Samstag, 20. März 2010

Odenwaldschule: Sanktionen für Ex-Lehrer gefordert

Odenwaldschulleiterin Margarita Kaufmann
Odenwaldschulleiterin Margarita Kaufmann
 
Die Entschuldigung des früheren Leiters der Odenwaldschule reicht vielen Missbrauchsopfern nicht aus. Auch die heutige Leiterin Margarita Kaufmann fordert nachträgliche Sanktionen für die betroffenen Lehrer.
Kaufmann sprach sich dafür aus, Lehrern für ihre Übergriffe etwa die staatlichen Pensionen zu kürzen. "Das finde ich absolut konsequent und auch notwendig." Bei den überwiegend privat beschäftigten Lehrern der Odenwaldschule gebe es solche Zugriffsmöglichkeiten zwar nicht, doch auch bei einer Betriebsrente, die über die Odenwaldschule läuft, seien Kürzungen denkbar.

"Ich würde mich dafür auf jeden Fall aussprechen", sagte Kaufmann angesichts der fehlenden Möglichkeit für die Opfer, heute noch Schmerzensgeld einzuklagen. Bisher habe man als einzige Maßnahme Hausverbote erteilt und den Kontakt zu ehemaligen Lehrern abgebrochen.

Auch mehr Kontrollen wünscht sich Margarita Kaufmann. Allerdings seien in dem Punkt die Privatuschulen "ganz weit außen vor". Ich halte es für dringend notwendig, für staatliche wie für private Schulen ein verbindliches Qualitätsmanagement in dieser Richtung einzuführen."
 

Entschuldigung kam spät

Der damalige Leiter der Odenwaldschule, Gerold Becker, hatte sich am Freitag in einem öffentlichen Entschuldigungsschreiben an seine Missbrauchsopfer gewandt. Warum er sich dafür so lange Zeit ließ, kann auch die heutige Schulleiterin Kaufmann nur vermuten: "Ich weiß, dass eine Altschülerin mit ihm Kontakt hatte und ihn aufgefordert hat, endlich Stellung zu nehmen." Der Ex-Schulleiter lebt heute in Berlin und leidet nach Medienberichten an einem Lungenemphysem.

Ehemalige Schüler signalisierten, dass sie sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben könnten. "Ich denke, dass die Altschüler jetzt darüber diskutieren", sagte Kaufmann in hr-iNFO. "Die ersten Stimmen, die mir vorliegen, sagen: So einfach wird es nicht gehen."
 

Vorwürfe gegen Behörden

Nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" (Samstag) erheben die Opfer auch schwere Vorwürfe gegen das hessische Kultusministerium und die Staatsanwaltschaft Darmstadt. Beide Institutionen hätten sich 1999, als Beckers sexuelle Übergriffe erstmals bekannt wurden, durch Untätigkeit ausgezeichnet, sagte der Opferanwalt Thorsten Kahl. "Was da gelaufen ist, könnte man als Strafvereitelung im Amt bezeichnen."
Ein Ex-Schüler sagte der Zeitung, die Aussagen der heutigen Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) seien "mit gesundem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbar". Henzler betonte am Samstag in einer Erklärung erneut, dass das Schulamt damals nur Hinweise auf einen verdächtigen Lehrer und zwei Schüler gehabt habe. Anhaltspunkte für weitere Missbrauchsfälle habe es nicht gegeben. Nach Angaben hatten dagegen schon im Juni 1998 zwei Missbrauchsopfer in einem Brief an den damaligen Schulrektor Wolfgang Harder davon gesprochen, dass es noch mehr Betroffene gebe.

Hahn prüft längere Verjährungsfristen

Die Grünen im Landtag haben von Henzler weitere Aufklärung über das damalige Vorgehen des Staatlichen Schulamtes verlangt. "Sollte es zutreffen, dass es bereits damals hinreichende Hinweise gab, dass es mehrere Täter und Opfer an der Odenwaldschule gegeben hat, dann wollen wir wissen, warum diesen Hinweisen nicht ausreichend nachgegangen wurde", sagte der familienpolitische Sprecher der Grünen, Marcus Bocklet.

Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) kündigte an, eine mögliche Verlängerung der Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch zu prüfen. Im Zivilrecht sei es überlegenswert, den Zeitraum für Klagen auf Schmerzensgeld und Schadenersatz zu verlängern, sagte Hahn am Samstag. Eine Änderung des Strafrechts lehnte er dagegen ab.

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