Montag, 26. November 2007

Kunststreit um küssende Polizisten

Russische Künstlergruppe erregt Aufsehen

Mit knutschenden russischen Polizisten im eingeschneiten Birkenwald sorgt die sibirische Künstlergruppe «Blue Noses» in Russland für Aufsehen. Es ist nicht das erste Mal.

Fundamentalisten der Russisch-Orthodoxen Kirche und Rechtsextreme verwüsteten in Moskau schon Ausstellungen mit provozierenden Werken dieser modernen Künstler. Als «Schande für Russland» und «Pornografie» stempelt nun sogar Kulturminister Alexander Sokolow die Arbeiten ab.

Galerie wehrt sich

Sein Zorn trifft nicht zuletzt die weltberühmte staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau, die auch solche Kunst präsentiert. Das Kunstmuseum wehrt sich nun erstmals öffentlich gegen eine von der Kunstszene beklagte zunehmende Einmischung des Staates in die Kunstfreiheit.

«Hier wird die Tretjakow-Galerie in den Dreck gezogen, das darf niemand, auch nicht der Minister. Ich fordere eine öffentliche Entschuldigung», sagt Museumsdirektor Walentin Rodionow. Sein neben der Ermitage in St. Petersburg wichtigstes Kunstmuseum in Russland schickte im Oktober die Sonderschau «Sots Art» über politische Kunst aus Russland nach Paris.

Doch die Fotocollagen der Künstler Wladislaw Misin und Alexander Schaburow von den «Blue Noses» durften wieder nicht ausser Landes - wie schon im Frühjahr für eine Ausstellung der Städtischen Galerie in Dresden.

Erinnerungen an Sowjet-Zensur

Der Leiter der Abteilung für moderne Kunst der Tretjakow, Andrej Jerofejew, warnt vor einer Zensur und Selbstzensur wie zu Sowjetzeiten. «Das Verhalten des Ministers erinnert stark an die sowjetische Zensurpraxis, die ja eigentlich abgeschafft ist, jetzt laufen diese Prozesse eher unterschwellig ab», meint Jerofejew.

«Es geht um den Ruf unserer Nationalgalerie!», begründet Sokolow sein Engagement. «Natürlich masst sich die Regierung keine Expertenmeinung an, wird doch aber wohl noch eine Bewertung abgeben dürfen», sagt Sokolow. Russland zeige mit offiziellen Ausstellungen wie derzeit im Pariser Maison Rouge der Welt sein Gesicht, da sei «politische Provokation» fehl am Platz.

Gratis-Reklame

Viele der satirischen Fotocollagen zeigen nackte Menschen in sexuellen Posen auf einer abgewetzten sowjetischen Wohnzimmercouch- mit aufgeklebten Gesichtern von Prominenten wie Prinzessin Diana, aber auch von Adolf Hitler, George W. Bush, Wladimir Putin oder Saddam Hussein.

Die Aufnahme der küssenden Polizisten mit dem Titel «Die Epoche der Nachsicht» ist durch den Skandal in Moskau inzwischen zu einem der bekanntesten Kunstwerke geworden. Es gehe hier um den Traum, dass alle gnädig und zärtlich miteinander umgehen, erklärt der
Künstler Schaburow.

Mittwoch, 21. November 2007

USA wollen HIV-Positive ins Land lassen

Die USA haben angekündigt, das Einreiseverbot von HIV-Positiven aufzuheben - aber Schikanen bleiben.

Von Dennis Klein

Wenn US-Zöllner im Gepäck eines Touristen HIV-Medikamente finden, können die Betroffenen derzeit gleich den Rückflug buchen. Denn seit mittlerweile zwei Jahrzehnten verweigert das Land der unbegrenzten Möglichkeiten pauschal HIV-Positiven die Einreise. Damit könnte jetzt Schluss sein: Denn das amerikanische Heimatschutzministerium hat angekündigt, die Einreisebeschränkungen für Infizierte zu lockern.

Allerdings gibt es mehr als nur einen Haken: Homo-, Aids- und Immigranten-Gruppen kritisieren, dass die nach wie vor bestehenden Beschränkungen diskriminierend seien. Zum einen sollen HIV-Positive künftig nur auf Antrag ein Visum für maximal 30 Tage erhalten. Touristen aus Europa bekommen allerdings gewöhnlich ein 90-Tage-Visum bei der Ankunft in den USA.
HIV-Positive dürfen sich nicht "risikoreich" verhalten

Zudem müssen HIV-Positive beweisen, dass sie genug Medikamente für den gesamten Aufenthalt mitführen und dass ihre Krankenversicherung sämtliche Auslagen bei medizinischen Notfällen trägt. Außerdem müssen sie erklären, dass sie kein Verhalten an den Tag legen würden, das "risikoreich für die amerikanische Öffentlichkeit" ist.

"Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ausbruch der Epidemie brandmarken die Vereinigten Staaten Menschen mit HIV und behandeln die Krankheit nicht wie jedes andere Virus", erklärte Victoria Neilson von Immigration Equality. "So hohe Hürden für Reisende zu schaffen schützt die amerikanische Öffentlichkeit nicht vor HIV." Sie kritisiert auch, dass nach den geplanten Richtlinien der Aufenthaltsstatus von HIV-Positiven nicht geändert werden können. Dadurch könnten positive Asylbewerber jahrelang in einem unklaren Aufenthaltsstatus bleiben und hätten keine Ansprüche auf staatliche Sozialleistungen.

Einreiseverbot besteht seit 1987

Die USA haben 1987 in einer Welle der Aids-Hysterie HIV-positiven Ausländern die Einreise komplett verboten. Dadurch konnten keine Aids-Konferenzen und nur bedingt internationale Homo-Konferenzen in den USA abgehalten werden. Im vergangenen Jahr setzte die Regierung anlässlich der Gay Games in Chicago das Einreiseverbot kurzfristig aus (queer.de berichtete). Trotzdem bevorzugten die meisten europäischen Sportler die parallel stattfindenen Outgames im kanadischen Montréal.

Neben den USA verbieten derzeit nur zwölf weitere Länder HIV-Positiven die Einreise. Neben mehreren Staaten im Nahen Osten gehören in Europa auch Moldawien und Russland dazu. Die Volksrepublik China hat vor einer Woche angekündigt, das Einreiseverbot zu lockern.

Experten erwarten, dass weiterhin viele Positive ihre Aids-Medikamente in eine Aspirin-Box umfüllen, ihren Status bei der Einreise in in die Staaten verschweigen und am Zoll ihr freundlichsten Lächeln aufsetzen werden. Denn neben den Schikanen wird den meisten die Offenlegung ihrer Infektion - insbesondere an eine fremde Regierung - schwer fallen. Bislang sind die meisten an der Grenze durchgekommen. Ein Restrisiko bleibt aber bestehen, auch mit der neuen Regelung.

Sonntag, 11. November 2007

"Warum hälst du nicht die Klappe, Chàvez?"

Ein sehr undiplomatischer Vorfall hat sich beim iberoamerikanischen Gipfel in Chile ereignet. Hugo Chàvez, Präsident von Venezuela und bekannt für seine verbalen Ausfälle, hat sich mit spanischen König Juan Carlos angelegt.

Und dem platzte schnell der königliche Kragen:

Auf dem Lateinamerikanischen Gipfel in Santiago de Chile haben sich Spaniens König Juan Carlos und Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez am Samstag ein ungewöhnlich heftiges Wortgefecht geliefert, in dessen Verlauf der Monarch den venezolanischen Staatschef anfuhr: «Warum halten Sie nicht endlich den Mund?»

Vorausgegangen war eine Rede von Chávez, in der er spanischen Unternehmern vorwarf, den Putschversuch gegen ihn im April 2002 unterstützt zu haben. Dabei bezeichnete er den früheren spanischen Regierungschef José María Aznar erneut als «Faschisten». Daraufhin ergriff der heutige spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero das Wort. «Aznar wurde vom spanischen Volk gewählt und ich verlange Respekt», forderte er unter dem Beifall der Anwesenden.

Chávez versuchte Zapatero wiederholt zu unterbrechen, aber sein Mikrofon war abgeschaltet. Da fuhr der spanische König Juan Carlos den venezolanischen Staatschef scharf an und verließ sichtlich erbost vorübergehend das Plenum des Gipfeltreffens. Der konservative Aznar war ein enger Verbündeter von US-Präsident George W. Bush und unterstützte dessen Krieg im Irak. «Er ist ein Faschist», sagte Chávez in seiner Rede vor den Staatschefs aus Lateinamerika, Spanien und Portugal. «Faschisten sind nicht menschlich. Eine Schlange ist menschlicher.»

Es war nicht der einzige Streit zwischen der spanischen Delegation und Vertretern aus Lateinamerika: Anschließend griff Nicaraguas Präsident Daniel Ortega den spanischen Stromversorger Unión Fenosa an, der in dem zentralamerikanischen Land wegen seiner hohen Tarife Massenproteste ausgelöst hat. Außerdem habe der spanische Botschafter bei vergangenen Wahlen seine konservativen Rivalen unterstützt, kritisierte Ortega.

So ging der Gipfel – der dem Thema der sozialen Gerechtigkeit gewidmet war – mehr mit Zwist denn mit einer konkreten Lösung zu Ende. Die Vertreter von 22 Ländern Lateinamerikas sowie Spaniens, Portugals und Andorras konnten sich nur auf allgemeine Ziele einigen. Die dafür notwendigen Schritte und Strategien wurden jedoch wegen Meinungsverschiedenheiten weitgehend im Vagen gelassen.

So brachte der Präsident Uruguays, Tabaré Vázquez, seinen argentinischen Amtskollegen Néstor Kirchner in Rage, als er kurz vor Beginn des Gipfels die Betriebsgenehmigung für eine neue, seit Jahren zwischen beiden Ländern umstrittene Papierfabrik erteilte . Argentinien hatte sich besorgt über die Umweltfolgen der an einem gemeinsamen Grenzfluss liegenden Anlage geäußert. «Das war ein Schlag gegen das ganze argentinische Volk», soll Kirchner seinen uruguayischen Kollegen im Hotel angeraunzt haben.

Montag, 5. November 2007

Der abgewatschte Kronprinz

Von Carsten Volkery

Wieder ein Königsmord in der SPD? Umweltminister Sigmar Gabriel, Hoffnungsträger der Partei, ist bei den Wahlen zum SPD-Präsidium durchgefallen. Seine Leute wittern eine Verschwörung der Linken - doch die spielen den Ball zurück.

Berlin - Kürzlich auf dem SPD-Parteitag: Die Stimmung ist ausgelassen, ein Genosse stellt im kleinen Kreis die Quizfrage: "Welcher Parteiströmung gehört Sigmar Gabriel an? A. Linke, B. Netzwerker, C. Seeheimer, D. allen dreien". Großes Gelächter. Richtig sind die Antworten B und C, doch man einigt sich auf D: Gabriel, der Mann ohne Überzeugungen.

Die Episode gibt einen Hinweis darauf, warum Gabriel heute bei der Wahl zum SPD-Präsidium durchgefallen ist. Der Umweltminister erhielt nur 16 von 42 Stimmen bei der Abstimmung im Parteivorstand und lag damit abgeschlagen an letzter Stelle der 11 Kandidaten, die um zehn Plätze im Präsidium kämpften.

Die Niederlage ist peinlich für einen Minister - zumal für einen, der sich zu Höherem berufen fühlt. Gabriel kann reden, er ist ein political animal wie es nur wenige gibt in der SPD. Der 48-Jährige hat das Zeug zum Kanzlerkandidaten und wird eben darum seit Jahren als Hoffnungsträger gehandelt. Wenn Beck 2009 die Bundestagswahl gegen Merkel verliert, so spekulieren nicht wenige, dann könnte die Stunde des im Amt gereiften Fachministers schlagen.

Doch wie sich nun wieder bestätigt, hat Gabriel in seiner Partei ein Image-Problem: Vor allem bei Vertretern des linken Flügels gilt er als prinzipienlos, als jemand, der mit jeder Strömung schwimmt, wenn es der Karriere dient. So einer ist der SPD suspekt - auch wenn er Parteitage begeistern kann, wie er gerade in Hamburg wieder gezeigt hat.

Beck: Gabriels Niederlage "normal"

Die Parteispitze versuchte heute, die Bedeutung von Gabriels Niederlage herunterzuspielen. So ein Wahlergebnis sei "normal", sagte Parteichef Kurt Beck nach der Vorstandssitzung. Man solle da nichts "hineingeheimnissen". Dass es am Ende einen der männlichen Kandidaten treffen würde, stecke angesichts der Frauenquote "in der Logik der Sache". Auch sei allen Vorstandsmitgliedern bewusst gewesen, dass Gabriel als Minister sowieso an den Präsidiumssitzungen teilnehmen könne.

Es waren die üblichen Floskeln, mit denen böse Überraschungen hinterher bemäntelt werden. Doch verhehlte Beck nicht, dass er selbst sich Gabriel im Präsidium gewünscht hätte. Egal kann die Demütigung des Ministers dem Parteichef schon deshalb nicht sein, weil sie wieder mal das Klischee bestätigt, die SPD gehe mit ihrem Führungspersonal liederlich um. Auch muss Beck sich fragen lassen, warum er sich nicht energisch genug für seinen Kandidaten eingesetzt hat. Aus Sicht der Parteiführung wären eher der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner oder die baden-württembergische Landesvorsitzende Ute Vogt im Präsidium verzichtbar gewesen.

Wer war schuld? Darüber scheiden sich wie immer in der SPD die Geister. Bald kursierte die Nachricht, die Parteilinke und neue Parteivize Andrea Nahles habe eine Liste mit ihren zehn Favoriten aufgestellt: Diese sollten gewählt werden. Gabriel war nicht darunter. Wer dieses Gerücht streute, blieb unklar. Aber das linke Lager reagierte empört auf die Wiederauffrischung der Königsmörder-These. Nahles hatte vor zwei Jahren den Rücktritt von Parteichef Franz Müntefering ausgelöst und steht seither unter Sabotageverdacht. "Immer, wenn was schief läuft, wird Nahles die Schuld in die Schuhe geschoben", hieß es im linken Lager. Es gebe gar keine Liste.

Besprechung im Casino

Immerhin hatten sich die linken Parteivorstandsmitglieder aber am Morgen vor der Vorstandssitzung zu einer Vorbesprechung im Casino des Willy-Brandt-Hauses getroffen. Dort äußerte die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann die Sorge, dass bei der Präsidiumswahl eine der weiblichen Kandidaten durchfallen könnte. Andere waren vor allem um Stegners Wahlergebnis besorgt.

Solche Flügel-Treffen seien ja wohl kaum revolutionär, meinte ein Teilnehmer hinterher. Aber sie haben manchmal durchschlagende Wirkung.

Personalwahlen in der SPD sind immer eine verzwickte Gemengelage aus regionalen und Flügelinteressen sowie der Frauenquote. Diesmal war klar, dass es für die Männer besonders schwierig wird. Weil in der engeren Parteiführung seit der Neustrukturierung nur noch zwei Frauen vertreten sind, hatte Beck einen Ausgleich bei den Präsidiumsplätzen versprochen. Das Präsidium wurde von 13 auf 16 Plätze erweitert. Sechs Plätze sind durch Parteichef Beck, seine Stellvertreter Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles sowie Generalsekretär Hubertus Heil und Schatzmeisterin Barbara Hendricks belegt. Bei der heutigen Wahl ging es um die restlichen zehn Plätze. Angetreten waren sechs Frauen und fünf Männer.

Keine Sorgen machen mussten sich die neuen starken Frauen der Partei, die Landesvorsitzende aus Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, und die hessische Vorsitzende, Andrea Ypsilanti. Auch Fraktionsvizechefin Elke Ferner und die Bonner Oberbürgermeisterin Dieckmann erhielten gute Ergebnisse, Letztere sogar mit 41 von 42 möglichen Stimmen das allerbeste.

Linke: Gabriel selbst schuld

Auch Gabriel galt eigentlich als sicherer Kandidat. Er hatte die Unterstützung des Parteichefs. So sicher schien Gabriels Wahl, dass Beck es nicht für nötig hielt, in der heutigen Sitzung nochmals für den Minister zu werben. Beck erwähnte explizit nur die Frauen und die Ostdeutschen. Das war offensichtlich ein Fehler, einer der Teilnehmer sprach hinterher von einer "fahrlässigen Unterlassung".

Aus Sicht der Linken gibt es für Gabriels Niederlage eine einfache Erklärung: Lausige Vorbereitung. Ihr Wackelkandidat Stegner habe viele Parteivorstandsmitglieder in den vergangenen Wochen persönlich angerufen, Gabriel nicht. Stegner erhielt 28 Stimmen, Gabriel nur 16. Gabriels mieses Abschneiden zeige auch die mangelnde Unterstützung seiner eigenen Leute, der Vertreter der reform-orientierten SPD-Gruppierungen Netzwerk und Seeheimer Kreis, hieß es im linken Lager. Auch die Nordrhein-Westfalen hätten offensichtlich - wie schon in Hamburg auf dem Parteitag - den traditionellen Schulterschluss mit den Niedersachsen aufgekündigt und "eng" abgestimmt.

Gabriels Lager hingegen wittert eine linke Verschwörung. Dafür spricht, dass mit Martin Schulz ein weiterer Netzwerker nur knapp an der Blamage vorbeigeschrammt ist: Der Europapolitiker erhielt gerade so die nötigen 22 Stimmen. Damit wäre allerdings der Nichtangriffspakt aufgekündigt, den die Linke Nahles und der Rechte Gabriel im Interesse der gegenseitigen Karriereförderung vor einigen Jahren mal geschlossen haben. Gabriel selbst tat gelassen: "Wenn mich die Parlamentarische Linke nicht will, dann ist das ihr gutes Recht". Der Eindruck der Linken, dass er inhaltlich nicht ihre Positionen vertrete, sei richtig.

Welche Theorie sich auch am Ende bewahrheitet - für Gabriel ist es eine Erinnerung an vergangene Zeiten, als die Partei ihn häufiger hängen ließ. Angefangen hatte seine Durststrecke 2003 mit der verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen. Sein Zwischenjob als Pop-Beauftragter der SPD trug ihm nur den Spottnamen "Siggi Pop" ein.

Erst als Franz Müntefering ihn 2005 als Umweltminister vorschlug, war Gabriel wieder da. Erfolgreich arbeitete er an einem neuen Image: An die Stelle der alten Sprunghaftigkeit trat plötzlich ernsthaftes Interesse an Sachthemen. Zuletzt galt er als Kandidat für die Nachfolge Peter Strucks im Fraktionsvorsitz.

Daran ändert die Niederlage im Präsidium zunächst nichts. Aber sie weist doch auf ein Problem hin, an dem Gabriel und seine Strategen noch arbeiten müssen, wenn er denn mal Kanzlerkandidat werden will: Für was steht Sigmar Gabriel eigentlich?

Donnerstag, 1. November 2007

Vilnius: Bürgermeister verbietet erneut Versammlung

Berichterstatterin für das EU-Gleichstellungsinstitut kritisiert Verstoß gegen Grundrechte als homophobe Praktik

Die Vizepräsidentin der Intergroup on Gay and Lesbian Rights im EU-Parlament und Berichterstatterin für das EU-Gleichstellungsinstitut Lissy Gröner hat die Entscheidung des Bürgermeisters von Vilnius, einer lokalen Schwulen- und Lesbenorganisation zum zweiten Mal in diesem Jahr zu verbieten, sich öffentlich zu versammeln, als homophobe Praktik verurteilt.

Kein Fähnlein im Wind

Die Regenbogenflagge, die für Frieden und Toleranz steht, sei in Vilnius so wenig erwünscht wie das recht auf Versammlungsfreiheit, kritisierte Gröner in einer Aussendung am Mittwoch. Das Regenbogen-Banner sollte am Rande der jährlichen Konferenz der International Lesbian and Gay Association Europe (ILGA-Europe) gehisst werden, die vom 25. bis zum 28. Oktober 2007 in Vilnius tagte. Am Rande dieser Konferenz versammelte sich eine kleine Gruppe von DemonstrantInnen, welche die vermeintliche "homosexuelle Propaganda" der KonferenzteilnehmerInnen kritisierte und Plakate mit Aufschriften, wie "Lithuania will be no Gay zone" oder "Go home" zeigten.

Regierung homophob

"Der Regierung scheint dies sehr Recht zu sein." Der vorliegende Gesetzentwurf, durch den "homosexuelle Propaganda" verboten werden soll, orientiere sich an diesen Hetzreden, so Gröner. "Mit einer fadenscheinigen Begründung - angebliche Sicherheitsbedenken wegen laufender Bauarbeiten auf dem gewünschten Versammlungsplatz - hat der Bürgermeister Juozas Imbrasas den Lesben und Schwulen der Stadt Vilnius bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr verboten, die bunte dreißig Meter lange Fahne öffentlich zu hissen," erläuterte sie. Ein alternativer Versammlungsort wäre der lokalen Lesben- und Schwulenorganisation ebenso wenig angeboten worden.

Richtiger Ort für Europäisches Gleichstellungsinstitut?

In erster Instanz wurde das Verbot vom litauischen Gericht bereits bestätigt. Wenn dies auch in zweiter Instanz der Fall sein sollte, wird sich die Organisation an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden, berichtete Gröner, die "die homophoben Praktiken" des Bürgermeisters verurteilte und "klare Sanktionen" forderte. Sie habe unter diesen Umständen "ernsthafte Bedenken, ob Vilnius der richtige Ort für ein Europäisches Gleichstellungsinstitut ist", so Gröner abschließend.

Kambodscha: MP verstößt lesb. Tochter

Phnom Penh - Der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen hat gestern angekündigt, dass er alle Kontakte zu seiner lesbischen Adoptivtochter abbrechen werde, weil sie mit einer anderen Frau zusammenlebt. Der Politiker machte diese Aussage bei der Abschlussfeier der Universität der Hauptstadt Phnom Penh vor 3.000 Menschen.

"Meine Tochter hat eine Frau geheiratet. Deswegen bin ich zum Gericht gegangen und habe veranlasst, dass sie aus der Familie ausgeschlossen wird", so Hun Sen. "Ich war enttäuscht. Ich kann die ganze Nation erziehen, aber nicht diese Adoptivtochter." Der 55-Jährige erklärte, er wolle mit dem Schritt verhindern, dass sie einen Anteil des Erbes erhält. In der Rede sagte der Ministerpräsident auch, dass Schwule und Lesben nicht diskriminiert werden dürfen, auch nicht von deren Eltern – warum er diesen Standard nicht selbst umsetzt, erklärte der Politiker nicht.

In Kambodscha leben Schwule und Lesben oft ein Doppelleben, obwohl es keine Gesetze gegen Homosexualität gibt. König Norodom Sihanouk hat 2004 für Aufmerksamkeit gesorgt, als er die Einführung der Homo-Ehe forderte.



Homo-Demo gegen Obama

Bei einer Wahlkampfveranstaltung von Präsidentschaftsbewerber Barack Obama in Columbia (US-Bundesstaat South Carolina) haben rund 30 Homo-Aktivisten gegen den Auftritt eines Ex-Gay-Sängers demonstriert. Gospel-Sänger Donnie McClurkin, der behauptet, von seiner Homosexualität mit der Hilfe Gottes geheilt worden zu sein, war der Topstar auf dem Pro-Obama-Konzert gestern Abend.
McClurkin war 2004 bereits Stargast auf dem republikanischen Parteitag . Hier hatte er die Nationalhymne gesungen. Obama selbst hat in einem Interview mit dem Homo-Magazin "Advocate" erklärt, er habe in dieser Frage andere Ansichten als McClurkin, hat sich aber nicht von dem Sänger distanziert.
"Es gibt keinen anderen, der Homo-Rechte so sehr befürwortet wie ich", erklärte der Senator. Seiner Meinung nach ist es wichtig, die Gay-Community und die "Faith-Community", also gläubige Christen, in Dialog zu bringen. Insbesondere schwarze Evangelikale, die in den Südstaaten einen starken Wählerblock ausmachen, gehören zu den Unterstützern von Obama.

Zur Zeit führt einer aktuellen AP-Ipsos-Umfrage unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern Hillary Clinton klar mit 46 Prozent. Obama erreicht demnach nur 25 Prozent. Allerdings ist Clintons Vorsprung in den entscheidenden Staaten, in denen zuerst gewählt wird, geringer.