Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat schon früher Parallelen zwischen der Berichterstattung über die Missbrauchsfälle und der Nazi-Propaganda gezogen - auch wenn er den NS-Vergleich vom Wochenende bestreitet. In einem Text vom 3. März 2010, nachzulesen auf der Internetseite des Bistums Regensburg, schrieb Müller unter dem Titel "Sexueller Missbrauch und seine antikatholische Instrumentalisierung" von "periodisch auftretenden Medienkampagnen gegen den Zölibat und die katholische Sexualmoral".
Er erinnerte in dem Beitrag an die Rede von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels 1937. Dieser habe "systematisch Tausende von katholischen Priestern und Ordensleuten entwürdigt und als zölibatsgeschädigte, sexuell perverse Subjekte kriminalisiert". "Missbrauchte Pressefreiheit", so Müller, lasse sich nicht mehr unterscheiden "von einer Diffamierungs-Lizenz, mit der man scheinbar legal all diejenigen Personen und Glaubensgemeinschaften ihrer Ehre und Würde beraubt, die sich dem totalitären Herrschaftsanspruch des Neo-Atheismus und der Diktatur des Relativismus nicht fügen".
Müller verwahrte sich hingegen am Montag gegen Vorwürfe, er habe in einer Predigt am Wochenende die derzeitige Berichterstattung mit der NS-Propaganda verglichen. Dies sei eine "fälschende Verzerrung". In der Predigt hatte er eine "Kampagne gegen die Kirche" beklagt. Schon in einem Hirtenwort hatte Müller den "Versuch" verurteilt, "die ganze katholische Kirche und ihre Einrichtungen in Misskredit zu bringen". Zu Berichten über den Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen hatte er geäußert: "Ein Glanzstück des Bistums Regensburg soll in den Dreck gezogen werden." Berichterstattern bescheinigte der Bischof "kriminelle Energie".
Die Medienschelte des Bischofs stieß am Montag auf Kritik - sogar im Vatikan. Kurienkardinal Walter Kasper sagte laut Bayerischem Rundfunk, die Kirche solle jetzt "nicht mit dem Finger auf andere" zeigen, sondern das eigene Haus in Ordnung bringen. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, erklärte, Hauptproblem sei nicht die Berichterstattung, sondern "was an Fakten aus der Kirche selbst heraus offenbar geworden ist". Glücks Stellvertreterin Karin Kortmann sagte der FR, es gehe nicht um einen Generalverdacht gegen Priester und Kirchenmitarbeiter. Es sei aber unbestreitbar, dass eine große Zahl von Tätern aus diesem Kreis stamme.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einer "skandalösen Polemik" Müllers und forderte den Bischof auf, sich zu entschuldigen. Die stellvertretende DJV-Vorsitzende Ulrike Kaiser erklärte, Bischof Müller versuche "offenbar, von den Fakten abzulenken". Es sei unvertretbar, die Berichterstattung der Medien in die Nähe zum Unrechtsregime des Nationalsozialismus zu rücken.
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