Lobby-Skandal in Großbritannien
Von Carsten Volkery, London
London - Nicht schon wieder, dürfte sich der eine oder andere Brite gedacht haben, als er den Aufmacher der "Sunday Times" sah. "Enthüllt - Labours Geld-gegen-Lobbying-Skandal", stand da in großen Lettern. Der Spesenskandal im Unterhaus ist noch nicht ausgestanden, die Erinnerung an den Steuerskandal des Tory-Großspenders Lord Ashcroft noch frisch, da taucht schon der nächste Korruptionsfall in der britischen Politik auf.
Die "Sunday Times" hatte gemeinsam mit dem Fernsehsender Channel 4 einen geheimen Lauschangriff auf zwei Dutzend Unterhausabgeordnete von Labour und Tories gestartet. Eine Reporterin, die sich als Vertreterin einer großen amerikanischen Lobby-Firma ausgab, bot ihren Gesprächspartnern einen Aufsichtsratssitz in der fiktiven Firma an. Vor laufender Kamera, die in einer Blumenvase versteckt war, tappten mehrere Labour-Abgeordnete in die Falle. Besonders ein Ex-Minister zeigte sich laut dem Sonntagsblatt sehr aufgeschlossen.
Ja, man könne seine Dienste kaufen, für 3000 bis 5000 Pfund am Tag, brüstete sich der frühere Verkehrsminister und Blair-Vertraute Stephen Byers. Er sei "so etwas wie ein Miettaxi" und verfüge immer noch über hervorragende Kontakte in die Downing Street Nummer zehn. Einmal im Monat sehe er den früheren Premier Tony Blair, er könne sicher mal einen Drink mit Tony arrangieren, seine "Trumpfkarte" aber sei sein enges Verhältnis zu Wirtschaftsminister Peter Mandelson. Um seinen Wert deutlich zu machen, beschrieb der 56-Jährige Byers auch detailliert, wie er dem Transportunternehmen National Express und der Supermarktkette Tesco geholfen habe. Das sei alles vertraulich, fügte er noch hinzu.
"So etwas wie ein Miettaxi"
Der frühere Verteidigungsminister Geoff Hoon und die frühere Gesundheitsministerin Patricia Hewitt waren etwas vorsichtiger. Doch auch sie ließen sich zu Äußerungen hinreißen, die sie im Nachhinein bereuen dürften. Hewitt beschrieb, wie sie Einfluss nehmen könnte. Und Hoon erklärte, er habe zwei Kinder auf der Uni und brauche einen Job, wenn er nach der Wahl aus dem Unterhaus ausscheide.
Nun ist Lobbying in der Politik nichts Ungewöhnliches: Firmen versuchen, die Gesetzgebung zu beeinflussen und stellen dafür auch frühere Regierungsmitglieder als Berater an. Das ist nicht illegal, und die drei Ex-Minister beteuern, nicht gegen die Regeln verstoßen haben.
Doch sorgte die TV-Dokumentation, die am Montagabend ausgestrahlt wird, für einen Entrüstungssturm im Parlamentsviertel Westminster. Die Wortwahl von Byers, "so etwas wie ein Miettaxi" zu sein, erinnerte fatal an den "Cash for questions"-Skandal vor 16 Jahren. Damals hatte der milliardenschwere Besitzer des Luxuskaufhauses Harrod's, Mohammed al-Fayed, enthüllt, dass man einen Abgeordneten mieten könne wie eines der Londoner "Black Cabs". Mehrere Tories hatten zugeben müssen, für bestimmte Fragen im Parlament bezahlt worden zu sein.
Nun war Labour an der Reihe, sich zu schämen. Die oppositionellen Konservativen und Liberaldemokraten nahmen die Steilvorlage sogleich auf und forderten eine offizielle Untersuchung. Die Regierung wies das Ansinnen zurück: Es sei nicht gegen Gesetze verstoßen worden. Die Ministerien für Verkehr und Wirtschaft hatten zuvor bereits mitgeteilt, dass keine Entscheidungen durch Byers beeinflusst worden waren. Byers erklärte, er habe übertrieben und "irreführende Statements" abgegeben.
Doch der Schaden ist angerichtet: Abgeordnete, die sich vor laufender Kamera einer Lobby-Firma andienen, bekräftigen das Vorurteil, Politiker nutzten ihr Amt zur Selbstbereicherung aus. Es war ein sehr anschauliches Beispiel dessen, was viele Wähler immer schon gedacht haben.
Abgehalfterte Labour-Oldies aus der Blair-Zeit
Die früheren Kabinettskollegen von Byers, Hewitt und Hoon schlugen denn auch die Hände über dem Kopf zusammen. So viel politische Dummheit konnten sie einfach nicht fassen - zumal so kurz nach dem Spesenskandal. "Was haben sie sich dabei nur gedacht?", fragte Schatzkanzler Alistair Darling. Und Außenminister David Miliband zeigte sich "entsetzt".
Zum Glück für Premierminister Gordon Brown ist der Einfluss des Trios in Regierung und Partei begrenzt. Hewitt, Hoon und Byers sind keine Brown-Vertrauten, sondern abgehalfterte Labour-Oldies aus der Blair-Zeit. In den vergangenen Jahren waren sie vor allem mit ihren Attacken gegen Brown aufgefallen. Hewitt und Hoon hatten zum Jahreswechsel den jüngsten Putsch gegen den Regierungschef angezettelt, waren aber schnell gescheitert, weil niemand mitmachen wollte. Alle drei sind längst diskreditiert und treten auch bei der Wahl nicht wieder an.
Für Brown ist dies jedoch nur ein geringer Trost. Denn der Eindruck, es sei etwas faul in der Politik, bleibt an den etablierten Parteien hängen. Deshalb kann sich auch der konservative Herausforderer David Cameron nicht wirklich freuen. Die Episode verstärkt vor allem die Politikverdrossenheit der Wähler. Das schadet den Tories, Liberaldemokraten und Labour gleichermaßen. Profitieren, warnen Kommentatoren, könnten am Ende die Protestparteien am rechten Rand: die UK Independence Party und British National Party.
Die "Sunday Times" hatte gemeinsam mit dem Fernsehsender Channel 4 einen geheimen Lauschangriff auf zwei Dutzend Unterhausabgeordnete von Labour und Tories gestartet. Eine Reporterin, die sich als Vertreterin einer großen amerikanischen Lobby-Firma ausgab, bot ihren Gesprächspartnern einen Aufsichtsratssitz in der fiktiven Firma an. Vor laufender Kamera, die in einer Blumenvase versteckt war, tappten mehrere Labour-Abgeordnete in die Falle. Besonders ein Ex-Minister zeigte sich laut dem Sonntagsblatt sehr aufgeschlossen.
Ja, man könne seine Dienste kaufen, für 3000 bis 5000 Pfund am Tag, brüstete sich der frühere Verkehrsminister und Blair-Vertraute Stephen Byers. Er sei "so etwas wie ein Miettaxi" und verfüge immer noch über hervorragende Kontakte in die Downing Street Nummer zehn. Einmal im Monat sehe er den früheren Premier Tony Blair, er könne sicher mal einen Drink mit Tony arrangieren, seine "Trumpfkarte" aber sei sein enges Verhältnis zu Wirtschaftsminister Peter Mandelson. Um seinen Wert deutlich zu machen, beschrieb der 56-Jährige Byers auch detailliert, wie er dem Transportunternehmen National Express und der Supermarktkette Tesco geholfen habe. Das sei alles vertraulich, fügte er noch hinzu.
"So etwas wie ein Miettaxi"
Der frühere Verteidigungsminister Geoff Hoon und die frühere Gesundheitsministerin Patricia Hewitt waren etwas vorsichtiger. Doch auch sie ließen sich zu Äußerungen hinreißen, die sie im Nachhinein bereuen dürften. Hewitt beschrieb, wie sie Einfluss nehmen könnte. Und Hoon erklärte, er habe zwei Kinder auf der Uni und brauche einen Job, wenn er nach der Wahl aus dem Unterhaus ausscheide.
Nun ist Lobbying in der Politik nichts Ungewöhnliches: Firmen versuchen, die Gesetzgebung zu beeinflussen und stellen dafür auch frühere Regierungsmitglieder als Berater an. Das ist nicht illegal, und die drei Ex-Minister beteuern, nicht gegen die Regeln verstoßen haben.
Doch sorgte die TV-Dokumentation, die am Montagabend ausgestrahlt wird, für einen Entrüstungssturm im Parlamentsviertel Westminster. Die Wortwahl von Byers, "so etwas wie ein Miettaxi" zu sein, erinnerte fatal an den "Cash for questions"-Skandal vor 16 Jahren. Damals hatte der milliardenschwere Besitzer des Luxuskaufhauses Harrod's, Mohammed al-Fayed, enthüllt, dass man einen Abgeordneten mieten könne wie eines der Londoner "Black Cabs". Mehrere Tories hatten zugeben müssen, für bestimmte Fragen im Parlament bezahlt worden zu sein.
Nun war Labour an der Reihe, sich zu schämen. Die oppositionellen Konservativen und Liberaldemokraten nahmen die Steilvorlage sogleich auf und forderten eine offizielle Untersuchung. Die Regierung wies das Ansinnen zurück: Es sei nicht gegen Gesetze verstoßen worden. Die Ministerien für Verkehr und Wirtschaft hatten zuvor bereits mitgeteilt, dass keine Entscheidungen durch Byers beeinflusst worden waren. Byers erklärte, er habe übertrieben und "irreführende Statements" abgegeben.
Doch der Schaden ist angerichtet: Abgeordnete, die sich vor laufender Kamera einer Lobby-Firma andienen, bekräftigen das Vorurteil, Politiker nutzten ihr Amt zur Selbstbereicherung aus. Es war ein sehr anschauliches Beispiel dessen, was viele Wähler immer schon gedacht haben.
Abgehalfterte Labour-Oldies aus der Blair-Zeit
Die früheren Kabinettskollegen von Byers, Hewitt und Hoon schlugen denn auch die Hände über dem Kopf zusammen. So viel politische Dummheit konnten sie einfach nicht fassen - zumal so kurz nach dem Spesenskandal. "Was haben sie sich dabei nur gedacht?", fragte Schatzkanzler Alistair Darling. Und Außenminister David Miliband zeigte sich "entsetzt".
Zum Glück für Premierminister Gordon Brown ist der Einfluss des Trios in Regierung und Partei begrenzt. Hewitt, Hoon und Byers sind keine Brown-Vertrauten, sondern abgehalfterte Labour-Oldies aus der Blair-Zeit. In den vergangenen Jahren waren sie vor allem mit ihren Attacken gegen Brown aufgefallen. Hewitt und Hoon hatten zum Jahreswechsel den jüngsten Putsch gegen den Regierungschef angezettelt, waren aber schnell gescheitert, weil niemand mitmachen wollte. Alle drei sind längst diskreditiert und treten auch bei der Wahl nicht wieder an.
Für Brown ist dies jedoch nur ein geringer Trost. Denn der Eindruck, es sei etwas faul in der Politik, bleibt an den etablierten Parteien hängen. Deshalb kann sich auch der konservative Herausforderer David Cameron nicht wirklich freuen. Die Episode verstärkt vor allem die Politikverdrossenheit der Wähler. Das schadet den Tories, Liberaldemokraten und Labour gleichermaßen. Profitieren, warnen Kommentatoren, könnten am Ende die Protestparteien am rechten Rand: die UK Independence Party und British National Party.
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