Samstag, 31. März 2007

Belgien: Atatürk war schwul

Ein wallonisches Schulbuch, in dem Kemal Atatürk als schwul bezeichnet wird, hat zu Verstimmungen zwischen Belgien und der Türkei geführt.

Marie Arena, die Bildungsministerin für den französischsprachigen Teil des Landes, hat den Einbeziehung des Gründers der modernen Türkei in das 144-seitige Buch "Kampf gegen Homophobie" bereits als "Fehler" bezeichnet. Darin ist eine Liste von historischen Schwulen abgedruckt, unter ihnen auch mehrere Päpste, Leonardo da Vinci und Johann Wolfgang von Goethe.
"Quelle für diese Liste war eine Website aus Kalifornien. Leider haben die Macher des Buches die Informationen nicht gegengecheckt. Es war ein 'Copy and Paste'-Unfall", so die Ministerin zur Zeitung "Zaman".
Ein Sprecher der türkischen Botschaft in Brüssel erklärte die Sache damit als erledigt: "Diese Angelegenheit ist sehr heikel, aber die belgischen Behörden haben ihren Fehler schließlich eingestanden." Das Buch war noch nicht an die Schulen ausgeliefert worden.

Erst Anfang des Monats sorgten griechische Internet-Videos für Unruhe, in denen Atatürk als schwul bezeichnet wurde. Im Land wurde sogar für kurze Zeit "YouTube" gesperrt, auf denen diese Videos zu finden waren. Die Verunglimpfung Atatürks oder des Türkentums ist in dem EU-Anwärterland illegal und kann mit langjährigen Haftstrafen geahndet werden.

Donnerstag, 22. März 2007

Blogger muss vier Jahre in den Knast

Ein Berufungsgericht in der ägyptischen Hauptstadt Kairo hat das Urteil gegen einen Blogger bestätigt. Der 22-Jährige muss für vier Jahre ins Gefängnis - wegen Beleidigung des Islam und des Präsidenten.
Das im vergangenen Monat gegen Abd al-Karim Nabil Suleiman verhängte Urteil wurde bei seiner Bekanntgabe von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen als Versuch gewertet, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Ein Gericht in Alexandria hatte den ehemals an der Al-Azhar-Universität eingeschriebenen Studenten zu drei Jahren Haft wegen Beleidigungen gegen den Islam, den Propheten Mohammed sowie wegen Anstiftung zur Bildung einer Sekte verurteilt. Ein weiteres Jahr Haft wurde wegen Beleidigung des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak gegen ihn verhängt. Nabil, der sein Weblog unter dem Pseudonym Kareem Amer betrieb, war ein ungewöhnlich harscher Kritiker konservativer Moslems. Seine regelmäßigen Angriffe gegen die Al-Azhar-Universität führten dazu, dass ihn die Lehranstalt im März 2006 exmatrikulierte und die Staatsanwaltschaft Anklage erhob. Das Urteil wurde am 22. Februar verkündet.

Wo Toleranz mit Recht und Ordnung kollidiert

WELT ONLINE

Dienstag, 20. März 2007

Auf zum Kampf gegen "homosexuelle Propaganda"

Seit ihrem Amtsantritt ist die polnische Regierung für ihre Homophobie bekannt, jetzt ist ein neues Gesetz geplant

Vor allem die kleine Regierungspartei LPR gibt immer wieder schwulenfeindliche Töne von sich. Erst am 1. März sorgte deren Parteivorsitzender Roman Giertych, gleichzeitig polnischer Bildungsminister, in Heidelberg für einen Eklat. Bei einem informellen Treffen der EU-Bildungsminister hetzte er gegen Homosexuelle und die Abtreibung. Wie am 13. März verkündet, plant nun das polnische Bildungsministerium ein neues Gesetz, welches "homosexuelle Propaganda" an Schulen verbieten soll.

Zu Erika Steinbach, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen und CDU-Bundestagsabgeordneten, mag man stehen wie man will. In der Vergangenheit hat sie sich einige verbale Ausrutscher geleistet, die zu Misstönen zwischen Deutschland und Polen führten. Auch vor kurzem sorgte Steinbach für sehr viel Aufsehen, als sie in einem Interview für die Neue Passauer Presse die polnischen Regierungsparteien mit den Republikanern, der DVU und der NPD verglich. In Polen reagierte man erstaunlicherweise ruhig auf den Vergleich. Kritik musste sich die umstrittene Politikerin jedoch in Deutschland anhören, sowohl von ihren Parteikollegen wie von der Opposition.

Ihren Vergleich, an dem Steinbach bis heute festhält, begründete sie mit antisemitischen und homophoben Tendenzen innerhalb der polnischen Regierungskoalition. Damit zielte sie vor allem auf die erzkatholische LPR, die Liga Polnischer Familien (1), an deren Spitze der polnische Bildungsminister und Vize-Premier Roman Giertych (Giertych vs. Darwin (2)) steht. Und tatsächlich scheint die BdV-Vorsitzende mit ihrem Vergleich ins Schwarze getroffen zu haben, denn in der LPR gibt es immer wieder Töne solcher Art. Erst letzte Woche rügte das Europaparlament den EU-Abgeordneten Maciej Giertych, Vater des polnischen Bildungsministers und politischer Vordenker der Partei, wegen einer antisemitischen Broschüre, die er mit dem Emblem des Europaparlaments veröffentlichte. Sein Sohn Roman hat selbst als Bildungsminister ein Einreiseverbot nach Israel.

Noch heftiger als der Antisemitismus ist in der LPR aber die Homophobie verbreitet. Die Homophobie Giertychs und seiner Parteigänger ist sogar ausgeprägter, als die der Kaczynski-Zwillinge. Giertych war der erbitterste Gegner der im Juni letzten Jahres stattgefundenen "Gleichheitsparade" (Artikel von Peter Nowak), die er als "Propaganda der Homosexualität" beschimpfte und mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Und selbst nach der Warschauer Schwulen und Lesben-Demonstration gab seine Partei keine Ruhe. Die LPR drohte Oppositionspolitikern mit parlamentarischen Konsequenzen, weil sie an der "Parada Rownosci" teilnahmen, und beschuldigte die Organisatoren der Demonstration, Gewalt auf den Straßen Warschaus schüren zu wollen (Und die Rache folgt sogleich (3)).

Am 1. März dieses Jahres schaffte es Roman Giertych wieder, negativ aufzufallen und somit die polnische Regierung in Verruf zu bringen. Bei einem informellen Treffen der EU-Bildungsminister in Heidelberg hetzte der 37-jährige Politiker gegen Homosexuelle und gegen die Abtreibung. Man müsse Kinder und Jugendliche vor Homosexuellen schützen, meinte Giertych, und die Abtreibung verbieten, da die Nationen so selbst für ihren Untergang sorgen. Nach Presseberichten sollen seine europäischen Amtskollegen schockiert gewesen sein, als sie dessen Aussagen vernahmen. Einige distanzierten sich von ihnen und verwiesen sofort auf die europäischen Werte.

Auch in Polen sorgten die Heidelberger Äußerungen für sehr viel Aufsehen. Die polnische Presse berichtete kritisch über Giertychs Auftritt in Deutschland. Sogar dem polnischen Premierminister Jaroslaw Kaczynski, der selber nicht ein Freund von Homosexuellen ist, waren die Aussagen zu radikal. Noch am selben Tag distanzierte sich Kaczynski von diesen Äußerungen und stellte klar, dass die von Giertych verkündete Meinung nicht die der polnischen Regierung gleicht. Einige Tage später, kurz vor der ersten Kabinettssitzung nach Giertychs Auftritt in Heidelberg, erteilte er seinem Bildungsminister, wie einem Schuljungen, einen Tadel.

Wirbel um die "homosexuelle Propaganda"

Von diesem Tadel scheinen sich Roman Giertych und seine Partei aber nicht beirren zu lassen. Am 13. März wurde nun der nächste Coup gegen Homosexuelle und ihre "Propaganda" angekündigt. Auf einer Pressekonferenz verkündete der Vize-Bildungsminister Miroslaw Orzechowski an, mit einem Gesetzentwurf gegen "homosexuelle Propaganda an Schulen" vorgehen zu wollen. Innerhalb eines Monats soll der Entwurf erarbeitet werden, um dann dem Kabinett und dem Parlament vorgestellt zu werden.

Was man sich im polnischen Bildungsministerium genauer unter "homosexueller Propaganda" vorstellt, konnte Orzechowski nicht sagen. Auf die entsprechende Frage eines Journalisten antwortete er nur, dass dies bei der Erarbeitung des Gesetzes noch genauer definiert wird. Was Orzechowski und sein Vorgesetzter Roman Giertych an polnischen Schulen jedoch nicht sehen möchten, konnte der Vize-Minister schon demonstrieren. Orzechowski verwies auf eine Anti-Aids-Broschüre von 1998, die von einer Krakauer Schwulen und Lesben-Organisation herausgegeben wurde. Mit dieser Broschüre wurde an örtlichen Schulen über Safer Sex und Aids aufgeklärt. Eigentlich nichts Schlimmes, sondern eher lobenswert.

Doch in der Broschüre wird auch über gleichgeschlechtliche Liebe aufgeklärt. "Da drin befindet sich auch eine Instruktion für Analsex – für homosexuellen Sex", sagte Orzechowski angewidert und zeigte mit ebensolcher Anwiderung ein Foto von einem sich küssenden schwulen Pärchen. Danach verkündete er auch die vorgesehenen Strafen. Lehrer, die an ihren Schulen "homosexuelle Propaganda" betreiben, sollen ihren Job verlieren, ebenso jene Pädagogen, die an ihren Schulen diese zulassen. Schlimmstenfalls können diese ins Gefängnis kommen, genauso wie die "Agitatoren" der Homosexualität.

Für noch mehr Unruhe sorgte Miroslaw Orzechowski einen Tag nach der Pressekonferenz. In einem Radiointerview für den Sender TOK FM, in dem er sich zu dem geplanten Gesetzesvorschlag äußerte, kündigte Orzechowski an, auch Lehrer mit homosexueller Veranlagung aus dem Schuldienst zu entlassen. "Solch eine Person darf nicht mit Kindern arbeiten", sagte der stellvertretende Bildungsminister.

Darauf folgte eine Welle der Empörung. Janusz Kochanowski, so etwas wie der oberste Verfassungsschützer und Menschenrechtsbeauftragter des polnischen Staates, zeigte sich "tiefst beunruhigt". Politiker der Oppositionspartei SLD fühlten sich durch die Äußerungen an den "Hitlerfaschismus" erinnert und der polnische Lehrerverband, der für den heutigen Samstag zu einer Demonstration gegen die aktuelle polnische Bildungspolitik aufgerufen hat, forderte die sofortige Entlassung Orzechowskis (4).

Auch der polnische Premierminister meldete sich aus den Niederlanden, wo er gerade einen Staatsbesuch absolvierte, wegen des Interviews zu Wort. "Ich teile die Meinung, dass die Schule kein Ort für homosexuelle Propaganda ist", sagte der Premier, um dann aber klarzustellen: "Homosexuelle Lehrer sollten aber nicht aus dem Schuldienst entlassen werden."

Orzechowski muss sich die Kritik zu Herzen genommen haben. Noch am selben Tag distanzierte er sich von seinem Interview bei TOK FM und erklärte der polnischen Presseagentur PAP, es handle sich lediglich um ein Missverständnis, denn homosexuelle Lehrer würden ihren Job nicht verlieren. "Keiner fragt auch einen angehenden Lehrer nach seinen sexuellen Neigungen", sagte Orzechowski.

Trotzdem sorgt der geplante Gesetzentwurf für sehr viel Aufregung, sowohl in Polen wie auch im Ausland. Deshalb ist es auch fraglich, ob die Pläne der LPR gegen "homosexuelle Propaganda" überhaupt realisiert werden; der Unmut in Polen wächst und zudem könnte der Europäische Gerichtshof dieses Gesetz kippen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Schachzug der LPR um einen Versuch, Stimmen auf dem rechten Rand zu sammeln und ihre bisherige Klientel zu beruhigen. Selbst von den Koalitionspartnern wird die LPR mit diesem Gesetzentwurf nicht ernstgenommen.

"Es handelt sich lediglich um ein politisches Spielchen der LPR", kommentierte Maria Nowak von der Kaczynski-Partei PiS (5) und Vize-Vorsitzende des Bildungsausschusses im polnischen Parlament, das Vorhaben der Liga Polnischer Familien. Hinter diesem Kommentar dürften sich aber auch Interessen um eigene Gesetzesvorhaben verstecken, die mit menschlicher Lust zu tun haben. Am Freitag meldeten die polnischen Agenturen, dass die PiS in den nächsten zwei Wochen einen Gesetzesentwurf zum Verbot von Pornografie erarbeiten möchte. Wie bisher bekannt wurde, soll sowohl der Besitz wie auch der Verkauf von Pornos strafbar werden. Zu den 25 Initiatoren des Gesetzes gehört auch Maria Nowak.


Links
(1) http://www.lpr.pl
(2) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23844/1.html
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22902/1.html
(4) http://www.znp.edu.pl/text.php?action=&cat=7&id=4821
(5) http://www.pis.org.pl

Städtische Videoüberwachung eines Kunstwerks in Regensburg entbehrt gesetzlicher Grundlage

- Bundesverfassungsgericht -
Pressemitteilung Nr. 31/2007 vom 20. März 2007

Zum Beschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 –

Die Stadt Regensburg ließ 2005 über den Resten der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge auf dem Neupfarrplatz ein Bodenrelief herstellen, das den Grundriss der ehemaligen Synagoge andeutet. Das Kunstwerk ist als Begegnungsstätte für die Bevölkerung konzipiert. In der Vergangenheit kam es im Bereich des Kunstwerks zu mehreren Vorfällen, aufgrund derer die Stadt Regensburg eine Videoüberwachung des Ortes mit vier Überwachungskameras für erforderlich hielt. Die Stadt beabsichtigt, die Überwachung in eigener Zuständigkeit auf der Grundlage des Bayerischen Datenschutzgesetzes durchzuführen. Gegen die geplante Videoüberwachung der Begegnungsstätte erhob der Beschwerdeführer Klage. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Hiergegen gerichtete Rechtsmittel blieben vor dem BayerischenVerwaltungsgerichtshof ohne Erfolg.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, da es für die geplante Videoüberwachung mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials an einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung fehle.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die geplante Videoüberwachung des Bodenkunstwerks mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials stellt einen Eingriff von erheblichem Gewicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung dar. Das durch die Videoüberwachung gewonnene Bildmaterial kann und soll dazu genutzt werden, belastende hoheitliche Maßnahmen gegen Personen vorzubereiten, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen. Die offene Videoüberwachung eines öffentlichen Ortes kann und soll zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken. Das Gewicht dieser Maßnahme wird dadurch erhöht, dass infolge der Aufzeichnung das gewonnene Bildmaterial in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit anderen Informationen verknüpft werden kann. Von den Personen, die die Begegnungsstätte betreten, dürfte nur eine Minderheit gegen die Benutzungssatzung oder andere rechtliche Vorgaben, die sich aus der allgemeinen Rechtsordnung für die Benutzung der Begegnungsstätte ergeben, verstoßen. Die Videoüberwachung und die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials erfassen daher überwiegend Personen, die selbst keinen Anlass schaffen, dessentwegen die Überwachung vorgenommen wird.

Angesichts des erheblichen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung kann die geplante Videoüberwachung nicht auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 Bayerisches Datenschutzgesetz gestützt werden. Diese Normen enthalten keine hinreichenden Vorgaben für Anlass und Grenzen der erfassten datenbezogenen Maßnahmen, um als Ermächtigungsgrundlage für den beabsichtigten Grundrechtseingriff in Betracht zu kommen. Sie begrenzen die Datenerhebung lediglich durch das Gebot der Erforderlichkeit. Dies allein kann die behördliche Praxis aber nicht hinreichend anleiten oder Kontrollmaßstäbe bereitstellen.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials auf der Grundlage einer hinreichend bestimmten und normenklaren Ermächtigungsgrundlage materiell verfassungsgemäß sein kann, wenn für sie ein hinreichender Anlass besteht und Überwachung sowie Aufzeichnung insbesondere in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Möglichkeit der Auswertung der Daten das Übermaßverbot wahren.

McDonald's wehrt sich gegen "McJob"-Eintrag im Wörterbuch

London - Der US-Fastfood-Konzern McDonald's setzt sich gegen einen Eintrag im wichtigsten englischsprachigen Wörterbuch zur Wehr. Die US-Firma will erreichen, dass der Begriff "McJob" als Synonym für Billigjobs aus dem Oxford English Dictionary wieder verschwindet.
Ein "McJob" wird dort als nicht anregende, gering bezahlte Tätigkeit mit wenig Zukunftsaussichten definiert. In einem Brief an den Verlag beschwerte sich McDonald's, dass der Eintrag veraltet und herabwürdigend sei.

Kasernen frusten deutsche Soldaten

Undichte Zelte, Schimmelbefall, überlaufende Fäkaliengruben: Bundeswehrsoldaten müssen im Ausland, aber auch in Deutschland manchmal in unzumutbaren Unterkünften leben. Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe beklagt "skandalöse" Zustände.

Berlin - Der Einsatz deutscher Soldaten bei der Sicherung der Wahlen im Kongo sei zwar erfolgreich gewesen, sagte Robbe (SPD) heute bei der Vorlage seines Jahresberichts 2006. Die Begleiterscheinungen für die Truppe seien allerdings äußerst negativ gewesen. Zelte waren undicht und hätten Schimmel angesetzt. Die Fäkaliengrube sei übergelaufen und der Inhalt habe sich teilweise in die Zelte ergossen.

"Solche Verhältnisse sind unzumutbar, gerade weil sie vermeidbar gewesen wären", sagte Robbe. Die mit der Errichtung des Lagers beauftragte spanische Firma sei "offenbar überfordert" gewesen, stellte Robbe fest. Er warne davor, durch die Einbeziehung privater Unternehmen die bisherigen Standards abzusenken.

Auch in deutschen Standorten seien Unterkünfte "teilweise untragbar und vereinzelt skandalös", sagte Robbe. So habe er bei einem überraschenden Besuch in einer Kaserne in Norddeutschland Schimmelbefall in Zimmern und einsturzgefährdete Decken vorgefunden. Er habe Sanitärräume gesehen, "die man eigentlich nur in Gummistiefeln betreten kann", sagte Robbe.

Der viel zitierte "Frust in der Truppe" resultiere daraus, dass schon seit vielen Jahren bestehende Mängel nach Auffassung der Soldaten nicht oder nicht ausreichend zur Kenntnis genommen würden. Stattdessen würden die Probleme schöngeredet. Ihn mache die stets wiederkehrende Auflistung von Defiziten, die trotzdem nicht abgestellt würden, nachdenklich.

Robbe kritisierte die Unterfinanzierung der Bundeswehr trotz immer neuer Belastungen. Ursache für den desolaten Zustand der Kasernen sei die Tatsache, dass seit Anfang der 90er Jahre vor allem in die Liegenschaften im Osten investiert worden sei, sagte Robbe. Die Kasernen im Westen seien dagegen vernachlässigt worden. Wie hoch die Kosten für eine Beseitigung der Mängel seien, lasse sich nicht abschätzen.

Sanitäts-Offiziere wollen gegen Überstunden klagen

Sanitäts-Offiziere der Bundeswehr haben eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland angekündigt. Grund seien die vielen Überstunden, die sich wegen Auslandseinsätzen und Personalmangel in den Bundeswehrkrankenhäusern angesammelt hätten.

Bis zu ein Jahr Freizeit?

"Das Maß ist voll!", sagte der Vorsitzende des Forums Sanitäts-Offiziere, Wolfgang Petersen, gegenüber NDR Info. Viele Sanitäts-Offiziere hätten in den vergangenen zwei bis drei Jahren weit mehr als 1000 Überstunden leisten müssen. "Als Ausgleich müsste die Bundeswehr den Betroffenen in Einzelfällen bis zu einem Jahr frei geben", sagte Petersen, der auch Oberarzt am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz ist.

Nach Angaben des NDR unterstützt der Bundeswehrverband die Klage. Verbandschef Bernhard Gertz kündigte Rechtsbeistand an. "Wir haben für Soldaten keine seriöse Dienstzeitregelung auf gesetzlicher Grundlage wie im öffentlichen Dienst. Wir brauchen in diesem Punkt dringend Rechtssicherheit", sagte er.

Jahresbericht des Wehrbeauftragten

Heute legt der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, seinen neuen Jahresbericht vor. Dabei soll auch die Belastung des Sanitätsdienstes erwähnt werden. "Das Hauptproblem, wenn man es auf einen Nenner bringt, ist im Grunde die Unterfinanzierung", sagte Robbe im ARD-"Morgenmagazin". Das werde an vielen Stellen deutlich, zum Beispiel am Zustand der Kasernen. Außerdem würden zwei Drittel der Soldaten zu den unteren Einkommensgruppen zählen. Viele Soldaten hätten den Eindruck, sie müssten für immer weniger Geld immer mehr leisten

Bereits im vergangenen Jahr hatte Robbe beklagt, durch den Einsatz vieler Bundeswehrärzte im Ausland komme die medizinische Versorgung der Soldaten in den Heimatstandorten zu kurz.

Tag der offenen Tür im Verteidigungsministerium

Bereits vor der Veröffentlichung des Wehrberichte reagierte das Verteidigungsministerium auf Robbes Kritik an dem Zustand der Kasernen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, sagte im "Kölner Stadt-Anzeiger": "Es ist in der Tat so, dass das Hauptaugenmerk zuletzt auf die neuen Bundesländer gelegt worden ist". Dabei sei in den alten Bundesländern ein Nachholbedarf entstanden. Dieser solle nun im Rahmen des finanziell Möglichen befriedigt werden. "Der Wehrbeauftragte rennt offene Türen ein", so Schmidt.





Montag, 19. März 2007

Simbabwe: Ausreiseverbot für Oppositionelle

Simbabwes Präsident Robert Mugabe zeigt sich weiter unnachgiebig:
Ab sofort dürfen Oppositionelle das Land nicht mehr verlassen. Ein Sprecher wurde niedergeschlagen und liegt schwer verletzt im Krankenhaus.


Harare/Johannesburg - Die Oppositionellen müssen erst ein mögliches Gerichtsverfahren gegen sie abwarten, berichteten die staatlich kontrollierten Medien unter Hinweis auf die Polizei. Der Chef der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC), Morgan Tsvangirai, sowie Arthur Mutambara, der Vorsitzende einer abgespaltenen MDC-Fraktion, waren vor einer Woche mit anderen Oppositionellen festgenommen und in Polizeihaft brutal misshandelt worden. Sie waren nach dem Platzen einer gerichtlichen Anhörung freigekommen. Eine Anklage war gegen sie bisher nicht erhoben worden.

Mutambara war am Wochenende ebenso wie zwei schwer verletzte MDC-Anhänger am Flughafen der Haupstadt Harare an der Ausreise gehindert und festgenommen worden. Ihm droht eine Anklage wegen Aufrufs zur öffentlichen Gewalt. Außerdem war MDC-Sprecher Nelson Chamisa am Sonntag von Schlägern am Flughafen so schwer mit Eisenstangen niedergeknüppelt worden, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Er wollte an einer EU-Konferenz in Brüssel teilnehmen und liegt nun mit Verdacht auf Schädelbasisbruch auf der Intensivstation eines Krankenhauses.

"Mugabe fürchtet offene Diskussion"

In Südafrika berichteten Menschenrechtler, dass sich Rechtsvertreter von Oppositionellen zunehmend persönlichen Risiken und Drohungen der Polizei aussetzten. Die erneute Repression gegen die Opposition in Simbabwe hat heftige Kritik im Ausland ausgelöst.

Die US-Regierung mache Präsident Robert Mugabe persönlich verantwortlich, sagte Sean McCormack, Sprecher des US-Außenamts. Es sei offensichtlich, dass er offene und politische Diskussion in seinem Land fürchte. Daher sei er zu Gewalt gegen Oppositionelle bereit. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft schloss sich der Kritik an und forderte die Freilassung der Oppositionellen sowie Zugang zu rechtlichem und medizinischem Beistand.

Simbabwe allerdings hat die geäußerte Kritik an Verhaftungen und Misshandlungen von Oppositionellen scharf zurückgewiesen. "Es handelt sich um eine politische Erklärung ohne jede Grundlage", sagte der stellvertretende Informationsminister Bright Matonga. "Das ist eine Erklärung, die Zwietracht säen soll." Er verwies darauf, dass Mitglieder der MDC gegenüber der Polizei handgreiflich geworden seien und mehrere Polizisten verletzt hätten.ungen und Misshandlungen von Oppositionellen scharf zurückgewiesen. "Es handelt sich um eine politische Erklärung ohne jede Grundlage", sagte der stellvertretende Informationsminister Bright Matonga. "Das ist eine Erklärung, die Zwietracht säen soll." Er verwies darauf, dass Mitglieder der MDC gegenüber der Polizei handgreiflich geworden seien und mehrere Polizisten verletzt hätten.

Proteste gegen Irak-Krieg

In Washington marschierten rund 20 000 Demonstranten zum Pentagon
Kurz vor dem vierten Jahrestag der US-Invasion demonstrierten in Washington und zahlreichen anderen Städten Hunderttausende gegen den Krieg. Beim Weissen Haus wurden mehr als 200 Kriegsgegner festgenommen.

Das historische Vorbild der Manifestanten in Washington war die Grossdemonstration gegen den Vietnam-Krieg vor knapp 40 Jahren. Die Teilnehmer des Protestmarschs zogen am Samstag zum Lincoln Memorial in der Nähe des amerikanischen Verteidigungsministeriums und forderten das Ende des Krieges. Cindy Sheehan, die Mutter eines in Irak gefallenen Soldaten, sagte, mit seiner Kriegsmaschinerie nehme die Regierung «Tod und Zerstörung in Kauf und exportiere sie in die ganze Welt».

Nicht eines der Probleme sei mit dem Krieg gelöst worden, sagte Ann O’Grady, die mit ihrer Familie aus Ohio zu der Demonstration angereist war. Ein anderer Demonstrant, der 47-jährige ehemalige Marineinfanterist Jeff Carroll, sagte, die USA sollten sich auf Afghanistan und Al-Kaida-Führer Osama bin Laden konzentrieren. Irak sei das falsche Land.
Auch zahlreiche Gegendemonstranten, welche die Irak-Politik von Präsident George W. Bush unterstützen, hatten sich vor dem Lincoln Memorial eingefunden. Die Polizei hielt die beiden Gruppen auf Distanz.
Der Vietnam-Veteran Larry Stimeling beklagte die schwindende öffentliche Unterstützung für die US-Truppen in Irak und verglich die Situation mit dem Stimmungswechsel während des Vietnam-Kriegs: «Wir haben den Krieg nicht in Vietnam verloren, wir haben ihn genau hier verloren», sagte er und deutete auf den Boden zu seinen Füssen.

Verhaftet, weil stehen geblieben

Der Marsch zum Pentagon formierte sich an derselben Stelle, an der sich am 21. Oktober 1967 rund 50 000 Gegner des Vietnam-Kriegs zu einer Massendemonstration versammelt hatten. Die zunächst friedliche Kundgebung endete damals in gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.
Das Protestwochenende begann am Freitagabend mit einem Friedensgebet in Washington, an dem mehrere tausend Menschen teilnahmen. Anschliessend zog die Menge zum Weissen Haus, wo einige Aktivisten auf dem Trottoir niederknieten und beteten. Die Polizei nahm dabei mehr als 220 Personen fest. Sie hätten gegen Vorschriften verstossen, wonach Passanten nicht auf dem Trottoir stehen bleiben dürfen, lautete die Begründung.
Protestveranstaltungen gab es am Wochenende auch in anderen amerikanischen Städten, beispielsweise in Los Angeles, San Francisco und San Diego. George W. Bush hatte das Weisse Haus übers Wochenende verlassen. Er verbrachte die Tage auf dem Präsidentenlandsitz Camp David in Maryland. Blair Jones, sein Sprecher, sagte angesichts der Demonstrationen: «Unsere Verfassung garantiert das Recht, seine Ansichten friedlich zu äussern. Die Männer und Frauen in unseren Streitkräften kämpfen dafür, dass das irakische Volk dieselben Rechte und Freiheiten erhält.»

Grosskundgebung in Madrid

Auch in anderen Ländern demonstrierten zahlreiche Menschen gegen den Krieg in Irak. In Madrid kamen am Samstag nach Angaben der Organisatoren rund 400 000 Kriegsgegner zusammen. Augenzeugen schätzten die Zahl der Teilnehmer eher auf 100 000. Die Demonstranten – unter ihnen auch der renommierte Regisseur Pedro Almodovar – forderten nicht nur den Rückzug aus Irak, sondern auch eine Schliessung des US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba. In Barcelona gingen rund 2000 Menschen auf die Strasse.
In Istanbul gingen am Samstag mehr als 3000 Demonstranten auf die Strasse, in Athen protestierten rund 1000 Menschen vor der US-Botschaft. Etwa 2000 Japaner zogen am Sonntag durch die Innenstadt von Tokio und forderten den sofortigen Abzug der amerikanischen Truppen aus Irak. Vor der US-Botschaft in Kuala Lumpur versammelten sich etwa 200 Malaysier zu einer Demonstration.

Zahlen zum Irak-Krieg

Kriegsopfer: Über die Opfer unter den irakischen Zivilisten gehen die Angaben weit auseinander: 65 000 lautet die offizielle Zahl, das britische Medizinmagazin «Lancet» bezifferte sie auf über 650 000.
· 6250 irakische Soldaten und Polizisten;
· 3465 ausländische Soldaten, davon 3207 aus den USA, 134 aus Grossbritannien, 124 aus den übrigen Ländern der Koalitionstruppen;
· 389 Mitarbeiter ausländischer Firmen;
· 95 Journalisten, darunter 59 Mordopfer;
· 81 Angehörige internationaler Hilfsorganisationen.
Anschläge und Entführungen:
· 1279 Bombenanschläge, davon 439 Selbstmordattentate;
· 11 233 Mensch wurden dabei getötet, 23 043 verletzt;
· 300 Ausländer wurden entführt, 54 davon ermordet. Die Zahl der irakischen Entführungsopfer ist nicht bekannt.
Kriegskosten:
· 150 Millionen Dollar geben die USA täglich für den Irak-Krieg aus;
· Gesamtkosten der USA: über 500 Milliarden Dollar bis 2008.

Freitag, 16. März 2007

Supermarkt-Überfall: Räuber mit Wischmopp entwaffnet

Not macht erfinderisch: Mit einem Wischmopp hat sich eine Supermarktangestellte in Hamburg gegen einen Räuber zur Wehr gesetzt. Der konnte nicht einmal fliehen, weil die Tür nach draußen verschlossen war.

Hamburg - Der maskierte Mann bedrohte die Kassiererin am Donnerstagabend kurz vor Geschäftsschluss mit einem Messer, teilte die Polizei mit. Er versuchte, die Kasse zu öffnen. Eine 41-jährige Kollegin kam zu Hilfe und schlug dem Räuber so lange mit dem Mopp auf den Arm - bis er das Messer fallen ließ.

Die Flucht des Räubers misslang, weil die Tür des Supermarktes zu Geschäftsschluss automatisch schloss. Als die Polizei eintraf, lag der erfolglose 22-Jährige bäuchlings auf dem Boden. Er ließ sich widerstandslos festnehmen.

Ein deutscher Soldat weigert sich

Aus Gewissensgründen lässt sich ein Oberstleutnant vom Tornado-Einsatz in Afghanistan freistellen. Verteidigungsministerium spricht von "Einzelfall"

Erstmals weigert sich ein Bundeswehrsoldat, beim Tornado-Einsatz mitzumachen. Oberstleutnant Jürgen Rose hat bei seinem Vorgesetzten beantragt, von der Mitwirkung in Afghanistan freigestellt zu werden. Seine Begründung: Er könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, den Einsatz in irgendeiner Form zu unterstützen.

Mit Erfolg. Das zuständige Wehrbereichskommando IV in Bayern habe ihn in eine andere Abteilung versetzt, sagte Rose gestern der taz. Nun sei er mit der Verwaltung der Liegenschaften seiner Kaserne betraut. "Das nennt sich Wahrung der gewissensschonenden Handlungsalternative."

Rose, der dem Arbeitskreis Darmstädter Signal angehört, spricht von schweren verfassungsrechlichen, strafrechtlichen und völkerrechtlichen Bedenken. In dem Arbeitskreis haben sich kritische Bundeswehrsoldaten zusammengeschlossen. Bereits im Vorfeld der Bundestagsabstimmung über den Tornado-Einsatz am vorigen Freitag hatte sich der Arbeitskreis zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief wurden die Abgeordneten aufgefordert, "auch einem zeitlich begrenzten Einsatz von Recce-Tornados in Afghanistan nicht zuzustimmen".

Die Vorstandsmitglieder Helmuth Prieß, Christiane Ernst-Zettl und Rose werfen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vor, "wider besseres Wissen" zu behaupten, bei dem Tornado-Einsatz gehe es nur um Aufklärung. "Als erfahrene aktive und ehemalige Offiziere und Unteroffiziere stellen wir fest, dass die militärische Aufklärung ein wichtiger Teil des integrierten militärischen Kampfes ist", heißt es in dem Brief. Diese "neue Qualität des deutschen Engagements bindet und zieht uns immer tiefer in das Kampfgeschehen ein". So ist man sich beim Darmstädter Signal sicher: Die Forderung der Nato nach deutschen Bodentruppen für den Süden Afghanistans wird folgen. "Deutschland verlässt seine neutrale Helferrolle und wird in den Augen der Taliban-Glaubenskrieger zu den ,Kreuzrittern' gezählt", warnen die Militärexperten.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte gestern auf taz-Anfrage, es handele sich um einen "Einzelfall". Nach Meinung des Grünen-Verteidigungsexperten Winfried Nachtwei ist es dagegen "grundsätzlich legitim und nachvollziehbar, sich nicht mit der beschönigenden Version des Ministers zufriedenzugeben". Auch Nachtwei hält den Fall allerdings für "keineswegs repräsentativ". Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, forderte in der "Netzzeitung" Konsequenzen für Rose: Er solle "den Dienst mit der Waffe quittieren und aus der Bundeswehr ausscheiden".

Vor einiger Zeit gab es einen ähnlichen Fall: Major Florian Pfaff, ebenfalls vom Darmstädter Signal, hatte sich während des Irakkriegs geweigert, an einem Softwareprojekt mitzuarbeiten. Er argumentierte, damit werde "der völkerrechtswidrige Krieg unterstützt". Pfaff wurde vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung freigesprochen.

taz vom 17.3.2007, S. 6, 106 Z. (TAZ-Bericht), KATHARINA KOUFEN

Richterin verfügt weltweites Aus für "Light"-Zigaretten

Harscher Urteilsspruch einer US-Bundesrichterin: Da Tabakkonzerne jahrelang bewusst die Gefahren des Rauchen verharmlost haben, sollen sie weltweit nicht die Bezeichnung "Light" oder mit "geringem Teergehalt" gebrauchen dürfen. Berufung gegen das Urteil ist angekündigt.

Washington - US-Tabakkonzerne dürfen einem Richterspruch zufolge ihre Zigaretten künftig auch im Ausland nicht mehr als "Light" bezeichnen. US-Bundesrichterin Gladys Kessler erweiterte ihr im August verhängtes Verbot der Bezeichnungen "Light" und mit "geringem Teer-Gehalt" am Freitag von den Vereinigten Staaten auf die ganze Welt. Die Richterin hatte es als erwiesen angesehen, dass große Zigarettenkonzerne wie der Marlboro-Hersteller Philip Morris und Camel-Produzent Reynolds Tobacco jahrelang bewusst die Gesundheitsgefahren des Rauchens vertuscht haben, um ihre Gewinne zu maximieren. Strafzahlungen wurden damals allerdings nicht verhängt.

Die Beschränkungen wurden im Oktober ausgesetzt, da die Tabakkonzerne das Urteil anfochten. Kessler wies nun das Ansuchen der Konzerne zurück, die zudem eine Gültigkeit des Urteils nur für die USA angestrebt hatten. Die betrügerischen Handlungen der Konzerne hätten sich über Länder wie Deutschland, Japan, Australien und Brasilien erstreckt, betonte die Richterin.

Der Philip-Morris-Mutterkonzern Altria erklärte, Kesslers Klarstellung entspreche nicht dem Gesetz, habe aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Geschäft. Altria werde nun die Berufung gegen den Richterspruch vorantreiben. Zu Altrias Philip Morris gehören Marken wie Benson & Hedges, Marlboro und Chesterfield. Reynolds Tobacco macht neben Camel auch Pall Mall und Winston.

Kokain am Strand

Bei einem Spaziergang am Meer findet man nicht nur Muscheln: Eine Schulklasse hat bei einem Ausflug auf der Insel Sylt rund 22 Kilogramm Kokain entdeckt. Wo es herkommt, ist noch unklar.

Sylt: Kokain am Strand Sylt - Ein Strandspaziergänger sei schon am Dienstag am Sylter Strand auf einen Rucksack mit 2,4 Kilogramm Kokain gestoßen, teilte ein Sprecher der Oberfinanzdirektion Hamburg mit. Zusammen mit den 22 Kilogramm, die die Schulklasse gefundet hat, erreiche man einen Schwarzmarktwert von etwa 1,2 Millionen Euro.
Der Reinheitsgrad des Kokains - von dem der Wert maßgeblich abhänge - werde jedoch noch untersucht, fügte der Sprecher hinzu. Die Funde haben sich zuvor offenbar im Wasser befunden. Es besteht der Verdacht, dass das Rauschgift über das Meer nach Sylt gebracht wurde. Trotz einer umfassenden Suche ist an der holsteinischen Küste und auf anderen Inseln kein weiteres Rauschgift gefunden worden. Das Zollfahndungsamt Hamburg ermittelt.

Führende Homosexuellen-Aktivisten in New York festgenommen

Bei einer Protestkundgebung gegen US-Generalstabschef Peter Pace hat die New Yorker Polizei zwei Führer der US-Homosexuellenbewegung festgenommen.

Rabbi Sharon Kleinbaum und der Chef der National Gay and Lesbian Taskforce, Matt Foreman, hatten sich mit etwa 50 Mitstreitern an der belebten Kreuzung des Times Square auf die Straße gesetzt, um den Verkehr zu blockieren. Die Polizei nahm die beiden Männer fest. Anlass für die Kundgebung waren Äußerungen von Pace in einem Zeitungsinterview. Der General hatte Homosexualität als unmoralisch bezeichnet.

Pace bekundete Unterstützung für das Verbot, das Homosexuellen in der US-Armee ein offenes Bekenntnis zu ihrer sexuellen Orientierung verwehrt. Der frühere Gouverneur des US-Bundesstaates New Jersey und Homosexuellen-Aktivist Jim McGreevey verurteilte den Umgang mit Schwulen und Lesben in der US-Armee. Sie dürften nicht offen mit ihrer Sexualität umgehen. "Homophobie ist das letzte akzeptierte Vorurteil in Amerika. Wir haben gegen Rassismus und Sexismus gekämpft und trotzdem wird Homophobie unglücklicherweise immer noch toleriert."

Donnerstag, 15. März 2007

„Ungerecht, so leben zu müssen“

MADRID. Seit vielen Jahren hatte Inmaculada Echevarría

Um der Kranken einen qualvollen Todeskampf zu ersparen, hatten die Ärzte ihr zuvor ein Betäubungsmittel verabreicht. Ihr Fall hatte in Spanien seit Wochen für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte über die Sterbehilfe ausgelöst.

Echevarría litt unter einem unheilbaren Muskelschwund und war seit zwei Jahrzehnten wegen Lähmungen ans Bett gefesselt. In den letzten Monaten ihres Lebens konnte sie nur mit schwacher Stimme sprechen sowie ihre Fingerspitzen und Gesichtsmuskeln bewegen. Da die Lähmung auf die Atemmuskulatur übergegriffen hatten, war sie auf ein Beatmungsgerät angewiesen.

Im Oktober 2006 äußerte sie öffentlich den Wunsch, sterben zu dürfen: „Es ist ungerecht, so leben zu müssen.“ Vor ihrem Tod wurde die Frau von einem Bekannten gefragt: „Wenn Du hättest wählen können, wärest Du lieber schon früher gestorben?“ Echevarría antwortete: „Ja, viel früher. Vor 27 Jahren.“ Damals hatte sie auf Grund ihrer Krankheit den einzigen Sohn acht Monate nach der Geburt zur Adoption freigeben müssen. Ihr Mann war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Die Regierung Andalusiens gab den Ärzten vor zwei Wochen die Erlaubnis, das lebenswichtige Beatmungsgerät abzustellen - und dies, obwohl Sterbehilfe in Spanien verboten ist. Sie stützte sich dabei auf zwei Gutachten. Darin vertraten Experten die Ansicht, das Abstellen des Beatmungsgeräts sei keine Sterbehilfe. Man gewähre der Kranken vielmehr das gesetzlich verbriefte Recht, eine medizinische Behandlung abzulehnen.

„Wenn Echevarría das Gerät von Anfang an abgelehnt hätte, wäre sie gestorben, ohne dass jemand protestiert hätte“, meinte der Rechtsphilosoph José Miguel Serrano Ruiz-Calderón. Andere Wissenschaftler sehen dies anders. „Der Fall Echevarría ist reine und knallharte Euthanasie“, erklärte etwa die Biochemikerin Natalia López Moratalla.

Die Entscheidung der andalusischen Regierung hatte vor allem in der katholischen Kirche heftige Proteste ausgelöst. Deren Haltung führte auch dazu, dass Echevarría zum Sterben in ein anderes Krankenhaus verlegt werden musste.

Die San-Rafael-Klinik, die dem katholischen Orden San Juan de Dios unterstellt ist und in dem die Kranke seit Jahren behandelt worden war, hatte sich zwar zunächst bereit erklärt, musste dann aber einen Rückzieher machen. Nach Angaben der Zeitung „ABC“ untersagte die Ordensführung in Rom es den Ärzten, der Patientin das Beatmungsgerät abzustellen. sich nichts sehnsüchtiger gewünscht als den Tod. Nun ging der Wunsch der unheilbar kranken Spanierin in Erfüllung. Die Ärzte eines Krankenhauses in Granada stellten in der Nacht zu gestern das Beatmungsgerät ab, das die gelähmte Frau seit zehn Jahren am Leben gehalten hatte. Die 51-Jährige sei daraufhin gestorben, teilte die Regionalregierung von Andalusien mit.

Europa will Kampf gegen Aids verstärken

In West- und Zentraleuropa sind rund 740'000 Menschen HIV-positiv. Die Schweiz begrüsst es, dass die Europäische Union den Kampf gegen die Krankheit HIV/Aids auf die höchste politische Ebene gehoben hat. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach an einer Aids-Konferenz in Bremen vor den EU-Gesundheitsministern und Gesundheitsexperten, Aids bei den EU- und G8-Gipfeln im Juni ganz oben auf die Agenda zu setzen. "Das war der wichtigste Aspekt an dieser Konferenz", erklärte Roger Staub, Programmleiter Aids beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), gegenüber swissinfo.

"Es ist wichtig, dass politische Massnahmen ergriffen werden."


Rund 600 Regierungsvertreter und Gesundheitsexperten aus der Europäischen Union und benachbarten Ländern, einschliesslich der Schweiz, nahmen Montag und Dienstag an der Konferenz in Bremen teil.
Weltweit sind rund 40 Millionen Menschen mit dem HIV-Virus infiziert oder an Aids erkrankt. In West- und Zentraleuropa, wo rund 740'000 HIV-infizierte Menschen leben, wurden bei der Behandlung der Krankheit grosse Fortschritte erzielt.

So konnte die Lebensdauer vieler Patienten erhöht werden.
Gleichzeitig mit den therapeutischen Erfolgen wird ein vermindertes Interesse an der Aids-Prävention und ein Wiederaufleben risikoreicher sexueller Praktiken innerhalb der europäischen homosexuellen Gemeinschaften registriert. Deshalb hat sich die Zahl der Menschen, die sich mit dem HIV-Virus infiziert haben, erhöht. In der Schweiz tragen drei von tausend Menschen das HIV-Virus in sich. Eine bessere Prävention hat zwar die Infektionsraten unter Drogenabhängigen und Immigranten gesenkt. Seit 2003 haben sich jedoch die Neuinfektionen bei homo- und bisexuellen Männern verdoppelt. "Eines unserer grössten Anliegen ist der Kampf gegen die neue Epidemie unter den homosexuellen Männer", sagt Staub. "Wir fragen uns, was geschehen ist. Wir suchen immer noch Möglichkeiten, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Aber wir haben in Bremen keine neuen Ideen ausgemacht."

Problemzone Osteuropa

In Osteuropa und Zentralasien, in Regionen, in denen Aids bis vor kurzem noch nicht so weit verbreitet war, sind Epidemien unter Drogensüchtigen ausgebrochen. Die Krankheit verbreitet sich in diesen Ländern sehr schnell via heterosexuellen Geschlechtsverkehr. "Ich bin über die Zahl der Infizierten in Ländern wie der Ukraine und Russland besorgt.
Sie wächst rasch an, und die Länder befinden sich nahe Mitteleuropa und damit auch der Schweiz", sagt Staub.
Peter Piot, Geschäftsführender Direktor von UNAIDS, dem HIV/Aids-Pandemie-Koordinierungsprogramm der Vereinten Nationen, drängte die EU, ihre Anstrengungen zu verstärken, die Krankheit in Osteuropa zu bekämpfen. "Die EU und Deutschland tun viel für Entwicklungsländer, aber nicht genug für ihre Nachbarn."

Bremer Erklärung

Die Staaten wollen sich künftig gemeinsam für preiswerte Aids-Medikamente überall in Europa einsetzen. Die Teilnehmer appellieren an die Pharmaindustrie, hierzu einen Beitrag zu leisten und mit Regierungsstellen und Organisationen sinnvolle Vertriebswege zu finden. Ulla Schmidt, die deutsche Gesundheitsministerin, sagte, in den kommenden Monaten würden Gespräche mit den betroffenen osteuropäischen Ländern über die Preisniveaus der Medikamente aufgenommen.
Die Konferenz verpflichtete sich in der "Bremer Erklärung" unter anderem, "die politische Führung auf nationaler europäischer und internationaler Ebene zu übernehmen, um diese Pandemie zu bekämpfen". In der Erklärung stehe alles, wofür sie sich normalerweise schon einsetzen, sagt Staub. "Aber sie ist wichtig, weil es Staaten gibt – auch in der EU –, in welchen weder homosexuelle Männer noch intravenöser Drogenkonsum akzeptiert und Wert und Notwendigkeit der Schadensbegrenzung nicht anerkannt werden.
Simon Bradley

FAKTEN:
    • Gemäss der Schweizer Aids-Hilfe leben in der Schweiz rund 20'000 Frauen und Männer mit dem HIV-Virus. Zwei Menschen stecken sich täglich neu an.
    • Zwischen 1983 und 2005 wurde bei 8251 Menschen Aids diagnostiziert,
      davon 298 im Jahr 2004 und 234 ein Jahr später.
    • Bis jetzt sind in der Schweiz 5622 Menschen an Aids gestorben.
    • Seit 1981 haben sich weltweit rund 65 Mio. Menschen mit HIV infiziert;
      25 Mio. sind bisher an dieser Krankheit gestorben.
    • Rund 40 Mio. Menschen leben momentan mit dem HIV-Virus.
      2005 starben 2,8 Mio. Aidskranke, die meisten davon in Afrika.
LINKS:

Fördermillionen auf Scheinkonten

Drei Professoren und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der FH Gelsenkirchen sitzen in Untersuchungshaft. Sie sollen Fördergelder des Landes ergaunert und Millionen in ihre eigenen Taschen abgezweigt haben. Die Hochschulleitung ist schockiert.

Gelsenkirchen - Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen drei Professoren und einen akademischen Mitarbeiter der Fachhochschule Gelsenkirchen wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Subventionsbetrugs und der Steuerhinterziehung. Die Beschuldigten seien am Dienstag festgenommen worden und säßen mittlerweile in Untersuchungshaft, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde am Donnerstag.

Die Beschuldigten, die aus verschiedenen Fachbereichen der Hochschule stammen, sollen durch Scheinrechnungen und Scheinfirmen einen zweistelligen Millionenbetrag an Fördergeldern ergaunert haben. Die Firmen sitzen nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen, Rheinlandpfalz und Hessen sowie in Spanien und der Türkei.

Von den beantragten Subventionen sei allerdings nur ein "einstelliger Millionenbetrag" in die Taschen der Inhaftierten geflossen, sagte Eduard Güroff, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum. Zugleich widersprach er einem Pressebericht, wonach die Beschuldigten Subventionen in Höhe von 35 Millionen Euro unrechtmäßig erhalten haben sollen. Der Betrag sei geringer, hieß es. Laut Güroff haben die Wissenschaftler nicht das gesamte Geld in die eigenen Taschen gewirtschaftet, sondern einen Teil antragsgemäß verwendet.

Die "Ruhr-Nachrichten" hatten am Donnerstag unter Berufung auf ein vertrauliches Dokument über den Fall an der FH Gelsenkirchen berichtet. Darin hieß es, die Professoren hätten Restmittel aus Fördertöpfen abgerufen, bevor diese verfielen. Die Landesverwaltung habe die Verwendung der Fördermittel nicht ausreichend überwacht. Ein Sprecher des Rechnungshofes lehnte eine Stellungnahme ab.

Anonyme Hinweise aus FH-Kreisen

Auf die Spur der Beschuldigten war die Staatsanwaltschaft auch durch Ermittlungen gegen einen Mediziner aus Recklinghausen gekommen, gegen den derzeit wegen Betruges ermittelt wird. Er hatte Handwerker, die sich als Ärzte ausgeben, unter anderem in Zeitarbeitsfirmen Blutproben nehmen lassen und dies als ärztliche Leistung abgerechnet.

Nach Angaben der Bochumer Staatsanwaltschaft ermitteln die Behörden schon seit Jahren in dem Fall. Aus dem Umfeld der Fachhochschule habe es anonyme Hinweise gegeben. Am vergangenen Dienstag hätten Ermittler daraufhin rund ein Dutzend Gebäude in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern untersucht.

Eine Freilassung der Wissenschaftler kommt laut Staatsanwaltschaft wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr vorerst nicht in Frage. Sie hätten sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert. Ihre Anwälte forderten zunächst Akteneinsicht.

Der Rektor der FH Gelsenkirchen, Peter Schulte, zeigte sich schockiert. Zum laufenden Verfahren wollte er sich nicht äußern, betonte aber, dass die Hochschule alles zur Aufklärung der Vorwürfe tun werde. Der Ruf der Hochschule dürfe nicht unter den Taten einiger weniger leiden.

Die Koordinatoren einer Sammelklage gegen das Studiengebührengesetz in Nordrhein-Westfalen kritisierten die Landesregierung für die ihrer Ansicht nach unzureichende Kontrolle der Finanzmittel. "Es ist ungeheuerlich, dass die Landesregierung unter dem Vorwand der knappen Kassen Studiengebühren einführt, die Verwendung der Hochschulfinanzen aber nicht hinreichend kontrolliert", sagte Patrick Schnepper im Namen der Koordinatoren.

Die Fachhochschule wurde 1992 gegründet. Über 6000 Studenten sind mittlerweile an der FH eingeschrieben. Die Hochschule bietet Fächer wie Ingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaften an. Insgesamt hat die Hochschule 500 Professoren und Mitarbeiter.

Politiker erleichtert über Hakenkreuz-Urteil

BUNDESGERICHTSHOF

"Schlappe für eine weltfremde Justiz", "schallende Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft Stuttgart": Politiker von SPD, Grünen und FDP werten das Bundesgerichtshof-Urteil zu Anti-Nazi-Symbolen als überfällige Korrektur des Stuttgarter Landgerichts - und als Ermutigung für engagierte Bürger. Karlsruhe - "Es ist eine schallende Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft Stuttgart und den Justizminister Goll."

Der baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll habe es in der Vergangenheit abgelehnt, "der Staatsanwaltschaft eine entsprechende Weisung zu erteilen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen SPIEGEL ONLINE.
Dem Urteil des BGH zufolge ist ein durchgestrichenes Hakenkreuz kein verbotenes Kennzeichen. Damit erweiterten die Richter die Möglichkeiten des Protests gegen den Rechtsextremimus. Das Hakenkreuz dürfe in einer Darstellung straflos verwendet werden, wenn das Symbol "offenkundig und eindeutig" die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck bringe. Dies gelte selbst dann, wenn solche Anti-Nazi-Symbole aus kommerziellen Interessen massenhaft vertrieben würden.

Annen sieht nun genügend Rechtssicherheit für Bürger, die sich weiterhin aktiv und öffentlich gegen Rechts engagieren wollen und legte am Ende noch den kleinen Seitenhieb drauf: "Diese Rechtssicherheit gilt nun auch in Stuttgart." Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von einem "Sieg der Demokratie gegen juristische Griffelspitzerei". Deutliche Worte fand auch Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen: "Das Urteil ist eine Schlappe für eine weltfremde Justiz, die die Realitäten im Land aus den Augen verloren hatte, mit ihrem Verbotsurteil Misstrauen in den Rechtsstaat schürte - und mit ihrer vollkommen absurden Sichtweise leider bis in den Bundestag hinein Anhänger fand", sagte Roth SPIEGEL ONLINE. Roth wertete den Urteilsspruch als eine Ermutigung für alle, die sich friedlich und offensiv gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzen wollen - "gerade auch für junge Menschen, die wir in ihrem Engagement für Demokratie gegen alte und neue Nazis doch unterstützen müssen und nicht entmutigen dürfen."

Auch der FDP- Rechtspolitiker Jörg van Essen (FDP) begrüßte es, dass nun Rechtssicherheit bestehe. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von einem "Sieg der Demokratie gegen juristische Griffelspitzerei". Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf nannte das Urteil eine Stärkung der Meinungsfreiheit. Wer gegen Extremismus und Gewalt auftrete, dürfe dafür nicht an den Pranger gestellt werden, sagte der FDP-Politiker.


Der BGH hob mit seiner Entscheidung das umstrittene Hakenkreuz-Urteil des Stuttgarter Landgerichts auf und sprach den angeklagten Versandhändler frei, der Anti-Nazi-Symbole mit durchgestrichenen Hakenkreuzen vertreibt. Damit folgte der Staatsschutzsenat des BGH den Anträgen von Verteidigung und Bundesanwaltschaft.


Das Landgericht hatte den 32-Jährigen im September 2006 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt. Durch eine "kommerzielle Massenverbreitung" solcher Symbole bestehe die Gefahr der Wiedereinbürgerung des Hakenkreuzes, hatte das Landgericht argumentiert. Dem widersprach nun der BGH. Alle vom Angeklagten vertriebenen Artikel seien "gegen die Wiederbelebung nationalsozialistischer Bestrebungen gerichtet", sagte der Vorsitzende Richter Walter Winkler.

Dies sei "eindeutig und offenkundig zum Ausdruck gebracht worden". Nur in einem Fall einer CD-Hülle - der aber letztlich rechtlich unerheblich sei - sei die Distanzierung nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen.
"Wichtige Hürde, um Missbrauch zu verhindern" Der Vorsitzende verdeutlichte aber, dass Anti-Nazi-Symbole nur dann nicht strafbar seien, wenn die Nazi-Gegnerschaft für jeden Beobachter auf Anhieb erkennbar sei.

Diese Eindeutigkeit sei wichtig, weil sonst eine Lockerung des Paragrafen von der rechtsextremen Szene missbraucht werden könne. "Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte Winkler. Denn Rechtsextremisten würden sich schwer tun, Symbole mit einer klaren Anti-Nazi-Aussage zu verwenden, weil sie dies als Verhöhnung ihrer "geheiligten Zeichen" empfinden würden.


Mit Blick auf die massenhafte Verbreitung von Anti-Nazi-Symbolen durch den Angeklagten sagte Winkler, es spiele keine Rolle, wie oft solche Darstellungen gezeigt würden. "Im Gegenteil: Ein zehnfacher Protest ist vielleicht noch wirkungsvoller als ein einfacher Protest."

Der Richter verwies auch auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Die Befürchtung des Landgerichts, Rechtsextreme könnten die Verbots-Lockerung durch den BGH ausnutzen und ihrerseits derart abgeänderte Kennzeichen verwenden, teilte der BGH nicht. Die Bundesrichter sind überzeugt davon, dass Rechtsradikale solche Darstellungen, in denen Hakenkreuze in gegnerischer Zielrichtung verwendet werden, als Verhöhnung der ihnen "heiligen" Symbole empfinden und selbst nicht verwenden würden.

"Wir glauben, wir haben mit dem Urteil eine wichtige Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte Winkler.
Der Versandhändler aus dem baden-württembergischen Winnenden vertreibt über seinen Online-Shop "Nix Gut" unter anderem Anstecker und Aufnäher mit durchgestrichenen oder zerschlagenen Hakenkreuzen. Die Produkte finden vor allem in der antifaschistischen Szene als Zeichen gegen Neonazis Verwendung.

Der 32-jährige Punker, der mit knallrot gefärbten Haaren vor dem BGH erschien, zeigte sich erleichtert über das Urteil. Mit Blick auf das Landgericht sagte er jedoch: "Ich habe erfahren, dass man letztlich ausgeliefert ist."
Bundesanwalt Gerhard Altvater betonte, das BGH-Urteil schaffe mehr Rechtssicherheit. Für alle, die einen Anti-Nazi-Button tragen, bedeute das Urteil "die Befreiung vom Risiko der Strafbarkeit, das bisher noch gegeben war".

Pilot mit zwei Kilo Kokain erwischt

Im Cockpit eines Alitalia-Flugzeuges haben Zollbeamte zwei Kilo Kokain entdeckt. Der Pilot wollte die illegale Fracht aus Venezuela nach Italien schmuggeln - und soll sich häufig vor dem Start selbst eine Ration genehmigt haben.

Rom - Der Fall weckt erhebliche Zweifel an den Sicherheitsvorkehrungen der Fluglinie Alitalia: Ein Pilot wurde fristlos entlassen, weil Zollbeamte im Cockpit einer Personenmaschine zwei Kilogramm Kokain entdeckt hatten. Der Mann sei häufig auf der Route von Caracas in Venezuela nach Mailand unterwegs gewesen, wie italienische Zeitungen berichteten.

Die Behörden vermuten, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt - auch weitere Mitarbeiter der Fluglinie sollen am Drogenschmuggel im Cockpit beteiligt gewesen sein. Die Kriminellen hofften darauf, dass die Flughafen-Polizei bei Crew-Mitgliedern nicht allzu genaue Kontrollen durchführen würden.

Der Pilot hat laut Zeitungsberichten auch gerne selbst Kokain geschnupft, bevor er sich ins Cockpit der Linienmaschinen setzte. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.

Mittwoch, 7. März 2007

Überschwemmungen in Honduras

In Folge schwerer Regenfälle sind in der Karibikregion von Honduras mehr als 100’000 Menschen durch Überschwemmungen von der Aussenwelt abgeschnitten.

Die Regierung des mittelamerikanischen Landes versetzte mehrere Provinzen in Alarmzustand und liess die Schulen schliessen. Wie der Zivilschutz von Honduras am Dienstag in Tegucigalpa weiter mitteilte, sind 30 Ortschaften entlang des Flusses Lean von Überschwemmungen und Hochwasser bedroht.

Nach Angaben der Meteorologen wurden die Regenfälle seit dem Wochenende von einer Kaltfront über Honduras ausgelöst. Er werde erwartet, dass es noch zwei weitere Tage regnen werde. Normalerweise ist es um dieses Jahreszeit heiss und trocken in Mittelamerika.

Entführte und missbrauchte Mädchen aus Erdloch befreit

Die Festnahme eines Serien-Triebtäters hat in Südafrika die Leidenszeit zweier in einem Erdloch gefangen gehaltener Mädchen beendet. Eines der Kinder ist erst vier Jahre alt, das andere Mädchen wurde seit mehr als einem Jahr vermisst.

Johannesburg - Wie südafrikanische Zeitungen berichten, wirkten die beiden Kinder im Alter von vier und 14 Jahren völlig verstört, als die Polizei sie befreite. Die 14-Jährige, die schon im Dezember 2005 von einer Farm in der Gegend verschwunden war, wurde nach Angaben ihrer Mutter nackt in dem Erdloch entdeckt.

Sie war bleich und voller Panik, als sie das Tageslicht erblickte. Ihr Entführer, der sie auch sexuell missbraucht haben soll, hatte sie lediglich mit Zuckerwasser und Süßigkeiten ernährt. Waschen durfte sie sich nicht.

Unklar blieb, wie lange die Vierjährige in dem Loch ausharren musste. Der festgenommene 31-Jährige hatte zunächst behauptet, Vater des kleinen Mädchens zu sein. Er befand sich seit drei Jahren auf der Flucht und wurde wegen mindestens 21 Straftaten gesucht.

Ein Einbruch bei Bekannten wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Er wurde von den Bewohnern der Hütte überrascht und dann betrunken und schläfrig gemacht. Als die Polizei eintraf, war er bereits von Angehörigen der Familie malträtiert worden.

Geheimer russisch-syrischer Waffendeal

Ein auf mysteriöse Weise zu Tode gestürzter Journalist hatte offenbar Belege für das Geschäft.

Moskau - Es war eine Resonanz, wie sie sich ein Journalist nur wünschen kann. Am 12. Januar 2005 veröffentlichte Iwan Safronow, Militärexperte der Moskauer Tageszeitung „Kommersant“, zusammen mit Kollegen einen Artikel über geplante Lieferungen russischer Iskander-E-Raketen (im Nato-Jargon SS-26) an Syrien. Die Veröffentlichung sorgte für einen internationalen Skandal. Israels Premier Ariel Scharon und US-Präsident George W. Bush protestierten damals bei Präsident Wladimir Putin gegen die Lieferungen der von mobilen Basen abschießbaren, manövrierfähigen Raketen mit einer Reichweite von 280 Kilometern. Syrien könne damit jeden Punkt Israels erreichen. Schließlich verkündete Putin bei einem historischen Israel-Besuch am 28. April 2005: „Ich habe mein Veto gegen das Geschäft eingelegt.“ Doch der brisante Deal - und nicht nur dieser - war damit möglicherweise nur aufgeschoben.

Am Dienstag veröffentlichte der „Kommersant“ eine Rekonstruktion der letzten Wochen Iwan Safronows, der am vergangenen Freitag bei einem zweifelhaften Fenstersturz starb. Mitte Februar bereitete sich Safronow auf die Waffenmesse Idex-2007 in den Vereinigten Arabischen Emiraten vor. Dort wollte er eine ihm zugespielte, brisante Information überprüfen, sagte er seinen Vorgesetzten: Dass Russland Syrien Kampfflugzeuge vom Typ SU-30 verkaufen wolle, die einst für Indien entwickelt wurden und eine Reichweite von 1500 Kilometern haben. Außerdem wolle Moskau dem Iran moderne S-300-W-Raketen verkaufen, die angreifende Flugzeuge abschießen können.

Damit westliche Länder den Kreml nicht wieder der Aufrüstung des syrischen und iranischen Regimes beschuldigen könnten, sollten die Waffen über Weißrussland geliefert werden, so sein Informant. Nach mehreren Tagen Recherche auf der Waffenmesse in Abu Dhabi rief Safronow die Redaktion an: Er habe die Bestätigung für den explosiven Deal. Nach seiner Rückkehr nach Moskau schreibe er einen entsprechenden Artikel. Doch nachdem Safronow am 24. Februar nach Moskau zurückgekommen war, meldete er sich erst einmal wegen starker Magenschmerzen krank. Der Militärspezialist ging zum Arzt, arbeitete aber zu Hause weiter und half Kollegen aus der Redaktion, die ihn telefonisch um Rat fragten. Am 27. Februar ging der immer noch krankgeschriebene Safronow zu einer Pressekonferenz. Er erzählte dort Kollegen, er habe nicht nur die Bestätigung für die geplanten Deals: Russland und Syrien hätten bereits weitere Waffenverträge unterschrieben. Moskau habe sich verpflichtet, Damaskus ferngesteuerte Panzer-S1-Luftabwehrraketen (SA-19) und MiG-29-Jagdflugzeuge zu liefern - und endlich auch die Iskander-E-Raketen.

Den fälligen Artikel indes wollte Safronow noch nicht schreiben. Seinen „Kommersant“-Kollegen sagte der Militärspezialist, er sei gewarnt worden, dass eine Veröffentlichung für einen neuen internationalen Skandal sorgen werde. Russlands Inlandsgeheimdienst FSB werde in diesem Fall ein Strafverfahren wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen gegen ihn einleiten und einen solchen Prozess „bis zum Ende bringen“, so die ihm gegenüber ausgesprochene Drohung.

Am selben Tag rief Safronow nochmals in der Redaktion an und kündigte an, er werde zumindest einen Artikel über die geplanten Waffenlieferungen über Weißrussland durchtelefonieren. Dies geschah nicht mehr. Drei Tage später war Iwan Safronow tot. Russlands staatliche Waffenexportagentur Rosoboronexport lehnte einen Kommentar zu den angeblich unterschriebenen Waffenverträgen mit Syrien und Iran ab.

Die Moskauer Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Safronow wegen des Verdachts auf Selbstmord. Die russische Journalisten-Gewerkschaft kündigte am Dienstag eine eigene Untersuchung zum Tod Safronows an. Seit 1993 seien in Russland 214 Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs ums Leben gekommen, sagte Generalsekretär Iwan Jakowenko. „Wir sind (weltweit) auf dem zweiten oder dritten Platz hinter Kolumbien und vielleicht dem Irak. Nicht ein Fall eines gestorbenen Journalisten ist in unserem Land wirklich aufgeklärt worden.“

Dienstag, 6. März 2007

US-Soldat wegen Fahnenflucht verurteilt

Ein Militärgericht der US-Armee in Würzburg hat einen Sanitäter verurteilt, weil er nicht ins Kriegsgebiet zurückgekehrt war. Der 35-jährige Mann hatte sich seiner Verlegung in den Irak durch einen Sprung aus dem Fenster der Militärpolizei entzogen

Der GI Agustin Aguayo (35) ist gestern von einem Militärgericht der US-Streitkräfte in Würzburg wegen Fahnenflucht verurteilt worden. Über das Strafmaß entscheiden die Richter noch, dem in Mexiko geborenen Sanitätssoldaten drohen bis zu sieben Jahre Haft. Als seine Einheit in Schweinfurt am 1. September 2006 in den Irakkrieg zog, fehlte der Gefreite Aguayo. Der Kriegsdienstverweigerer wollte lieber ins Gefängnis gehen als mit der 1. Infanteriedivision der US-Armee in Europa zum Kampfeinsatz in den Irak.

Schon am Tag nach dem Abflug seiner Einheit von Ramstein aus nach Kuwait stellte er sich der Militärpolizei in Schweinfurt. Doch als ihm dort eröffnet wurde, dass er mit der nächsten Maschine - wenn nötig mit Gewalt - dennoch zum Einsatz im Irak geflogen werde, sprang er im Kampfanzug aus dem Fenster und tauchte unter - und in den USA wieder auf. In Kalifornien stellte er sich nach 24 Tagen auf der Flucht der US-Armee, die ihn mit dem nächsten Flugzeug zurück nach Deutschland brachte. Seitdem saß Aguayo in Mannheim in einem Militärgefängnis und wartete auf seinen Prozess.

Der begann gestern in einem Gerichtsgebäude auf einem Kasernengelände bei Würzburg. Journalisten mussten das Verfahren von einer extra dafür umgebauten Teeküche aus an zwei Bildschirmen verfolgen. Der Raum durfte nur nach umfangreichen Taschenkontrollen und Leibesvisitationen betreten werden. Im Gerichtssaal selbst waren lediglich drei Berichterstatter zugelassen. Draußen vor dem Gate demonstrierte das "Würzburger Friedensbündnis". Drinnen bei der Presse saß die in Berlin lebende US-Friedensaktivistin Elsa Rassbach und verteilte Flugblätter.

Auf Befragung des Vorsitzenden Richters am Militärgericht, Colonel R. Peter Masterton, räumte Aguayo gleich nach Prozesseröffnung ein, sich an diesem 1. September 2006 ganz bewusst der Truppenverlegung in den Irak entzogen zu haben. In diesem ersten Anklagepunkt bekenne er sich schuldig. Auf nicht schuldig plädierten die Anwälte von Aguayo dann beim zweiten Anklagepunkt Fahnenflucht.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens ging es dann ausschließlich um den ersten Anklagepunkt. Im Rahmen eines Agreement nach den Statuten der US-Militärgerichtsbarkeit hatten sich die Ankläger und die beiden Verteidiger von Aguayo - ein Militäranwalt und ein ziviler Advokat - offenbar noch vor Prozessbeginn auf einen Deal verständigen können: Aguayo bekannte sich schuldig. Und im Gegenzug begrenzten die Ankläger ihre Höchststrafenforderung auf zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Mehrfach fragte der Vorsitzende Richter Aguayo danach, ob er sich tatsächlich aus freien Stücken und ohne Zwang schuldig bekannt habe. Der Angeklagte bejahte das wiederholt.

Auch die anwesenden Militärjuristen wussten danach nicht genau zu sagen, welche Auswirkungen der Deal auf das Strafmaß für den zweiten Anklagepunkt, die Desertion, haben könnte. Die allgemeine Auffassung war, dass der Vorsitzende Richter dafür immer noch die Höchststrafe von sieben Jahren verhängen könne. Eine Jury gibt es in diesem Militärstrafverfahren nicht. Aguayo selbst sieht sich nicht als Fahnenflüchtigen, da er schon 2004 - gleich nach einem ersten Einsatz im Irak - einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt habe, über den rechtswidrig bis heute nicht entschieden worden sei. Auch sein Antrag auf Entlassung aus der Army wurde abgelehnt, eine Zivilklage dagegen in den USA gleichfalls abgeschmettert.

"Nie wieder" will der Familienvater Aguayo in den Irak. "Ich bedauere meine Beteiligung, weil ich auch als Sanitäter im Grunde den Krieg ermöglichte", schrieb er in einer ausführlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen der Anklage. Er habe damals Verwundete versorgt, damit die wieder in die Kämpfe geschickt werden konnten. Und er habe Soldaten auf ihre Patrouillen fahren müssen, die sowohl für die GIs als auch für Iraker oft tödlich endeten, so Aguayo. "Auf der Basis meiner religiösen Erziehung und meines Glaubens" werde er sich deshalb auch zukünftig "jedem Krieg verweigern".

taz vom 7.3.2007, S. 7, 139 Z. (TAZ-Bericht), KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Sonntag, 4. März 2007

Kamerun: Schwuler entlassen

New York - Ein Mann ist nach zwei Jahren ohne Prozess aus einem Gefängnis in Kamerun entlassen worden, nachdem sich eine amerikanische Homo-Gruppe für ihn eingesetzt hatte. Alexandre D. wurde vor zwei Jahren im Alter von 22 Jahren festgenommen, weil er Sex mit einem anderen Erwachsenen gehabt haben soll. Nach Paragraf 347 wird das in dem 17 Millionen Einwohner zählendem Land mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.
Die New Yorker Gruppe International Gay & Lesbian Human Rights Commission (IGLHRC) wurde auf den Mann aufmerksam und verschaffte ihm seinen ersten Gerichtstermin. Der Richter sagte, gegen D. lägen keine Beweise vor und ließ ihn unverzüglich frei. Tatsächlich konnte die Anklage nicht einmal bestätigen, dass D. je festgenommen worden war.
"Er hätte den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen können", so Cary Johnson von der IGLHRC zu 365gay.com. Es könnte tausende solcher Fälle in Afrika geben. "Wir wissen es einfach nicht". In Kamerun finden regelmäßig Razzien gegen Schwule un Lesben statt.

Freitag, 2. März 2007

Senegals Chef "poliert seinen Thron"

Nach ersten Ergebnissen gewinnt Amtsinhaber Abdoulaye Wade die senegalesische Präsidentschaftswahl im ersten Durchgang mit absoluter Mehrheit, obwohl heftige Kritik an seiner Regierungsbilanz den Wahlkampf dominierte

AUS DAKAR JANA BIRKE


"Zuweilen haben Wolken den Himmel über Senegal verdunkelt, Wolken, die unser Land ins Chaos stürzen wollten", schreibt die staatliche Tageszeitung Le Soleil am Tag nach der Präsidentschaftswahl. Doch die "Ruhe, Transparenz und massive Beteiligung" beim Wahlvorgang bekräftigten den Status Senegals als "reife Demokratie". Die unabhängige Tageszeitung Le Quotidien hingegen berichtet, dass der Justizminister Cheikh Tidiane Sy die Tür eines Wahlbüros eintrat, um seiner Forderung nach Verlängerung der Abstimmung Nachdruck zu verleihen. Auch die privaten Radiosender geben sich gewohnt kritisch: Obwohl die Wahllokale am Sonntag um 22 Uhr offiziell geschlossen wurden, sollen hier und da noch um ein Uhr morgens Stimmen abgegeben worden sein. Um 17 Uhr, eine Stunde vor dem ursprünglich angesetzten Wahlschluss, waren andererseits in 40 Dörfern der südsenegalesischen Casamance immer noch nicht die Wahlmaterialien eingetroffen.

Egal: Schon gegen Mitternacht verkündete Premierminister Macky Sall, der amtierende Präsident Abdoulaye Wade habe nach ersten Hochrechnungen eine absolute Mehrheit von 57 Prozent bekommen. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, wird es also keine Stichwahl geben. Das ist überraschend, waren sich doch die Medien im Vorfeld einig, dass ein zweiter Wahlgang unumgänglich sei. Senegals Bevölkerung zeigte sich im Wahlkampf mehrheitlich enttäuscht von den nicht eingelösten Versprechen Wades seit seiner ersten Wahl 2000: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, härteres Vorgehen gegen Korruption, Anhebung des allgemeinen Lebensstandards. Die Reispreise haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt, die Gaspreise verdreifacht. Wade forderte trotzdem bei Wahlveranstaltungen 99 Prozent der Stimmen. "Gebt ein Prozent meinen Rivalen, aus Gründen der demokratischen Gleichheit", sagte er.

Der Präsident hatte durchaus ernst zu nehmende Rivalen - vor allem sein ehemaliger politischer Ziehsohn und Expremierminister Idrissa Seck sowie Ousmane Tanor Dieng von den Sozialisten, die Senegal von 1960 bis 2000 regierten. Daneben machten Abdoulaye Bathily und Landing Savané von sich reden. Mit einer absoluten Mehrheit für Wade im ersten Wahlgang hatte also kaum jemand gerechnet; entsprechende Prognosen aus dem Präsidentenlager wurden meist als verkappte Betrugsankündigung abgetan.

Präsidentschaftskandidat Moustapha Niasse spricht im Zusammenhang mit den fehlenden Wahlmaterialien von "Betrugswillen". Auch die Bevölkerung scheut sich nicht, das Wort "Manipulation" in den Mund zu nehmen. Bestätigen sich die Hochrechnungen, könnte es in Thiès, der Hochburg des ärgsten Wade-Widersachers Idrissa Seck, zu Protesten kommen. Ebenso in Fann, wo sich die Residenz des Sozialisten Dieng sowie die Universität Dakar befindet, in der es regelmäßig zu Streiks und Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt. Zurzeit ist es dort ruhig, da die Studenten zum Wählen in ihre Heimatgemeinden fuhren.

Gestern aber wurden die Hochrechnungen auf den Straßen der Hauptstadt eher mit einer Mischung aus Enttäuschung und Gelassenheit aufgenommen. 2000, als Wade die Sozialisten besiegte, rechnete man fest mit Ausschreitungen und es blieb friedlich - diesmal gab es vor der Wahl gewalttätige Konflikte, aber es ist ein friedliches Ende in Sicht. "Wade poliert seinen Thron", titelt der Quotidien. Und als Abdoul, Besitzer eines Telecenters in einem Vorort von Dakar, von dem Wahlergebnis erfährt, lacht er ironisch, zuckt mit den Schultern und sagt: "C'est comme ça" - so ist es halt.

taz vom 27.2.2007, S. 11,

N-Wort auf dem Index

Obwohl es auch viele schwarze Rapper in ihren Texten verwenden, hat der Stadtrat von New York die Bewohner der Metropole aufgefordert, dass Schimpfwort "Nigger" aus ihrem Sprachgebrauch zu verbannen. Das Gremium verabschiedete ein Moratorium, das allerdings rein symbolisch ist und keine rechtlichen Folgen hat.