Mittwoch, 26. September 2007

Prunksüchtig und abergläubisch

Birmas Herrscher Than Shwe

Selten zeigt er sich in der Öffentlichkeit und doch hat er ein Land völlig unter Kontrolle: Than Shwe, Chef der Militärregierung in Birma. Als dienstältester General der Junta sieht er sich selbst als Reinkarnation des Königs, doch seine Herrschaft übt er am liebsten im Verborgenen aus. "Eine seiner wichtigsten Strategien ist es, alles geheim zu halten, so dass er jeden überraschen und das Land länger regieren kann", sagt der in Thailand lebende Oppositionelle Win Min.

Seinen Regierungssitz ließ der 74-Jährige im Dschungel erbauen, 400 Kilometer nördlich von Rangun und angeblich auf Rat seiner Astrologen. Die sollen ihm sogar den Einzugstermin empfohlen haben. Aus Naypyidaw, was übersetzt "Wohnsitz der Könige" heißt, regiert er mit einer mächtigen Armee das südostasiatische Land.

Bescheidene Anfänge


Sein Leben begann Than Shwe in viel bescheideneren Verhältnissen. Der 1933 in Mandalay in Zentralbirma geborene Shwe arbeitete zunächst als Postbeamter in einer geschäftlich gut florierenden Kleinstadt nahe Mandalay. Mit 20 wechselte er als Offiziersanwärter in die Armee seines Landes, das nach der britischen Kolonialherrschaft erst wenige Jahre zuvor seine Unabhängigkeit erreicht hatte. Später trat er einer Einheit bei, die sich auf psychologischen Krieg spezialisiert hatte.

Als nach einem Militärputsch 1962 General Ne Win die Macht in Birma übernahm, machte dieser Than Shwe zum Leiter der Zentralschule für Politikwissenschaft in Phaung-gyi nahe der damaligen Hauptstadt Rangun. Shwe blieb dem Militär jedoch treu. Wenig später kehrte er in den Dienst der Armee zurück und kletterte Stück für Stück die Karriereleiter hinauf. Als 1988 ein Volksaufstand ausbrach, wurde General Ne Win gestürzt und General Saw Maung übernahm die Macht. Shwe wurde als eines der 21 Junta-Mitglieder zur rechten Hand von Maung.

Saw Maung führte 1990 Wahlen durch, die zur großen Überraschung des Militärs die oppositionelle Nationale Liga für Demokratie (NLD) gewann. Doch die Partei gelangte nie an die Macht. Als Than Shwe 1992 die Junta-Führung übernahm, hob er das Wahlergebnis auf und setzte NLD-Führerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unter Hausarrest, der bis heute andauert und höchstens von Gefängnisaufenthalten unterbrochen wird.

Rücksichtslos kämpfte Shwe auch gegen seine Widersacher im Militär. Im Oktober 2004 entließ er General Khin Nyunt, den mächtigen Chef des militärischen Geheimdienstes. Khin Nyunt und dessen Familie ließ er zusammen mit Hunderten anderen inhaftieren.

Luxusleben der Herrscherclique

Trotz seiner brutalen Herrschaft hält sich Than Shwe für einen Führer mit Visionen. "Er möchte offensichtlich als ein wohlwollender König in die Geschichte eingehen", sagt ein Beobachter. Royales Antlitz verlieh Shwe seiner Herrschaft, indem er wie einst die buddistischen Könige Pagoden, Brücken und Straßen bauen ließ.

Die Öffentlichkeit in Birma bekommt ihn jedoch kaum zu Gesicht. Than Shwe, der schwer erkrankt sein soll, tritt selten auf und selbst staatlichen Medien untersagt er, sein Foto zu veröffentlichen. Doch im vergangenen Jahr wurde ein Video von der Hochzeit seiner Tochter publik. Darauf erstrahlte die Braut im Diamantenschmuck; der Sekt floss in Strömen. Angeblich verschlang die Party dreimal so viel Geld, wie jährlich für das Gesundheitswesen ausgegeben wird. Andere Mitglieder der Junta lassen es sich ebenfalls gut gehen. Angeblich wird ein Spross eines Kabinettsmitglieds täglich zum Studieren nach Singapur geflogen - in einem Jet der Luftwaffe.

Vom Reichtum Shwes und dem Luxusleben der Führungsclique können die meisten Menschen in Birma nur träumen, denn seit er die Herrschaft übernahm, gehört das Land zu den ärmsten der Welt. Den meisten Menschen bleibt auch heute gerade genug zum Leben. Strom geschweige denn einen Fernseher können sich nur die Wenigsten leisten.

Isolation setzte sich fort

International ist das Land, das seine Diktatoren in Myanmar umbenannt hatten, auch unter Shwe weitgehend isoliert geblieben. Einzig die Nachbarn China und Thailand unterhalten wirtschaftliche Beziehungen zu Birma. Während Thailand das Ziel vieler birmesischer Exilanten ist, hält Peking auch im UN-Sicherheitsrat schützend die Hand über Birmas Regime. China geht es dabei wohl auch um den Zugang zum indischen Ozean.


Gewalt gegen birmanische Demonstranten

"Ein Tag voller Hoffnung"

Erstmals sind birmanische Sicherheitskräfte am Mittwoch (26.09.07) gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Mönch Ashin Sopaka, der von Köln aus am Widerstand mitarbeitet, ist trotzdem zuversichtlich.

Ashin Sopaka; Rechte: WDR/Fricke

Ashin Sopaka ist derzeit ein gefragter Gesprächspartner. Der birmanische Mönch arbeitet seit 1999 am Widerstand gegen die Diktatur. Seit 2003 lebt er in Köln. Eine Rückreise nach Birma ist ihm verwährt. Ihm droht in seiner Heimat die Todesstrafe.

Die Militärregierung ist offenbar gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Was wissen Sie darüber?

Ashin Sopaka: Die Polizei soll sehr brutal sein, die Demonstranten werden getreten und geschlagen. Aber die Gewalt hat mich nicht überrascht. Eine Diktatur ist immer brutal, egal ob muslimisch, christlich oder buddhistisch. 1988 hat die Regierung immerhin 3.000 Mönche, Nonnen und Studenten erschossen. Seitdem sitzen noch immer 80 Mönche im Gefängnis.

Wie reagieren die Mönche auf die Gewalt?

Ashin Sopaka: Egal was kommt, wir wollen keine Gewalt. Die Gewalt kommt immer von der Gegenseite. Die Regierung versucht, Randalierer unter die Demonstranten zu mischen. Wir wollen jedoch eine friedliche Änderung der Situation in Birma.

Ist das möglich, wenn die Regierung Waffen gegen die Leute einsetzt?

Ashin Sopaka: Unsere Kraft liegt in der Masse. Eigentlich gibt es ein Versammlungsverbot, aber wenn Tausende auf die Straße gehen, dann kann die Regierung nichts machen. Natürlich haben viele Menschen Angst, auch die Mönche fürchten sich vor den Schlägen. Aber heute ist für mich auch ein Tag voller Hoffnung, denn ich hätte nicht gedacht, dass heute demonstriert wird.

Fordern die Mönche den Regierungswechsel?

Ashin Sopaka: Nein. Uns geht es um bessere Lebensbedingungen für die Menschen. Viele Birmanen hungern, haben Angst und sitzen im Gefängnis. Ich konnte beispielsweise bei einem Besuch in Thailand zum Jahresanfang meine Mutter nicht treffen. Sie wäre danach sofort ins Gefängnis gekommen.

Hoffen Sie auf Unterstützung aus dem Ausland?

Ashin Sopaka: Der Zeitpunkt ist günstig wie noch nie. Dank dem Treffen der UN

-Vollversammlung in New York richten sich die Blicke auf Birma. Die ausländischen Regierungen beobachten genau, was derzeit bei uns passiert.

Es heißt, die Telefonleitungen sollen abgeschaltet werden. Wie halten Sie Kontakt mit ihren Leuten?

Ashin Sopaka: Es gibt eine Webseite, die von indischen Exilmönchen betrieben wird. Hier gibt es für mich stündlich die neuesten Informationen. Wenn ich meinen Freunden in Birma was mitteilen möchte, mache ich ein Audiofile und schicke es per E-Mail. Ich habe auch gehört, dass die Internetverbindungen abgeschaltet werden sollen, aber es gibt in Birma sowieso nur zwei Leitungen, die vom Staat kontrolliert werden. Und alle Telefonleitungen kann die Regierung wohl nicht überwachen.

Was raten Sie ihren Freunden in Birma?

Ashin Sopaka: Ich ermutige immer, dass wir weiter machen müssen auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung. Gemeinsam haben wir eine ungeheure Kraft. Wenn wir Frieden und Glück wollen, dann müssen wir auf die Straße gehen. Ich rate den Mönchen auch, dass sie den Soldaten etwas zu essen und zu trinken geben sollen. Denn die Soldaten sind auch sehr arm und wenn sie merken, wofür wir einstehen, dann kommen sie sicherlich auf unsere Seite.

Das Gespräch führte Anke Fricke

Schwulenhass unter Migranten höher

Berlin - Berliner Jugendliche aus Gruppen mit Migrationshintergrund zeigen durchweg eine stärker ausgeprägte homosexuellenfeindliche Einstellung als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Psychologen Professor Bernd Simon von der Uni Kiel durchgeführten Studie. Das gab der Lesben- und Schwulenverband heute bekannt. Der LSVD hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben, finanziert wurde sie vom Bundesfamilienministerium.

Zu den Ergebnissen gehört unter anderem, dass mehr als drei Viertel der männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen Kuss zwischen zwei Männern als "abstoßend" empfinden, aber auch knapp die Hälfte der einheimischen Jungs. Die Hälfte der türkischstämmigen Jugendlichen würde zu schwulen Nachbarn lieber keinen Kontakt haben; bei den Deutschstämmigen sind es dagegen nur 16 Prozent. "Die Befunde der Studie sind alarmierend", erkärte LSVD-Sprecher Günter Dworek. "Sie verweisen auf die Bedeutung traditioneller Männlichkeitsnormen und von Religiosität für die Prägung antihomosexueller Einstellungen". Er warnte davor, die Homosexuellenfeindlichkeit als Bagatelle abzutun. Sie führe vielmehr zu negativen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Miteinander. "Besonders hart trifft es Schwule und Lesben mit Migrationshintergrund. Durch massive Ablehnung in ihrer Herkunftsgruppe wird ihnen ein selbstbestimmtes Leben oft weitaus schwerer gemacht als Lesben und Schwulen im Allgemeinen", so Dworek.

Keine "Multikulti-Verharmlosungen"

Die Lesben- und Schwulen in der Union (LSU) fordern nun einen "konstruktiven Dialog", um das freie und tolerante Europa zu erhalten: "Es nützen uns keine gut gemeinten Multikulti-Verharmlosungen, sondern wir müssen uns ehrlich und offen die Frage stellen, ob wir als Schwule vor muslimischen Zuwanderern Angst haben müssen?", erklärte Dirk Braitschink, Regionalvorsitzender Ost der LSU.

Lösung: persönlicher Kontakt

Die Simon-Studie liefert nach Ansicht des LSVD deutliche Hinweise auf ein
wirksames Gegenmittel gegen antihomosexuelle Einstellungen: Persönlicher Kontakt helfe, Vorurteile abzubauen. Das hat der LSVD bereits seit 2005 in einem Modellprojekt erprobt. Die Ergebnisse sind einem Handbuch "Homosexualität in Migrationsfamilien" zusammengefasst.

Befragt wurden für die Studie 1.000 Jugendliche ohne Migrationshintergrund, Jugendliche, die selbst oder deren Vorfahren aus einem Staat der ehemaligen Sowjetunion stammen, sowie Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund.

Mittwoch, 19. September 2007

"Huren des Krieges" unter Feuer

Marc Pitzke

Nach dem tödlichen Blackwater-Zwischenfall sind die privaten Sicherheitsfirmen im Irak ins Kreuzfeuer geraten. Bagdad droht, ihnen die Lizenzen zu entziehen. Doch dazu hat die Regierung nicht die Befugnis: Die Söldner arbeiten in einer legalen Grauzone - und dürften das auch weiter tun.

New York - Es waren scharfe Worte: Iraks Regierungssprecher Ali al-Dabbagh erklärte, das Innenministerium habe die Lizenz der US-Sicherheitsfirma Blackwater einkassiert. Und Bagdad werde die "Situation" aller privater Wachunternehmen "prüfen". Der schiitische Kleriker Muktada al-Sadr forderte, "die Arbeit dieser Firma und den Rest der kriminellen und geheimdienstlichen Unternehmen" gleich ganz zu "kündigen".

Scharfe Worte, doch wahrscheinlich am Ende ohne Biss. Die tödliche Schießerei mit Blackwater, bei der am Sonntag unter noch ungeklärten Umständen elf Iraker ums Leben kamen, zog ein rasches diplomatisches Schattenboxen nach sich: Bagdad polterte, und US-Außenministerin Condoleezza Rice rief Iraks Ministerpräsident Nuri Kamal al-Maliki persönlich an, um ihr Bedauern auszudrücken.

Die private Blackwater-Armee wartet derweil geduldig, bis sich der Staub gelegt hatte - um ihre Söldnerarbeit im Irak weiterzuführen. Ungestört, unkontrolliert und unreguliert.

Immun gegen irakisches Recht

Es war nicht das erste Mal, dass Blackwater - oder eine der Hunderten anderen Sicherheitsfirmen im Irak - in die Schlagzeilen geraten ist. Bisweilen wurde das eine oder andere Unternehmen zurück in die USA geschickt, straffrei meist. Jedes Mal hat sich der Sturm danach wieder beruhigt. Und jedes Mal setzten die Söldner ihre Patrouillen fort. Denn sie sind längst unabkömmlich geworden, die "Huren des Krieges". So nannte sie jedenfalls Katy Helvenston, die Mutter des 2004 in Falludscha getöteten Blackwater-Mitarbeiters Scott Helveston, die Blackwaters Geiz und Geldgier für seinen Tod mitverantwortlich machte.

Heute kommt keiner im Irak mehr ohne die privaten Sicherheitsdienste aus. Weder das US-Militär noch das diplomatische Korps - US-Botschafter Ryan Crocker nennt seine Blackwater-Eskorten "unverzichtbar" - noch, bei allem zur Schau gestelltem Widerwillen, Iraks Regierung selbst. Ohne Blackwater geht in Bagdad nichts - weshalb das US-Außenministerium seinen dortigen Diplomaten gestern befahl, vorerst in der verbarrikadierten Green Zone zu bleiben, bis die ganze Sache geklärt ist.

Iraks Regierung ist eigentlich nicht autorisiert, Sicherheitsfirmen wie Blackwater zu maßregeln oder gar des Landes zu verweisen. Die Männer operieren, unter Washingtons Flankenschutz, ausdrücklich in einer legalen Grauzone: immun gegen irakisches Recht - und zugleich weitgehend unbehelligt von US-Gerichten, sollten sie zur Glättung der Wogen heimgeschickt werden.

Verschwiegene Branche

Diese Farce offenbart sich allein an der Frage der Lizenzen: Viele Firmen machen sich seit den Irak-Wahlen 2005 wegen der unklaren Rechtslage offenbar gar nicht mal mehr die Mühe, ihre Jahreslizenzen beim irakischen Innenministerium zu verlängern. Sicherheitskreise in Bagdad berichten, nur "wenige Companys" hätten "gültige Lizenzen", viele arbeiteten stattdessen "mit Bestechung".

Selbst bei Blackwater konnte das US- Außenministerium bisher noch nicht klar beantworten, ob der Konzern überhaupt eine aktuelle Lizenz habe, die man aufheben könne. Nach Informationen der "Private Security Company Association of Iraq" hat Blackwater eine Lizenz beantragt, aber mehr nicht.

Auch weiß keiner genau, wie viele private Sicherheitskräfte überhaupt durch den Irak geistern. Die Schätzungen gehen von 20.000 bis zu 50.000 Söldnern aus den USA wie aus Europa aus - eine private "Schattenarmee" ("Nation") im Schatten der eigentlichen Armee. Sie stehen an Checkpoints in der Green Zone, schützen Uno-Einrichtungen, eskortieren Diplomaten und Kongressabgeordnete durch die Feuerzonen und patrouillieren schwer bewaffnet durch Straßen und im Luftraum.

Blackwater ist der berüchtigste Vertreter dieser verschwiegenen Branche, die keiner US-Regierungskontrolle unterliegt. 1997 von Erik Prince gegründet, einem christlich-konservativen Millionenerben und früheren Mitglied der Marine-Spezialeinheit Navy-Seals, hat der Konzern inzwischen rund 2300 Söldner in neun Ländern stationiert - davon rund 1000 im Irak - sowie 20.000 weitere in Bereitschaft.

Von seinem Hauptquartier im US-Bundesstaat North Carolina aus verfolgt Blackwater nach eigenen Angaben die ehrenvolle Mission, mit seinen Leuten "Sicherheit, Frieden, Freiheit und Demokratie überall zu unterstützen". Das war anfangs nicht gerade von Erfolg gekrönt.

Dann kam der 11. September 2001. "Ich war langsam etwas zynisch geworden, wie ernst die Leute Sicherheit nehmen", sagte Prince dem konservativen Nachrichtensender Fox News kurz nach den Qaida-Anschlägen. "Doch jetzt hört das Telefon gar nicht mehr auf zu klingeln."

Unter den Anrufern: die CIA, das US-Außenministerium, das Pentagon. Bald hatte sich Blackwater - oft ohne jeden Wettbewerb - Regierungsaufträge über fast eine Milliarde Dollar gesichert. Sein Stützpunkt in den Marschen North Carolinas wucherte bald zur größten privaten Militärbasis der Welt, mit Schießbahnen, Geisterstädten, einem künstlichen See und einer Flugzeug-Startbahn.

Blackwaters größter Auftraggeber ist das US-Außenministerium: Seit 2003 schützt Blackwater die US-Diplomaten im Irak. Es übernimmt auch den Personenschutz für Kongressdelegationen.

Mehrere hundert "ernsthafte Zwischenfälle"

Bis heute agieren Blackwater und die anderen privaten Sicherheitsfirmen im Irak unter dem "Memorandum 17", das die US-Verwaltung der irakischen Übergangsregierung 2004 schnell noch aufgedrückt hatte. Das unterstellt die Söldner dem Gesetz ihrer Heimatstaaten - und gewährt ihnen Immunität vor irakischem Gesetz. Zwar haben sich die Umstände im Irak dramatisch gewandelt. Doch Andy Bearpark, der Chef der British Association of Private Security Companies, bestand noch diese Woche darauf, zumindest "gewisse Elemente der Immunität beizubehalten", da das irakische Justizwesen "einfach nicht robust genug ist".

"Es ist ein sehr schwammiger Bereich", klagt die demokratische Abgeordnete Jan Schakowsky, die im US-Kongress seit langem vergeblich für eine Regulierung der Sicherheitsfirmen kämpft. "Unter welchem Recht operieren diese Individuen? Haben die Iraker die Autorität, Leute für Straftaten zu verfolgen, die ihnen vorgeworfen werden?"

Nach US-Zeitungsinformationen ereigneten sich seit 2003 mehrere hundert "ernsthafte Zwischenfälle" unter Beteiligung privater Unternehmen. Blackwater wurde erstmals im März 2004 weltbekannt, als irakische Milizen einen Firmenkonvoi in Falludscha angriffen.

"Bis zum Ende im Irak"

Vier Blackwater-Wachen wurden getötet, ihre Leichen zerstückelt und verbrannt, zwei an einer Brücke aufgeknüpft. Hinterbliebene beschuldigten das Unternehmen später, durch Inkompetenz und Profitgier Mitschuld zu tragen. Beim folgenden Versuch von US-Marineinfanteristen, Falludscha einzunehmen, starben 27 Soldaten und Hunderte Zivilisten.

2005 kamen fünf Blackwater-Männer beim Abschuss eines Helikopters um, fünf weitere bei einem ähnlichen Vorfall Anfang dieses Jahres. Zu Weihnachten 2006 erschoss ein Blackwater-Mitarbeiter einen irakischen Sicherheitsbeamten. Der Mann wurde gefeuert.

Im jüngsten Fall herrscht nun ein Patt. Gestern verbot das Außenministerium seinen Diplomaten in Bagdad, die auf den Schutz von Blackwater angewiesen sind, die Green Zone zu verlassen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Sicherheitsexperten bezweifeln aber, dass die Affäre langfristige Auswirkungen auf das Blackwater-Geschäft haben wird. "Gesunder Menschenverstand", schrieb die Autorin R.J. Hillhouse auf ihrem Blog, "besagt, dass Blackwater bis zum Ende im Irak sein wird."

Samstag, 8. September 2007

Harte Haftstrafen für Dissidenten in Birma

RANGUN: In Birma sind sechs junge Gewerkschafter zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Aufruhrs verurteilt worden. Vier von ihnen müssen für 28 Jahre ins Gefängnis, die restlichen beiden für 20 Jahre.
Ihnen war vorgeworfen worden, am 1. Mai dieses Jahres ein Seminar über Arbeiterrechte im Amerikanischen Zentrum in Rangun mitorganisiert zu haben. Die Verhandlung war hinter geschlossenen Türen geführt worden; die Angeklagten hatten keine Anwälte.
Derweil warten 13 Dissidenten, die vergangenen Monat ebenfalls wegen Aufruhrvorwürfen festgenommen worden waren, im Gefängnis auf ihren Prozess.

Mittwoch, 5. September 2007

"Schäuble hat den Schuss nicht gehört"

Dass der Innenminister ein harter Hund ist, hat er zur Genüge bewiesen. Dass er den Schuss offensichtlich nicht richtig gehört hat, ist neu. Ob Online-Durchsuchung, Bundeswehreinsätze im Inneren oder öffentliches Spekulieren über gezielte Todesschüsse gegen islamistische Terroristen - Wolfgang Schäuble hat nie Zweifel daran gelassen, dass für ihn Sicherheit Vorrang vor bürgerlicher Freiheit hat. Sein Vorstoß, das Waffenrecht wieder zu lockern, passt nicht nur nicht zu dieser harten Linie, er entbehrt auch jeder sachlichen Grundlage.

Mehr Waffen bedeuten größere Gefahr

Kein Wunder, dass nicht nur die Opposition, sondern auch Waffenexperten von Ländern und Polizei sofort massiv Sturm dagegen liefen. Je mehr Waffen im Umlauf sind, desto größer die Gefahr, dass sie auch benutzt werden - eine einfache Rechnung. Natürlich sagt das Alter alleine nichts über die potenzielle Gefahr aus, die von einem Waffenbesitzer ausgehen kann. Wichtiger wäre es, die Freigabe von Waffen konsequent von Persönlichkeitsprofil und Reife abhängig zu machen.

Diverse Schulmassaker sowie die steigende Gewaltbereitschaft der deutschen Jugend verdeutlichen aber unbestreitbar, dass großkalibrige Waffen in den Händen von 18-Jährigen definitiv keinen Sicherheitsgewinn bringen. Mit absoluter Sicherheit lassen sich Amokläufe durch die strengeren Auflagen natürlich nicht verhindern, aber das Blutbad von Erfurt - angerichtet von einem 19-jährigen Sportschützen - war nicht zuletzt deswegen möglich, weil dieser großkalibrige Waffen kaufen und besitzen durfte.

Schäubles Argumente ziehen nicht

Die Argumente des Ministers, man habe nicht feststellen können, durch die Verschärfung des Waffenrechts nach dem Massaker von Erfurt vor fünf Jahren, mehr Sicherheit geschaffen zu haben, zudem gelte es, EU-Recht zu vereinheitlichen, sind schnell entkräftet. Ein Blutbad, das Mangels Zugang zu Schusswaffen gar nicht erst stattgefunden hat, lässt sich statistisch auch nicht erfassen. Die EU-Gesetzgebung kann auch auf schärferem, in diesem Fall deutschem Niveau vereinheitlicht werden - zumindest lohnt es sich, dafür zu kämpfen.

Dass die Büchsenspanner im Innenministerium augenscheinlich mit feuchtem Pulver hantiert haben, lässt sich am ungewöhnlich schnellen Rückzug ablesen. Der Gesetzentwurf sei ohnehin nur als Gesprächsgrundlage gedacht gewesen, nun habe man die Argumente eben abgewogen und entschieden, alles beim Alten zu lassen - so die äußerst schwache Begründung dafür, das Vorhaben doch nicht weiter zu verfolgen. Die aufgeregte und völlig überflüssige Debatte hätte man sich aber sparen können, wenn man nur vorher abgewogen hätte. Die Argumente waren alle seit langem bekannt, sicher auch im Innenministerium. Der stets geforderten nachhaltigen Debatte über Jugendgewalt ist dieser Politikstil nicht gerade förderlich.

Wie stark ist die deutsche Waffenlobby?

Statt immer nur anlassbezogen hektisch über Verbote von Gewaltvideos und - Computerspielen oder das Waffenrecht zu debattieren, wäre eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Problematik dringend nötig. Dazu hat der oberste Sicherheitsbeauftragte der Republik so nicht beigetragen.

Über die Motivation für den kaum durchdachten Schnellschuss kann man nur spekulieren. Mögen beim Waffenrecht dankenswerter Weise noch große Unterschiede zu den USA existieren, hat die Waffenlobby in Berlin offenbar mittlerweile einen ähnlich guten Stand wie die in Washington. Schützenvereine und Waffennarren sind die einzigen, die seit Jahren auf die Lockerung des Waffenrechts gedrungen haben. Nur gut, dass 6000 junge Sportschützen, die von der Änderung betroffen wären, doch nicht ganz soviel bedeuten wie die Sicherheit von 80 Millionen Bürgern. Nur gut, dass aus den Anstrengungen der Waffenlobby doch nur ein Schuss in den Ofen wurde.

Schäuble hat seinen Vorstoß zur Lockerung des Waffenrechts als Fehler bezeichnet. In der öffentlichen Diskussion seien die Pläne mit dem Schulmassaker von Erfurt verknüpft worden, sagte der CDU-Politiker dem SWR. Angesichts dieses Eindrucks, "drei Jahre nach Erfurt senkt man die Altersgrenze wieder ab", sei mit fachlichen Argumenten nichts mehr zu machen gewesen. Es sei deshalb richtig gewesen, den Fehler zu korrigieren. Schäuble betonte aber, dass er trotz seines Rückziehers daran festhalte, dass eine einheitliche Altersgrenze zum Erwerb großkalibriger Waffen zu begründen sei. Entscheidend sei der psychologische Eignungstest.

Der Minister hatte am Wochenende vorgeschlagen, das Käuferalter für großkalibrige Waffen für Sportschützen von 21 auf 18 Jahre zu senken. Daraufhin hatte es scharfe Kritik aus der Öffenlichkeit und von Politikern aller Parteien gegeben. Auch mit Schäubles Rückzieher ist die Kritik an seinem Vorgehen nicht beendet.

EU plant keine Erleichterung bei Mindestalter

Schäuble wollte die Altersbegrenzung für den Erwerb großkalibriger Waffen auf 18 Jahre senken - nun zog er seinen Vorschlag zurück.

So wies die Berichterstatterin über die Waffenrichtlinie im Europäischen Parlament, Gisela Kallenbach (Grüne), Schäubles Argumentation zurück, er habe nur Plänen für eine Reform der EU-Richtlinie über den Waffenbesitz und -handel vorgreifen wollen. Dies sei "an der Haaren herbeigezogen", sagte Kallenbach. In der EU sei keine Absenkung des Mindestalters geplant, im Gespräch sei vielmehr eine Verschärfung der Regeln. Kallenbach ergänzte, als eigentlichen Beweggrund für Schäubles Vorstoß könne sie sich "nur einen guten Erfolg der Lobbyisten-Arbeit vorstellen".

Die Richtlinie aus dem Jahr 1991 schreibt für den Kauf von Waffen ein Mindestalter von 18 Jahren vor, die einzelnen EU-Staaten dürfen aber auch strengere Regeln erlassen. In Deutschland war die Altersgrenze nach dem Amoklauf in Erfurt im Jahr 2002 von 18 auf 21 Jahre angehoben worden.
Waffenbesitzer verteidigen Lobbyarbeit

Das Forum Waffenrecht, ein Interessenverband der Waffenbesitzer, warf Schäuble dagegen vor, dieser habe sich populistischem Druck gebeugt. Zugleich verteidigte der Sprecher des Forums, Joachim Streitberger, die Lobbyarbeit seines Verbandes. "Nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit können wir in einer Gesellschaft, in der der Umgang mit der Waffe tabuisiert ist, ohne Vorurteile über die Waffengesetzgebung sprechen", sagte Streitberger. Er betonte, sein Verband habe eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und werde auch weiter hinter den Kulissen daran arbeiten, dass die Altersbegrenzung für den Waffenbesitz in Deutschland gesenkt werde.


Interview zu den Vorstößen des Innenministers

"Schäuble vom Instinkt verlassen"

Online-Durchsuchungen, Bundeswehreinsätze im Inneren, zuletzt der Vorstoß, das Waffenrecht zu liberalisieren: Innenminister Schäuble erntet scharfe Kritik für seine unermüdlichen Vorstöße, zuletzt auch in den eigenen Reihen. Was treibt Schäuble an? Der Politikwissenschaftler Langguth.

Wolfgang Schäuble hat in letzter Zeit immer wieder mit umstrittenen Vorstößen von sich reden gemacht. Nun der Vorstoß in Sachen Waffenrecht - offensichtlich nicht abgesprochen und blamabel für den Minister, weil er ihn wegen massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen sofort wieder zurückziehen musste. Was treibt Schäuble, einen solchen Vorschlag zu machen?

Gerd Langguth: Das ist allen rätselhaft. Sein Instinkt hat ihn bei diesem Vorstoß vollständig verlassen. Offenbar ist er der Argumentation einiger Technokraten und der Jägerlobby aufgesessen. Außerdem hat er die politische Dimension unterschätzt und falsch eingeschätzt, welche Wirkung dieser Vorschlag in der deutschen Öffentlichkeit haben würde. Das hängt sicher auch mit einem gewissen Realitätsverlust zusammen, den man bei allen einflussreichen Politikern beobachten kann.

Abgesehen von diesem jüngsten Vorstoß - Schäuble macht ja immer wieder hoch umstrittene Vorschläge zur inneren Sicherheit, zur Online-Durchsuchung oder zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Was steckt dahinter?

Jurist mit Leib und Seele

Langguth: Erstens: Schäuble ist mit Leib und Seele Jurist, und das bestimmt sein politisches Denken und Handeln. Er hat den Anspruch, möglichst alle Schwierigkeiten und Komplikationen, die auftreten könnten, durchzudenken und bereits vorab eine Lösung in der Tasche zu haben. Die Probleme arbeitet er akribisch ab, wie einen Katalog und verliert dabei aus den Augen, dass seine Vorschläge - jedenfalls in dieser Fülle - derzeit in der Bundesrepublik nicht durchsetzbar sind. Zur Person: Gerd Langguth ist Professor für politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Politik der Union. Von ihm sind bereits Biographien über Angela Merkel und Horst Köhler erschienen. Wolfgang Schäuble kennt er seit vielen Jahren.

Zweitens: Als Innenminister weiß er besser als alle anderen Politiker in der Bundesregierung, wie groß die Gefahr eines Terroranschlags in der Bundesrepublik tatsächlich ist. Und er rechnet fest damit, dass es hier zu Anschlägen kommt. Er will unter allen Umständen verhindern, dass er dafür verantwortlich gemacht werden kann.

Drittens - und das wird er selbst sicher nie so formulieren - ist er der Überzeugung, dass er als Opfer eines Anschlags - Maßnahmen zur Terrorbekämpfung oder Schwerstkriminalität mit einer ganz anderen Autorität einfordern kann, als es andere tun könnten.

Unersetzlich als "Bundes-Sherrif"

Schäuble hat eine beeindruckende politische Karriere hinter sich. Er gilt als der erfahrenste Minister im Kabinett Merkel. Was will er persönlich noch erreichen?

Langguth: Schäuble weiß, dass er nie mehr Kanzler wird, und das gibt ihm die Freiheit, das zu fordern, was andere vielleicht nicht fordern würden, weil sie noch was werden wollen und deshalb immer auch in taktischen Kategorien denken. Das tut Schäuble zwar auch. Aber sein Ziel ist es nicht mehr, auf der Karriereleiter noch weiter aufzusteigen. Er will sich in seiner Position unersetzbar machen, als "Bundes-Sheriff", als Law- und Order-Mann, der mit voller Konsequenz gegen Terrorismus und Kriminalität vorgeht. In der Unions-internen Debatte über die programmatischen Ausrichtungen will er der konservative Flügelmann sein, der eine Brücke zum rechten Wählerpotential der Union schlägt.

Als Schäuble im Kabinett erneut Innenminister wurde, dachten viele, er sei altersmilde geworden. Dem ist aber offenbar nicht so. Wie rechts ist Schäuble wirklich?

Langguth: Das was er fordert, sind seine Überzeugungen - und zwar unabhängig vom Rechts-Links-Schema. Es sind seine Überzeugungen als Innenminister.

Was überwiegt, ist schwer zu sagen

Sogar Bundespräsident Horst Köhler hat Schäuble ja bereits kritisiert. Nutzt seine Art, Politik zu machen der Union wirklich?

Langguth: Ja und Nein. Es gibt in der Wählerschaft der Union - aber auch außerhalb - Teile, die eine starke Hand des Staates wollen. Und es gibt in der Bevölkerung eine diffuse Angst vor Terroranschlägen und Kriminalität. Jemand wie Schäuble, der harte Positionen vertritt, ist zur Integration dieser Wählerschaft sicher wichtig. Andererseits vergrätzt er mit seinen Vorschlägen - insbesondere mit dem zur Online-Durchsuchung - gerade auch junge Wähler. Insofern schadet es auch. Was überwiegt, ist schwer zu sagen.

Aber warum macht er immer weiter mit seinen Forderungen, selbst wenn sie nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern auch in den eigenen Reihen kritisiert werden?

Langguth: Seine Erfahrung ist, dass man seine Ziele nur dann erreichen kann, wenn man mit einer gewissen Sturheit etwas fordert. Das gilt gerade auch für eine Große Koalition. Momentan ist er aber in der Gefahr zu überziehen. Schäuble war immer schon stur, aber Politik ist sein Lebenselixier - gerade wegen seiner Behinderung. Er lebt mit der und für die Politik.

George W. Bush weint viel

Der Feind beobachte ihn - die Iraker, die Truppen, alle. Aber er habe ja «Gottes Schulter» um sich auszuweinen, vertraut US-Präsident Bush seinem Biografen Robert Draper an.

Unter der harten Fassade von George W. Bush hat sein Biograf einen weichen Kern ausgemacht. «Ich weine viel», zitiert der Journalist Robert Draper den US-Präsidenten in seinem am Dienstag erschienenen Buch «Dead Certain: The Presidency of George W. Bush».
«Ich bin mir voll bewusst, dass der Feind mich beobachtet. Die Iraker beobachten mich, die Truppen beobachten mich und die Leute beobachten mich», sagte Bush seinem Biografen in einem von mehreren ausgedehnten Interviews bis Anfang dieses Jahres. Er habe ja «Gottes Schulter», um sich dort auszuweinen. «Ich heule viel in diesem Job. Ich wette, ich habe als Präsident mehr Tränen vergossen, als Sie zählen können. Ich werde auch morgen einige vergießen.»

Schwieriges Verhältnis zu seinen Beratern

Draper beschreibt in seinem Buch auch das mitunter schwierige Verhältnis des Präsidenten zu seinen Beratern. Draper berichtet von einem Abendessen im April 2006, bei dem er seine Berater darüber abstimmen ließ, ob der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Amt bleiben solle. Das Ergebnis fiel mit sieben zu vier Stimmen gegen Rumsfeld aus. Aber Bush hielt dennoch weiter an ihm fest, und Rumsfeld wurde erst nach den Kongresswahlen im Oktober abgelöst.

Für die Zeit nach dem Weißen Haus, also ab Januar 2009, hat Bush auch schon konkrete Pläne: Er wolle «die alten Säckel wieder füllen». Schließlich hätten auch sein Vater und sein Vorgänger Bill Clinton «lächerlich» viel Geld mit Vortragsreisen verdient.

Frau Sarkozy räumt Deal mit Libyen ein

Die internationale Politik sei ihr dabei zweitrangig gewesen: Frankreichs First Lady Cécilia Sarkozy verteidigt ihren Einsatz bei der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern.
Die französische Präsidentengattin Cécilia Sarkozy hat erstmals ihre umstrittene Rolle bei der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern aus libyscher Haft verteidigt. «Ich bin als Frau, als Mutter nach Tripolis gereist, getrieben von der Absicht, Menschenleben zu retten», sagte sie der Zeitung «L'Est Républicain». Damit wiederholte sie eine Sprachregelung, die zuvor schon der Elysee-Palast gewählt hatte.

Cécilia Sarkozy sagte, sie habe 50 Stunden unnachgiebig verhandelt, auch direkt mit dem libyschen Staatschef Muammar Gaddafi – die Komplexität der internationalen Beziehungen habe sie dabei weniger im Blick gehabt.
Frau des französischen Staatspräsidenten war kurz vor Abschluss der seit Jahren dauernden Verhandlungen Ende Juli mit dem libyschen Revolutionsführer zusammengetroffen. Die Krankenschwestern und ein Arzt waren in Libyen beschuldigt worden, mehr als 400 Kinder absichtlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Frau Sarkozy war am 24. Juni mit an Bord der französischen Regierungsmaschine, die die Krankenschwestern und den Arzt palästinensischer Abstammung nach acht Jahren Haft aus Tripolis zurück nach Bulgarien brachten.

Ihre medial perfekt inszenierte Mission und das Engagement von Staatspräsident Nicolas Sarkozy wurden in Frankreich und im Ausland sehr kontrovers aufgenommen. Man warf ihnen vor, die Lorbeeren für ein lange von der EU vorbereitetes Abkommen geerntet zu haben. Zudem besteht der Verdacht, Paris habe Gaddafi mit einem weit reichenden Rüstungsdeal belohnt. Die französischen Sozialisten sprachen von einer «Sarko-Schau» und setzten einen Untersuchungsausschuss ein, um zu klären, ob es einen Zusammenhang zwischen der Freilassung und dem kurz darauf unterzeichneten Atomgeschäft zwischen Frankreich und Libyen gebe.

Gegenleistungen auf medizinischem Gebiet

Nicolas Sarkozy bescheinigte seiner Frau am Morgen der Freilassung, sie habe «bemerkenswerte Arbeit geleistet». In dem Interview sagte sie, Gaddafi habe während ihrer Gespräche erkannt, «dass er sein Ansehen durch eine menschliche Geste verbessern könnte». Thema sei ausschließlich die Tragödie der Krankenschwestern und der HIV-infizierten Kinder gewesen.

Cécilia Sarkozy räumte ein, sie habe Libyen Gegenleistungen in Form von medizinischer Ausbildung, Aids-Medikamenten und Visa für Aids-Patienten versprochen. «Was mich betrifft, so hat es lediglich medizinische Gegenleistungen gegeben», sagte sie. Die französische Regierung hatte bislang bestritten, dass es überhaupt Gegenleistungen gegeben habe.

Die Präsidentengattin sagte ferner, sie werden nicht vor der Untersuchungskommission aussagen. «Ich glaube, das ist nicht meine Aufgabe», sagte sie. Ein Regierungssprecher hatte kürzlich erläutert, dass die Immunität des Präsidenten auch für seine Ehefrau gelte, die er als Stellvertreterin entsandt habe.

Entlassung von Politkowskaja-Ermittler bestritten

Die Moskauer Staatsanwaltschaft dementiert, im Fall Politkowskaja den Chefermittler ausgetauscht zu haben. Überrascht hätte dieser Schritt nach der Ausstellung unbegründeter Haftbefehle indes nicht.
Im Mordfall Politkowskaja hat die russische Justiz Medienberichte über eine Abberufung des leitenden Ermittlers dementiert. Bei der Aufklärung des Mordes an der Journalistin Anna Politkowskaja vor knapp einem Jahr gebe es keine personellen Veränderungen, sagte eine Justizsprecherin am Dienstag nach Angaben der Agentur Itar-Tass.

Zuvor hatten russische Medien berichtet, die Generalstaatsanwaltschaft habe den leitenden Ermittler ausgewechselt. «Uns ist der Wechsel bekannt», sagte der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung «Nowaja Gaseta», Dmitri Muratow, der Agentur Interfax. Die Kremlkritikerin Politkowskaja hatte für die Zeitung gearbeitet.

Sprecherin von Generalstaatsanwalt Juri Tschaika wies die Berichte zurück. Vielmehr sei die Zahl der Untersuchungsbeamten in dem Fall erhöht worden, um die Ermittlungen voranzutreiben, sagte sie im russischen Fernsehen.

Vor einer Woche hatte Tschaika die «Aufklärung des Mordfalls» verkündet. Nach seinen Worten sollen Tschetschenen sowie «Staatsfeinde im Ausland» die Journalistin ermordet haben. Danach wurden aber die Haftbefehle gegen mehrere der zehn Verdächtigen in dem Mordfall aus Mangel an Beweisen aufgehoben. Am Montag hatte ein Moskauer Militärgericht auch den Haftbefehl gegen einen Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes aufgehoben, weil nach Ansicht der Richter die Verhaftung auf Mutmaßungen basiere und somit unrechtmäßig sei.

«Die Ermittlungen sind in die Sackgasse geraten: die sorgfältig zusammengelegte Version der Fahnder ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen», kommentierte die Zeitung «Twoi Den». Unabhängige Menschenrechtsorganisationen und die Redakteure von Politkowskajas Zeitung «Nowaja Gaseta» vermuten, dass die Regierung die wahren Hintergründe und die Auftraggeber der Tat verschleiern will.

Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 bei der Rückkehr vom Einkaufen im Fahrstuhl ihres Hauses in Moskau erschossen worden. Sie hatte für die «Nowaja Gaseta» vor allem aus der Teilrepublik Tschetschenien über Menschenrechtsverletzungen durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte berichtet. Der Mord löste international Bestürzung aus.

Sonntag, 2. September 2007

Schwedische Zeitungen brüskieren Muslime

Erneut sorgt eine skandinavische Zeichnung für Aufregung. In Pakistan protestierten zahlreiche Muslime. Der schwedische Premier verteidigte dagegen die Darstellung von Mohammed als Hund.

Eineinhalb Jahre nach den massiven Protesten gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen sind am Wochenende erneut Muslime gegen eine Darstellung des Propheten in Skandinavien auf die Straße gegangen. Aus Pakistan wurden am Samstag mehrere Demonstrationen gemeldet, nachdem die schwedische Zeitung «Nerikes Allehanda» ein Bild des Zeichners Lars Vilks abgedruckt hatte, das Mohammed als Hund zeigt.

Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt sagte im Rundfunk, man werde bei der Verteidigung der Meinungsfreiheit konsequent bleiben. Führende skandinavische Tageszeitungen druckten die Zeichnung am Samstag nach. Vilks erklärte im Fernsehen, er habe mehrere Morddrohungen erhalten. Die iranische Regierung in Teheran hatte diese Woche einen diplomatischen Protest nach Stockholm übermittelt. Am Freitag demonstrierten vor der Redaktion von «Nerikes Allehanda» in Örebro mehrere hundert schwedische Muslime.

Die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in der größten dänischen Zeitung «Jyllands-Posten» im September 2005 hatte einige Monate später zu massiven Protesten in islamischen Ländern mit mehr als 100 Toten geführt.

Irak-Kommandeur übt scharfe Kritik an USA

Hohe britische Offiziere sollen die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak von Anfang an bezweifelt haben. Das schreibt der ehemalige Oberkommandeur der britischen Streitkräfte in einem neuen Buch.

Der Oberkommandierende der britischen Armee während der Irak-Invasion, General Sir Mike Jackson, hat die Irak-Politik der USA als «intellektuell bankrott» kritisiert. Der Vorwurf des Generals werfe ein Schlaglicht auf die «Spannungen zwischen dem britischen Kommando und dem Pentagon» während der Irak-Invasion, schrieb die konservative britische Zeitung «The Daily Telegraph» am Samstag.

General Jackson, der bis 2006 Oberbefehlshaber der Armee war, erhebt den Vorwurf in seiner Autobiografie «Soldier», aus der die Zeitung vorab Auszüge veröffentlicht. Insbesondere weist Sir Mike dem früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und dessen neokonservativen Verbündeten Schuld an dem heutigen Chaos im Irak zu.

Rumsfeld habe sich geweigert, die Notwendigkeit des Einsatzes von viel mehr Soldaten zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung nach dem Sturz Saddam Husseins zu akzeptieren. Falsch sei auch die Entscheidung von US-Präsident George Bush gewesen, dem Außenministerium die Nachkriegsplanung für den Irak zu entziehen und diese unter die Kontrolle des Pentagon zu stellen.

Der General macht in seinem Buch zudem deutlich, dass er und andere hohe Offiziere Großbritanniens Zweifel an der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak hatten, die von den Regierungen in Washington und London als Grund für die Invasion angegeben worden waren.