Erschütternde Berichte: Im Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen haben sich neue Betroffene zu Wort gemeldet. Ein Ex-Schüler berichtete dem SPIEGEL, dass er bis in die neunziger Jahre sexuelle Gewalt erlebt hätte. Bislang waren nur Fälle aus den fünfziger und sechziger Jahren bekannt.
Hamburg - Ex-Schüler Thomas Mayer berichtet dem SPIEGEL von schrecklichen Erlebnissen. Er habe sexuelle und körperliche Gewalt bis zum Verlassen des Internats 1992 als allgegenwärtig erlebt. Bislang waren Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen aus den fünfziger- und sechziger Jahren bekannt.
Georg Ratzinger: Wurde von ehemaligen Domspatzen als "extrem cholerisch" erlebt
Er selbst sei im Internat von älteren Schülern vergewaltigt worden, berichtet Mayer. Auch in der Wohnung eines Präfekten sei es zu Analverkehr zwischen Schülern gekommen. "Die haben den Druck eines totalitären Systems eben weitergegeben", sagt er. Das Bistum Regensburg wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Auch Chorchef Georg Ratzinger, der Bruder von Papst Benedikt XVI., wurde von ehemaligen Domspatzen als "extrem cholerisch und jähzornig" erlebt. So habe Ratzinger noch Ende der achtziger Jahre bei Chorproben erzürnt Stühle in die Männerstimmen hineingeworfen. Einmal habe sich der Domkapellherr so erregt, dass ihm sogar das Gebiss herausgefallen sei. Der 86-jährige Ratzinger wollte sich dazu nicht äußern.
Papst Benedikt sieht Zölibat als "Zeichen der Hingabe"
Ratzingers Bruder Papst Benedikt XVI. hält trotz aller neuen Enthüllungen über sexuellen Missbrauch in der Kirche am Zölibat fest. Der "heilige Zölibat" sei ein "kostbares Geschenk" und "Zeichen der vollständigen Hingabe" an Gott, sagte der Papst bei einem Treffen mit Teilnehmern einer Tagung der Kleruskongregation am Freitag im Vatikan. Die Kirche müsse an der Besonderheit des Priesteramtes festhalten und sich nicht "den Moden der säkularisierten Gesellschaft unterwerfen".
Der Papst war am Freitag vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, über die Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen in Deutschland informiert worden. Benedikt XVI. habe "große Betroffenheit" und "tiefe Erschütterung" gezeigt und die deutschen Bischöfe ermutigt, so Zollitsch, "den eingeschlagenen Weg der lückenlosen und zügigen Aufklärung konsequent fortzusetzen". Insbesondere bitte das Kirchenoberhaupt darum, dass die Leitlinien der Bischofskonferenz "kontinuierlich angewendet und wo notwendig verbessert" würden.
Zollitsch geht nach eigenen Angaben "gestärkt" aus dem Gespräch mit dem Papst hervor, weil dieser hinter dem entschiedenen Handeln der Bischofskonferenz stehe. "Papst Benedikt XVI. hat ausdrücklich unseren Maßnahmenplan gewürdigt", sagte Zollitsch nach der 45-Minuten-Audienz vor der Presse. Zollitsch bat die Opfer erneut um Vergebung. Auch würden die Bischöfe beraten, ob weitere Hilfen für Opfer möglich seien.
Auch in der Amtszeit des Papstes als Erzbischof von München und Freising ist ein wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit der Diözese eingesetzt worden. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen und wurde dafür verurteilt. Einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bestätigte das Erzbischöfliche Ordinariat in München auf seiner Webseite. Vom Vatikan gab es zunächst keine Stellungnahme zu dem Vorfall. Auch der pädophile Priester wollte sich dem Blatt zufolge zunächst nicht äußern.
Weihbischof räumt mögliche "Gefahrensituation" durch Zölibat ein
Angesichts der sich häufenden Meldungen über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche werden die Forderungen nach einer Aufhebung des Zölibats lauter. Auch Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), fordert jetzt Konsequenzen struktureller Art in der Kirche. Man müsse überlegen, ob es kirchenspezifische Bedingungen für den Missbrauch gebe, sagte Glück der "Süddeutschen Zeitung". "Dazu gehört zweifellos eine Auseinandersetzung mit dem ganzen Thema Sexualität, angefangen vom Umgang damit bis hin zur Auswahl des kirchlichen Personals." Die Lockerung des Pflichtzölibats sei ein Weg, sagte der CSU-Politiker. Allerdings sei das Problem damit allein nicht gelöst.
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte im Deutschlandfunk, der Zölibat sei als solches "nicht die Ursache". Allerdings könne die zölibatäre Lebensform Menschen anziehen, die "eine krankhafte Sexualität haben - und dann mag da eine Gefahrensituation gegeben sein". Im Inforadio des NDR plädierte Jaschke für einen offeneren Umgang mit Sexualität in der katholischen Kirche. Zölibatäres Leben "kann nicht heißen, dass man Sexualität unterdrückt oder verdrängt - man muss offensiv an diese Fragen herangehen."
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