Sonntag, 6. Juli 2008

Südafrika: HIV-Medikament als Droge missbraucht

Die Gesundheitsamt in der südafrikanischen Großstadt Durban warnen Aids-Patienten vor Kriminellen, die in Überfällen das HIV-Medikament Stocrin erbeuten.

Das Medikament wird mit Marihuana vermischt und dann in den Townships der Stadt als Droge verkauft. Zuvor hatten sich mehrere ausgeraubte Patienten bei der Polizei gemeldet. Berichte, dass Angestellte von Krankenhäusern das antiretrovirale Medikament im großen Stil an Drogendealer verkaufen, wiesen die Behörden zurück.

Das Rauchen der Mischung soll einen besonders intensiven Rauschzustand hervorrufen. Allerdings warnen Gesundheitsexperten vor den nicht abschätzbaren Risiken der Mischdroge: "Die Verbindung zwischen Stocrin und Marihuana ist sehr gefährlich und kann zum Tode führen. Die Mischung schwächt das Immunsystem und verringert die Widerstandsfähigkeit des Körpers erheblich", erklärte Anwar Jeewa, Chef einer lokalen Klinik.

In Südafrika sind Schätzungen zufolge 5,3 Millionen Menschen HIV-positiv, mehr als in jedem anderen Land. 21,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung tragen den Virus in sich (vgl. Schweiz: 0,4 Prozent, Österreich: 0,3 Prozent, Deutschland: 0,1 Prozent).

Im Kongo gehören brutale sexuelle Übergriffe zum Alltag - Ein Hospital hilft

Vergewaltigung als Instrument der Kriegsführung: Mit dieser brutalen Gewalt gegen Frauen wird der kongolesische Gynäkologe Dennis Mukwege täglich konfrontiert. In seiner Klinik im Kongo behandelt er die Opfer. Das sind die Momente, vor denen sich Dennis Mukwege fürchtet. Wenn ihn eine 14-jährige Patientin fragt: "Doktor, kann ich später Sex haben und Kinder bekommen?" Was bleibt ihm anderes übrig, als der Jugendlichen die ganze Wahrheit zu sagen? Und die lautet: "Nein, das wird nicht möglich sein." Dann gerät Mukwege in die Lage, nicht mehr die professionelle Distanz bewahren zu können, ein Panzer, mit dem er sich ausstattet, um das Elend in seiner Klinik zu ertragen. Und er ringt mit den Tränen. Der 53-jährige Mukwege leitet am Rande der Stadt Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo das evangelische Panzi-Hospital. Das Krankenhaus ist Zuflucht für tausende Frauen, die Opfer scheußlicher Vergewaltigungen wurden. Marodierende Milizen machen trotz des Friedensabkommens von 2002 den Tropenwald an der Grenze zu Ruanda immer noch unsicher. "Jede Nacht passiert etwas", sagt Mukwege. Wenn die Mitglieder der Milizen vergewaltigen, geht es nicht um ein einseitiges Ausleben sexueller Lust auf Kosten anderer Menschen. Der sexuelle Übergriff ist Teil der Kriegsführung, zynisch geplant und bestialisch ausgeführt. Mukwege sagt: "Die Zerstörung der Frauen zielt auf die Zerstörung der Gemeinschaft." Die Soldaten wollen damit die Männer und Väter der Frauen demoralisieren. Der Mediziner: "Wenn die sehen, was mit ihren Frauen und Töchtern geschieht, verlieren sie ihre Energie und ihren Willen." Für die Frauen, sagt Mukwege, sei es nach der Behandlung ganz schwer, in ihre Dörfer zurückzukehren. Sie fühlen sich schuldig und müssen damit rechnen, dass sie von ihren Gatten verstoßen werden, auch weil diese Angst vor Ansteckung haben. Viele Frauen infnzieren sich bei den Übergriffen mit dem Aids-Virus. Seit den ersten demokratischen Wahlen nach langer Zeit im Jahr 2006 ist es in der Demokratischen Republik Kongo, dem früheren Zaire, zwar ruhiger geworden. Im Osten des Landes flammen aber nach wie vor Unruhen auf. Milizen und Rebellen nisten sich vor allem in den ländlichen Regionen ein. Die kongolesische Armee verfügt über 100 000 Soldaten. Sie hat es aber zusammen mit der Blauhelm-Truppe der Vereinten Nationen bisher nicht geschafft, diese marodierenden Truppen in den Griff zu bekommen. Es ist Mukwege unerklärlich, dass es nicht möglich ist, diese bewaffneten Milizionäre in Schach zu halten. Er schätzt, dass bisher 300 000 Frauen vergewaltigt worden sind. "Nirgendwo ist es so schlimm wie in der Kivu-Region", sagt Mukwege. Zum Gynäkologen wurde Mukwege in Frankreich ausgebildet. Seine Arbeit am Panzi-Hospital nahm er 1999 auf. Die erste Patientin, die er behandelte, war eine Frau, die sich in einem fürchterlichen Zustand befand. Bei der Vergewaltigung wurde ihr ganzes Becken zerstört. Die Befunde, die Mukwege mit seinen jetzt vier Assistenten antrifft, sind kaum zu beschreiben. Durch Mehrfachvergewaltigungen und durch Penetrierung mit Stöcken und Macheten sind Vagina und Blase fürchterlich zugerichtet. Bakterielle Infektionen, Geschlechtskrankheiten sind die Folge. Mukwege versucht, den Frauen auch mit plastischen Rekonstruktionen zu helfen. Doch oft muss er erfahren, dass die Schädigungen irreversibel sind. Die Frauen verlieren ihre Fruchtbarkeit, leiden unter Fisteln und Inkontinenz und wegen der Vernarbungen unter Schmerzen beim Verkehr. Genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer sind die psychischen Folgen. "Wir versuchen, das Selbstwertgefühl der traumatisierten Frauen zu heben, schon vor der Operation", sagt Mukwege. "Wir versuchen, ihnen ihre Würde zurückzugeben und ihre Schuldgefühle zu nehmen." Am Hospital verfügt Mukwege über 250 Betten für die misshandelten Frauen. Inzwischen wurden mit Geld der Unicef mobile Kliniken eingerichtet. Damit vermögen die Ärzte, die Frauen in ihren Dörfern aufzusuchen und zu behandeln. Das ginge nicht ohne eine UN-Eskorte. Die Gegend ist zu gefährlich. Muss Mukwege nicht um sein eigenes Leben und das seiner Familie fürchten? "Ich denke, wir sind moralisch geschützt", erwidert der Mediziner und hofft auf die Wirkung der Berichte übersein Hospital in den internationalen Medienl. Der qualifizierte Gynäkologe könnte außer Landes gehen, einen Job in sicherer Umgebung annehmen. Aber das lehnt er ab. "Die Frauen, ihre Kraft und ihr Mut - das hält mich in Bukavu", sagt er. Das Schlimmste für Mukwege ist, wenn eine Patientin zu ihm zurückkehrt, als Opfer eines zweiten Übergriffs. Er berichtet vom Schicksal einer 14-Jährigen, der dies widerfahren ist. Mukwege: "Das ist schwer zu verkraften. Da krampft mir das Herz." Info Dr. Dennis Mukwege nimmt während seines Aufenthalts in Deutschland am Mittwoch, 2. Juli, um 20.00 Uhr im Tübinger Kino Museum an einer Podiumsdiskussion über "Sexuelle Gewalt im Kongo" teil. Zuvor zeigen das Deutsche Institut für Ärztliche Mission und Amnesty International zum Thema den Film "Im Schatten des Bösen".

RAIMUND WEIBLE

Das Märchen der Lehmkekse


Haiti ist eines der Länder unseres Berichtsgebietes, das nur sehr selten in den Nachrichten auftaucht. Während der vergangenen Monate las, sah und hörte man allerdings ungewohnt viel von dem Staat, der sich eine Insel mit der Dominikanischen Republik teilt und doch einer völlig anderen Welt anzugehören scheint. Die globale Lebensmittelkrise war in aller Munde und Haiti eines der Paradebeispiele. Die Lage im ärmsten Land Lateinamerikas war so dramatisch, dass das hungrige Volk rebellierte, durch die Straßen marodierte, alles kaputt schlug, was ihm in den Weg kam und sogar den Premierminister absetzte. Schlimmer noch, aus lauter Verzweiflung aßen die Menschen Dreck - „Kekse" aus Lehm, mit denen sie wenigstens für kurze Zeit das nagende Gefühl im Magen lähmten.

Bei unserer Landung in Port au Prince waren wir deshalb natürlich sehr neugierig auf diese Kekse, die zum Symbol des Hungers auf Haiti geworden waren. Lange mussten wir nicht suchen, da stießen wir auf Madame Richemé, die vor ihrem Haus untertellergroße beige Fladen in langen Reihen ausgelegt hatte. Sie führte uns in den Hinterhof und zeigte uns, wie sie aus Lehm, Wasser, ein bisschen Öl und Salz einen „Teig" anfertigte, den sie dann in der Sonne trocknen ließ. Selbst die Unerschrockenen unter uns waren unserem einheimischen Mitarbeiter Stanley dankbar, als er uns das Probieren ersparte und repräsentativ für uns alle den obligatorischen Höflichkeitsbissen nahm. Der Gedanke, dass es sich hier um ein Nahrungsmittel der äußersten Not handeln muss, lag nahe.

Tatsächlich ist es so, dass die Kekse zu den günstigsten Lebensmitteln auf Haiti zählen und deshalb hauptsächlich von den Ärmsten der Armen gegessen werden. Doch Madame Richemé erzählte uns auch, dass sie unter schwangeren Frauen sehr beliebt sind und viele Haitianer ihnen sogar homöopathische Eigenschaften nachsagen. Das war schon immer so und hat nichts mit der Lebensmittelkrise zu tun.

Die gibt es auf Haiti, und sie hat viele Gesichter. Aber der Verzehr von Dreck ist keines davon. Deshalb sollte dieses Bild auch nicht als Symbol des Hungers missbraucht werden - so eindrucksvoll es auch gewesen wäre.