Mittwoch, 31. Dezember 2008

Mehrere arabische Länder sagen Neujahrsfeiern ab

Solidarität mit Palästinensern Wegen der israelischen Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen sind in mehreren arabischen Ländern die Silvesterfeiern abgesagt worden. Der Herrscher von Dubai verbot alle Feierlichkeiten, in Ägypten wurden alle offiziellen Veranstaltungen gestrichen.

Von Carsten Kühntopp, ARD-Hörfunkstudio Amman


Silvester in Dubai: "Feuerwerk fällt aus": in vielen arabischen Ländern wird der Jahreswechsel ohne bunte Raketen begangen

Lange Gesichter bei Hotelmanagern und Touristen in Dubai. Kurz angebunden sagte eine Sprecherin der Jumeirah-Gruppe nur: "Kein Kommentar!" Jumeirah betreibt unter anderem das "Burj al-Arab" am Strand des Emirats. Die Chefs der Nobelherbergen beraten nun in eilig einberaumten Sitzungen darüber, wie man mit dem Erlass des Herrschers von Dubai, Scheich Mohammed, umgehen soll. Letztlich dürfte man keine Wahl haben. Jede Art von Silvester-Party ist untersagt, so Dubais Herrscher; das Emirat werde das Neue Jahr still begrüßen - als Zeichen der Soldiarität mit den Palästinensern. Scheich Mohammed wies die Behörden an, dafür zu sorgen, dass dieser Erlass auch umgesetzt wird.

Ferieninsel in Dubai: Ein Feuerwerk wie das zur Eröffnung der Ferieninsel "The Palm Jumeirah" wird es zu Silvester in Dubai nicht geben.

In Dubai ist jetzt Hochsaison, die Hotels sind brechend voll, zu Silvester und an Weihnachten machen sie eigentlich das beste Geschäft des Jahres. Im Nahen Osten hält man die Golf-Araber für eher unpolitisch und für allzu Business-orientiert, ihr Image ist nicht immer schmeichelhaft; Dubais Herrscher wollte nun ein deutliches Zeichen setzen: Das Schicksal der Menschen im Gaza-Streifen lässt auch uns nicht kalt.
In Ägypten wurden alle offiziellen Silvesterfeiern ebenfalls abgesagt, Hotels in Jordanien hatten bereits gestern ihre Partys gestrichen.

Sternsinger: Wo sind die Schwarzen Kinder?

Bis zu den Sternsingern hat sich "Yes we can" noch nicht durchgesprochen - eine fremde Feder von Simon Inou

Schwarze Menschen dürfen bei den Sternsingern nur gemimt werden - teilnehmen können sie nicht!

Am 30. Dezember 2008 waren die Sternsinger bei Bundespräsident Heinz Fischer. Darunter ein weißes Kind mit einem schwarz bemalten Gesicht. Und das in Zeiten von "Yes we can"?

Alljährlich gehen am 6. Jänner, dem Tag der Heiligen Drei Könige, Tausende Kinder in Österreich als Caspar, Melchior und Balthasar von Tür zu Tür, verkünden die Geburt Christi, wünschen Glück und Segen für das neue Jahr und sammeln Spenden für bedürftige Menschen.

Die kleinen Könige - verkleidet, wie wir uns heute die drei Heiligen vorstellen - wünschen nicht nur Frieden, sondern singen auch als Botschafter der Nächstenliebe für "Arme in der Dritten Welt" wie die Veranstalter selbst formulieren.

In unseren Häusern sind sie immer willkommen. Auf unsere Türen schreiben sie mit geweihter Kreide "20 C+M+B 06". Es bedeutet "Christus Mansionem Benedicat" ("Christus segne dieses Haus"). Nur selten kommt es vor, dass jemand gar nichts geben möchte.

Geld für den Süden

Das Geld, das gesammelt wird, unterstützt auch Menschen in den Ländern des Südens. Einige Projekte werden gefördert, Leben werden gerettet, Hoffnung wird gegeben. Durch diese Projekte lernen diejenigen, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit engagiert sind und die aus Österreich kommen, andere Gesichter, andere Kulturen und andere Menschen kennen. Das macht Freude. Die Welt globalisiert sich.

Doch langsam: Es ist leicht zu sehen, dass der Heilige Caspar hierzulande ein "schwarzes" Gesicht und "weiße" Hände hat, um die Rolle eines "Schwarzen" zu spielen. So wie in manchen amerikanischen Filmen weiße Schauspieler mit Schuhcreme im Gesicht Schwarze mimten. Heute würde Letzteres als politisch und religiös unkorrekt bezeichnet werden. Die Veranstalter sehen das offensichtlich anders - und tun so, als ob es keine schwarzen Kinder in der Katholischen Kirche gäbe.

Symbol gegen Rassismus

Vor vielen Jahrhunderten versinnbildlichten die drei Könige die drei damals bekannten Kontinente Europa, Asien und Afrika. Wäre es nicht empfehlenswert, wenn unsere Sternsinger heute auch als Zeichen des Respekts und Partizipation gelten würden? Oder werden weiße Kinder die Rolle der Schwarzen immer wieder spielen - und dadurch Vorurteile bekräftigen?

Vielleicht könnten afrikanische Kinder das schwarz angemalte Gesicht in der Gruppe ersetzen. Vielleicht wird auch ein Kind aus Asien Balthasar sein. Wir sollten nicht nur von der Globalisierung sprechen, wir sollten sie auch leben - in all ihrer Vielfalt. Übrigens: Am 20. Jänner wird Barack Obama als Präsident der USA angelobt. Auch wir können unsere Gesellschaft offener gestalten, wenn wir es nur wollen. Yes we can.

Zur Person: Simon Inou ist Redaktonsleiter von Afrikanet.info

Blagojevich brüskiert Washington erneut

Der Skandal um den unter Korruptionsverdacht stehenden Gouverneur von Illinois, Rod Blagojevich, nimmt immer bizarrere Formen an. So hat Blagojevich nun gegen massiven Widerstand einen Nachfolger für den Senatssitz des künftigen US-Präsidenten Barack Obama berufen. Der frühere Generalstaatsanwalt Roland Burris solle den Posten übernehmen, sagte Rod Blagojevich bei einer Pressekonferenz in Chicago.

"Guter und aufrichtiger Mann"

Burris war 1978 als erster Afro-Amerikaner in das Amt des staatlichen Rechnungsprüfers von Illinois aufgestiegen und gilt als respektabel. Blagojevich lobte die "große Erfahrung und unbestrittene Integrität" des 71-Jährigen. "Bitte lassen sie die Vorwürfe gegen mich nicht auf dieses guten und aufrichtigen Mann zurückfallen." Blagojevich soll versucht haben, den Senatssitz Obamas nach dessen Wahl zum Präsidenten meistbietend zu verkaufen. Der Gouverneur war wegen Betrugs- und Korruptionsverdachts festgenommen worden, kam aber gegen Kaution wieder frei. Das Parlament von Illinois fordert die Amtsenthebung des umstrittenen demokratischen Gouverneurs. Blagojevich selbst streitet die Vorwürfe ab.

Da es den Abgeordneten in Illinois nicht gelungen sei, spezielle Wahlen für einen Obama-Nachfolger im Senat einzuberufen, habe er einen Nachfolger benennen müssen, begründete Blagojevich seinen Schritt. Zuvor hatte es aus seinem Umfeld geheißen, angesichts der Korruptionsvorwürfe werde er auf eine Nominierung verzichten.

Senatsmitglieder kündigten Widerstand gegen die Nominierung Burris' an. Seine Amtsausübung würde stets durch die Umstände seiner Nominierung überschattet, sagte der zweite Senator aus Illinois, Dick Durbin. Der Senat hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass er einen von Blagojevich ernannten Kandidaten nicht akzeptieren werde.

Obama gegen Nominierung

Auch Obama sprach sich gegen die Nominierung Burris' aus, den er zugleich einen "guten Mann" nannte. Blagojevich dürfe angesichts der Vorwürfe gegen ihn keinen Senator ernennen, erklärte er. Sein jüngster Schritt sei deshalb "sehr enttäuschend". Zudem forderte er Blagojevich zum Rücktritt auf. Dies sei "die beste Lösung".

Zuspruch erhielt Burris von dem demokratischen Kongressmitglied Bobby Rush. Er versprach, bei seinen Kollegen für den früheren Generalstaatsanwalt zu werben und sie von seiner Unparteilichkeit zu überzeugen. Die Ernennung eines qualifizierten schwarzen Kandidaten dürfe nicht durch die Umstände verhindert werden.

Gouverneur darf freien Sitz besetzen

In vielen Staaten wie auch Illinois steht dem Gouverneur das Recht zu, frei werdende Sitze für den Rest der noch verbliebenen Amtsperiode des jeweiligen Senators oder bis zur nächsten Senatswahl zu besetzen. Wegen der schweren Vorwürfe gegen Blagojevich wollen aber die demokratische Senatsführung und auch Obama selbst, dass eine Sonderwahl zur Besetzung des Postens abgehalten wird.

Das Prinzip Berlusconi: Keine Fernsehbilder, kein Problem

Stefan Troendle, ARD-Hörfunkstudio Rom

Kurz bevor Italien den Vorsitz der G8-Staaten übernimmt, wird wieder einmal klar, von welchen Leuten und mit welchen billigen Mitteln dieses schöne und reiche Land regiert wird. Italiens Innenminister Roberto Maroni kündigte am Montag an, dass Bootsflüchtlinge sofort nach der Ankunft auf Lampedusa in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen. Der erste Flug sollte bereits am Dienstag starten.

Dazu muss man wissen, dass Maroni der Lega Nord angehört, einer tendenziell rechtsextremen und ausländerfeindlichen Partei, die ursprünglich die Abspaltung des wohlhabenden Norditaliens vom restlichen Staat anstrebte. Der Vorsitzende dieser Populisten, Umberto Bossi, ist unter anderem für Äußerungen bekannt, man möge doch auf Flüchtlingsboote schießen.
Nicht alle kommen über Lampedusa

Unbestritten ist, dass Italien ein Problem mit illegaler Einwanderung hat. Unbestritten ist auch, dass sich die Zahl der Bootsflüchtlinge im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt hat. Die Ferieninsel Lampedusa, der südlichste Punkt Europas, hat bisher hauptsächlich im Hochsommer Schlagzeilen gemacht. Nun haben in den letzten Tagen etwa 2000 Menschen die Insel erreicht, das Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge dort ist komplett überfüllt. Aber: Das Gros der illegalen Einwanderer - etwa 80 Prozent - reist nach wie vor über einen Flughafen mit einem Touristenvisum ein und taucht dann ab.

Soweit die Fakten

Wenn Innenminister Maroni also jetzt großspurig ein hartes Vorgehen gegen Bootsflüchtlinge verkündet, dann geht er lediglich gegen den sichtbaren Teil des Problems vor - gegen den, den Fernsehkameras abbilden können. Unter Silvio Berlusconi ist dieses Agieren ziemlich populär geworden: keine Fernsehbilder, kein Problem.
Im Rechtsstaat nicht machbar

Maroni muss eigentlich wissen, dass die von ihm geplanten Maßnahmen so gar nicht umsetzbar sind, wenn er keine Gesetze missachten will. Die Mehrzahl der Flüchtlinge stellt einen Asylantrag. Ein solches Verfahren muss auch in Zukunft in einem Rechtsstaat wie Italien unter menschenwürdigen Bedingungen möglich sein. Schon allein deshalb sind die angekündigten Massenausweisungen im Schnellverfahren gar nicht machbar. Die meisten Flüchtlinge haben keine Papiere. Ihre Herkunftsländer weigern sich deshalb, sie wieder aufzunehmen. Wie Maroni dieses Problem lösen will, hat er nicht gesagt.

Soll Libyen sich die Finger schmutzig machen?

Allerdings könnte es zu einer Einigung mit Libyen kommen. Angeblich soll es schon ab Januar Patrouillenfahrten vor der libyschen Küste geben. Italien stellt sechs Schnellboote dafür bereit. Dass auch Gewalt eingesetzt werden muss, um ein Boot mit Verzweifelten an Bord zum Umkehren zu zwingen, ist wohl recht eindeutig. Noch ist nicht klar, welches Land die Besatzung der Suchboote stellt, aber vermutlich will sich Italien die Finger nicht schmutzig machen und das Problem den Libyern überlassen. Aus italienischer Sicht wäre das Flüchtlingsproblem dann erst mal gelöst. Was aus den Menschen wird, ist eine andere Frage - aber die muss Italien ja nicht interessieren. Man könnte auch sagen: Keine Lösung ist auch eine Lösung.

Dienstag, 30. Dezember 2008

2008 weltweit 60 Journalisten getötet

Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) sind im Jahr 2008 rund 60 Journalisten weltweit während oder wegen ihrer Arbeit getötet worden. Die Bedrohung der Pressefreiheit hat sich vor allem für Online-Medien verschärft.

Im Laufe des Jahres wurden 673 Journalisten festgenommen, 929 erlitten Gewalt oder wurden bedroht, und 29 wurden entführt. Das zeigt die Bilanz 2008 von Reporter ohne Grenzen, die am Dienstag in Wien und Berlin veröffentlicht wurde. Im Vorjahr waren es 887 Festnahmen, 1.511 Misshandlungen oder Bedrohungen und 67 Entführungen. Die Zahl der getöteten Medienmitarbeiter sank im Vergleich zum Vorjahr auf 60. 2007 kamen noch 86 Journalisten und 20 Medienassistenten ums Leben.

Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass sich die Lage der Pressefreiheit verbessert habe, heißt es in dem Bericht. Mit der wachsenden Bedeutung von Online-Medien und Blogs konzentrieren viele Regierungen ihre repressiven Maßnahmen stärker auf das Internet.

In ihrer Bilanz dokumentiert Reporter ohne Grenzen nur Fälle, die eindeutig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Berufsausübung in Verbindung stehen. Fälle, die nicht geklärt oder etwa mit Krankheit oder Unfällen verbunden waren, sind nach Angaben der Organisation nicht in der Statistik aufgeführt.

Bedrohung verschärft

Die Bedrohung journalistischer Freiheit durch autoritäre Regimes habe sich vor allem für Online-Medien deutlich verschärft, warnte die Organisation.

So sei mit dem chinesischen Unternehmer Wei Wenhua erstmals ein Blogger von Polizisten erschlagen worden, der als "Bügerjournalist" am 7. Jänner einen Zusammenstoß der chinesischen Polizei mit Demonstranten in Tianmen in der Provinz Hubei gefilmt hatte. Darüber hinaus wurden weltweit 59 Blogger festgenommen, 45 weitere körperlich angegriffen.
1.740 Websites gesperrt

Außerdem wurden 1.740 Websites gesperrt oder geschlossen und 353 weitere Medien zensuriert. Im Vorjahr wurden noch 528 Medien zensuriert, Website-Schließungen dagegen noch nicht erfasst.

Syrien nimmt den Angaben zufolge 2008 mit 162 zensurierten Websites eine Spitzenstellung ein, gefolgt von China mit 93 sowie dem Iran mit 38. Besonders allergisch reagieren Behörden in manchen Lädern auf interaktive Websites etwa zum Aufbau Sozialer Netzwerke (Facebook, MySpace). Ansäze von "Massenzensur" seien in Syrien gegen Twitter und sowie gegen Facebook in Syrien, Tunesien, der Tükei und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu beobachten.
Burma größter Internet-Feind

Zu den größen Internet-Feinden zählt Reporter ohne Grenzen Burma. Das Militäregime habe die Blogger "Zarganar" und "Nay Phone Latt" zu 59 beziehungsweise 20 Jahren Haft verurteilt. Weitere 16 Journalisten seien inhaftiert.
Irak unsicherstes Land für Journalisten

Der Irak blieb mit 15 getöteten Journalisten im sechsten Jahr in Folge das unsicherste Land für Medienmitarbeiter.

Das zweitunsicherste Land ist Pakistan mit sieben Todesfällen. Eine der Ursachen sind die Käpfe zwischen militanten Islamisten und den pakistanischen Sicherheitskräten in den Stammesgebieten. Das drittgefärlichste Land für Journalisten sind die Philippinen, wo politische und kriminelle Gewalt für sechs Todesopfer verantwortlich war.

In Afrika sank die Todesrate unter den Journalisten von zwölf im Jahr 2007 auf drei in diesem Jahr. Grund dafür sei, dass sich Nachrichtenmedien aus Kriegszonen wie Somalia zunehmend zurükziehen. Im vergangenen Jahr war das ostafrikanische Land noch das weltweit zweitgefärlichste für Journalisten. Zudem geben den Angaben der Organisation zufolge viele heimische Journalisten ihren Beruf auf oder flüchten ins Exil.

Die meisten inhaftierten Journalisten gibt es in China (30) und Kuba (23). An dieser Spitzenstellung hat sich laut Reporter ohne Grenzen auch in diesem Jahr nichts geändert.

1. Jänner - längster Tag des Jahres

Das Jahr 2009 beginnt gleich mit einer Besonderheit: In der Silvesternacht werden die Funkuhren um 0:59:59 Uhr (MEZ) beim nächsten Sekundentick nicht auf 1 Uhr springen, sondern eine Sekunde innehalten. Damit wird der 1. Jänner mit 86.401 Sekunden der längste Tag des neuen Jahres.

Der Grund für diese ungewöhnliche Maßnahme: Die Erde und die Atomuhren sind nach drei Jahren mal wieder aus dem Gleichtakt geraten. Die Genauigkeit dieser Uhren ist nicht zu übertreffen, schon gar nicht von Mutter Erde.

"Während die Atomuhren jeden Tag in genau 86.400 Sekunden einteilen, nimmt sich unser Planet ein wenig mehr Zeit für seine Umdrehung", erläutert Andreas Bauch von der deutschen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt - jene Institution, die auch den offiziellen Takt österreichischer Funkuhren vorgibt.

Torkelnde Erde

"Unsere Erde schwankt und torkelt ein wenig vor sich hin und wird in ihrer Drehbewegung sogar tendenziell langsamer - Ebbe und Flut wirken wie eine permanent schleifende Bremse", erklärt Bauch. Wird die Erde jedoch langsamer, dehnen sich die Tage, was sich über Jahrhunderte hinweg durchaus bemerkbar macht.

Um diesen winzigen Unterschied auszugleichen, verlängert die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) - wie vergleichbare Institutionen in aller Welt - die erste Stunde des neuen Jahres um eine sogenannte Schaltsekunde.

Schaltsekunde eingefügt

"Warum die Schaltsekunden so oft eingefügt werden, ist allerdings schwer zu vermitteln", gesteht Andreas Bauch. Die regelmäßige Prozedur habe eher historische als wissenschaftliche Gründe. "Die Schaltsekunden könnten ebenso gut alle 100 Jahre oder in jedem Schaltjahr eingefügt werden." Während für den normalen Alltag eine Sekunde keine Rolle spielt, sind für die Atomuhren Sekunden eine recht grobe Einteilung.

In ihrem Inneren ermöglichen die Schwingungen von Cäsium-Atomen - 9.192.631.770 Mal in der Sekunde - die genaue Zeitmessung: für Laien unvorstellbar genau. Seit 1967 ist diese Dauer einer Atomsekunde die Basis für die offizielle Zeitmessung.

Wegen der ungleichmäßigen Erdumdrehungen hatte sich dann aber 1972 bereits eine Differenz von 10 Sekunden ergeben und es wurden die Schaltsekunden eingeführt. Seitdem spricht man von der "koordinierten Weltzeit".

Zentralbüro der Zeit

Wie unregelmäßig schnell sich die Erde dreht, sieht man daran, dass zwischen 1999 und 2006 sieben Jahre vergehen mussten, bevor eine Schaltsekunde nötig wurde, nun wieder nur drei Jahre. Das Zentralbüro des IERS (International Earth Rotation Service) in Paris ist dafür verantwortlich, dass offizielle Uhren in aller Welt gleichgehen.

Aufgrund von astronomischen Messungen der Erdumdrehungen berechnet das Pariser Büro den Zeitpunkt für die Schaltpunkte. Ob im Flugverkehr oder bei der Übertragung von Fernsehsignalen - in einer von Technik bestimmten Welt wird die genaue Zeit immer wichtiger.

Besitzer einer Funkuhr müssen sich um den Sekundenausgleich in der Silvesternacht übrigens nicht kümmern: Ebenso wie bei der Sommer- und Winterzeit wird über ein Signal des Zeitsenders DCF 77 bei Frankfurt am Main automatisch die exakte Zeit gestellt.

Afrikas Schicksals-See

Der Viktoriasee im Großen Afrikanischen Grabenbruch ist der größte See auf dem afrikanischen Kontinent. In dem riesigen Gewässer spielt sich seit 40 Jahren ein biologisches Drama ab.

Das Great Rift Valley, der Große Afrikanische Grabenbruch, ist wie eine große Narbe, die das Horn von Afrika vom Rest des riesigen Kontinents trennt. 6000 Kilometer Ausdehnung von Nord nach Süd - von Syrien bis Mosambik hat das Aneinanderreiben der Arabischen und Afrikanischen tektonischen Platten ein Tal in den Kontinent gemeißelt, das manchmal nur 30 Kilometer, manchmal hundert Kilometer breit ist.

In Ostafrika gabelt es sich in das Östliche und das Westliche Rift. Diese Aufnahme des "Envisat"-Satelliten der Esa zeigt den Nordteil des Westlichen Rifts.

Prominent im mittleren oberen Bereich prangt der riesige Viktoriasee - der größte See Afrikas. Zum Vergleich: Er ist nur wenig kleiner als Bayern. Und westlich von ihm, wie an einer Sichel aufgereiht, umrahmen ihn von Norden nach Süden der Albert-, der Edward-, der Kivu- und der Tanganyika-See.

Der Viktoriasee ist Symbol für unüberlegtes Eingreifen in die Natur: In den sechziger Jahren siedelte man hier gezielt den Nilbarsch an, die Fischereiwirtschaft rieb sich schon die Hände angesichts der zu erwartenden Gewinne aus dem Geschäft mit dem begehrten Speisefisch. Und tatsächlich - der Nilbarsch, nun Viktoriabarsch genannt, vermehrte sich rasend schnell in seiner neuen Umgebung.

Doch den Preis für den Erfolg musste mal wieder die Natur zahlen: Der Raubfisch rottete innerhalb von 40 Jahren die ehemals 400 Fischarten im Viktoriasee fast vollständig aus, die ganze Region ist mittlerweile abhängig von der Fischindustrie, die sich nur noch um den Viktoriabarsch dreht. Der Film "Darwins Alptraum" erzählt die Verwicklungen, die Korruption und die Ungerechtigkeiten, die mit dem Viktoriabarsch-Geschäft verknüpft sind. Wie sich die wirtschaftliche und soziale Lage der Region entwickeln wird, ist ungewiss.

Gar nicht ungewiss hingegen ist das Schicksal des Horns von Afrika. Denn das Aneinanderreiben der tektonischen Platten geht weiter. Das Great Rift Valley ist eine Sollbruchstelle. Irgendwann wird das Horn von Afrika vom Rest des Kontinents abbrechen. Aber das dauert noch einige Millionen Jahre.

Satellittenbild vom Victoriasee

Satellittenbild vom Victoriasee


Montag, 29. Dezember 2008

Wut der arabischen Welt auch auf die eigenen Regierungen

Gewalt in Nahost

Von Ulrich Leidholdt, ARD-Hörfunkstudio Amman

Kaum zwei Stunden dauerte es nach ersten Meldungen über Israels Raketen auf Gaza, da schrieen sie ihre Wut auf den Straßen arabischer Nachbarstaaten heraus - Demonstranten, nicht selten selbst Palästinenser wie ihre Brüder und Schwestern, die im Gefängnis am Mittelmeer eingeschlossen sind.

Nicht staatlich gesteuerter, sondern oft spontaner Protest in Amman, Bagdad, Beirut, Damaskus oder Kairo. Der Zorn gilt Israel, dessen glänzend geschmierter PR-Apparat der Welt noch am Tag des Bombardements ein paar gnädig gewährte Hilfstransporte als humanitären Akt verkaufte - nach Monaten totaler Blockade.

Fernsehbilder aus Gaza wühlen auf

Den kollektiven Aufschrei befördern Bilder, die der arabischen Welt in Echtzeit geliefert werden - grauenhafte Folgen elektronischer Kriegsführung, die angeblich chirurgisch zwischen Gut und Böse zu unterscheiden vermag. Ergebnisse kann - wer will und das aushält - rund um die Uhr in Sendern wie Al Dschasira und anderen arabischen Fernsehkanälen besichtigen. Die haben - anders als Amerikaner und Europäer - Reporter in Gaza. Vor ihren Kameras schlagen die vermeintlichen Präzionsgeschosse in Häuser ein, die von israelischen Diensten Hamas zugeordnet werden.

Grausame Bilder aus Krankenhäusern

Wer Augen hat, wird Zeuge, dass die mörderischen Raketen vom Ziel nicht mehr als Krater und verbogenes Metall übrig lassen, gleichzeitig aber auch Nachbarn im engbebauten Gaza keine Chance geben. Beweise hierfür finden sich in überfüllten Kliniken mit überforderten Ärzten: blutige Babys, an Schläuchen hängende Mütter, verstümmelte Studenten.

Arabische Regierungen in der Kritik

"Warum lasst Ihr das geschehen?" Die verzweifelte Frage richtet sich zunehmend auch an eigene Regierungen. Vom Westen, erst recht von den USA, erwartet man in Nahost ohnehin nichts. Die segnen doch alles ab, was immer auch Israel Selbstverteidigung nennt, heißt es da.

Kritik von innen trifft nun auch Ägyptens Präsidenten Mubarak, Palästinenser-Präsident Abbas und andere arabische Politiker. Schlappe Proteste, nutzlose Sitzungen, vielleicht ein paar Hilfsgüter. Dass Ägypten seine Grenze zu Gaza auch jetzt noch verschließt, legen nicht nur Radikale wie Hisbollah-Führer Nasrallah als Komplizenschaft mit Israel aus. Dass Abbas - trotz hunderter Opfer - der Hamas die Alleinschuld an der Katastrophe gibt, ist für die Straße völlig unverständlich, Verrat.

Wir mögen Zahlenspiele mit Opfern verabscheuen - doch solche Fragen werden gestellt: 16 Tote in Israel durch Hamas-Raketen aus Gaza in sieben Jahren - rechtfertigt das 300 Tote an nur einem Tag durch die Israels Luftwaffe? Der Westen schätzt palästinensische Opfer gering oder stempelt alle zu Terroristen, diese Auffassung ist verbreitet. Gaza bestärkt sie nur.

Israel züchtet neuen Terror

Israel schafft durch sein völlig überzogenes Vorgehen nicht mehr Sicherheit, sondern züchtet zielsicher neuen Terror. Arabische Führer sind durch politische Unfähigkeit, Desinteresse an den Palästinensern und Wohlverhalten gegenüber den USA auf bestem Wege, die Region weiter zu radikalisieren. Die letzten dünnen Friedensansätze werden in Gaza den wenigen Willigen auf lange Zeit aus der Hand geschlagen.

Hackerkongress fordert "Bürger-Trojaner"

Auf dem Kongress "24C3", der vom Chaos Computer Club organisiert wird, fordern Hacker die Einführung eines Bürger-Trojaners, um Volksvertreter und "Problempolitiker" heimlich online durchsuchen zu können. Zweck des Trojaners soll "mehr Transparenz und Teilnahmemöglichkeiten" in einer Demokratie sein. Wie sein Vorbild, der Bundestrojaner des Innenministeriums, verstößt auch der Bürger-Trojaner gegen den ohnehin umstrittenen "Hacker-Paragrafen", der IT-Admins die Arbeit erschwert...

Bei Computern von Volksvertretern und Regierungsmitgliedern soll die heimliche Online-Durchsuchung erlaubt werden, um mehr Transparenz in einer Demokratie zu ermöglichen. Auf dem 25. Chaos Communication Congress (24C3) erneuerte der Chaos Computer Club (CCC) seine Forderung, "Problempolitiker" stärker von der Internetgemeinde überwachen zu lassen. Damit können frühzeitig Abwehrmaßnahmen gegen Korruptionsgefahren getroffen werden.

Die Forderung ist Teil eines Jahresrückblicks der Datenreisenden, in dem der enthaltene Zynismus angebracht scheint. Zu Jahresbeginn prophezeiten die Hacker, die Bundesregierung würde einen Teil der Überwachungsaufgaben nach Fernost auslagern. Durch den verschärften Hackerparagraph drohe nicht "die Überkriminalisierung", sagten einige Politiker, die glaubten, eine EU-Richtlinie umzusetzen. "Remote Government" nennen die Hacker das, die Gesetzes- und Sprechvorlagen werden wahrscheinlich in China verfasst.

Im Jahr 2007 war ganz Estland offline, was den Hackern ein Staunen abrang. Estland ist stark engagiert im E-Government, also die Abwicklung von Gesetzen und Bürokratie übers Netz. Die Hackervereinigung wünscht sich mehr E-Government hierzulande, da Gesetzgebungsmaschinerie und Bürokratie bei einem landesweiten Netzausfall dann ebenfalls nicht mehr funktionieren würden.

Kaum ein Schutzprogramm erkennt gezielte, individuelle Angriffe. Trotzdem ist es wenigstens einmal der Bundesregierung passiert: die Volksbefreiungsarmee penetrierte die Rechner der Bundesregierung und gewann Informationen in unbekanntem Umfang. Lasch sprach man hierzulande vom "China-Trojaner". Die Behörden der USA überträfen die deutschen sogar in puncto "Coolness", denn die USA, welche ebenfalls von der Volksbefreiungsarmee kurzfristig besetzt gewesen, nannten den Überfall "Operation Titan Rain". Offenbar liegt hier der Realismus US-amerikanischer Geheimagent-Filme. Rasterfahndung remastered - kein Filmtitel zwar, aber ein Suchbegriff für die Datenbanken der Kreditkartenfirmen - wenn das Opfer staatlicher Neugier denn eine Kreditkarte hat.

Die Propheten des CCC wollen weitere Experimente machen. Breit grinsende Gesichter am Gesichtsscanner sollen Pufferüberläufe verursachen oder die Datenbanken von TollCollect sollen mit einem präparierten Nummernschild angegriffen werden.

Querelen um afrikanische Domain .africa

Die IP-Adressregistry AfriNIC musste wegen Querelen um den künftigen Sitz einer .africa-Adresszone ihr für November geplantes Treffen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba kurzfristig verlegen. Der Gastgeber, die Ethiopian Telecommunication Corporation, habe das neunte Treffen der afrikanischen Adressverwalter kurzfristig abgesagt, teilte AfriNIC mit. Die Organisation habe sich daher gezwungen gesehen, nach Mauritius auszuweichen. Grund für die Absage aus Äthiopien ist offenbar das Gerangel um den Betrieb der geplanten Top-Level-Domain .africa.

Laut Informationen von AfriNIC und äthiopischen Presseberichten kam die Absage der Veranstaltung direkt aus dem Ministerium für Transport und Kommunikation. Dort habe man sich von Warnungen aus der äthiopischen Branche überzeugen lassen, AfriNIC wolle Pläne für die Ansiedlung der .africa in Addis Abeba hintertreiben. Aus Kreisen äthiopischer .africa-Befürworter heißt es dazu, AfriNIC wollen den Betrieb der afrikanischen Domain nach Mauritius oder Südafrika holen

AfriNIC-CEO Adiel Akplogan erklärte dazu, dass sich die Organisation um IP-Adressen kümmere, nicht um Domains. “Lassen Sie mich ganz klar machen, .africa und das Domaingeschäft gehören nicht zu AfriNICs Aktivitäten.” Seine Organisation begüße die Initiative für eine afrikanische Adresszone und werde jeden Vorschlag unterstützen, der auf einen offenen und transparenten Betrieb hinwirke. AfriNIC selbst werde sich aber an Domain-Aktivitäten nicht beteiligen.

Akplogan war allerdings in einer beratenden Rolle für ein .africa-Projekt tätig, wie ein Mitarbeiter von AfriNIC gegenüber heise online bestätigte. Doch das tue AfriNICs grundsätzlich neutraler Haltung keinen Abbruch. Gleichzeitig tauchte AfriNIC, vermutlich ohne eigenes Zutun, auch schon als möglicher Unterstützer eines anderen .africa-Projekts auf. Wie viele Einzelinitativen für .africa es gibt, kann aktuell niemand so recht sagen. Die äthiopische Geschäftsfrau Sophia Bekelele sprach beim ICANN Treffen in Paris von Bemühungen, die verschiedenen Initativen zusammenzubringen.

Vorbild dafür könnte die Einigung der asiatischen Länder für .asia sein. Die Regierungen konnten davon überzeugt werden, dass sie keinen Einspruch gegen die in Hongkong initiierte Bewerbung erheben. Sollte es dagegen bei .africa zum Streit kommen, sollen ICANNs gerade veröffentlichte Streitbeilegungsregeln helfen.

(Monika Ermert)

Sonntag, 28. Dezember 2008

Massaker am palästinensischen Volk

Bombardierung von Gaza

28.12.08 - Über 200 Tote und 750 Verletzte wurden am Samstag aus dem Gaza-Streifen gemeldet. So viele Kriegsopfer an einem Tag gab es seit dem Sechstagekrieg 1967 nicht mehr. Ständig kamen neue schwer verletzte Opfer in die überlasteten Krankenhäuser, viele Frauen und Kinder. Das Bombardement von 60 israelischen Kampfflugzeugen war für die Betroffenen völlig überraschend. Die unerhörte Aggression kam einen Tag vor dem Ende des Ultimatums Israels.

Der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier verharmloste den Angriff Israels als lediglich „unverhältnismäßig“ und rechtfertigte ihn mit dem „Selbstverteidigungsrecht Israels“ und schob der legitimen Vertretung der palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen die Schuld in die Schuhe. Dagegen sagte Hannan Ashrawi, eine palästinensische Politikerin, zutreffend: „es war ein Massaker“.

Die islamistische Hamas, die im Gaza-Streifen seit ihrem Wahlsieg 2006 die Regierung stellt, hatte am 19. Dezember den Waffenstillstand aufgekündigt, um ein Ende der Wirtschaftsblockade zu erzwingen. Der Gaza-Streifen ist so groß wie das Bundesland Bremen. Dort leben 1,5 Millionen Menschen unter unmenschlichen Bedingungen. Israel hat den Gaza-Streifen für die Bewohner zu einem riesigen Gefängnis gemacht und lässt nur minimale Treibstoffmengen und Lebensmittel passieren, häufig gibt es Stromabschaltungen. John Dugard, Professor für internationales Recht aus Südafrika und UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Palästina verglich die israelische Besatzungspolitik im Februar 2008 mit der Apartheid-Politik: „Gaza ist ein Gefängnis, Israel besitzt den Schlüssel und hat ihn ins Meer geworfen.“

Trotz der brutalen Unterdrückung konnte Israel den Widerstand in den palästinensischen Gebieten nicht auslöschen und bleibt ein Stachel im Fleisch. Im Vorfeld der Wahlen am 10. Februar 2009 versuchen sich die reaktionären bürgerlichen Politiker in Tel Aviv darin zu überbieten, wer den Widerstand am besten zu brechen weiß. Der korrupte Ministerpräsident Ehud Olmert zusammen mit Aussenministerin Zipi Livni von der Kadima-Partei, ebenso wie Verteidigungsminister Ehud Barak von der Arbeitspartei oder Benjamin Netanjahu vom Likud-Block befürworten die Kriegspolitik. Die imperialistische Politik Israels hat aber das Land tief zerrissen. Bis in Kreise der Armee und orthodoxer Juden wachsen die Widersprüche gegen die Fortführung der Siedlungs- und Besatzungspolitik und die Blockade von Gaza. Die Lebenslüge von der „Selbstverteidigung“ wird zunehmend in Frage gestellt.

Vielmehr ist es das Recht der palästinensischen Bevölkerung, die seit Jahrzehnten aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurde, ihre Existenz zu verteidigen. Nun haben verschiedene Organisationen unter ihnen zu einer neuen Intifada aufgerufen. In den arabischen Ländern demonstrieren zur Zeit die Menschen gegen das Massaker in Gaza, unter anderem im Gaza-Streifen, im Westjordanland, in Israel, im Libanon, und Jemen, in Syrien, auch mehrere Tausend in Istanbul. Ihnen gehört unsere Solidarität!

Nathan Gelbart: Die Mogelpackung der Antizionisten

Wer sich heute ungeniert und stolz als sog. „Antizionist“ bezeichnet, verknüpft diesen Titel reflexartig zumeist mit drei bestimmten, in fast jedem seiner Text- und Redebeiträge vorkommenden Reinwaschstatements: Man erkenne das Existenzrecht Israels ausdrücklich an, sei selbstverständlich kein Antisemit und übe doch nur Kritik an der israelischen Politik.

Ein einfacher Blick auf andere geläufigen Gegenbewegungen, deren Protagonisten sich mit der Vorsilbe „Anti-„ schmücken, deckt diese Mogelpackung schnell auf: Antifaschisten, Antiimperialisten, Antikommunisten und Antikapitalisten sind nicht etwa grundsätzlich Freunde der jeweiligen Bewegung, deren Fehlentwicklung sie mit ihrer Kritik einfach nur wieder in die richtige Richtung lenken wollen. Nein - sie lehnen die Bewegung sowie deren Verfechter prinzipiell und dogmatisch ab; sie stehen ihr gar feindlich gegenüber und bekämpfen sie aggressiv mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie wollen das Objekt ihres Zorns nicht reformieren sondern abschaffen.

So auch der Antisemit. Er bemängelt nicht etwa ein bestimmtes Verhalten von einzelnen Vertretern einer von ihm ansonsten geschätzten Volksgruppe. Nein – der Antisemit stört sich an der Existenz des Juden schlechthin und nicht am unliebsamen Verhalten einiger Exponate. Und wenn die Antisemiten, die Antikommunisten, die Antiimperialisten sowie die anderen Anti-Protagonisten die Möglichkeit hätten, jeweils per Knopfdruck die Juden, Kommunisten, Imperialisten u.a. dem Erdboden gleich zu machen, so würden sie keinen Moment zögern und es tun.

Dass dies beim selbst ernannten „Antizionisten“ nicht anders ist, liegt auf der Hand. Denn aus welchen Gründen sollte der den Juden feindlich gegenüber stehende Antisemit es mit dem mehrheitlich jüdisch bevölkerten Kollektiv, sprich dem Staat Israel, besser meinen ? Auch dem „Antizionisten“ geht es nicht etwa um Kritik an einer möglicherweise falschen Politik oder dem Verhalten einer bestimmten israelischen Regierung. Der „Antizionist“ lehnt vielmehr offen den Zionismus als praktizierte Form jüdischer Selbstbestimmung generell und damit auch jede israelische Regierung, jede israelische Politik als per se falsch ab. Er wirft Israel Rassismus, Vernichtungspolitik, Nazimethoden, Apartheid, Tötungen von Kleinkindern und Menschenrechtsverletzungen vor, hüllt sich aber in Schweigen, wenn sich Palästinenser gegenseitig massakrieren, es sei denn, er macht dafür auch die “Zionisten” verantwortlich.

Der „Antizionist“ greift mit großer Vorliebe in die klassische antisemitische Klamottenkiste, wenn er von der Existenz jüdisch-israelischer Lobbies und dem jüdisch-israelischen Einfluss auf die Weltpolitik („Israelisierung der Welt“) fantasiert. Er hütet sich davor, Israels Kontrahenten sowie deren Verhalten – so mörderisch sie auch vorgehen mögen – mit auch nur einem Wort zu kritisieren. Besonders intelligente „Antizionisten“, so sie nicht Töchter lange verstorbener Zentralratsfunktionäre sind und ihre eigene Bedeutung ausschließlich damit begründen, mögen ihre Hasstiraden gegen Israel zwar zuweilen mit Kritik an terroristischen Anschlägen einleiten; spätestens im darauf folgenden Satz jedoch wird die Verantwortung hierfür wiederum ausschließlich Israel zugerechnet, welches durch seine Politik die ansonsten friedfertigen Terroristen in diese Rolle zwinge.

Es gibt kein zweites Land, welchem der „Antizionist“ derart feindlich gesinnt ist wie Israel, keinen anderen Konflikt mit der Beteiligung mehrerer Konfliktparteien, dem er sich überhaupt, geschweige denn mit einer derartigen Einseitigkeit und Obsession zu Lasten bzw. zu Gunsten einer Konfliktpartei widmet. Es gibt keinen Anti-Polanismus, keinen Anti-Hollandismus, keinen Anti-Italienismus, keinen Antisimbabwismus und erst Recht keine Nazivergleiche, egal wie falsch die Politik des jeweiligen Landes sein mag.

Die Frage, ob die sichere Erkenntnis, dass jeder Antisemit zwangsläufig auch „Antizionist“ ist, auch im Umkehrschluss gilt, dürfte daher nicht allzu schwer zu beantworten sein. Wie so häufig, gilt auch hier die Weisheit, dass es nun einmal auf den Inhalt und nicht auf die Verpackung ankommt. Und wo „Antizionismus“ drauf steht, ist auch Antisemitismus drin.

Israel mobilisiert Tausende Reservisten

Die Fronten verhärten sich immer mehr: Israel droht der Hamas mit einem Einmarsch in den Gaza-Streifen und beruft 6500 Reservisten zur Truppe ein. Ministerpräsident Olmert stimmt die Bevölkerung auf lange Kämpfe ein - und die Hamas feuert Raketen bis weit ins Landesinnere.

Gaza/Tel Aviv - Es waren die schwersten Bombardements seit Jahrzehnten. Mehr als hundert Tonnen Sprengstoff wurden laut israelischen Medienberichten am Samstag auf den Gaza-Streifen abgeworfen. Nach noch unbestätigten Palästinenserangaben starben durch die Luftangriffe bislang über 280 Menschen, und bis zu 750 Personen wurden verletzt.

Und die schweren Schläge sollen erst der Anfang gewesen sein, heißt es aus Israel. Militärsprecher sagten laut einem Bericht der "New York Times", die Angriffe gegen die Hamas könnten Tage oder sogar Monate dauern. Auch Israels Ministerpräsident Ehud Olmert stimmte die Bevölkerung am Sonntag auf längere Kämpfe ein. Olmert bat zu Beginn einer Kabinettssitzung um Geduld, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen.

Nach Angaben eines ranghohen israelischen Sicherheitsbeamten erwägt Israel bereits den Einmarsch in den Gaza-Streifen. Mehrere hundert Soldaten seien auf dem Weg zur Grenze. Ein hochrangiger Regierungsvertreter sagte, die israelische Regierung habe die Mobilisierung Tausender Reservisten für Kampf- und Verteidigungseinheiten gebilligt. Laut israelischen Medien sollen 6500 Soldaten einberufen werden.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk berichtete zudem, israelische Panzer mit Reservisten hätten in einem an den Gaza-Streifen grenzenden Gebiet Stellung bezogen. Ein Armeesprecher wollte dies nicht kommentieren.

Zuvor hatte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak mit einer Bodenoffensive gedroht. "Wenn es notwendig ist, Truppen aufmarschieren zu lassen, um unsere Bürger zu schützen, werden wir das tun", wurde er von seinem Sprecher zitiert.

In einem dringenden Brief an den Uno-Sicherheitsrat verteidigte Israel die Offensive gegen die Hamas. Es gehe darum, die Zivilbevölkerung vor Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen zu schützen. In dessen Nähe leben 125.000 Israelis. Seit Sommer 2005 - dem Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen - sind laut israelischen Militärangaben mehr als 7000 Raketen und Mörsergranaten in Israel eingeschlagen.

Neue Bombardements auf Hamas-Regierungsgebäude

Die israelische Luftwaffe setzte am Sonntag ihre Angriffe auf Ziele im Gaza-Streifen fort. Die Armee bombardierte in dem Küstengebiet unter anderem eine Fernsehstation, ein Ausbildungszentrum und Regierungsgebäude der radikalen Palästinenser-Gruppe Hamas. Dabei gab es erneut Tote und Verletzte.

Nach Augenzeugenberichten wurde das Hauptquartier der Hamas-Regierung in der Stadt Gaza getroffen und schwer beschädigt. Auch der Saraja-Gefängniskomplex, in dem mehrere Hauptquartiere von Hamas-Sicherheitsorganisationen untergebracht sind, wurde getroffen. Dabei starben nach palästinensischen Angaben vier Gefangene, zwölf weitere seien verletzt worden.

In der Nacht zum Sonntag hatte der israelische Rundfunk bereits von rund 20 Luftangriffen berichtet. Der israelische Armeesender meldet, in der Nacht seien in mindestens fünf Fällen Gruppierungen getroffen worden, die Raketen auf Israel abfeuern wollten.

Ein Armeesprecher bestätigte zudem einen Bericht des TV-Senders al-Dschasira, laut dem eine Moschee in Gaza getroffen worden sei. In dieser hätten sich "Terroristen" verschanzt, sagte der Sprecher.

Militante Palästinenser setzten ihre Angriffe gegen Israel ebenfalls fort. Aus dem Gazastreifen feuerten sie zwei Grad- Raketen soweit wie nie zuvor ins Landesinnere - bis an den Stadtrand der 30 Kilometer nördlich gelegenen Hafenstadt Aschdod. Nach Angaben eines israelischen Polizeisprechers schlugen am Sonntagmorgen 20 Raketen auf israelischem Boden ein. Seit Beginn der Luftangriffe am Samstagmittag seien es mehr als hundert gewesen. Am Samstag war ein Israeli bei der Explosion einer selbst gebauten Rakete ums Leben gekommen.

Der im Exil lebende Chef der islamistischen Hamas, Chalid Maschaal, forderte am Samstagabend in einem Interview mit dem Fernsehsender al-Dschasira eine neue Intifada gegen Israel. "Der Widerstand wird sich mit Selbstmordaktionen fortsetzen", sagte Maschaal.

Sicherheitsrat fordert sofortiges Ende der Kämpfe

Der Uno-Sicherheitsrat hat nach einer vierstündigen Dringlichkeitssitzung in New York einen sofortigen Stopp aller Militäraktionen im Gaza-Streifen gefordert. Die 15 Botschafter waren auf Antrag Libyens zusammengetreten. Auf eine explizite Verurteilung der israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen einigten sich die Mitglieder des Sicherheitsrates am Sonntagmorgen nicht.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas machte die Hamas für die israelischen Angriffe mit verantwortlich. "Wir haben ihnen eindringlich nahegelegt, die Waffenruhe mit Israel nicht zu beenden", sagte Abbas auf einer Pressekonferenz in Kairo. Die Hamas hatte eine sechsmonatige Waffenruhe mit Israel im Dezember nicht verlängert.

Abbas reiste zu Krisengesprächen nach Kairo und Amman. In der ägyptischen Hauptstadt traf er am Sonntagmorgen mit Präsident Husni Mubarak zusammen. Kairo hatte schon am Vortag angeboten, zwischen Israel und der islamistischen Hamas zu vermitteln, die den Gaza-Streifen kontrolliert. Am Samstagabend war Abbas in Amman mit König Abdullah II. zusammengetroffen.

Gaza droht erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken

Weltweit reagierten Regierungsvertreter auf die erneute Eskalation im Gaza-Streifen mit Bestürzung. "Der Gaza-Streifen droht erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der "Bild am Sonntag". Generell billigte er Israel allerdings das Recht auf Selbstverteidigung zu. Ban Ki Moon, Generalsekretär der Uno, rief zu einem "sofortigen Stopp aller Gewalt" im Gaza-Streifen auf.

In der arabischen Welt lösten Israels Angriffe Empörung aus. In Ägypten, Jordanien, Syrien und dem Libanon kam es am Samstag zu Protestkundgebungen von Exil-Palästinensern. In der jordanischen Hauptstadt Amman protestierten Hunderte Demonstranten vor der dortigen Niederlassung der Vereinten Nationen.

Guineas Putschisten suchen Regierungschef

CONAKRY: Im westafrikanischen Guinea haben die putschenden Militärs Opposition und Gewerkschaften zur gemeinsamen Suche nach einem neuen Ministerpräsidenten aufgefordert.
Er erwarte Vorschläge, sagte der Chef der neuen Machthaber, Hauptmann Moussa Camara, bei einem Treffen in seiner Kaserne in Conakry. An dem Gespräch sollte auch ein Vertreter der französischen EU-Ratspräsidentschaft teilnehmen. Am kommenden Dienstag will sich Camara mit ausländischen Diplomaten treffen.
Er hatte die Macht nach dem Tod des langjährigen Staatschefs Lansana Conté übernommen und sich zum Übergangspräsidenten Guineas erklärt. Für Ende Ende 2010 hat er eine Präsidentenwahl in Aussicht gestellt. Die EU und die USA haben ihn aufgefordert, umgehend für demokratische Verhältnisse zu sorgen.

Friedliche Proteste gegen die Mauer

Wie ein Dorf im Westjordanland gegen die israelische Grenzanlage protestiert

Von Jochanan Shelliem

Während die Gewalt im Gazastreifen wieder einmal eskaliert, wird ein kleines Dorf zum Vorbild für friedliche Proteste: Bil'in im Westjordanland. Hier demonstrieren seit drei Jahren Jugendliche aus Europa, Israel und den Palästinensergebieten gewaltlos gegen die israelische Grenzanlage, die mitten durch die Olivenhaine der Dorfbewohner geht.

"Off Shore Zionismus" hatte der Historiker Gadi Algazi die Politik genannt, die Wohnungen und Industrieanlagen im Schatten der israelischen Grenzanlage errichtet. Siedlungen wie das rasant wachsende Mode'in Illit auf israelischer Seite, auch wenn sich die Bewohner des palästinensischen Dorfes Bil'in gegen ihre Enteignung wehren.

"Gleich gegenüber Mode'in Illit finden Sie ein palästinensisches Dorf, das zum Symbol geworden ist in den letzten zweieinhalb drei Jahren und das ist Bil'in."

Berühmt wurde Bil'in, weil es sich seit drei Jahren nicht von seinem gewaltlosen Protest gegen die israelische Mauer abbringen lässt.

"Und Bil'in ist ein winzig kleines Dorf. Die Leute von Bil'in haben schon die meisten ihrer Ländereien verloren, als Mode'in Illit, die Siedlung, gebaut worden ist. Und jetzt sind sie dabei, den Rest ihrer Ländereien zu verlieren, wenn die Mauer so gebaut wird, dass Mode'in Illit noch weiter expandieren kann."

Vorbild der Einwohner von Bil'in war die Geschichte ihrer Nachbargemeinde Budrus. Als sich die Mauer Budrus näherte, organisierten die Olivenbauern mehrere Jahre lang Sitzblockaden und Demonstrationen. Alle Einwohner des 1200 Seelendorfes beteiligten sich daran: Kinder, Frauen und die Alten. Unabhängig von den konkurrierenden Parteien in der Westbank, allein durch ihren hartnäckigen und gewaltfreien Widerstand erreichten sie eine Verschiebung der israelischen Grenzanlage aus ihrem Hain. Ihrer Enteignung konnten sie so entgehen.

"Das heißt, und das ist wichtig, der Verlauf der Mauer reflektiert nicht die Grenze von Israel vor dem Krieg vom 4. Juni 1967, reflektiert nicht mal die Sicherheitsbedürfnisse der Israelis, sondern der künftigen Expansion der Siedlung und der Investition einiger großer Konzerne in Israel, die in diese Siedlungen investiert haben."

In Bil'in hat sich die Auseinandersetzung um den Bau der Mauer in den vergangenen drei Jahren ritualisiert.

"Bil'in selbst, das palästinensische Dorf ist berühmt geworden, weil das Projekt des gewaltlosen Widerstandes dieses Dorfes eine Form angenommen hat, die das Dorf zum Anziehungspunkt für Leute aus der ganzen Welt gemacht hat."

"Ich heiße Abdullah Rahman, ich arbeite als Lehrer und koordiniere die Aktionen unseres Ausschusses gegen die jüdische Siedlung in Bil'in."

Am Morgen liegt das Dorf still an der staubigen Durchgangstraße über die von Zeit zu Zeit ein Schwerlastwagen durch die Schlaglöcher schwankt. Von der Dachterrasse geht der Blick weit ins Tal. Vom Flachdach des von Obstbäumen umwachsenen Hauses des Lehrers kann man die sechsstöckigen Häuserzeilen von Mode'in Illit jenseits der israelischen Grenzanlage sehen.

Über den Hügelkamm, den Hang hinauf quer durch einen Olivenhain zieht sich die Grenzanlage, gesäumt von einer breiten Zufahrtsstraße für das Militär, einem Sandstreifen und einem Zaun. Dass dieses Bauwerk das palästinensische Dorf in einen Herrgottswinkel abgedrängt hat, dagegen können die Bauern nichts tun. Dass ihnen der Zugang zu ihren Feldern verwehrt wird, dagegen tun die eigensinnigen Bewohner in diesem Teil der Westbank, wie ihre Nachbarn im dreißig Kilometer entfernten oder per Wagen in gut zwei Stunden erreichbaren Budrus etwas. Und das sei gut drei Jahren. Ohne die Hilfe aller Parteien.

Weder die Al Fatah, noch die Hamas haben den Dörflern die Organisation ihres Widerstandes aus den Händen nehmen können. Und Bil'in ist kein Einzelfall, sondern das bislang erfolgreichste Projekt des neuen Graswurzelwiderstandes mit internationalem Renomee. Seit gut drei Jahren findet jeden Freitag Punkt eins eine Demonstration zur Mauer statt. Ist das Dorf am Morgen noch verwaist, so ähnelt die Stimmung mittags einem Festival oder einem Feriencamp.

"Ich bin Italiener, wir haben in Gaza gearbeitet, wir wollten einen Kindergarten aufbauen und eine Müllkompostierungsanlage, aber wir wurden evakuiert, Saverio ist mein Name."

"Ich bin Kindergärtnern, wir hatten im Norden von Gaza mit EDUCATE ein Projekt der Universität Bologna. Ich musste auch da weg und war neugierig, wie die Lage in der Westbank aussieht. Ich heiße Ariana."

"Sara, ich bin aus Schweden, studiere Menschenrecht und bin hierher gekommen, um die Palästinenser in ihrem Kampf zu unterstützen."

Ein Fernsehteam ist da, mehrere Fotografen mit Teleobjektiv. Viele Rucksacktouristen, die man hier Internationalisten nennt. Saverio und Sara, Daniel aus New York und Christian aus Kopenhagen sind nicht hier hergekommen, weil die Region im Herrgottswinkel des Westjordanlandes vor Äonen die Helden der Makkabäer hervorgebracht hat, sondern weil sich palästinensische Bauern hier jeden Freitag - immer zur gleichen Zeit - durch Soldatenknüppel, Tränengasgranaten und Gummiummantelte Geschossen im Vorfeld des israelischen Grenzwalls auf ihrem Ackerland eine blutige Nase holen. Ohne Gewehre, ohne Explosivstoffe, aber mit Stöcken und Steinschleudern, die in der Hand junger Palästinenser tödlich sein können.

"Wir haben eine gewaltlose Demonstration organisiert, wollen zur 'Apartheids-Mauer' ziehen. Wir tragen keine Waffen. Hier sind nur Zivilisten. Wir haben nichts in der Hand als ein Paar Schilder mit Aufschriften gegen die Besatzung und die Apartheid. Scheiße."

Steinschleudern werden in Bil'in nicht als Waffe angesehen, sie gelten als legitimes Werkzeug eines gewaltlosen Widerstands. In der Männersprache von Nahost geht den Unterlegenen auch darum, das Gesicht zu wahren. Derweil die israelischen Soldaten militärisch reagieren. Sie haben einen anderen Gewaltbegriff.

"Sehen sie, welche Gewalt die Israelis einsetzen. Sie schießen jetzt mit Tränengasgranaten."

In dieser Woche hat das oberste Gericht von Israel den Bauern von Bil'in Recht gegeben und angeordnet, die israelische Mauer auf ihren Feldern abzubauen. Ein Sieg der israelischen Demokratie in einem abgelegenen palästinensischen Dorf, dessen Schicksal längst in aller Welt mit aufmerksamen Mausklicks verfolgt wird. Und vielleicht auch ein Beispiel für die Entfernung der palästinensischen Bevölkerung von ihren Führern.

In diesem Dezember hat der Oberste Gerichtshof Israels entschieden, dass den Einwohnern von Bil'in für die enteigneten Grundstücke eine Entschädigung zusteht, doch die Palästinenser wollen ihr Land zurück. Die Freitags-Demonstrationen finden weiter statt und werden ab und zu von Parlamentarieren aus Ramallah besucht.

Samstag, 27. Dezember 2008

Gewalt in Gaza löst weltweit Entsetzen aus

ISRAELISCHER ANGRIFF AUF HAMAS

Auf den Straßen liegen Leichen, in der Bevölkerung herrscht Panik: Die israelischen Luftangriffe haben den Gaza-Streifen ins Chaos gestürzt. Mehr als hundert Menschen wurden getötet - die Hamas schwört blutige Rache. Außenminister Steinmeier warnt vor einer "neuen Spirale der Gewalt".

Gaza/Tel Aviv - Im Nahen Osten eskaliert die Gewalt: Erst bombardierte Israel Einrichtungen der Hamas im Gaza-Streifen - inzwischen feuern Anhänger der islamistischen Organisation mit selbstgebauten Raketen zurück. Nach israelischen Polizeiangaben schlugen mehr als 30 selbstgebaute Geschosse auf israelischem Boden ein. In der Stadt Netiwot kam laut israelischen Radioberichten eine Frau ums Leben. Vier weitere Israelis wurden verletzt.

Am Abend flammte die Gewalt laut Hamas-Angaben erneut auf. Israel habe Ziele im südlichen Gaza-Streifen angegriffen, hieß es. In Gaza spielten sich chaotische Szenen ab. Auf den Straßen lagen tote Männer in Polizeiuniformen. Anderen Leichen fehlten der Kopf oder Gliedmaßen. Im Minutentakt werden Verletzte in das Schifa-Krankenhaus gebracht. Die Ärzte appellieren an die Bevölkerung, Blut zu spenden. Ägypten öffnete den Rafah-Grenzübergang zum Gaza-Streifen, damit Verletzte in ägyptische Krankenhäuser gebracht werden können. In der Bevölkerung herrscht Panik. "Die Kinder schreien, wir wissen nicht, was wir tun sollen", klagte eine Mutter von fünf Kindern im Gaza-Streifen. "Wo ist es sicher? Um uns herum ist überall Rauch. Wir wissen nicht, was wir tun sollen."

Israel und Hamas geben sich dagegen unerbittlich, drohen beide mit weiteren Angriffen. Hamas-Sprecher Fausi Barhum sagte, Israel werde für das "Blutbad" einen hohen Preis zahlen - und forderte, Raketen auf Israel abzufeuern. Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak kündigte an, dass der Militäreinsatz falls notwendig ausgeweitet werde. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert drohte mit der großen Zerstörungskraft der israelischen Armee und bereitete die internationale Gemeinschaft auf hohe Opferzahlen vor.

Palästina zählt schon jetzt die Leichen. Nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde kamen bei den israelischen Bombardements mehr als 200 Menschen ums Leben. 300 bis 750 Personen seien verletzt worden. Es handle sich um die höchsten Opferzahlen an einem Tag seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Unter den Toten befinde sich der Polizeichef der islamistischen Hamas-Organisation Tawfik Dschabber. Allerdings gibt es bislang keine unabhängige Bestätigung dieser Zahlen. Andere Quellen sprachen von mehr als 150 Toten.

Gaza droht erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken

Weltweit reagierten Regierungsvertreter auf die erneute Eskalation im Gaza-Streifen mit Bestürzung. "Der Gaza-Streifen droht erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der "Bild am Sonntag". Generell billigte er Israel allerdings das Recht auf Selbstverteidigung zu. Ban Ki Moon, Generalsekretär der Uno, rief zu einem "sofortigen Stopp aller Gewalt" im Gaza-Streifen auf.

Hilfsorganisationen, darunter medico international und Oxfam, warnten vor verhängnisvollen Folgen der Gewalt im Gaza-Streifen. Die medizinische sowie die Wasser- und Stromversorgung könnten vollständig zum Erliegen kommen, erklärte Oxfam-Direktor Jeremy Hobbs.

In der arabischen Welt lösten Israels Angriffe Empörung aus. In Ägypten, Jordanien, Syrien und dem Libanon kam es am Samstag zu Protestkundgebungen von Exil-Palästinensern. In der jordanischen Hauptstadt Amman protestierten Hunderte Demonstranten vor der dortigen Niederlassung der Vereinten Nationen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte die israelische Regierung auf, "diese Aggression sofort zu beenden". Die Hamas hatte vor einer Woche den im Juni unter ägyptischer Vermittlung ausgehandelten Waffenstillstand mit Israel offiziell für beendet erklärt.

Israel rechtfertigt Angriffe als Verteidigung

Der israelische Armeesprecher Benjamin Rutland rechtfertigte die Luftangriffe dagegen als Verteidigung. Ziel sei es gewesen, den Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen zu minimieren. Dort leben 125.000 Israelis mit der ständigen Gefahr, bei einem Angriff getötet zu werden. Die Vorwarnzeit bei einem Angriff liegt in einigen Städten und Kibuzim bei lediglich 15 Sekunden. Seit Sommer 2005 - dem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen - seien mehr als 7000 Raketen und Mörsergranaten in Israel eingeschlagen, sagte Rutland. "Kein Land in der Welt würde oder sollte Angriffe dieser Art tolerieren."

Der Angriff Israels erfolgte mit voller Wucht: Rund 60 Kampfflugzeuge griffen nach israelischen Medienberichten am Samstagvormittag den Gaza-Streifen an. Rund 50 Einrichtungen der Hamas seien zerstört worden, hieß es, darunter Polizeistationen, Gebäude der Sicherheitskräfte, Ausbildungsgelände sowie Waffendepots. Danach hätten Kampfflugzeuge 25 Abschussrampen für Raketen beschossen.

Nach einer Erklärung aus dem Büro des amtierenden israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert wurde eine langfristig angelegte Militäroperation bereits am 24. Dezember gebilligt. Olmert sowie Verteidigungsminister Barak und Außenministerin Zipi Livni hätten dann am Samstagmorgen die Luftangriffe genehmigt.

Das israelische Sicherheitskabinett wollte nach Medienangaben eigentlich erst am Sonntag über einen Militäreinsatz beraten. Olmert hatte noch am Donnerstag - also einen Tag, nachdem der Militäreinsatz gebilligt worden war - die militanten Palästinenserorganisationen aufgefordert, den Beschuss sofort einzustellen.

Israels Präsident Schimon Peres schloss am Samstag einen Einmarsch der Armee im Gaza-Streifen aus. "Es wird keinen Krieg geben. Wir werden nicht in Gaza einmarschieren", sagte Peres in einem Interview mit der saudi-arabischen Zeitung "Al Schark al-Awsat", das vor Beginn der Luftangriffe geführt worden war.

Verunglückte Frau von sieben Autos überrollt

Unfall in Niedersachsen: Eine Frau, die auf der A2 verunglückte, ist nach ihrem Unfall auf die Fahrbahn gelaufen und von mehreren Autos nacheinander überrollt worden. Sie war sofort tot, die beteiligten Fahrer erlitten Schocks.

Peine/Braunschweig - Eine Autofahrerin ist am Donnerstag auf der A2 in der Nähe von Peine in Niedersachsen von sieben Autos überrollt worden. Die Frau sei auf der Stelle tot gewesen, teilte die Polizei am Freitag mit. Ihr Leichnam sei bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden.

Die Frau war in Richtung Hannover unterwegs, als sie mit ihrem Fahrzeug nach rechts von der Straße abkam und gegen eine Lärmschutzmauer prallte. Sie sei anschließend aus dem Auto gestiegen und auf die Fahrbahn getreten, teilte die Polizei mit.

Ein Auto konnte ihr gerade noch ausweichen, ein nachfolgendes mit einem 63 Jahre alten Oldenburger am Steuer erfasste die Frau dann. Sie wurde anschließend von sieben Fahrzeugen überrollt. Über 200 Meter sei der Körper von den Autos mitgeschleift worden.

Einige Fahrer und Mitfahrer der Autos, die die Frau überfuhren, erlitten Schocks und wurden von Notfallseelsorgern betreut. Die A2 war für etwa viereinhalb Stunden in Richtung Hannover voll gesperrt.

Dienstag, 23. Dezember 2008

Ein Vater des Internets

Der in Nigeria geborenene Dr. Philip Emeagwali besitzt innerhalb der Ölindustrie eine beneidenswerte Reputation. Gründe dafür sind neben seinen EDV-Fachkenntnissen auch eine Handvoll weltweit errungener Auszeichnungen. Zu erstem Ruhm kam er 1989, als er für seine Arbeit mit parallel arbeitenden Computern den begehrten Gordon Bell-Preis erhielt. Emeagwali programmierte rekordverdächtige 3,1 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde auf 65000 Prozessoren, um Ölreservoire zu simulieren. Seine

Fleißarbeit könnte zukünftig zu einem besseren Verständnis der Mechanik solcher Lagerstätten sowie deren umweltgerechterer Behandlung nach der Ausbeutung des jeweiligen Ölvorkommens. Weitere "Lorbeeren", die Dr. Emeagwali sich verdienen wird, sind also absehbar… Sein Heimatland verlieh dem in Baltimore graduierten Emeagwali 1996 den prestigeträchtigen Nigeriapreis, Afrikas Spitzenauszeichnung für Wissenschaftler und Gelehrte. Gleichzeitig ehrte ihn auch die amerikanische nationale Gesellschaft für schwarze Ingenieure als "Pionier des Jahres". Mit seinen einundvierzig Lebensjahren besitzt Emeagwali nun bereits die Aura eines wiedergeborenen Ahnen und eine Vorbildfunktion für die junge Generation afrikanischstämmiger amerikanischer Gelehrter.

"Ich arbeite viele Stunden, doch ich bin kein 'besessener Wissenschaftler'. Solange ich Entdeckungen machen kann, werde ich meine Forschungen jedoch fortführen", sagt er. "Sollte dies einmal nicht (mehr) möglich sein, wechsele ich eben auf ein anderes Feld, auf dem ich meine bisher erworbenen Fähigkeiten ebenfalls werde nutzen können."

Emeagwali sagte, die Ölindustrie hat zwar beim Einsatz neuer Technologien berets große Fortschritte gemacht, da schon einer von zehn Supercomputern für Feldforschungen eingesetzt wird. "Doch die großen Gesellschaften bewegen sich in in ihrem Forschungsmethoden trotzdem immer noch in höchst konventionellem Rahmen, rational und mechanisch", kritisierte er. "Meine Forschungen dagegen sind interdisziplinär, unorthodox, intuitiv und inspiriert von der Natur."

Er glaubt, die Ölkonzerne sollten über den Horizont ihrer derzeitig Simulationen hinausblicken. "Ich werde meine naturinspirierten Studien über die Evolution der Pflanzen in den letzten vierhundert Millionen Jahren mit deren optimierter Abstammungslehre nutzen, um neue Algorithmen und Computer zu erschaffen. Dadurch können sowohl die Suche nach neuen Ölvorkommen wie auch deren Förderung verbessert werden." Nachdem er gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Strömungsmustern innerhalb von Ölreservoiren und denen in den Ozeanen und der Erdatmosphäre zu erkennen glaubte, ging Emeagwali davon aus, das ihm seine afrikanische Herkunft aus einer Gesellschaft mit naturnäheren technischen Standards beim Verständnis dieser Muster doch mehr von Nutzen sein kann als erwartet.

"Meine neuen Entdeckungen waren so verrückt, das ich selbst beinahe glaubte, verrückt zu sein. Algorithmen, Programme und Computer quasi mit Versionen für Links- und Rechtshänder - wie ein Paar Schuhe mit einem linken und einem rechten Schuh… Diese innovative Idee würde ich gern für die Lösung der Probleme in der Praxis der Ölförderung anwenden." Seinen Einfall hat Emeagwali inzwischen in Form einer vorläufigen Modelltheorie für Parallelcomputer umgesetzt, die aber noch starke Ähnlichkeit mit einem Mosaik besitzt. Das darauf basierende neue Konzept soll dabei helfen, die nötigen schnellen Berechnungen für die praktische Arbeit im Ölgeschäft umzusetzen. Der Professor ist auf seinen Erfolg als "ein unorthodoxer Forscher" stolz, der mit seinem Sachverstand nach harter Forschungsarbeit die Felder der Wissenschaft, Mathematik, Ingenieurs-kunde und Computertechnologie vereint.

Zu seinem Durchbruch sagte er ferner: "Es ist eine störrisch anmutende Entschlossenheit von Nöten, um diese in den Augen der anderen etablierten Wissenschaftler verrückt oder närrisch klingenden Ideen gegen alle Widerstände bis zu ihrem logischen Ende weiter zu verfolgen. Niemand wird mit mir zusammenarbeiten oder meine Forschungsarbeit unterstützen, doch ich werde nicht aufgeben." Seine gewitzte Beharrlichkeit zahlte sich aus. Der gute Doktor zieht sich den Schuh der inzwischen kursierenden Gerüchte nicht an, aber er zeigt sich darüber amüsiert. Demnach seien seine Forschungsergebnisse jemandem bereits 200 Millionen US-Dollar wert gewesen und er selbst sei dadurch mittlerweile der "Bill Gates von Afrika".

Doch Emeagwali sähe sich lieber im Besitz des Nobelpreises als in dem eines fetten Bankkontos. Er betrachtet sich selbst als Innovator. "Die neue Problemlösung, die Natur als Vorbild für den Aufbau von Computernetzwerken zu nutzen, ist erstmals von mir vorgestellt worden. Sie ist logisch und voller Inspiration und Wagemut." Er schreibt seinen Erfolg seinem Igbo-Background aus dem Südosten Nigerias sowie einer Alles ist möglich-Einstellung zu.

Diese Charaktereigenschaften wünscht er auch seinem jungen Sohn, "der in den Vereinigten Staaten inzwischen den Rassismus kennengelernt hat, welcher ihm die Fähigkeit abspricht, der Gesellschaft nutzen zu können."

"Ich wünsche mir, das sich mein Sohn von der Tatsache inspirieren läßt, das ich selbst ein Schulversager und Exflüchtling war, aber trotzdem den Rassismus überwand und wissenschaftliche Entdeckungen machte, die zum Besten der Menschheit sind."

Europa und USA bedrängen Mugabe

Gibt es Neuwahlen, wie von Simbabwes Gewaltherrscher Robert Mugabe angekündigt - oder beugt er sich den internationalen Sanktionen? In diesen Tagen erhöhen zahlreiche europäische Länder und die USA den Druck auf Mugabe.

Pretoria - Der internationale Druck auf das Regime von Präsident Robert Mugabe in Simbabwe wächst. Großbritannien und die USA halten das Konzept einer Machtteilung unter Einschluss des autokratischen Präsidenten Robert Mugabe für gescheitert. Die Schweiz verhängte am Montag Sanktionen gegen elf Mitglieder des Machtzirkels um den seit fast 29 Jahren regierenden Mugabe. Im Bundestag in Berlin hielt die Vorsitzende des Menschenrechts-Ausschusses, Herta Däubler-Gmelin (SPD), der Mugabe-Regierung eine "verantwortungslose Haltung" vor. Sie nehme um des Machterhalts willen den Tod von Tausenden Menschen in Kauf.

Der für Afrika zuständige britische Minister Mark Malloch-Brown forderte Mugabe zum Rücktritt auf. Er sei es "Hindernis" auf dem Weg zu einer politischen Lösung, sagte er dem britischen Sender BBC. Eine Machtteilung mit Mugabe sei undenkbar. Kurz zuvor hatte sich die Afrika-Beauftragte der US-Regierung, Jendayi Frazer, in Südafrika ähnlich geäußert und Mugabe Realitätsverlust vorgeworfen.

Verheerende Cholera-Epidemie

Der Bundestag in Berlin mahnte Maßnahmen gegen die verheerende Cholera-Epidemie in Simbabwe an, die nach UN-Schätzungen bisher mindestens 1100 Todesopfer gefordert hat. Die internationale Staatengemeinschaft müsse in die Lage versetzt werden, den notleidenden Menschen zu helfen, forderte der Bundestag. Das Kinderhilfswerk Unicef geht jetzt von fast 24.000 Cholera- Erkrankten in Simbabwe aus. Ein erstes Unicef-Frachtflugzeug mit dringend benötigten Medikamenten für die Behandlung der Kranken traf unterdessen in Harare ein, teilte das Hilfswerk in Harare mit. Ein zweiter Hilfsflug sollte noch am Montagabend eintreffen.

Simbabwe befindet sich in der schwersten wirtschaftlichen und politischen Krise seiner Geschichte, die durch die Cholera erschwert wird. Während Helfer von verheerenden Zuständen sprechen, zitierte die Staatszeitung "Herald" den Exekutivsekretär des regionalen Staatenbunds SADC, Tomaz Salamao, mit den Worten: "Wir haben in Sachen Cholera den Tiefpunkt erreicht. Die Lage ist schwierig, aber wir erhalten Unterstützung von Ländern wie Südafrika, Namibia und Tansania." Das Blatt berichtete unter Berufung auf Agrarminister Rugare Gumbo, Südafrika habe Simbabwe Agrarprodukte im Wert von umgerechnet rund 22 Millionen Euro gespendet. Dagegen erklärte Südafrikas Regierungssprecher Thabo Masebe nach Rundfunkberichten, der Kap-Staat werde diese Hilfe erst nach der Bildung einer Koalitionsregierung freigeben. Die Verhandlungen darüber stecken jedoch in der Sackgasse.

USA: Mugabe leidet unter Realitätsverlust

Die US-Gesandte Frazer hatte am Sonntag erklärt, ihre Regierung würde die angestrebte Machtteilung zwischen Mugabes Zanu-PF-Partei und der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) nicht länger unterstützen, wenn Mugabe Präsident bleibe. Er leide unter Realitätsverlust. In Washington vertraue man dem 84-Jährigen nicht mehr, der das einstige afrikanische Musterland in einen "gescheiterten Staat" verwandelt habe. Die im September getroffene Vereinbarung zur Machtteilung zwischen Mugabes Zanu-PF und der MDC von Morgan Tsvangirai müsse "mit einem anderen Präsidenten als Robert Mugabe umgesetzt werden", sagte die US-Diplomatin. Zugleich kündigte sie an, dass die US-Regierung an Sanktionen gegen Mugabe und seine Getreuen festhalten werde.

Die Schweizer Regierung verhängt Restriktionen gegen elf Mitglieder des Machtzirkels um den simbabwischen Präsidenten Robert Mugabe. Von Dienstag an sperrt sie deren Gelder und Vermögenswerte in der Schweiz. Auch dürfen sie nicht mehr ins Land einreisen, wie das Wirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Zurzeit sind zwei Konten mit rund 547.000 Dollar (356.000 Euro) gesperrt.

Mugabe hatte am Wochenende alle internationalen Rücktrittsforderungen zurückgewiesen und Neuwahlen in Aussicht gestellt. Die tiefe Krise des Landes sei nicht das Ergebnis seiner Herrschaft, sondern dem schädlichen Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien zuzuschreiben. Er hielt den USA vor, die Briten zu unterstützen.

Putsch in Guinea nach Tod von Präsident Conté

Das Militär im westafrikanischen Staat Guinea hat nach dem Tod des Präsidenten die Regierung aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Nachdem sich die Herrscher des Landes bisher unfähig gezeigt hätten, wolle man nun die Wirtschaft sanieren und Korruption bekämpfen.

Conakry - Nach dem Tod des Präsidenten von Guinea, Lansana Conté, hat das Militär in dem westafrikanischen Land einen Staatsstreich verübt. Die Regierung sowie andere Institutionen der Republik seien aufgelöst, die Verfassung außer Kraft gesetzt, verkündete ein Armeekommandeur namens Moussa Dadis Camara am Dienstag im staatlichen Rundfunk. Auch die Aktivitäten der Gewerkschaften würden unterbunden. Ein Rat bestehend aus Zivilisten und Armeeangehörigen werde demnächst eingesetzt.

"Die Institutionen der Republik haben sich durch ihre Unfähigkeit hervorgetan, sich an der Bewältigung der Krisen zu beteiligen", sagte der Kommandeur. In Guineas Bevölkerung herrsche "tiefe Hoffnungslosigkeit". Nun sei es dringend notwendig, die Wirtschaft des Landes zu sanieren und die Korruption zu bekämpfen.

Conté im Alter von 74 Jahren gestorben

Conté war in dem westafrikanischen Land 24 Jahre an der Macht gewesen. Er hatte sich als Oberst 1984 kurz nach dem Tod des ersten Präsidenten des unabhängigen Guinea, Ahmed Sékou Touré, an die Staatsspitze geputscht. Conté war im Alter von 74 einer schweren Krankheit erlegen.

Bereits seit Jahren litt der Staatschef an Diabetes und Leukämie und musste häufig zur Behandlung ins Ausland. Laut Verfassung sollte der Parlamentspräsident zunächst die Amtsgeschäfte übernehmen und binnen 60 Tagen Präsidentschaftswahlen organisieren.

Fünf Millionen Tote im Ostkongo

Bei den Kämpfen im Ostkongo sind nach Angaben des kongolesischen Außenministers in den vergangenen zehn Jahren fünf Millionen Menschen ums Leben gekommen. Angesichts der Kriegsgräuel verlängerten die UN ihr Blauhelm-Mandat bis Ende 2009.

New York - 1,7 Millionen Menschen seien aus ihrer Heimat vertrieben worden, sagte Kongos Außenminister Alexis Thambwe Mwamba am Montag vor dem Weltsicherheitsrat in New York. "Die beiden Kivu-Provinzen erleben einen der tödlichsten Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg." Der Sicherheitsrat verlängerte das Mandat für die Blauhelmmission im Kongo, Monuc, um ein Jahr bis Ende 2009.

In der einstimmig angenommenen Resolution forderte das höchste UN-Gremium die Truppe erstmals ausdrücklich auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zur obersten Aufgabe zu machen. Im kommenden Jahr müsse der Einsatz vor allem auf die Krisenregion in Kivu konzentriert werden, hieß es in dem von Frankreich und England ausgearbeiteten Papier.

Monuc ist der größte Friedenseinsatz der Vereinten Nationen. Wegen der desolaten Lage im Osten des Landes hatte der Sicherheitsrat die Zahl der Soldaten erst vor einem Monat um 3000 auf knapp 20.000 aufgestockt. Der britische UN-Botschafter John Sawers forderte, die neuen Kräfte so schnell wie möglich im Krisengebiet zu stationieren. Vor allem die sexuelle Gewalt, die systematisch als Kriegswaffe benutzt werde, müsse gestoppt werden.

Sanktionen verlängert

Ebenfalls einstimmig verlängerte der Sicherheitsrat das Waffenembargo und andere Sanktionen gegen den Kongo. So sind mehrere Rebellenführer mit einem Reiseverbot belegt, ihre Guthaben im Ausland wurden eingefroren. Die Strafen sollen vorerst bis Ende November 2009 weiterlaufen.

Im Ostkongo sind Regierungskräfte und Rebellengruppen seit Monaten in brutale Kämpfe verstrickt. Besonders prekär ist die Lage in Nord-Kivu, wo Zehntausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Wüstes Land - Somalia

Der Bundestag hat den Weg frei dafür gemacht, dass bis zu 1400 Bundeswehrsoldaten am Kampf gegen Piraten vor der Küste Somalias teilnehmen können. Welche Zustände herrschen in dem nordostafrikanischen Land?

Die Lage in Somalia ist schon lange hoffnungslos. Schon bevor 1991 der Diktator Siad Barre gestürzt wurde, war Somalia nicht gerade ein friedlicher Ort. Danach brach der Staat komplett zusammen. Doch die Somalis haben nach der akuten Krise Anfang der 90er Jahre, als hunderttausende Menschen starben, Mittel und Wege gefunden, um irgendwie durchzukommen. Sie lernten mit den Kriegsherren zu leben, die sich vor allem über Straßensperren finanzieren. Als Mitte 2006 die Islamischen Gerichtshöfe die Macht im Süden Somalias übernommen hatten, gab es für ein paar Monate sogar so etwas wie Frieden. Für viele Somalis war das eine Art goldene Zeit. Sie endete mit dem Einmarsch der äthiopischen Truppen zu Weihnachten 2006, die der bedrängten Übergangsregierung (TFG) unter Präsident Abdullahi Yusuf zu Hilfe kamen. Seither ging es stetig bergab.

Vor dem Einmarsch Äthiopiens lebten in der Hauptstadt Mogadischu rund 1,2 Millionen Menschen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind seit Januar 2007 rund 870 000 Menschen aus der Hauptstadt geflohen. Obwohl das südliche Nachbarland Kenia die Grenze 2007 geschlossen hat, sind weitere 45 000 Flüchtlinge aus Somalia in einem der ältesten und derzeit weltweit größten Flüchtlingslager Dadaab eingetroffen. Dort leben 220 000 Menschen unter schwierigen Bedingungen. Rund 23 000 Somalier sind über den Golf von Aden nach Jemen geflüchtet. Wie viele Menschen auf dieser Reise gestorben sind, ist unklar. Die Schlepper zwingen die verzweifelten Flüchtlinge oft, weit vor der Küste von Bord zu gehen, um nicht von der Küstenwache entdeckt zu werden. Viele schaffen es nicht. Rund 3,5 Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung, sind auch wegen einer Dürre inzwischen von Lebensmittelhilfe abhängig, die immer wieder ihr Ziel nicht erreicht, weil Piraten die Schiffe des Welternährungsprogramms (WFP) kapern, oder weil die Konvois von Mogadischu aus immer öfter von Aufständischen angegriffen und geplündert werden.

Anfang November war der Generalsekretär der ostafrikanischen Regionalorganisation Igad, Mahboub M. Maalim, dennoch optimistisch, dass es in Somalia bald besser werden könnte. Wenige Tage vorher hatten die intern völlig zerstrittene Übergangsregierung sowie eine moderate Fraktion unter dem Namen Allianz zur Wieder-Befreiung Somalias (ARS), die sich aus Teilen der Islamischen Gerichtshöfe in Eritrea gebildet hatte, in Djibouti ein Dokument unterzeichnet, das den Weg zum Frieden weisen sollte. Zwar haben die radikalen Teile der ARS sowie die islamistischen Kämpfer der Al Shabbab, die inzwischen größere Teile Südsomalias unter ihrer Kontrolle hat, die Djibouti-Einigung nicht unterschrieben. Dennoch hoffte Maalim, dass der regional und international aufgebaute Druck, eine neue Regierung unter Einschluss der ARS zu bilden, eine Chance haben könnte. Zudem hat Äthiopien zugesagt, seine noch in Somalia verbliebenen etwa 2000 Soldaten bis zu diesem Freitag abzuziehen. Diese Frist ist zwar vergangen, ohne dass der Abzug vollendet wäre. Doch Äthiopien hat noch einmal bekräftigt, dass die Truppen bis Ende des Jahres aus dem Land sein sollen.

Doch die Djibouti-Vereinbarung hat nicht lange gehalten. Am vergangenen Sonntag warf Übergangspräsident Yusuf den Premierminister Hassan Hussein Nur Adde raus und berief wenige Tage später den früheren Innenminister Mohamed Mahamud Guled zu seinem Nachfolger. Kenia nahm das zum Anlass, um Yusuf das Vertrauen zu entziehen, und erste Sanktionen zu erlassen. Yusuf darf nicht mehr nach Kenia reisen, zudem wurden seine Konten eingefroren. Zumal Hassan Hussein Nur Adde im Übergangsparlament großes Vertrauen genießt. Das Parlament unterstützt ihn und kündigte ein Amtsenthebungsverfahren gegen Yusuf an. Derzeit hat Somalia faktisch zwei Premierminister und parallel tagende Regierungen. Nicht, dass die Menschen davon besonders viel hätten.

Die Übergangsregierung hat es seit ihrer Konstitution 2004 in Nairobi nicht geschafft, irgendwelche Strukturen aufzubauen. Im Gegenteil, die Sicherheitskräfte der TFG gelten bei den Somalis als eine von drei großen Gefahren, denen sie sich ausgesetzt sehen. Sie fühlen sich auch von den äthiopischen Soldaten und den islamistischen Kämpfern bedroht. Ein neuer Bericht von Human Rights Watch dokumentiert eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen aller drei Seiten gegen Zivilisten. Alle Konfliktbeteiligten verbindet, dass sie ohne Rücksicht auf Zivilisten kämpfen. Tausende Menschen starben seit 2007 bei Gefechten, weil sie den Kämpfen nicht ausweichen konnten. TFG- und äthiopische Soldaten vergewaltigen Frauen und plündern Häuser, wenn sie angeblich nach Aufständischen suchen. Die Aufständischen wiederum haben im Süden strenge Scharia-Regeln eingeführt, die beispielsweise dazu führten, dass ein 13-jähriges Mädchen, das vergewaltigt worden war, wegen „Ehebruch" zu Tode gesteinigt wurde.