enttäuscht wurde: Benedikt XVI. erwähnte sie mit keinem einzigen Wort explizit.

Kein Problem, meinen die deutschen Katholiken. Da der Brief an die irische Kirche gerichtet sei, wundere er sich nicht darüber, dass Missbrauchsfälle in Deutschland nicht erwähnt würden, erläuterte der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der auch Beauftragter der katholischen Kirche zur Aufklärung von sexuellem Missbrauch ist. Auch der Vatikan weist die Kritik am Schweigen zu deutschen Fällen zurück. Der Papst werde "einen angemessenen Weg finden, um auch auf die deutsche Situation Bezug zu nehmen", so Vatikan-Sprecher Federic Lombardi.

Die deutschen Kirchenführer etikettieren das Papstschreiben an die Iren um: Es soll nun gleichsam an die Deutschen gerichtet sein. Was der Papst den Iren sage, habe Geltung für die ganze Kirche und sei "eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland", sagte Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Der Skandal sexuellen Missbrauchs sei kein bloß irisches Problem, "er ist ein Skandal der Kirche an vielen Orten und er ist der Skandal der Kirche in Deutschland".

Hirtenbrief ein "eindrucksvolles Dokument"
Das Zentralkomitee der Katholiken in Deutschland unterstützt diese Linie. Der Brief an die Iren sei ein "eindrucksvolles Dokument, das auch der katholischen Kirche in Deutschland helfen kann, die richtigen Konsequenzen zu ziehen", sagte der ZdK-Vorsitzende Alois Glück. "Mit einer geradezu schonungslos offenen Sprache" befasse sich der Papst mit der Situation in Irland, "mit Schuld und Versagen" und den notwendigen Konsequenzen. Glück sagte: "Mit diesem Brief setzt sich Papst Benedikt erneut beispielhaft und klar für die kompromisslose Aufklärung von sexuellem Missbrauch und ebenso unmissverständlich für die Opfer ein."

Das Schweigen des Papstes zu den Missbrauchsfällen in Deutschland irritiert Glück nicht. Denn es bestehe kein vernünftiger Zusammenhang mit der Situation in Irland. Der Hirtenbrief befasse sich vielmehr sehr konkret mit der Lage in der dortigen katholischen Kirche, so Glück.

Andere aber sind offenbar schwer enttäuscht vom schweigenden Benedikt. Es sei sehr schade, dass sich der Papst nicht zu den Missbrauchsfällen in Deutschland geäußert habe, sagte Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche". Und weiter: "Das Schweigen des Papstes kommt nicht gut. Es wird sicher nicht seine Autorität und sein Ansehen in der Kirche erhöhen." Dabei hätte ihm, so Weisner, "schon ein Wort des Mitgefühls an die Opfer Sympathien eingebracht". Der Brief vermittle aber den Eindruck, es gehe dem Papst hauptsächlich um das Ansehen der Kirche.

"Dieser Brief ist noch nicht der große Durchbruch"
Der Hirtenbrief könne nur ein erster Anfang sein. Eine sorgfältige Prüfung der innerkirchlichen Strukturfragen stehe noch aus. Dabei gehe es ihm vor allem um eine Debatte über den Zölibat und eine Neuausrichtung der kirchlichen Sexuallehre, sagte Weisner: "Es wird immer noch nicht gesehen, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern dass es ein globales Strukturproblem ist." Das Umsteuern müsse deutlich weiter gehen: "Dieser Brief ist noch nicht der große Durchbruch."

Als ärgerlich wertet Weisner zudem, dass der Papst die äußeren Umstände mitverantwortlich macht. So hatte Benedikt in dem Brief geschrieben, das Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern müsse im Gesamtkontext der "raschen Transformation und Säkularisierung der irischen Gesellschaft" und des "schnelllebigen sozialen Wandels" verstanden werden.

Große Enttäuschung über Benedikt auch bei den irischen Opferverbänden. Statt nur die Vergangenheit zu verurteilen, hätte der Papst mehr auf Konsequenzen und die Zukunft eingehen müssen, hieß es. Vor allem aber hätte er die Art und Weise verurteilen sollen, wie die Kirche den Missbrauch systematisch und über Jahre verdeckt gehalten habe, sagte Maeve Lewis, die Leiterin der Opfergruppe "One in Four".

Benedikt habe "eine glorreiche Möglichkeit verstreichen lassen, den Kernpunkt des kirchlichen Missbrauchsskandals anzusprechen: Die absichtliche Politik der katholischen Kirche bis in die höchsten Ebenen, Missbrauchstäter zu beschützen und damit Kinder zu gefährden", so Lewis. Opfer Andrew Madden erklärte, er habe keine Bestätigung gebraucht, dass Missbrauch eine Straftat und Sünde ist: "Die Entschuldigung von heute gilt nicht für die Verschleierung." Das aber sei ebenfalls eine Sünde gewesen, da deshalb viele Kinder weiterem Missbrauch ausgesetzt worden seien.

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