Freitag, 12. März 2010

Wer fliegt mit? Wer bezahlt?

Wer darf im Flugzeug neben dem Minister sitzen? Wer muss dafür bezahlen? Bei allen Reisen von Regierungsmitgliedern gelten dieselben Regeln. Damit soll die Vertretung deutscher Interessen im Ausland gewahrt werden. Klar ist dabei auch: Der Minister hat immer das letzte Wort.

Von Mark Kleber

Das Auswärtige Amt spricht von einem "eingespielten und üblichen Verfahren". Wenn der Außenminister auf Reisen geht, überlegen erst einmal viele Leute in seinem Ministerium, von der zuständigen Wirtschaftsabteilung bis zum Staatssekretär, wer den Minister begleiten soll.
Auch die deutschen Botschaften in den Zielstaaten werden um Vorschläge gebeten. Denn sie haben besonders im Blick, welche Wirtschaftsinteressen Deutschland dort hat. Die Reise kündigt das Ministerium aber auch den Spitzenverbänden der Wirtschaft an. Die Verbände fragen dann bei ihren Mitgliedern nach und melden zurück, welche Unternehmen gerne bei der Reise dabei wären.

Am Ende entscheidet der Minister

Aus diesen verschiedenen Vorschlägen entsteht im Auswärtigen Amt dann für den Minister eine Liste, aus der er auswählt. Das heißt auch: Die Entscheidung darüber, wer am Ende mit ihm im Flieger sitzt, trifft er ganz persönlich. Zu den Kriterien gehört, dass verschiedene Branchen zum Zug kommen sollen, ebenso Firmen unterschiedlicher Größe.

Wer bezahlt?

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (li.) und sein Lebensgefährte Michael Mronz verlassen in Tokio das Flugzeug. (Foto: dpa)
Wer wie viel für seine Reise mit dem Minister bezahlen muss, regelt Punkt 6 der Richtlinien der Flugbereitschaft der Bundeswehr, und zwar für alle Dienstreisen von Mitgliedern der Bundesregierung. Danach müssen Wirtschaftsvertreter und auch Journalisten für die Flüge bezahlen. Und zwar 30 Prozent des Preises eines normalen Economy-Tickets der Lufthansa.
Der Außenminister selbst muss natürlich für die Reise nichts bezahlen. Auch Beamte aus seinem Ministerium oder die Polizisten, die für seine Sicherheit sorgen, nicht. Bei Reisen mit dem Bundespräsidenten, der Kanzlerin oder dem Außenminister fliegen auch besondere Gäste oder persönliche Begleiter, zum Beispiel der Ehepartner, kostenlos. Dem Lebensgefährten von Außenminister Guido Westerwelle, so das Auswärtige Amt, würden die Kosten für die Südamerika-Reise aber in Rechnung gestellt.

FDP: „Diffamierungskampagne“

Westerwelle weist den Vorwurf der Verquickung von privaten und dienstlichen Angelegenheiten als „Verleumdung“ zurück: „Da der Opposition die politischen Argumente ausgehen, versucht sie es jetzt mit persönlichen Attacken gegen mich und meine Familie.“

Die Mitreise erfolge allein auf Grundlage der fachlichen Expertise, lässt das Außenamt wissen. Die Fachreferate machen Vorschläge, die letzte Entscheidung, wer den Minister begleiten dürfe, treffe Westerwelle allerdings selbst, so ein Sprecher. Was fast so klingt, als wolle er sich distanzieren. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, etliche Mitarbeiter des Ministeriums seien so unzufrieden, dass sie sich auf Auslandsposten versetzen lassen wollen.

Auch in der Partei macht sich Nervosität breit. Dem Vorsitzenden Westerwelle ist es bisher nicht gelungen, den sinkenden Umfragewerten etwas entgegenzusetzen. Vielmehr zerschlug er zuletzt mit seinen provokanten Äußerungen zu Hartz IV erst recht Porzellan.

Und nun verdichtet sich der Geruch der Günstlingswirtschaft, der die Liberalen schon seit dem Bekanntwerden einer Riesenspende aus der Hotelbranche umweht. Dennoch steht die Partei demonstrativ hinter ihrem Chef: Generalsekretär Christian Lindner bezeichnet die aktuelle Kritik gar als „demokratiegefährdend“: Die „konstruierten Vorwürfe“, die Teil einer „Diffamierungskampagne“ seien, könnten schlimme Folgen für die Demokratie haben.

Nüchtern bleibt, wie immer, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie stellt sich hinter den Koalitionspartner – überzeugt, dass Westerwelle die ihn begleitenden Wirtschaftsdelegationen in Übereinstimmung mit den Regeln ausgewählt habe. Viele in der CDU meinen, es werde krampfhaft versucht, Westerwelle etwas anzuhängen.

Opposition verlangt Aufklärung

Trotz der offiziellen Rückendeckung wird der Außenminister, wenn er am Samstag aus Brasilien zurückkehrt, kritische Fragen beantworten müssen. Weder die Begleitung durch den Partner noch durch eine Wirtschaftsdelegation ist per se anrüchig. Es gilt jedoch zweifelsfrei aufzuklären, ob wirtschaftliche/parteiliche mit staatlichen Interessen vermischt wurden.

Des Ministers Lebensgefährte Mronz, der nicht nur Sportmanager, sondern auch Vorstandsmitglied von „Ein Herz für Kinder“ ist, unterstreicht sein soziales Engagement im Rahmen der Reise: „Gerade weil wir keine eigenen Kinder haben, möchte ich ein Herz für Kinder zeigen.“

Geheucheltes Entsetzen
Die Klage der FDP, die Kritik an den Dienstreisen ihres Außenministers sei homophob, ist unhaltbar.

Das Berliner Szene-Magazin "Siegessäule" hatte einst die schöne Rubrik "Dafür haben wir nicht gekämpft". Viele Aktivisten werden sich tatsächlich geärgert haben, als etwa Günther Beckstein, damals noch bayrischer Innenminister und Gegner der Homo-Ehe, im Fummel eine Karnevalsbühne betrat. Und auch noch gut darin aussah.

"Dafür haben wir nicht gekämpft" - das ist auch die Haltung vieler Schwuler und Lesben zu Guido Westerwelle. Er hat gegen die Homo-Ehe gestimmt und präsentiert sich nun lächelnd mit Partner vor den Kameras dieser Welt, am liebsten in den bunten und blöden Blättern. Er wird von Vielen als ein Vertreter von "uns" angesehen, bekommt Stimmen aus der Szene, obwohl er weiterhin Schwierigkeiten hat, das Wort "schwul" zu nutzen. Er hat wie kein anderer gegen ein Antidiskriminierungsgesetz gewettert - und nun wird laut geschrien, Westerwelle und Mronz würden diskriminiert. Viele bewerten sein Verhalten verärgert als dreist.

Das kann freilich zunächst keine Begründung sein, Westerwelle in der aktuellen Diskussion nicht zu unterstützen. Eine Haltung der Art "Homophobie, wem Homophobie gebührt" ist nicht vertretbar; Schwulenfeindlichkeit ist - wie auch Rassismus - zu verurteilen, egal, wen sie trifft und wie man zu ihm steht. Sollte Westerwelle, etwa im Ausland, auf homophobe Worte oder gar Taten treffen, kann er sich der Unterstützung dieser Redaktion und vermutlich fast ganz Deutschlands sicher sein. Doch bei der Dienstreisen-Geschichte fällt es schwer, Homophobie auch nur ansatzweise zu erkennen.

Legitime Kritik
Angegriffen wird die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles für die folgende Zusammenfassung ihrer Aussage bei "Spiegel Online": "Jetzt fordert auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles (...) Aufklärung. Zwar sei die Mitnahme von Managern zur Anbahnung von Wirtschaftsbeziehungen in den jeweiligen Ländern ein sehr üblicher Weg, meinte sie. Nicht üblich sei, dass Lebensgefährten - in diesem Falle von Westerwelle selbst - geschäftliche Vorteile von diesen Mitnahmen oder vielleicht sogar von Gesprächen vor Ort haben könnten, sagte Nahles und fügte hinzu. 'Oder zumindest müssen wir fragen - und das werden wir auch tun -, ob es Geschäftsanbahnungen von Herrn Mronz gegeben hat.'"

Diese Äußerung ist sachlich und für eine Oppositionspolitikerin opportun wie legitim. Homophob ist sie nicht, auf die sexuelle Orientierung wird nicht eingegangen. Wer unterstellt, zwischen den Zeilen werde ein Bild für Homophobe gebastelt, geht zu weit: das geben die Worte definitv nicht her, das gibt auch die Intention von Nahles nicht her (dass trotzdem manche Leute in Internet-Foren etwa auf diese Äußerung verweisen, um darzustellen, dass Schwule albern, korrupt oder sonstwas sind, ist nicht auf sie zurückzuführen, diese Leute würden alles nutzen; auch darf Kritik nicht verstummen, nur weil die Beteiligten schwul sind).

Doch was ist die Intention von Silvana Koch-Mehrin? In ihrer Presseerklärung brüstet sich die FDP-Politikerin als Kämpferin gegen Homophobie. Als solche ist Koch-Mehrin, vorsichtig ausgedrückt, bisher nicht mal ansatzweise aufgefallen. Da erstaunt es doch sehr, wenn sie plötzlich urteilt, Nahles habe mit ihren nüchternen und umständlichen Sätzen "die niedersten Vorurteile gegen Schwule" bedient und solle sich für die "niederträchtige Attacke" entschuldigen.

Dreistheit und Opportunismus

Das ist kein Kampf gegen Homophobie, das ist Dreistheit und Heuchelei, gegen die sich die Szene wehren sollte. Der Vorwurf, Homophobie werde als Totschlagargument genutzt, wird von Gegnern von Homorechten gerne benutzt und ist selten treffend. Doch genau das macht die FDP nun: sie nutzt den (unhaltbaren) Vorwurf der Schwulenfeindlichkeit, um eine Debatte über etwas völlig anderes zu verhindern. Die Verteidigung von Mronz selbst, die Begleitung auf den Dienstreisen seines Mannes dienten nur seinem Einsatz für "Ein Herz für Kinder", ist übrigens analog zu sehen: als opportunistische, ablenkende Nutzung eines wichtigen Themas zu Selbstzwecken.

Was den LSVD und Volker Beck geritten hat, in die Klage über "falsche Zungenschläge" in der Debatte einzustimmen, weiß man nicht. Diese lassen sich auch in der Berichterstattung der Medien nicht ausmachen. Zwar wird Westerwelle generell überproportional angegriffen, doch geschieht dies, weil er Westerwelle ist, nicht, weil er schwul ist. Westerwelle ist laut, platt und provozierend. Zudem steht er für eine sehr eigennützige, ausschließende Politik. Es sind nicht nur viele Journalisten, die das verstört.

In der aktuellen Debatte wird nicht kritisiert, dass Westerwelle seinen Lebensgefährten mit auf Reisen nimmt. Es wird kritisiert, dass Unternehmer mitreisen, die für die FDP gespendet haben. Und es wird kritisiert, dass auch bestehende und eventuelle Neukunden von Mronz, dem Unternehmer, dabei sind. Die Frage, ob Westerwelle nicht genügend zwischen privaten und politischen Interessen unterscheidet, ist aufzuklären.

Es mag zunächst ein Vorurteil sein, Westerwelle zu unterstellen, dass er aus Dreistheit und Opportunismus genau diese Trennung nicht berücksichtigt. Es ist ein Vorurteil, das er sich hart erarbeitet hat.
 

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