Westerwelles Südamerika-Reise
Aus Buenos Aires berichtet Jens Glüsing
Guido Westerwelle spielt Alltag: In Argentinien streichelt der Außenminister das Ego des geschundenen Landes, als nächstes muss er in Brasilien charmieren. Die Aufregung über seinen Lebenspartner Mronz, die Vermischung von Privatem und Politik? "Haltlos", sagt er und tut jede Kritik ab.
Auch Westerwelles Lebensgefährte Michael Mronz ist bei der Reise an Bord des Regierungsflugzeugs. Das Paar nimmt es mit der Trennung von privaten und öffentlichen Belangen nicht so genau. Nun will die SPD wissen, ob Mronz Ministerreisen für geschäftliche Zwecke nutzt.
Während Guido Westerwelle die deutsch-argentinischen Beziehungen pflegte, ging Herr Mronz ins Museum. Er besuchte eine Ausstellung hispano-amerikanischer Kunst, ließ sich die Restauration des Opernhauses "Teatro Colón" erklären und aß im Restaurant "Museo Evita" zu Mittag. So steht es jedenfalls im Programmheft "für den Besuch des Bundesministers des Auswärtigen Amtes und Herrn Michael Mronz" in Argentinien.
In Brasília, wo die deutsche Delegation am Dienstagabend eintrifft, wird der Lebensgefährte des deutschen Außenministers eine Stadtrundfahrt machen und in einem Steakhaus speisen, in Rio wird ihm am Freitag der Leiter des Goethe-Instituts das Maracana-Stadion zeigen.
Mit wem sich Herr Mronz sonst noch so trifft, ist nicht bekannt. Den SPIEGEL-Bericht, wonach Herr Westerwelle und sein Lebensgefährte es mit der Trennung von privaten und öffentlichen Belangen nicht so genau nehmen, bezeichnete Westerwelle jedenfalls als "haltlosen Vorwurf".
Auch bei der Auswahl seiner Delegationsmitglieder sei er verfahren wie seine Vorgänger. Die Förderung der deutschen Außenwirtschaft sei ein zentraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik und dürfe "nicht mit spitzen Fingern" betrieben werden, dozierte Westerwelle mit erhobenem Finger vor der deutsch-argentinischen Handelskammer. Die Kritik zielt ins Leere: Auch die Bundeskanzlerin hatte eine hochkarätige Wirtschaftsdelegation dabei, als sie vor zwei Jahren das erste - und einzige - Mal in Südamerika war. Und Westerwelles Vorgänger hatten ebenfalls keine spitzen Finger, wenn es darum ging, deutsche Wirtschaftsinteressen im Ausland zu vertreten.
Westerwelle streichelt das gekränkte Ego der Argentinier
Genau genommen ist auf der Westerwelle-Reise alles wie immer, wenn ein deutscher Minister nach Buenos Aires kommt. Man hat eine Menge Manager im Schlepptau, geht ins Steakhaus, besucht das VW-Werk, lobt die exzellenten Beziehungen und will sie selbstverständlich noch weiter ausbauen.
Eine "strategische Partnerschaft" mit Buenos Aires strebt Westerwelle an, damit will er sich von seinen Vorgängern abheben. Was er darunter versteht, bleibt sein Geheimnis. Er beschwört die "Wertegemeinschaft" mit Argentinien, aber die ist auch nicht neu - der Pampa-Staat galt schon immer als das "europäischste" aller lateinamerikanischen Länder.
Natürlich schmeichelt es den stolzen Argentiniern, wenn man ihre internationale Bedeutung hervorhebt, wie Westerwelle es macht. Denn eigentlich ist Argentinien höchstens noch die Nummer drei in Lateinamerika, weit abgeschlagen hinter dem ewigen Rivalen Brasilien und Mexiko. Argentinien leidet unter einer jahrzehntelangen wirtschaftlichen und politischen Dekadenz, die gelegentlich selbstzerstörerische Dimensionen annimmt. Da kann es nicht schaden, wenn Westerwelle das gekränkte Ego der Argentinier streichelt. Er wird dafür mit einem Treffen mit Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner belohnt.
Die Staatschefin läuft mit ihm durch eine Ausstellung des Max-Planck-Instituts zur Nanotechnologie, dabei redet sie ununterbrochen. Nicht mit Westerwelle allerdings, sondern mit dem Vertreter des Max-Planck-Instituts, der Frau Kirchner begeistert die Oberflächenstruktur von Atomkernen schildert. Westerwelle trottet stumm hinterher, fast könnte man ihn für einen Gastprofessor halten. Aber er ist zufrieden, die Präsenz der als kapriziös bekannten "Presidenta" wertet seinen Besuch auf, das ist ein guter Start. Vor allem, da ungewiss ist, ob am Mittwoch oder Donnerstag das begehrte Treffen mit Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zustande kommt.
Berlin hat Bringschuld in Brasilien
Die Zeichen dafür stehen nicht gut: Lula steht im Wahlkampf für seine Wunschnachfolgerin Dilma Rousseff, er hat kaum Zeit für den deutschen Außenminister. Außerdem hat sich Berlin in den vergangenen Jahren nicht gerade um Brasília bemüht. Als Lula vergangenes Jahr im August zum deutsch-brasilianischen Wirtschaftstreffen in die Hafenstadt Vitoria kam, war kein deutscher Minister oder Botschafter anwesend, selbst der Präsident des Industrieverbandes BDI war bereits abgereist. Lula ließ sich nichts anmerken, er hielt eine launige Rede, aber in Brasília hat man das diplomatische Ungeschick der Deutschen wohl vermerkt.
Berlin hat eine Bringschuld in Brasilien, es hat die Beziehungen zu der aufstrebenden Wirtschaftsmacht vernachlässigt. Das liegt nicht an Westerwelle oder seinem Vorgänger, sondern am mangelnden Interesse der Kanzlerin für die Region.
Dabei wird Brasilien auf internationaler Bühne immer wichtiger, Lula ist ein begehrter Gesprächspartner. Ausländische Staatschefs und hohe Politiker geben sich in Brasília die Klinke in die Hand. Nicolas Sarkozy ist alle paar Monate bei seinem Freund Lula zu Besuch, vergangene Woche schaute Hillary Clinton vorbei, im September kommt US-Präsident Obama. Da muss Westerwelle sich ganz schön anstrengen, um einen Termin zu bekommen.
So genießt er erst einmal Argentinien, wo man für jede Aufmerksamkeit dankbar ist. Viktor Klima, der Präsident von VW-Argentinien, umgarnt ihn mit österreichischem Charme, Westerwelle revanchiert sich mit freundlichen Worten für den "Herrn Bundeskanzler". Klima war einst Regierungschef in Wien, bevor Ferdinand Piëch seinen Landsmann auf Betreiben von Gerhard Schröder als VW-Chef ins ferne Buenos Aires beförderte, so entkam Klima einer hässlichen Affäre in seiner österreichischen Heimat.
Klima lobt die argentinische Präsidentin in höchsten Tönen, er würde sich in Buenos Aires auch als Regierungssprecher gut machen. Jemand schneidet kurz die Schuldenfrage an, ein unangenehmes Thema für Buenos Aires, Westerwelle weicht ins Ungefähre aus. Ein deutscher Wirtschaftsmann spricht ihn auf die Türkei an, so plätschert die Zeit dahin; es steht bestens um die deutsch-argentinischen Beziehungen.
Die vorgesehene Pressekonferenz mit Westerwelle und seinem argentinischen Amtskollegen Jorge Taiana findet leider nicht statt, auch die Präsidentin lässt keine Fragen zu.
Schade eigentlich, denn eines hätte man doch gern gewusst, und es wäre vielleicht auch für Westerwelle interessant: Wie regiert man, wenn der Vizepräsident zur Opposition überläuft?
Frau Kirchners Stellvertreter hat sich nämlich zu ihrem erbittertsten Kritiker gewandelt, die beiden wechseln kein Wort mehr miteinander.
Das ist eine kuriose Geschichte, aber sie spielt im fernen Südamerika, mit Deutschland hat sie eigentlich nichts zu tun.
Berlin - Bei seinen Staatsbesuchen in Lateinamerika wirkt Guido Westerwelle entspannt: In Argentinien zeigte sich der deutsche Außenminister strahlend mit Präsidentin Fernández de Kirchner, sein Lebenspartner, der Unternehmer Michael Mronz, ging derweil ins Museum. In der Heimat gerät Westerwelle nach einem SPIEGEL-Bericht über die Vermischung von Privatem und Politik in Bedrängnis. Kritik übt jetzt auch Westerwelles Amtsvorgänger Frank-Walter Steinmeier daran, dass der Minister seinen Lebenspartner mit auf Reisen nimmt.
Es sei zwar richtig, dass ein Außenminister mit einer Delegation reise. "Dass diese Delegation bei einem wichtigen Exportland wie Deutschland auch aus Unternehmern besteht, halte ich für selbstverständlich", sagte Steinmeier dem Fernsehsender N24 . "Falsche Eindrücke sollte man dennoch vermeiden", mahnte Steinmeier.
Dass es Normalität sei, als Außenminister seinen Partner mit auf Auslandsreisen zu nehmen, wie es das Auswärtige Amt dargestellt hatte, wies der heutige SPD-Fraktionschef derweil scharf zurück. Seine Ehefrau sei nur selten bei Auslandsreisen dabei gewesen, meistens bei EU-Veranstaltungen mit ausdrücklichem Partnerprogramm. "Meine Frau ist Richterin. Sie hatte dafür erstens keine Zeit. Und zweitens ist das auch nicht ihr Sinnen und Streben gewesen, mich auf Auslandsreisen zu begleiten", sagte der ehemalige Vizekanzler in der Sendung "Was erlauben Strunz".
Zuvor hatte sich bereits SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles öffentlich darüber gewundert, dass Westerwelles Lebenspartner mit auf die Lateinamerika-Reise ging. Zwar sei die Mitnahme von Managern zur Anbahnung von Wirtschaftsbeziehungen in den jeweiligen Ländern ein sehr üblicher Weg, meinte sie. Nicht üblich sei, dass Lebensgefährten - in diesem Falle von Westerwelle selbst - geschäftliche Vorteile von diesen Mitnahmen oder vielleicht sogar von Gesprächen vor Ort haben könnten, sagte Nahles und fügte hinzu. "Oder zumindest müssen wir fragen - und das werden wir auch tun -, ob es Geschäftsanbahnungen von Herrn Mronz gegeben hat."
Das Auswärtige Amt erklärte dazu, Mronz nutze die Reisen mit dem Minister nicht zur Geschäftsanbahnung. "Herr Mronz ist nicht Teil der Wirtschaftsdelegation", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Stefan Bredohl. Mronz habe Westerwelle sowohl nach Japan und China als auch nach Córdoba und derzeit nach Lateinamerika privat begleitet. Auch frühere Außenminister hätten ihre Partner auf Dienstreisen mitgenommen, sagte Bredohl. Die Regularien sähen es als ganz normale Möglichkeit vor, dass Partner mit auf Reisen kommen.
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