Dienstag, 30. Juni 2009

Neues ZDF-Nachrichtenstudio

Mit einer projizierten Kulisse, 3-D-Grafiken und größeren Talkblöcken will das ZDF seine Nachrichtensendungen für jüngere Zuschauer attraktiver machen. VON DANIEL BOUHS

Aus der 30 Millionen Euro teuren "Grünen Hölle" wird künftig die Welt erklärt

Die Revolution kommt ganz in Grün daher, beansprucht 690 Quadratmeter und hat den Gebührenzahler knapp 30 Millionen Euro gekostet. "Grüne Hölle" nennen sie im ZDF schon scherzhaft ihr neues Nachrichtenstudio, aus dem vom 17. Juli an "heute"-Nachrichten und "heute journal" senden sollen.

Das Studio, in dem dieser Tage noch fleißig geprobt wird, ist bis auf einen riesigen Holztisch komplett leer. Ein Computer wird die Kulisse hinter dem Moderator in grüne Wände und Böden hinein berechnen. Und wenn es sein muss, auch mal ganze Flugzeuge, Kollegen oder die Kanzlerin.

"Information, wie wir sie heute präsentieren, wird für junge Leute immer uninteressanter", sagt Heiner Butz. Er war einst die rechte Hand von Wolf von Lojewski und fungiert nun als Projektleiter des neuen Studios. Butz sagt: "Wir setzen dieser Entwicklung etwas entgegen."

So werden sich Claus Kleber und Konsorten etwa von ihrem Tisch abwenden. Dann drehen sie sich nach hinten, wo ein Computer eine 3-D-Grafik einblendet. An diesen Modellen werden sie etwa den Unterschied einer alten Glühbirne zu einer Energiesparlampe erklären, die Absturzursache eines Flugzeugs erläutern oder demonstrieren, warum in Köln das Stadtarchiv einbrach. Weil das aufwändig ist und für jede Sendung neu einstudiert werden muss, sollen diese Passagen gelegentlich schon vor der Sendung aufgezeichnet werden.

Außerdem schreiten die Moderatoren künftig auch zu einem anderen Teil ihres riesigen Tisches, den sie "Informationskreuz" nennen. An einem "Dialogflügel" wollen sie häufiger als bisher mit Gästen plaudern. Vor allem das "heute journal" soll sich mehr denn je als Gesprächssendung profilieren.

Dafür stehen in dem neuen Studio zwei Roboter: Kameras, die von einer Firma gefertigt wurden, die sonst Fließbänder bei Opel bestückt. Ihre Gelenkarme schwenken nun also auch für das Fernsehen, nicht um Autos, sondern um Gesprächspartner herum. Die wiederum können auch aus einem künstlichen Schaufenster blicken, wenn sie es nicht ins Studio schaffen.

Bisher ist es ja so, dass Moderator und Gesprächspartner sich lediglich in einem geteilten Bildschirm begegnen, dabei aber aneinander vorbeisehen und den Zuschauer angucken. "Mit der neuen Technik können wir Gespräche endlich auflösen, wie das bisher nur in Talkshows geklappt hat", sagt Butz.

Ein Blick auf letzte Proben zeigt: Die neue Anmutung der Sendung wirkt ungewohnt, aber nicht albern. Das ZDF macht seinen Zuschauern nichts vor. Sie können immer erkennen, dass ihnen etwas Künstliches vorgesetzt wird. Dennoch dürfte für den Sender die Gefahr bleiben, dass vor allem das graumelierte Publikum zu "Tagesschau" und "Tagesthemen" wechselt.

Deren Kulisse ist zwar auch projiziert. Von 3-D-Grafiken, hantierenden Moderatoren und Talkrunden ist dort aber wenig zu sehen. Bisher, denn auch in Hamburg arbeiten sie an einem neuen Studio. Erste vage Pläne sehen aufwändige Kamerafahrten vor. Moderatoren könnten zudem durch Bildschirmberührung Grafiken steuern.

Nur an Erklärräume denken sie bei der "Tagesschau" nicht. Chefredakteur Kai Gniffke sagt: "Wir haben keine Zeit, mit den Moderatoren Effekte und den Gang um Animationen zu proben oder sogar aufzuzeichnen."

Montag, 29. Juni 2009

Chaos in Somalia - USA helfen Regierung mit Waffen

Die USA haben Waffen und Munition nach Somalia geschickt, um die dortige Regierung im Kampf gegen die islamistischen Rebellen zu unterstützen. Damit folgten sie einem dringenden Ersuchen aus Mogadischu nach sofortiger Hilfe.

Das bestätigte US-Außenamtssprecher Ian Kelly am Donnerstag in Washington. Einzelheiten über die Art der Waffen wurden nicht genannt. Indessen hackten Islamische Extremisten am Donnerstag in der somalischen Hauptstadt Mogadischu vier Männern jeweils eine Hand und einen Fuß ab. Die 18- bis 25-Jährigen sollen Waffen und Mobiltelefone gestohlen haben. Vor dem islamischen Gericht der Al-Shabab-Miliz hatten die Beschuldigten keinerlei Rechtsbeistand. Auch blieb es ihnen verwehrt, Einspruch gegen das Urteil einzulegen.

Das somalische Parlament ist nach einer Massenflucht von Abgeordneten praktisch nicht mehr beschlussfähig. Derzeit seien nur noch 280 Abgeordnete in Mogadischu, und täglich kehrten mehr dem Bürgerkriegsland den Rücken, berichtete der britische Rundfunksender BBC. Um gültige Beschlüsse zu verabschieden, müssen mindestens 250 der insgesamt 550 Parlamentarier anwesend sein. Unter anderem muss das Parlament in den kommenden Tagen dem von Präsident Sheik Sharif Ahmed ausgerufenen Notstand zustimmen.

Seit Beginn der schweren Kämpfe zwischen Regierungstruppen und radikalislamischen Milizen Anfang Mai und der Ermordung eines Abgeordneten sowie eines Ministers in der vergangenen Woche sind allein 130 Abgeordnete ins Nachbarland Kenia geflohen, davon 20 binnen weniger Tage. Die somalische Regierung hofft in dem Konflikt auf militärische Unterstützung durch Nachbarländer. Diese halten sich bislang jedoch zurück.

Nach Berichten kenianischer Medien erörterten der kenianische Präsident Mwai Kibaki und Premierminister Raila Odinga zusammen mit Sicherheitsexperten und führenden Vertretern des Militärs mögliche Folgen der Entwicklung in Somalia für das eigene Land. Über die Ergebnisse und ein mögliches Engagement in dem Krisenstaat wurde Stillschweigen bewahrt. Die islamischen Extremisten haben in der Vergangenheit wiederholt mit Anschlägen in Kenia gedroht, sollte das ostafrikanische Land die angeschlagene Regierung in Mogadischu unterstützen.

Kenia befürchtet von einer weiteren Destabilisierung Somalias schwere Folgen für die gesamte Region. Schon jetzt strömen monatlich rund 5000 Flüchtlinge aus Somalia über die eigentlich geschlossene Grenze. Das Flüchtlingslager Daadaab im kenianisch-somalischen Grenzgebiet gilt mit derzeit 300.000 Bewohnern inzwischen als größtes Flüchtlingslager der Welt. Ursprünglich war es für nur 90.000 Menschen geplant.

Äthiopien will Eisenbahnen neu beleben

Das nordostafrikanische Land Äthiopien setzt auf den massiven Ausbau des Schienennetzes. Im ersten Anlauf soll die bereits 100 Jahre alte Eisenbahnlinie von Addis Abeba nach Dschibuti wieder belebt werden, berichtet BBC-Online. In den vergangenen Jahren wurde Bahn, die die Hauptstadt Äthiopiens mit der ehemaligen französischen Hafenstadt Dschibuti verbindet, zugunsten des Lkw-Verkehrs vernachlässigt. Durch den Wegfall der äthiopischen Hafenstädte an Eritrea ist das Land nun auf Dschibuti angewiesen.

Die Franzosen hatten die Bahn im frühen 20. Jahrhundert in einer Meter-Spur errichtet. Doch seit vielen Jahren läßt die Infrastruktur zu wünschen übrig. Mindestens einmal pro Woche kam es zu Entgleisungen. Zu schwach waren die alten Schienen und die bröckelnden Brücken ließen nur geringe Tonnagen bei extrem langsamen Geschwindigkeiten zu. Das Verkehrsaufkommen sank auf ein Minimum, so dass die Bahnangestellten eine zeitlang ohne Bezahlung arbeiten mussten. Mit Hilfe der EU-Gelder soll sich das nun alles ändern.

Derzeit arbeitet man am Ausbau der Strecke zwischen Addis Abeba und Dire Dawa. Die Belastung der Geleise soll von derzeit 20 Kilogramm pro Meter auf das Doppelte vergrößert werden. Der Abschnitt zwischen Addis Abeba und Metahara - mit einer spektakulären Überquerung eines Vulkansees wurde bereits fertig gestellt. Zwischen Dire Dawa und Dschibuti gibt es einen eingeschränkten Bahngüterverkehr, der Obst, Gemüse und Kaffee in die Hafenstadt bringt. Aber auch Kamele für die Märkte in Saudi Arabien und die Golfstaaten kommen per Bahn nach Dschibuti. In 18 Monaten wird die Eisenbahn dann wieder durchgehend befahrbar sein. Zwar wird sich an der Spurbreite nichts ändern, allerdings werden die Tonnage und die Geschwindigkeit deutlich erhöht.

Bis zu zehn Züge täglich werden nach Angaben des Managers der äthiopischen Eisenbahn, To’om Terie, nach Komplettierung der Strecke nach Norden rollen. Das werde auch den Profit der Bahn deutlich heben. Was den Manager besonders freut, ist die Tatsache, dass die äthiopische Regierung Pläne vorgelegt hat, ein 5.000 Kilometer langes Bahnnetz im Land zu errichten. Diese Strecken würden allerdings auf Normalspur errichtet und mit Strom aus den großen Wasserkraftwerken gespeist werden. Zunächst denke man in erster Linie an Lastenzüge, wie auch Projektleiter Getachew Betru bestätigt. Die Pläne, wo und wie die Trassen verlaufen werden, sind noch nicht publik - aber die Kaffeeregion im Westen, die Leichtindustrie im Norden, die lebensmittelverarbeitende Industrie südlich der Hauptstadt und die bisher kaum bewirtschaftete Region im Süden sollen miteinander verbunden werden. Da Äthiopiens Topographie allerdings sehr große Höhenunterschiede aufweist, würde die Fertigstellung des Projekts erst weit im 21. Jahrhundert erfolgen.

Fall Neda wird Staatssache

Mahmud Ahmadinedschad beklagt "erfundene Berichte"
  • Er wolle den Tod Nedas untersuchen lassen und den Täter finden.
  • Er beklagt die "Propaganda ausländischer Medien" – und will offenbar gegensteuern.
Ahmadinedschad will den Tod der Studentin Neda untersuchen lassen. In einem Brief bat er Irans Justizchef Ayatollah Mahmud Haschimi Schahrudi, den Mord zu untersuchen und die Verantwortlichen zu finden und zu verurteilen, wie die Nachrichtenagentur Isna am Montag berichtete.

Ahmadinedschad verwies zur Begründung auf die "vielen erfundenen Berichte und die weitverbreitete Propaganda ausländischer Medien" über diesen "herzzerreißenden Zwischenfall". Die Feinde des Iran wollten die Situation missbrauchen, um das "makellose Bild der islamischen Republik zu beschmutzen", schrieb der Präsident demnach weiter.

Erst vor wenigen Tagen hatte ein Arzt, der nach eigenen Angaben bei der tödlich getroffenen Frau erste Hilfe leistete, die islamische Bassidsch-Miliz für den Tod Nedas verantwortlich gemacht. Ultrakonservative iranische Medien hatten zuvor dagegen berichtet, bei der benutzten Waffe habe es sich um Schmuggelware gehandelt; iranische Sicherheitskräfte seien daher nicht für den Tod von Neda verantwortlich.

Neda Agha-Soltan war bei den Protesten gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl erschossen worden. Die im Internet kursierenden Bilder der blutenden und sterbenden jungen Frau, machten binnen kurzer Zeit aus der Studentin eine Symbolfigur für den Widerstandskampf im Iran.

Zwar ist es letztlich nicht möglich, die Authentizität der Videos zweifelsfrei zu beweisen. Inzwischen gibt es aber eine Reihe von bestätigenden Zeugenaussagen zu dem Fall.

Wikipedia zensiert sich selbst

Im Zeitalter des Internets, Nachrichten zu unterdrücken, zu zensieren oder gänzlich aus der Öffentlichkeit herauszuhalten ist fast unmöglich. Fast. Ausgerechnet eine Allianz aus Journalisten, die sonst auf freier Berichterstattung bestehen, und Netzaktivisten, die in der Regel für Informationsfreiheit im Netz eintreten, haben bis gestern die Nachricht über die Entführung des New York Times Reporters David Rohde erfolgreich unterdrückt.

Rohde wurde im November 2008, vor sieben Monaten, von den Taliban in Afghanistan entführt und in einem Gefängnis festgehalten. Die New York Times wollte verhindern, dass die Nachricht Schlagzeilen macht, um den Marktwert des entführten Journalisten für die Taliban nicht zu steigern.

Rohde gehört nicht zu den prominenten Reportern der New York Times, dennoch hätten die Taliban mit ihm immerhin einen Pulitzer Preis Gewinner und hoch angesehenen Journalisten als Geisel gehabt.

Die Nachricht aus den klassischen Medien herauszuhalten sei nicht weiter kompliziert gewesen, sagt Times-Chefredakteur Bill Keller, dafür musste nur ein Redakteur den anderen anrufen, ihm die Situation erklären und die Sache sei klar gewesen. Die Veröffentlichung der Nachricht auf Wikipedia allerdings, sei weitaus komplizierter gewesen. Wikipedias Philosophie, dass jeder dort Einträge vornehmen könne und alle Informationen frei zugänglich sein sollten, standen der Unterdrückung der Nachricht zuwider.

Wikipedia Mitbegründer Jimmy Wales unterstützte das Vorhaben der New York Times und Wikipedia hat mehrfach die Veröffentlichung der Nachricht durch Autoren verhindert. Immer wieder habe es Einträge gegeben, die von der Entführung berichteten, sagt Bill Keller. Diese wurden jedoch sofort wieder gelöscht. Es sei eine Art Katz und Maus Spiel gewesen, das manchmal so weit ging, dass bestimmte Wikipedia Einträge für eine Änderung auf unbestimmte Zeit gesperrt wurden.

David Rohde wurde am 10. November 2008 zusammen mit einem Fahrer und einem Übersetzer entführt. Nur zwei Tage später wurde die Nachricht über die Entführung in dem Artikel bei Wikipedia über ihn eingefügt. Sein Kollege Michael Moss entfernte die Nachricht wieder. Am nächsten Tag hatte ein unbekannter Nutzer die Nachricht wieder eingefügt. Die New York Times wandte sich an Jimmy Wales und der sicherte seine Unterstützung zu.

Am vergangenen Sonnabend, nachdem David Rohde und sein Übersetzer aus dem Taliban-Gefängnis fliehen konnten, veröffentlichte die New York Times selbst den Bericht über die Entführung.

Sonntag, 28. Juni 2009

Soldaten nehmen Präsidenten von Honduras fest

Die politische Krise im mittelamerikanischen Honduras hat sich verschärft. Soldaten nahmen den linksgerichteten Präsidenten Manuel Zelaya fest und brachten ihn nach Regierungsangaben auf einen Militärstützpunkt am Rande der Hauptstadt Tegucigalpa. Zelaya hatte für diesen Sonntag gegen den Widerstand der Militärführung, der meisten Parteien und der Justiz eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung angesetzt, die ihm eine weitere Amtszeit ermöglichen würde. - Zelaya, der von Gewerkschaften und Bauern unterstützt wird, hatte im Machtkampf in den vergangenen Tagen den Verteidigungsminister und den Armeechef entlassen.

"Es gibt keine Alternative zur Annullierung der Wahl"

Mussawi lehnt Angebot des Wächterrats ab

Der unterlegene iranische Präsidentschaftskandidat Mir Hussein Mussawi besteht auf einer Annullierung der von massiven Fälschungsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl vom 12. Juni.

Einem Kompromissvorschlag des Ajatollah Ali Chamenei, kontrollierten Wächterrats erteilte er laut einer Veröffentlichung auf seiner Internetseite eine klare Absage. Das Gremium hatte sich bereiterklärt, zehn Prozent der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl von einem Sonderkomitee überprüfen zu lassen. Mussawi und der zweite unterlegene Kandidat, Mehdi Karubi, waren aufgerufen worden, ihre Vertreter für das Komitee binnen 24 Stunden zu benennen.

Nach Einschätzung Mussawis übersteigen die Unregelmäßigkeiten jedoch bei weitem zehn Prozent der abgegebenen Stimmen. Eine Überprüfung nur dieser Stimmen, würden nicht dazu beitragen, das Vertrauen des Volkes wiederherzustellen. "Es gibt keine Alternative zu einer Annullierung", schreibt Mussawi auf seiner Webseite.

Führung attackiert erneut Westen
Nach internationalen Appellen zur Achtung der fundamentalen Menschenrechte im Iran gab es von der Führung in Teheran eine erneute scharfe Attacke in Richtung Westen. Die iranische Nation werde "entschieden antworten", so dass der Westen "beschämt sei und bereue", drohte der umstrittene Mahmud Ahmadinedschad. "Ohne jeden Zweifel wird die neue iranische Regierung dem Westen entschiedener und machtvoller begegnen", fügte er laut staatlicher Nachrichtenagentur IRNA hinzu.

Wahl in "legaler und freier Atmosphäre"?
US-Präsident Barack Obama und Angela Merkel hatten zuvor nach einem Treffen in Washington die demokratischen Rechte der Iraner und die Notwendigkeit zur Beendigung der iranischen Nuklearpläne betont.

Auch eine Stellungnahme der führenden Industriestaaten und Russlands (G8) wies Teheran in scharfem Ton zurück. Sie stelle eine Einmischung in innere Angelegenheiten dar, zitierte die Nachrichtenagentur ISNA den Außenamtssprecher, Hassan Ghaschghawi. Die Präsidentschaftswahl am 12. Juni habe in einer "vollkommen legalen, freien und konkurrenzbetonten Atmosphäre" stattgefunden.

Beobachter in Teheran gehen davon aus, dass Ahmadinedschad mit seiner Warnung an den Westen deutlich machen wollte, dass die Kompromissbereitschaft Teherans bei Streitthemen wie dem iranischen Atomprogramm oder der Nahostpolitik geringer sein werde als je zuvor.

Offenbar nächtliche Razzien in Teheran
Nach Augenzeugenberichten terrorisieren Bassidsch-Milizen mit nächtlichen Razzien Einwohner von Teheran und anderen Städten. Ziel der Einsätze sei es, die Menschen an nächtlichen Protestrufen zu hindern. In den vergangenen Tagen erschallten von vielen Dächern immer wieder Slogans wie "Allahu Akbar - Gott ist groß".

Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf ihrer Webseite berichtete, dringen die regimetreuen Paramilitärs willkürlich in die Häuser ein, schlagen die Bewohner zusammen und feuern Schüsse in die Luft ab. Satellitenschüsseln würden konfisziert, damit die Besitzer keine Auslandssender mehr empfangen können. Die Milizen sprühen demnach auch farbige Markierungen auf Häuserwände und kehren später zurück, um die Türen einzutreten und die Bewohner zusammenzuschlagen.

"Augenzeugen erzählen uns, dass sich die Bassidsch-Milizionäre teilweise ganze Straßen vornehmen oder sogar ganze Viertel", sagte Sarah Leah Whitson, Nahost-Chefin der Gruppe.

Demonstrationen in deutschen Städten
Mehr als 1000 Menschen demonstrierten in Frankfurt am Main gegen den "Staatsterror im Iran", in Hamburg protestierten rund 300 Menschen vor dem iranischen Generalkonsulat gegen das "barbarische Vorgehen" der iranischen Führung.
Der "Deutschlandpakt" von NPD und DVU ist endgültig gebrochen. Die NPD beschloss bei der Landtagswahl in Brandenburg anzutreten. In diesem Bundesland sitzt die DVU im Landtag. Der Absprache zufolge hätte die Volksunion hier erneut antreten dürfen.

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Die rechtsextremen NPD und DVU hatten den "Deutschlandpakt" im Jahr 2005 beschlossen. Demnach tritt bei Wahlen jeweils nur eine der Parteien an, um eine Konkurrenzsituation zu vermeiden. Doch zuletzt hatte sich das Kräfteverhältnis immer deutlicher zu Gunsten der NPD verschoben. Bei der Europawahl holte die DVU nur 0,4 Prozent der Stimmen, während die NPD bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen in mehreren Bundesländern Dutzende Mandate gewinnen konnte.

In Brandenburg sitzt die DVU allerdings noch im Landtag, doch die Chancen auf einen erneuten Einzug werden nur noch als gering eingeschätzt - auch von der NPD. Schon Anfang der Woche hatte sich daher der NPD-Landesverband für einen Kandidatur ausgesprochen. Diesem Kurs schloss sich nun auch der Parteivorstand an. Wie der NPD-Bundespressesprecher und Landeschef in Brandenburg, Klaus Beier, gegenüber tagesschau.de sagte, habe der Bundesvorstand eine eigene Kandidatur einstimmig beschlossen.

Listenplätze für die DVU
Beier kündigte an, dass die NPD der DVU aber den ersten und dritten Listenplatz anbieten werde. Allerdings sei ein Wahlerfolg nur unter den drei Buchstaben NPD möglich, so Beier weiter.

Zuvor hatte bereits NPD-Chef Udo Voigt die Wahlabsprachen mit der DVU offen in Frage gestellt. Hintergrund des Machtkampfs sind unter anderem Konflikte zwischen führenden Funktionären. So wollte der neue DVU-Pressesprecher Andreas Molau, der auch noch Mitglied der NPD ist, die Nachfolge von Voigt antreten. Allerdings wurde Molau in den internen Machtkämpfen der NPD zerrieben und schloss sich der DVU an.

Kommt eine Fusion?
Experten hatten schon länger auf ein Ende des "Deutschlandpakts" spekuliert, da die NPD bereits in Thüringen der DVU die Kandidatur für die Landtagswahl abgenommen hatte. Die NPD verfügt in mehreren Bundesländern - besonders in Ostdeutschland - über eine aktive Basis, der flächendeckende Wahlkämpfe zugetraut werden. Die DVU galt hingegen unter dem Gründer und langjährigen Vorsitzenden Gerhard Frey als eine "Phantompartei", welche öffentlich fast ausschließlich in Wahlkampfzeiten durch Plakate und Postwurfsendung wahrzunehmen war.

Im Januar 2009 zog sich Frey als DVU-Chef zurück, seitdem versucht sein Nachfolger Matthias Faust die Partei strategisch neu aufzustellen. Bislang allerdings mit bescheidenem Erfolg. Der Verfassungsschutz sieht die DVU als eine sterbende Partei. Rechtsextreme Funktionäre diskutieren daher bereits über eine Fusion von NPD und DVU.

Nokia Siemens Networks hat eine Überwachunganlage nach Iran verkauft - ohne zuvor einen Exportantrag beim zuständigen Bundesamt zu stellen. Auch der Auslandsgeheimdienst BND soll nach SPIEGEL-Informationen nichts gewusst haben. Die Lieferung sorgte vor allem in den USA für Empörung.

Ohne Wissen der Bundesregierung fand der umstrittene Export einer Überwachungsanlage für Telekommunikation nach Iran durch Nokia Siemens Networks statt.

Das deutsch-finnische Gemeinschaftsunternehmen hat nach eigenen Angaben "nach eingehender Prüfung" keinen Exportantrag beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gestellt, da die Anlage auf keiner schwarzen Liste der Bundesregierung gestanden habe und weder für militärische Nutzung noch für das Nuklearprogramm bestimmt gewesen sei.

Stattdessen wurde die hochmoderne Abhöranlage, mit der das iranische Regime Telefonate überwachen und Verbindungsdaten auswerten kann, im vergangenen Jahr via Dubai ausgeführt.

Vor allem in den USA ist der Verkauf hoch umstritten, weil die iranische Anlage nach Angaben von Kritikern jüngst zur Überwachung Oppositioneller eingesetzt werden konnte. Laut Regierungskreisen war auch der Bundesnachrichtendienst (BND) in den Deal nicht eingebunden.

Der Auslandsgeheimdienst hatte zwar jahrelang eine enge Kooperation mit Siemens gepflegt, bei der technische Details ausgetauscht wurden und der BND einen verborgenen Zugang zu vielen Siemens-Anlagen erhielt – dadurch waren die Geheimdienstler etwa im Nahen Osten in der Lage, unbemerkt Gespräche zu belauschen.

Diese Kooperation endete aber kurz nach der Jahrtausendwende, nachdem ein zuständiger BND-Mann verstorben war und auch ein Siemens-Zentral-Vorstand, der den engen Draht zum Nachrichtendienst hielt, das Unternehmen verlassen hatte.

Ein Taktiker will Macht und Reichtum schützen

  • Im Machtkampf in Iran verhält sich ein Mann auffällig vorsichtig
Ali Akhbar Haschemi Rafsandschani, Ex-Präsident und reichster Mann im Land. Viele Experten glauben, dass er hinter den Kulissen einen Weg aus der Staatskrise sucht - und in Zukunft wieder eine wichtige Rolle spielen könnte.

Das Ringen um die Macht in Iran geht weiter: Der nach offizieller Zählung unterlegene Präsidentschaftskandidat Hossein Mussawi lehnt einem engen Vertrauten zufolge die Teilnahme an einer Nachzählung in einzelnen Bezirken ab. Mussawi bestehe auf einer Annullierung der Wahl, sagte er am Samstag Reuters in Teheran. Mussawi werde auf seiner Internetseite eine Erklärung veröffentlichen, in der es unter anderem heiße: "Diese Nachzählung wird die Unklarheiten nicht beseitigen. Es gibt keine Alternative zu einer Annullierung." Einige Mitglieder des Gremiums, das für die Zählung einberufen wurde, seien nicht neutral.

Der mächtige Wächterrat der Islamischen Republik hatte die Nachzählung vorgeschlagen, um den Vorwurf des Wahlbetrugs zu entkräften. Offiziellen Angaben zufolge sollen die Stimmzettel aus zehn Prozent der Wahllokale überprüft werden, die nach dem Zufallsprinzip ausgesucht werden. Bei der Abstimmung vor zwei Wochen soll angeblich Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad mit großer Mehrheit bestätigt worden sein. Bei Protesten gegen den Ausgang der Wahl wurden mehrere Menschen getötet.

Einer der mächtigsten Unterstützer Mussawis vor der Wahl war Ali Akbar Haschemi Rafsandschani - seit der Abstimmung aber ist es um den regierungskritischen Ex-Präsidenten ziemlich ruhig geworden, rätselhaft ruhig. Dabei steht für ihn derzeit beinahe alles auf dem Spiel: Der Konflikt um den Ausgang der Wahl entscheidet auch seine Zukunft.

Entschließt sich die Führung in Teheran für eine ruhige Gangart, dann könnte er der Mann sein, der zwischen Hardlinern und Regierungsgegnern vermittelt und so die Islamische Republik rettet. Entscheidet sich das konservative Regime jedoch weiterhin für ein brutales Vorgehen gegen die Protestbewegung, so dürfte selbst Rafsandschani ins Visier der Staatsmacht geraten. Die kurzzeitige Verhaftung von Rafsandschanis Tochter Faeseh, die zu Mussawi-Anhängern gesprochen hatte, war bereits ein eindeutiger Warnschuss des Regimes.

Schlichterrat: Opposition soll mit Wahlprüfern kooperieren

Nach langem Schweigen meldete sich Rafsandschani am Samstag zu Wort - mit einer Botschaft des Kompromisses zwischen Hardlinern und Reformern. Der von ihm angeführte Schlichterrat des Landes hat einerseits die Opposition zu einer Zusammenarbeit mit der Führung in Teheran aufgefordert. Das Gremium appellierte am Samstag an die unterlegenen Kandidaten, mit der neuen Sonderkommission zu kooperieren, die im Auftrag des Wächterrats den Wahlhergang untersuchen soll. In einer Erklärung schrieb Rafsandschani aber auch: "Wir fordern auch den Wächterrat auf, alle Beschwerden und Einwände genau zu untersuchen." Der Schlichterrat vermittelt für gewöhnlich zwischen Wächterrat und Parlament.

Im Wahlkampf hatte Rafsandschani noch viel klarer Partei bezogen. Klar und eindeutig stellte sich der 75-Jährige gegen Ahmadinedschad und stärkte dem moderaten Mussawi den Rücken. Doch seit der umstrittenen Abstimmung vom 12. Juni trat Rafsandschani nicht ein einziges Mal persönlich in der Öffentlichkeit auf.

Über die Gründe dafür wird viel spekuliert. Mal soll Rafsandschani hinter den Kulissen einen Kompromiss aushandeln, mal die Straßenproteste orchestrieren. Und dann sind da einige, die vermuten, Rafsandschani plane kraft seines Amtes als Vorsitzender der Expertenversammlung den Sturz des geistlichen Oberhaupts des Landes, Ajatollah Ali Chamenei.

"Trotz all dieses Geredes über Hinterzimmer-Aktivitäten sehe ich nichts", sagt der Iran-Experte Anusch Eschtami von der Universität Durham. "Das bedeutet, dass er keinen Fortschritt erzielen konnte - welche Absicht auch immer er verfolgt."

Nach Ansicht von Baker Moins, Biograf von Ajatollah Ruhollah Chomenei, sorgt sich Rafsandschani nicht allein um sein politisches Überleben, sondern auch um die Zukunft der Islamischen Republik, die er einst mitbegründete. "Er will nicht, dass sie von den Hardlinern ruiniert wird. Er denkt, dass sie Chamenei beeinflusst haben", sagt der Londoner Iran-Experte Moins.

Human Rights Watch: Milizen-Terror mit Razzien in der Nacht

Rafsandschani selbst würde könnte einem Sieg der Hardliner zum Opfer fallen. Daher bemühe er sich hinter verschlossenen Türen um einen Ausweg. "Sein Hauptziel ist, die Legitimation des Establishments zu erhalten, die durch den Streit über die Wahl Schaden genommen hat", sagt ein Experte, der ungenannt bleiben will.

Wahrscheinlich geht Rafsandschani, politisches Stehaufmännchen und Pragmatiker, aber auch aus Selbstschutz nicht in die Offensive. Ahmadinedschad hat nie ein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen ihn gemacht und ihm und seinen Söhnen im Wahlkampf Selbstsucht und Korruption vorgeworfen.

Vielleicht hält sich Rafsandschani aber auch einfach nur alle Optionen offen und wartet ab, bis sich die Wogen geglättet haben. "Er könnte eine große Rolle spielen, da er das wichtigste Bindeglied zwischen Führung, Chamenei, vielen Religionsgelehrten und Reformkräften ist", sagt Moins.

Ahmadinedschad hat den Westen am Samstag wieder attackiert. Er forderte die G-8-Staaten auf, ihre Haltung gegenüber seinem Land "zu korrigieren". "Es ist genug. Blamieren Sie sich durch solche Sprache und solch ein Verhalten nicht weiter", sagte er laut Nachrichtenagentur Irna. Er warf US-Präsident Barack Obama eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes vor. Obamas Äußerungen widersprächen "den Regeln und der Höflichkeit". Obama hatte sich "erschüttert" über den Umgang mit regierungskritischen Demonstranten im Iran gezeigt und das offiziell verkündete Wahlergebnis in Zweifel gezogen.

Nach Augenzeugenberichten terrorisieren Basisch-Milizen mit nächtlichen Razzien Einwohner von Teheran und anderen Städten. Die paramilitärische Miliz dringe willkürlich in Privatwohnungen ein und schlage die Bewohner, hieß es in einem Bericht der Organisation Human Rights Watch, der in Washington veröffentlicht wurde. Ziel der Einsätze sei es, die Menschen an nächtlichen Protestrufen von den Dächern zu hindern. Eine unabhängige Bestätigung für die Berichte liegt nicht vor.

"Augenzeugen erzählen uns, dass sich die Basisch-Milizionäre sich teilweise ganze Straßen vornehmen oder sogar ganze Viertel", sagte Sarah Leah Whitson, Nahost-Chefin der Gruppe. Der Bericht zitiert mehrere Teheraner, darunter einen Bewohner des Bezirks Wanak: "Als wir am 22. Juni von den Dächern 'Allahu Akbar' riefen, rückten die Basischi in unser Viertel ein und begannen scharf in die Luft zu schießen, und zwar Richtung der Gebäude, von denen sie dachten, dass von dort die Rufe kommen." 'Allahu Akbar' ist ein religiöser Ruf und bedeutet soviel wie 'Gott ist allmächtig'.

Eine Frau sagte den Menschenrechtlern, die Milizionäre seien am 23. Juni im Bezirk Welendschak über Mauern geklettert, nachdem es ihnen nicht gelungen sei, das Tor zu einem Wohngelände einzutreten. "Sie drangen in die Häuser ein und schlugen die Bewohner. Als Nachbarn sie mit Flüchen eindeckten und Steine auf sie warfen, um sie von den Schlägen abzubringen, griffen sie die Häuser der Nachbarn an und versuchten, dort einzudringen."

Ein weiterer Teheraner berichtete, die Miliz habe in einem zentral gelegenen Viertel bestimmte Häuser zunächst mit Zeichen markiert. Dann seien weitere Kräfte angerückt und hätten die Türen der gekennzeichneten Gebäude aufgebrochen. "Sie prügelten die Bewohner, zerschlugen die Fenster des Hauses und der Autos, die der Familie gehörten." Der Menschenrechtsorganisation zufolge liegen ähnliche Berichte aus weiteren Teilen der Hauptstadt vor, vor allem aus besseren Wohngebieten.

Mehr als 1000 Menschen demonstrierten am Samstag in Frankfurt am Main "gegen den Staatsterror im Iran", in Hamburg protestierten rund 300 Menschen vor dem iranischen Generalkonsulat gegen das "barbarische Vorgehen" der iranischen Führung.

Samstag, 27. Juni 2009

Deutschland und USA erhöhen Druck auf iranische Führung

Deutschland und die USA haben einen schärferen Ton gegenüber dem Iran angeschlagen.

Die Gewalt gegen die massenhaften Demonstrationen iranischer Bürger bewege sich außerhalb jeglicher internationaler Normen, sagte US-Präsident Barack Obama am Freitag nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel. Beide Politiker forderten zugleich ein Ende des iranischen Atomprogramms. Die nukleare Bewaffnung des Irans müsse verhindert werden. "Die Uhr tickt", sagte Obama. Auch bei den G8-Außenministern stieß das massive Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten auf Kritik. Im Iran verlangte unterdessen der einflussreiche Geistliche Ahmed Chatami die Todesstrafe für die Anführer der Proteste.

"Wir sprechen mit einer Stimme gegen die Gewalt im Iran", sagte Obama. "Was im Iran geschieht, ist absolut inakzeptabel." Merkel betonte, das iranische Volk habe wie jedes andere auch ein Recht auf Demonstrationen und Meinungsfreiheit. Dem Iran müsse im 21. Jahrhundert klar sein, dass die Weltgemeinschaft genau hinschaue, wie mit Demonstranten umgegangen werde.

Beide Politiker wollen zudem den Duck in der Atompolitik hochhalten. Gemeinsames Ziel sei, dass der Iran sich nicht mit Atomwaffen ausrüsten dürfe, sagte Merkel. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte nach dem G8-Minister-Treffen im norditalienischen Triest: "Es ist unerträglich, was wir im Iran gesehen haben." Das von der iranischen Führung vorgelegte Wahlergebnis sei höchst zweifelhaft.

GEISTLICHER - TODESSTRAFE FÜR AUFRÜHRER

"Ich will, dass die Justiz die Rädelsführer hart und ohne Gnade bestraft, um allen eine Lektion zu erteilen", sagte Chatami beim Freitagsgebet in Teheran. "Nach islamischen Recht muss derjenige, der gegen den islamischen Staat kämpft, als Mohareb bestraft werden." Einem solchen "Feind Gottes" droht die Todesstrafe. Anhänger des bei der Präsidentenwahl unterlegenen Reformers Mirhossein Mussawi wollten derweil am Freitag Tausende Luftballons aufsteigen lassen, um an eine bei einer Kundgebung getötete junge Frau namens Neda zu erinnern. Sie ist zu einer Symbolfigur der Proteste geworden.

Chatami sagte beim Freitagsgebet in der Universität Teheran, die Rädelsführer müssten "rücksichtslos und grausam" bestraft werden. Der erzkonservative Geistliche gehört der Expertenversammlung an, die theoretisch die Macht hätte, den Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei abzuwählen. Die Versammlung hat allerdings noch nie einen solchen Versuch unternommen. Dass ihr Vorsitzender, der Mussawi-Verbündete und Ahmadinedschad-Rivale Akbar Haschemi Rafsandschani, den radikalen Schritt wagen könnte, ist eher unwahrscheinlich.

Die Behörden werfen Mussawi vor, für die Toten und Verletzten bei den Demonstrationen verantwortlich zu sein. Nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens wurden acht Angehörige der Bassidsch-Milizen getötet. Zuvor hatte es in iranischen Medien geheißen, 20 Menschen seien bei den Kundgebungen getötet worden. Die Bassidsch-Miliz ist wegen ihres harten Vorgehens gegen die Demonstranten berüchtigt.

WÄCHTERRAT: KEINE SCHWEREN UNREGELMÄSSIGKEITEN BEI WAHL

Hunderttausende Iraner hatten dagegen protestiert, dass nach der Präsidentenwahl am 12. Juni Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad zum Sieger erklärt worden war. Sie vermuten Unregelmäßigkeiten. Dagegen nannte der Wächterrat am Freitag die Wahl die sauberste seit der islamischen Revolution vor 30 Jahren. Die Prüfung der Beschwerden von Mussawi und anderer unterlegener Kandidaten sei so gut wie abgeschlossen, sagte der Sprecher des Wächterrates, Abbasali Kadchodai. "Es gab keine gravierenden Unregelmäßigkeiten." Der Rat hat bereits die Forderung Mussawis nach Annullierung der Wahl zurückgewiesen.

Die Erklärung des zwölfköpfigen Wächterrats, des höchsten Kontrollorgans für Rechtsfragen, lässt kaum noch Raum für weitere rechtliche Schritte. Mussawi hat seine Anhänger zu weiteren legalen Protesten aufgerufen. Auf seiner Internetseite hieß es, es habe Wahlmanipulationen gegeben. Er sei bereit zu beweisen, dass diejenigen, die hinter den Manipulationen steckten, für das Blutbad verantwortlich seien.
  • Die Piusbrüder pfeifen auf Rom
  • Trotz Ermahnung weihten die Erzkonservativen wieder Diakone
  • Nicht nur die Zeremonie selbst sorgte für Aufregung in Bayern.
FOCUS-Redakteur Christian Sturm, Zaitzkofen

Der Generalobere der Piusbrüder, Bischof Bernard Fellay, seine Hände auf einen neuen Priester

Fast überall in Bayern regnete es am Samstag, dem Gedächtnistag der immerwährenden Hilfe Mariens. Doch in Zaitzkofen, im südlichen Zipfel der Oberpfalz, nur 25 Kilometer von Regensburg entfernt, lachte die Sonne. Vor allem bei den Patres der Glaubensgemeinschaft der Piusbruderschaft.

So viele Zuschauer, Neugierige und Gläubige waren noch nie in den Schlosspark gekommen. In dem 200 Einwohner Dorf war alles festlich geschmückt – weiß-blau, die Staatsfarben von Bayern, und gelb-weiß, die Farben der katholischen Kirche. Zaitzkofen ist ein schmerzhafter Stachel für die deutschen Bistümer. Vor allem für den zuständigen Diözesanbischof Gerhard Ludwig Müller von Regensburg. Die erzkonservativen Glaubensbrüder von St. Pius X., die vor einigen Monaten noch aus der katholischen Kirchengemeinde ausgeschlossen waren und die Papst Benedikt XVI. wieder in die Gemeinschaft Roms aufnahm, pfeifen auf den Gnadenserweis. Trotz Verbot, keine Priesterweihen durch zu führen, weihten sie am Samstag drei Priester und zwei Diakone.

Der Generalobere der deutschen Bruderschaft, Pater Franz Schmidberger, sagte: Die Weihen seien gegen niemanden gerichtet. Sondern sie sind für den Papst und für die Bischöfe. „Die Weihen sind der beste Dienst in Zeiten schwerster Glaubensverwirrung und des dramatischen Priestermangels.“

Bischof Müller tobt

Gerhard Ludwig Müller, in dessen Diözese die Weihen stattfanden, ist erbost. Dass die Bruderschaft trotz der ablehnenden Haltung des Vatikans an den Weihen festhalte, sei „ein Akt der Widerspenstigkeit und einer gewissen Borniertheit“, sagte der Bischof von Regensburg. Im Vatikan gebe es einen klaren Kurs, so Bischof Müller: „Sie sind unerlaubt.“ Das Weihesakrament soll der Einheit der Kirche dienen und nicht „Sonderwege oder gar Abspaltungen“ rechtfertigen. Aber verhindern konnte der Regensburger Oberhirte die Weihen nicht.

Pater Andres Steiner von der Bruderschaft entgegnet: „Hat der nicht andere Sorgen. Die deutsche Amtskirche will doch nur an ihrer Macht festhalten.“

Der suspendierte spanische Traditionalistenbischof der Pius-Bruderschaft, Alfonso de Galarreta, weihte den Mathematiker und Altphilologen Hakan Erik Lindström, 30, aus Stockholm, den polnischen Forstfachmann Lukasz Szydlowski, 26, und den Schweizer Bauernsohn Thomas Suter, 26. Zudem spendete der Piusbischof noch zwei Diakonen die Weihen. Ursprünglich waren drei vorgesehen. Aber der Südtiroler Elias Stolz, 28, brach sich beim Sport wenige Tage zuvor ein Bein.

Skandal um Malteser-Hilfe

Xare, ein Helfer des Malteser Hilfsdienstes, wollte eigentlich den Gläubigen bei der Weihe beistehen, die fast fünf Stunden in der Sonne auf dem Rasen vor dem Schloss der Piusbruderschaft ausharrten. Noch am Donnerstag sagte er der Freiwilligen Feuerwehr von Zaitzkofen zu, dass der Malteser Hilfsdienst zwei Sanitäter für die medizinische Versorgung abstellen werde. Am Freitag um 17 Uhr rief der Malteserhelfer Xare seinen Freund Sepp bei der Feuerwehr an und sagte den Dienst ab. „Wir dürfen nicht“, erklärte er, „die Diözese hat uns geraten, nicht zu helfen, ansonsten würden uns die finanziellen Mittel für die Malteser gestrichen werden.“

Sepp, der Feuerwehrmann, ist erbost. „Was sind denn das für Christen, die Hilfe, vor allem für ältere Leute, verbieten? Unser Bischof Müller braucht sich bei uns nicht mehr sehen lassen. Das ist ein Wilder.“ Dennoch waren zwei Malteser vor Ort – allerdings in Zivil und zwei Ärzte: „Uns verbietet niemand was.“

Machtwort vom Papst

Die Piusbruderschaft von Zaitzkofen erwartet in nächster Zeit offenbar Disziplinarstrafen aus Rom. Das erhofft sich jedenfalls Regensburgs Bischof Müller. „Aber was soll der Papst machen?“, fragt Pater Andres Steiner, Sprecher der Erzkonservativen. „Seit mehr als 30 Jahren weihen unsere Bischöfe Priester – und auf einmal sollen wir deswegen diszipliniert werden.“ Papst Benedikt XVI. will in einem sogenannten „Motu Proprio“ (Aus eigenen Antrieb) zu den Weihen Stellung nehmen. „Ich vermute, es wird nicht viel dabei herauskommen“, sagt Pater Andreas. „Der Papst wird milde sein.“

Der renommierte, emeritierte Münchner Philosophie-Professor Robert Spaemann versteht die Aufregung um die Priesterweihen nicht. „Wollte Rom die Lehrgespräche mit der Bruderschaft an die Bedingung des einstweiligen völligen Verzicht auf Sakramentenspendung knüfen, dann hieße das, sie müsste sich erst einmal auflösen, ehe die Gespräche überhaupt begonnen haben. Kein gutwilliger und vernünftiger Mensch wird das verlangen. Wer es verlangt, will eine Bedingung stellen, von der er weiß, dass sie unerfüllbar ist.“ Der einstige Professor klärt auf: „Im Übrigen müssten dann alle Wiedervereinigungsgespräche mit den orthodoxen Kirchen suspendiert werden, weil ihre Weihen nicht vom Papst approbiert, also unerlaubt sind. Und ebenso hätte der Papst sich schuldig gemacht durch die Wiederaufnahme der chinesischen patriotischen Bischöfe, ohne dass von ihnen der Austritt aus der patriotischen Vereinigung verlangt worden wäre.“

Zaitzkofen will die Piusbrüder

Nach der fünfstündigen Weihe brieten Feuerwehrmänner der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Grillrost Bratwürste und Schweinehalsgrat. Viele Einwohner aus dem Dorf Zaitzkofen sind stolz auf die Patres und Brüder in dem Schloss, das früher dem Grafen Montgelas gehörte, der in Bayern die Kirchen abschuf. Alle zwei Wochen feiert der Dorfpfarrer in der Heiligen-Stephanus-Kirche Gottesdienst. Mehr Zeit hat er nicht, weil er zwei Pfarreien versorgen muss. Der Prückl-Wirt hat dafür kein Verständnis: „Im Schloss haben wir zehn Patres und die dürfen nur in ihrer Kirche Messdienste feiern. Und wir haben einen Pfarrer aus Indien, der kaum Deutsch spricht, den keiner versteht und der kommt nur alle zwei Wochen zu uns. Wir wollen unsere Pius-Brüder, die sind höflich und nett und hilfsbereit. Da gehen wir doch lieber zu unseren Piusbrüdern, als zum Ortsgeistlichen.

Nächste Woche stellt die Pius-Bruderschaft ihr Schloss der Feuerwehr und dem Schützenverein „Lustige Brüder“ für das Sommerfest bereit. „Wir sind doch alles Brüder und feiern können die auch“, sagt der Wirt Toni „Zum Prückl“. Bier schenken die Patres aus. Das kann der indische Ortspfarrer nicht.
Kaum noch Hoffnung für Quelle: Der Versandhändler musste sämtliche Gelder kurz vor dem Insolvenzantrag an den Mutterkonzern überweisen - der Betriebsrat will diesen Vorgang nun prüfen. Bayerns Ministerpräsident Seehofer appelliert direkt an die Kanzlerin, das Unternehmen doch noch zu retten.

Berlin/München - Quelle hofft darauf, dass der Staat dem insolventen Versandhändler beispringt - doch der Konzern ist nach Meinung der Bundesregierung in seiner heutigen Form nicht überlebensfähig. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" heißt es in Regierungskreisen übereinstimmend, dass das Unternehmen wahrscheinlich am Ende geordnet abgewickelt werden müsse.

Das gelte selbst für den Fall, dass sich der Bund und das Land Bayern am Montag entschlössen, Quelle den beantragten Staatskredit in Höhe von 50 Millionen Euro zu gewähren. Im besten Fall finde sich ein Investor, der Teile des Betriebs übernehme und die zugehörigen Arbeitsplätze rette.

Die Einschätzung aus Berlin sei auch von einem ranghohen Mitglied der bayerischen Staatsregierung bestätigt worden. Quelle habe sich überlebt, daher sei auch "die Liquidation des Unternehmens ein denkbares Szenario", sagte das Regierungsmitglied. Selbst Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) wollte den Angaben zufolge nicht mehr von einer Rettung sprechen. "Der Massekredit ist eine Übergangslösung. Es muss bei Quelle erheblich mehr geschehen", sagte Zeil.

Die Aussagen sind der Zeitung zufolge auch deshalb bedeutsam, weil Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wiederholt den Anschein erweckt habe, das Unternehmen könne mit Hilfe des Staates dauerhaft überleben. Nach Firmenangaben seien bis zu 10.000 Arbeitsplätze gefährdet.

Die Notlage des Versandhauses stellt sich unterdessen noch dramatischer dar, als bislang bekannt. Quelle muss bereits seit fast drei Wochen ohne eigene flüssige Mittel auskommen, weil das Unternehmen sein Geld wenige Stunden vor dem Insolvenzantrag Anfang Juni an den Mutterkonzern Arcandor überwiesen hat. Ein entsprechender Bericht der "Süddeutschen Zeitung" wurde von einem Arcandor-Sprecher bestätigt.

Mit der Insolvenz habe dieser Schritt aber nichts zu tun gehabt, sagte der Sprecher. Vielmehr handele es sich um ein übliches Verfahren, dass Tochterfirmen ihr Guthaben im sogenannten "Cash- Pooling" an die Mutter überführten. Die Tochterfirmen würden aus diesem Pool dann wiederum mit Geld versorgt. Dies sei ein automatisiertes System auf täglicher Basis. "Jeden Tag gehen Finanzströme in beide Richtungen", sagte er.

Der Quelle-Gesamtbetriebsrat kündigte an, das Verfahren zu prüfen. "Wir wollen auf Cent und Euro wissen, wie diese letzten Tage verlaufen sind", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ernst Sindel.

CSU-Chef Horst Seehofer hat an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appelliert, in der Hängepartie um einen Kredit für das insolvente Versandunternehmen Quelle positiv zu entscheiden. "Ich habe kein Verständnis dafür, wie die Bundesregierung solche Dinge behandelt", sagte Seehofer am Samstag am Rande einer Parteiveranstaltung in Dachau zur zögerlichen Haltung insbesondere von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD).

Terrorfinanzierung mit Siemens-Schmiergeld

Sind Schmiergelder des Siemens-Konzerns in Bangladesch an eine Terrorgruppe weitergeleitet worden? Die Regierung des Landes hat nach SPIEGEL-Informationen eine Kommission eingerichtet, um diesen Verdacht zu prüfen. Im Zentrum der Affäre steht ein korrupter Minister.

Hamburg - Die Regierung von Bangladesch hat eine Untersuchungskommission gebildet, die feststellen soll, ob Schmiergeld, das der Siemens-Konzern im Land gezahlt hat, an eine islamistische Terrororganisation weitergeflossen ist. Nach Informationen des SPIEGEL geht es um Zahlungen, die allem Anschein nach an den früheren Telekommunikationsminister des Landes gegangen sind, um Siemens 2004 den Auftrag für ein Mobilfunknetz zu sichern.

Siemens hat den Vorgang gegenüber der amerikanischen Börsenaufsicht eingeräumt. Aminul Haque, der Minister, wurde später von einem Gericht in Bangladesch zu einer Haftstrafe von 31 Jahren verurteilt, weil er Aktionen der islamistischen Terrorgruppe Jamaat ul-Mudschahidin Bangladesch (JMB) dirigiert hatte; er befindet sich auf der Flucht. Siemens zufolge hatte ein Vertrauter des Ministers rund 1,7 Millionen Dollar von dem Konzern bekommen, damit Haque den Zuschlag für die Deutschen absicherte.

Tatsächlich erhielt Siemens den Auftrag über 40,9 Millionen Dollar und der Minister nach Erkenntnissen von US-Ermittlern einen Teil des Bestechungsgelds. Ob er dieses Geld oder Teile davon an die JMB weitergereicht hat, soll die Kommission nun klären. "Es geht um schwere Vorwürfe, um Kickbacks, die bei der JMB gelandet sein sollen; das steht ganz oben auf der Agenda, auch im Büro der Premierministerin", sagte der Leiter der Kommission, Hasanul Haq Inu.

Siemens will nicht ausschließen, dass Bestechungsgeld bei der Terrorgruppe gelandet ist; im Rahmen früherer, eigener Untersuchungen habe der Konzern aber keine Hinweise darauf gefunden.

Madoffs Ehefrau muss Millionenvermögen abgeben

Am Montag fällt das Urteil im Prozess um den US-Milliardenbetrüger Bernard Madoff. Eine Entscheidung traf das Gericht bereits: Madoffs Ehefrau Ruth wird der Großteil des noch millionenschweren Familienbesitzes entzogen - Autos, Villen und Yachten.

New York - Die privaten Vermögenswerte der Madoffs, die eine Summe von mehr als 80 Millionen Dollar ergeben, sollen der Entschädigung der Opfer des Spekulanten dienen. Villen, Autos, Yachten müssen nun veräußert werden.

Ruth Madoff: Ihr bleiben 2,5 Millionen Dollar Vermögen
Immerhin 2,5 Millionen Dollar (1,8 Millionen Euro) darf Madoffs Frau Ruth, 68, behalten. Diesen Vergleich mit den Strafverfolgern segnete Richter Denny Chin am Freitag in New York ab.

Die Ermittler legen seiner Frau bisher keine Betrugsdelikte zur Last.

An diesem Montag entscheidet das Gericht über das Strafmaß für den geständigen Mega-Betrüger Madoff. Möglich sind bis zu 150 Jahre Gefängnis.

Madoffs Anwalt plädierte auch wegen des Alters seines Mandanten für lediglich zwölf Jahre Haft.

Madoff, ehemaliger Verwaltungsratschef der Technologiebörse Nasdaq, hat laut Anklage mit einem Schneeballsystem 4800 Anleger um einen zweistelligen Milliardenbetrag gebracht.

Gewinne bestehender Kunden bezahlte er mit dem Geld neuer Anleger. In der Finanzkrise zogen Anleger hohe Summen ab und brachten das System so zum Einsturz.

Madoff bekannte sich vor dem Bezirksgericht in Manhattan in allen elf Anklagepunkten für schuldig, darunter Betrug, Geldwäsche und Untreue. Richter Chin lehnte daraufhin eine Freilassung gegen Kaution ab.

Koalitionsfraktionen wollen Ex-HRE-Vorstände vor Gericht bringen

Die Fraktionen von Union und SPD wollen die Bundesregierung zwingen, die ehemaligen Vorstände der Hypo Real Estate auf Schadensersatz zu verklagen. Dem SPIEGEL liegt der Entwurf eines entsprechenden Antrags vor. Nur so könnten "die Interessen der Steuerzahler" gewahrt werden.

Berlin - Unionsfraktionschef Volker Kauder und sein SPD-Kollege Peter Struck wollen den Antrag SPIEGEL-Informationen zufolge kommende Woche in den Bundestag einbringen. Danach soll die Regierung das Fehlverhalten der ehemaligen HRE-Spitze um Georg Funke untersuchen und "einen Hauptversammlungsbeschluss herbeiführen, welcher den Aufsichtsrat der Hypo Real Estate Holding AG verpflichtet, Schadensersatzansprüche geltend zu machen".

In der Begründung heißt es, der Bund setze über 102 Milliarden Euro an Steuermitteln ein, um die HRE zu retten. Zur "Wahrung der Interessen der Steuerzahler" solle der Bund als Hauptanteilseigner gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder vorgehen, "wenn von Pflichtverstößen auszugehen ist". Der Bund hat inzwischen über 90 Prozent der Aktien des Instituts übernommen.

Aids im Fußballland Südafrika: Spieler mit Virus

aus Johannesburg Ronny Blaschke

Südafrika startet den Countdown zur Fußball-WM 2010, doch die Euphorie überdeckt eines der größten Probleme des Landes: Aids. Dabei trifft die Immunschwäche gerade den Ballsport - die Aufklärungsarbeit dort hat erst begonnen.

Chris Barkley, 28, liebt das Abenteuer. Nachdem der Fußballer seit der Kindheit in seiner US-Heimatstadt Ithaca gespielt hatte, zog es ihn vor vier Jahren in die Fremde. Es musste ein Land sein, in dem Fußball die wichtigste Sportart ist, so viel stand immerhin fest. Nach Europa wollte er nicht, das wäre ihm zu einfach gewesen. Es zog ihn nach Afrika.

2005 landete Barkley schließlich in Botswana, dem nördlichen Nachbarn Südafrikas. Er meldete sich in einem Verein an, wurde herzlich aufgenommen. Alles lief nach Plan. Der Club war erfolgreich. Doch irgendwann macht der Amerikaner eine beunruhigende Entdeckung: Immer wieder musste das Team auf Spieler verzichten, sie kamen einfach nicht mehr. Es hieß, sie seien erkrankt. Irgendwann hörte Barkley, sie seien gestorben. Woran, sagte niemand. Er konnte es sich denken. Die Ursache war Aids.

Barkley wollte dem Sterben nicht länger zusehen. Er schloss sich einem Projekt an, das den Namen Grassroot Soccer trägt, Graswurzel-Fußball. 2002 hatten sich vier ehemalige Profis aus den USA und Simbabwe entschlossen, in Simbabwe eine Initiative gegen HIV zu gründen, mit der beliebtesten Sportart als Medium. "Die WM 2010 schenkt uns eine weltweite Öffentlichkeit", sagt Barkley jetzt. "Diese Chance dürfen wir nicht verspielen." Seit Monaten tourt er durch das Gastgeberland Südafrika, organisiert Turniere für Kinder, Lehrgänge für Trainer, verteilt Broschüren, sucht nach Partnern. Die Idee von Grassroot Soccer gibt es mittlerweile in zwölf afrikanischen Staaten. "Aufklärung ist das Wichtigste, nur so können wir dieses Tabu brechen."

Aids bleibt eines der größten Entwicklungshindernisse Südafrikas. 5,7 Millionen Menschen sollen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) infiziert sein, das entspricht fast zwölf Prozent der Bevölkerung, in Deutschland sind es 53.000 Infizierte. In der Altersgruppe von 15 bis 49 Jahren liegt die HIV-Rate in Südafrika laut WHO bei über 18 Prozent.

"Offiziell will niemand darüber sprechen", sagt Barkley und schimpft auf die Politik. Ein Grund dafür ist auch der nachlässige Umgang der Regierung mit dem Problem. Die ehemalige Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang etwa empfahl Rote Beete, Knoblauch und Zitronensaft gegen das Virus.

Vor allem in der Männerdomäne Fußball ist Aids ein Thema, das nur allzu gern ignoriert wird. In den Medien prahlen Kicker mit ihrer exzessiven Lebensart, dazu gehören Kinder von verschiedenen Frauen.

Einer der wenigen Betroffenen, der mit der Krankheit offen umgeht, ist Irvin Khoza, Präsident der Orlando Pirates in Soweto und einer der mächtigsten Männer des südafrikanischen Fußballs. Vor drei Jahren starb seine Tochter an Aids, sie hatte sich bei ihrem Ehemann angesteckt - bei Sizwe Motaung, einem ehemaligen Nationalspieler. Khoza wandte sich an die Presse und erhielt dafür Lob von Nelson Mandela, dem Vater der Republik. "Fußballprofis werden als Helden vergöttert", berichtet Aktivist Chris Barkley. "Aber man muss differenzieren und ihre Fehler herausstellen."

Jeder sechste Erstligaspieler soll infiziert sein

Ephraim Nematswerani, Teamarzt der Moroka Swallows ging in die Offensive, der südafrikanischen Zeitung "Sunday Times" sagte er, er habe mehrere infizierte Profis betreut, seinen Schätzungen nach trage jeder sechste Erstligaspieler das Virus in sich. Zugleich warnte er vor den Konsequenzen, Hochleistungssport könne das Immunsystem schneller schwächen.

Chris Barkley sagt: "Fußballer sollten den Jugendlichen zeigen, was sie in Südafrika für Privilegien genießen dürfen." Wenn er in den Armenvierteln mit Kindern spricht, erwähnt er gern Magic Johnson. Der Basketballstar der Los Angeles Lakers bekannte sich im November 1991 zu seiner Erkrankung. Trotzdem gewann er mit der amerikanischen Auswahl 1992 Olympia-Gold, noch immer soll er weitgehend ohne Symptome leben. "Für die Prävention wäre es ein Meilenstein, wenn sich ein HIV-positiver Spieler positionieren würde", sagt Barkley.

Doch diese Vorstellung ist utopisch: Infizierte, die ihre Krankheit nicht verheimlichen können oder wollen, werden in Südafrika oft von Verwandten, Freunden, Kollegen ausgegrenzt. Sie leben und sterben allein, in der Leistungsgesellschaft Fußball besonders.

Anti-Aids-Initiativen bei der WM

Der Aufklärungsbedarf ist groß, vielen Südafrikanern ist nicht bekannt, dass HIV nicht mehr einem Todesurteil gleichkommt, Medikamente können die Lebenszeit um Jahrzehnte verlängern - vorausgesetzt, die Betroffenen können sie sich leisten.

An diese Botschaft knüpfen vor der WM viele Initiativen an. "Über den Fußball erreichen wie Gruppen der Gesellschaft, die wir sonst nie erreichen würden", sagt Irene Lukassowitz von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die sich vor allem in den Townships stark engagiert.

Auch in der Liga zeigen sich erste Signale einer offenen Diskussion, die Spielervereinigung SAFPU um den ehemaligen Profi Ronnie Zondi hat eine Kampagne gestartet. "Das ist ein Anfang, mehr nicht", sagt Chris Barkley. Oft muss er in den Jugendcamps bei null anfangen, viele Kinder wissen nicht, woran ihre Eltern gestorben sind.

Er versucht ihnen klar zu machen, dass Bildung und Vorsorge das Wichtigste sei. Sonst könnte es ihnen ergehen wie ihm: dass gute Freunde plötzlich nicht mehr zum Training erscheinen.

Irans Wächterrat macht Schritt auf Mussawi zu

Der Wächterrat im Iran befasst sich weiter mit der Präsidentschaftswahl. Eine Sonderkommission soll gebildet werden, um den umstrittenen Urnengang zu prüfen - offenbar ein Zugeständnis an Mussawi. Derweil hat auch Schweden Ärger mit der iranischen Führung.

Zwei Wochen nach Beginn der Massenproteste im Iran hat der mächtige Wächterrat einen Lösungsvorschlag zur Beilegung des Konflikts gemacht. Demnach soll ein Sonderkomitee gebildet werden, um zehn Prozent der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni zu überprüfen, zitierte die Nachrichtenagentur ISNA am Samstag den Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadchodaei.

Erstmals sollen dazu auch Medien zugelassen werden. Zudem sollen dem Gremium auch Vertreter der unterlegenen Präsidentschaftskandidaten angehören. Das Angebot des Wächterrats sei eine Neuheit in der Geschichte der Islamischen Republik, sagte Kadchodaei. Der Wächterrat habe bisher niemals eine Einmischung von außen zugelassen.

Schritt in Richtung Mussawi
Beobachter gehen davon aus, dass der im Iran weit verbreitete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschads einer der Gründe für den Schritt ist. Auch im Parlament, das die neue Regierung des Präsidenten im kommenden Monat bestätigen muss, gebe es offenkundig Zweifel.

Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und andere Kritiker sprechen von Wahlbetrug. Mussawi hatte ein unabhängiges Gremium zur Überprüfung der Wahlergebnisse gefordert, er hielt den Wächterrat für weder qualifiziert noch hinreichend unparteiisch. Bei Zusammenstößen von Sicherheitskräften und Demonstranten gegen die umstrittene Wiederwahl Ahmadinedschads wurden mindestens 25 Menschen getötet.

US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel verurteilten bei ihrem ersten Treffen im Weißen Haus am Freitagabend die Gewalt im Iran. Obama wies die Forderung Ahmadinedschads nach einer Entschuldigung für die angebliche Einmischung der USA in innere Angelegenheiten seines Landes zurück.

Heftiger Protest in Stockholm
Derweil hat das Außenministerium in Teheran den schwedischen Botschafter einbestellt und ihm eine Protestnote übergeben. Anlass waren militante Proteste von Exil-Iranern vor der Botschaft ihres Heimatlandes in der schwedischen Hauptstadt Stockholm.

Mehr als 150 Demonstranten hatten vor der diplomatischen Vertretung einen Regierungswechsel in Teheran gefordert. Ein Teil der Demonstranten riss einen Zaun nieder und drang durch eingeschlagene Fenster in das Gebäude ein. Dort lieferten sie sich Schlägereien mit dem Personal, mehrere Menschen wurden verletzt.

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA werden die Proteste in der Note an den Botschafter als «terroristische Angriffe durch konterrevolutionäre Elemente» verurteilt. Nach Angaben der schwedischen Polizei wurden bei der Räumung der Botschaft zwei Beteiligte festgenommen.

Filesharing: Universal Music muss Klage fallen lassen

Das Major Label Universal Music musste eine Klage gegen den US-Bürgerin Mavis Roy fallen lassen. Diesem wurde vorgeworfen, Urheberrechtsverletzungen über eine Filesharing-Plattform begangen zu haben.

Der Musikkonzern stützte sich in dem Verfahren auf Beweise, die von der Firma MediaSentry gesammelt wurden. Dessen Status als Privatermittler ist bei Rechtsexperten ohnehin umstritten, was zu einer Ablehnung der gesamten Beweisführung durch das Gericht führen könnte.

So weit kam es im aktuellen Fall aber gar nicht. Die Verteidigung konnte nachweisen, dass die Vorwürfe vollkommen haltlos sind, weil Roy zum fraglichen Zeitpunkt der Taten nicht einmal einen Computer besaß. MediaSentry hatte hier also offenbar eine Fehler beim Sammeln und Auswerten der IP-Adressen gemacht.

Dass die Frau in die Schusslinie geriet, liegt offenbar daran, dass ihr Haushalt über einen nicht genutzten Internet-Anschluss verfügt. Diese sind inzwischen Oft Bestandteil eines Gesamtpakets für Kabelfernsehen. In der Vergangenheit kam es bereits häufiger vor, dass der Musikbranchenverband RIAA Klagen gegen angebliche Rechteverletzer einleitete, die sich letztlich als Kinder, Rentner ohne Computer oder gar Tote herausstellten. Der Verband kündigte deshalb vor einiger Zeit an, keine neuen Prozesse mehr gegen Privatpersonen führen zu wollen.

Piusbrüder weihen neue Priester

Wiederaufgenommener Bischof vollzieht Zeremonie
  • Und sie weihen doch: Unbeeindruckt von der andauernden Kritik der deutschen Bischöfe hat die umstrittene Piusbruderschaft drei neue Priester geweiht. Der Vatikan wertet das als Verstoß gegen das Kirchenrecht.
  • Die Priesterbruderschaft St. Pius X. in Deutschland betrachtet Richard Williamson weiterhin als ihren Glaubensbruder, distanziert sich aber von dessen Leugnung des Holocaust.
Autor: Florian P. Neuhann

Zu Beginn der Weihefeier erklärte der Leiter des Priesterseminars in Zaitzkofen, Regens Pater Stefan Frey: "Wir bedauern die Emotionalisierung der öffentlichen Diskussion über die Priesterbruderschaft St. Pius X. und auch dieser Priesterweihen." Zugleich bedauerte er die "verbale Ausgrenzung, die wir in diesen Tagen massiv von Seiten mehrerer deutscher Bischöfe erfahren". Die Bischöfe hatten die Pius-Bruderschaft bis zuletzt aufgefordert, die Priesterweihe abzusagen.

Rechtliche Grauzaune
Ausdrücklich verteidigte Regens Frey die Priesterweihen. Wenn die Gemeinschaft aufhören würde, "Priester zu weihen, die Messe zu feiern und Sakramente zu spenden, dann würde das faktisch unsere Auflösung bedeuten." Kirchenrechtlich befinde man sich in einer Grauzone, sagte er. Mit der Forderung der deutschen Bischöfe, die Weihen abzusagen, werde die Absicht des Papstes ins Gegenteil verkehrt, die er mit der Rücknahme der Exkommunikation von Bischöfen der Piusbruderschaft verfolge.
Die Pius-Bruderschaft

Die traditionalistische katholische Priesterbruderschaft Pius X. wurde 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) in Econe in der Schweiz gegründet. Damals war die Vereinigung noch kirchenamtlich zugelassen. Die offizielle kirchliche Anerkennung verlor sie 1975. Ihre Wurzeln hat die Vereinigung in rechtskatholischen Milieus vor allem in Frankreich, die sich gegen die Reformbeschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils wenden. Die Bruderschaft lehnt Ökumene, Religionsfreiheit sowie die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils ab und strebt "die Verbreitung und Wiederherstellung der authentischen katholischen Lehre" an. Die Bruderschaft feiert die Messe nach dem alten "tridentinischen" Ritus auf Latein.

Gegen den Protest des Vatikans weihte Lefebvre am 17. Juni 1988 vier Bischöfe, darunter das heutige Oberhaupt der Bruderschaft, Bernard Fellay, sowie Williamson. Kurz zuvor waren Bemühungen, die rechtlichen Verhältnisse zwischen Rom und der Bruderschaft neu zu ordnen, gescheitert. Lefebvre und die vier von ihm ohne päpstlichen Auftrag geweihten Bischöfe wurden daraufhin exkommuniziert. Ende Januar 2009 hob Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation auf, um "die Einheit in der Liebe der universalen Kirche zu fördern und den Skandal der Trennung zu überwinden", wie es hieß.
Die Priesterweihe spendete ein spanischer Bischof. Seine Exkommunikation hatte Papst Benedikt XVI. im Januar aufgehoben. Die drei Priester, die geweiht werden sollten, stammen nicht aus Deutschland. Die Zeremonie, bei der auch zwei Diakonie geweiht wurden, fand im Park des Seminars statt, weil die Kapelle zu klein ist.

Tot auf dem Klo und anderswo

POPSTARS TRETEN AB

Nur ein toter Star bewegt die Menschheit noch mehr als ein lebender. Doch was sagten Elvis Presley, Jimi Hendrix, Jim Morrison oder Bob Marley eigentlich im Angesicht des Todes? Ein neues Buch gibt Auskunft und zeigt: Der eine nahm's ernst, der andere blieb gelassen.

Gewöhnlich machte Elvis Presley (1935-1977) die Nacht zum Tage. Deshalb schlief er bis gegen 15 Uhr. Dann gab es Frühstück - vorher aber noch die Medikamente: eine Kräuter- und Vitaminspritze für die Stimme, ein Kreislaufmittel gegen die Schwindelgefühle, eine Abführtablette und drei Appetitzügler und schließlich eine intramuskuläre Injektion von Testosteron, dem männlichen Geschlechtshormon. So gestärkt, sollte der "King" den Tag herausfordern.

Die letzten Worte des King: "Okay, I won't"
Vor dem Auftritt, immer abends, verabreichte sein mitreisender Hausarzt ihm wieder Spritzen für die Stimme und den Kreislauf, dazu Codein und Amphetamin ("Speed"). Das eine sollte die Atemwege beruhigen, das andere den dicken Sänger auf Trab bringen.

Deshalb bekam er, kurz bevor er ins Rampenlicht trat (Honorar: 500 000 bis eine Million Dollar), noch Koffein und Dilaudid, eine Schwester des Morphiums.

Weil der amerikanische Künstler nur sehr selten Alkohol trank (und nicht rauchte), hatte "Elvis the Pelvis" Mühe, sich nach seinen strapaziösen Liveshows "herunterzudimmen".

Wieder half der Onkel Doktor, diesmal mit Barbituraten und Psychopharmaka, schweren Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Sicherheitshalber gab es noch eine Pille gegen Bluthochdruck und Abführmittel, auf Wunsch von allem auch einen Nachschlag.

So wurde Elvis Presley aus East Tupelo/Mississippi zur wandelnden Apotheke gemacht. Ohne massive Überdosierung von Medikamenten ging gar nichts mehr.

Mit den Drogen aber auch nicht. Der Musiker spürte das. Fünf Monate vor seinem Tod setzte er das Testament auf: alles für seine einzige Tochter, nichts für die geschiedene Ehefrau, nichts für seine Freundin Ginger Alden, 20. Sie hat als letzter Mensch mit dem gutmütigen, schwerkranken Mann gesprochen, als er morgens gegen neun Uhr ins Badezimmer wankte:

"Aber schlaf nicht ein!"

"Okay, werd ich nicht." Ginger fand ihren Freund fünf Stunden später zusammengekrümmt, regungslos, todeskalt im Badezimmer. Der "All-American-Boy", geliebt von Millionen, war für immer eingeschlafen, in seinem 43. Lebensjahr.

Jimi Hendrix (1942-1970)

Die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden von der Kulturrevolution des Rock 'n' Roll überstrahlt. Einer ihrer hellsten Stars war der Gitarrist Jimi Hendrix aus Seattle, USA. Er revolutionierte Gesang und Instrumentalsoli, die Bühnenshows und das Vagantenleben der jungen Künstler.

Der exzentrische Musiker hatte sein Lebenslicht nicht bloß an beiden Enden angezündet, er setzte die Kerze 1962 gleich total in Brand.

Ein Held an der Gitarre: Jimi Hendrix
Vorher hatte der schwarzgelockte junge Mann aus der Unterschicht die üblichen Fehltritte begangen - Schulabbruch, Autodiebstahl -, dann aber als Fallschirmspringer in der berühmten 101. Airborne Division Disziplin gesucht.

Nach dem 26. Absprung entließ man den "Soldaten erster Klasse", weil er sich dabei das rechte Fußgelenk gebrochen hatte. Nun begann sein kometengleicher Aufstieg.

Jimi Hendrix tourte ruhelos durch Europa und Amerika, Gesang und Gitarrenspiel waren kreativ und voller Überraschungen (Noten konnte er nicht lesen). Der Nonkonformist faszinierte seine jungen, revolutionär gestimmten Fans auch durch seine bedingungslose Risikofreude. Daran starb er im Alter von 27 Jahren. Bei der Sektion fand man in seiner Leiche große Mengen des Schlafmittels "Vesparax", dazu Alkohol, Nikotin, Cannabis, Kokain und Amphetamine ("Speed"). Das war zu viel. Jimi Hendrix kannte das Risiko und seine Feinde.

"Möglicherweise werde ich bei meiner eigenen Beerdigung verhaftet", scherzte er. Seine andere Voraussage traf zu:

"Meine nächste Reise nach Seattle werde ich in einer Holzkiste antreten."

Jim Morrison (1943-1971)

Der Sänger aus Amerika, Frontmann der "Doors", liegt auf dem schönsten Friedhof von Paris begraben, in illustrer Gesellschaft. Noch immer wachen an seinem Grab die Fans, lassen die Kerzen seit Jahrzehnten niemals ausgehen, legen Gedichte und Devotionalien nieder.

Frontmann der "Doors": Jim Morrison
Der Cimetière du Père-Lachaise, so benannt nach dem Beichtvater des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., ist zum Wallfahrtsort geworden und zum Platz, wo die Rätsel des frühen Todes dieses Götterlieblings hin und her bedacht werden, ohne Ergebnis und ohne Ende. Denn viele Fans, die sein Grab besuchen, glauben gar nicht, dass Jim Morrison in der geweihten Erde ruht. Der Künstler sei in Wahrheit nur untergetaucht und führe anderswo ein völlig neues Leben.

Diese Mutmaßung teilt sich in zwei Varianten: Entweder halte die CIA den aufsässigen Bandleader unter Verschluss, damit er die amerikanische Jugend nicht verderbe, oder Außerirdische hätten ihn entführt, damit er sie mit seiner Kunst erfreue. Solche Geschichten hätten die französischen Dichter Honoré de Balzac, Jean-Baptiste Molière und Marcel Proust mächtig gefreut; sie liegen alle nur einen Steinwurf entfernt und sind wirklich tot. So tot wie Jim Morrison, den Pariser Feuerwehrmänner am 3. Juli 1971 leblos aus seiner Badewanne hoben. Der 27-Jährige war drogenkrank, er nahm reichlich Heroin und Kokain und trank seit Jahren unmäßig.

Wegen "Trunksucht in der Öffentlichkeit", auch wegen "unsittlicher Entblößung" und "Gotteslästerung", sogar wegen "Gefährdung des Flugverkehrs" war er in den USA verfolgt worden. Seine Songs und Goldenen Schallplatten wurden dem hochtalentierten Künstler zunehmend gleichgültig. Begleitet von seiner ebenfalls drogensüchtigen Partnerin, wollte er als Dichter im liberalen Paris ein neues Leben beginnen. Beide sprachen kein Wort Französisch, das neue Leben blieb das alte. Am Ende war der Rock 'n' Roll-Star Jim Morrison es leid:

"Ich habe das Ganze satt. Ich ertrage das einfach nicht mehr. Was glauben die Leute eigentlich, wer Jim Morrison ist?"

Darüber rätseln seine Fans noch immer.

Bob Marley (1945-1981)

Der Gitarrist und Sänger aus Jamaika - "The Island in the Sun" - war ein Rastafari. Deshalb trug er die Haare lang, zu Zöpfen gedreht und verfilzt. Das gab ihm das Aussehen eines äthiopischen Löwen. Als er im verschneiten Oberbayern Ende 1980 die aufgeräumte, heile Welt der Ringbergklinik in Rottach-Egern das erste Mal sah, wurde dem Vater des Reggae ganz schwer ums Herz. Hier also, in diesem sterilen deutschen Krebskrankenhaus, das die Patienten gewöhnlich nur liegend, mit den Füßen voran des Nachts in einem Sarg verließen, sollte sich Marleys Schicksal endgültig entscheiden: Würde es dem umstrittenen deutschen Arzt Joseph Issels gelingen, die bösartigen Tumore in Kopf und Körper des weltberühmten Musikers kleinzukriegen?

Zwölf Kinder von sieben Frauen: Bob Marley
Bob Marley glaubte an Gottvater, zusätzlich an etliche lokale Götter und Kobolde und an Joseph Issels, den deutschen Magier. "Wir können es schaffen", hatte er versprochen. Marley verspürte positive "Vibrationen", er ließ sich die faulen Zähne ziehen und die Rachenmandeln operieren, er ertrug klaglos die Vitaminspritzen, eine hauseigene Diät und Transfusionen mit sauerstoffreichem Blut. Er gewöhnte sich sogar an den Schnee. Wenn er Zuversicht schöpfte, dröhnte er sich den Kopf mit seinen unvergänglichen Liedern voll: I shot the Sheriff, Buffalo Soldier und vor allem No woman, no cry. Zwölf Kinder hatte er in seinem kurzen Leben gezeugt, zwölf Kinder von sieben Frauen. In Rottach-Egern war er ziemlich allein, und dem Reggae durfte er aus Rücksicht auf die todkranken anderen Patienten nur über Kopfhörer lauschen. Seine letzte Freundin Cindy besorgte für den Krebskranken traditionelle Buschheilmittel aus Äthiopien, damit nichts versäumt werde. Doktor Issels entließ einen sterbenden Patienten. Der große Mann wog nur noch 42 Kilo. Bob Marley wollte unbedingt auf Jamaika sterben. Über den Wolken, auf dem Flug nach Amerika, sah er noch einmal die Sonne. Doch in Miami/Florida war der Sänger zu schwach für den Weiterflug. Als er im Bett lag, nahm er Cindys Hand und sagte in seinem unnachahmlichen Jamaika-Kreolisch:

"Maddah, don't cry. I'll be alright. I'm gwan ta prepare a place." - Ich werde einen Platz für dich herrichten.

Einen Platz im himmlischen Paradies der Rastafari. Vierzig Stunden nachdem er Deutschland verlassen hatte, war Bob Marley tot.

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