Nach den Missbrauchsfällen an der Odenwaldschule hat deren Vorstand am Montag den Rücktritt angekündigt. Der Geschäftsführer soll allerdings im Amt bleiben. Das sorgt bei den Opfern für Unverständnis.
Der Vorstand werde auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag mehrheitlich zurücktreten, teilte dessen Vorsitzende Sabine Richter-Ellermann am Montag mit. Der Druck sei zu groß geworden, die Handlungsfähigkeit der Reformschule in Gefahr. Die Schulleitung folge mit diesem Schritt dem Ruf vor allem von Opfern nach einer Veränderung an der Spitze.
Krisensitzung am Samstag
Von den sieben Vorstandsmitgliedern sollen nur die aktuelle Schulleiterin Margarita Kaufmann und der Geschäftsführer Meto Salijevic im Amt bleiben. "Für diese beiden gibt es keinen Grund für einen Rücktritt", sagte Richter-Ellermann. Auf der für Samstag angesetzten Krisensitzung des Trägervereins der Schule soll der Vorstand nun neu gewählt werden.
Bei dem Anwalt der Missbrauchsopfer stieß die Entscheidung des Vorstands, nicht geschlossen zurückzutreten, auf scharfe Kritik. Dass Geschäftsführer Salijevic im Amt bleiben wolle, sei "eine Ohrfeige für die Opfer", so Thorsten Kahl. Salijevic sei schon beim Bekanntwerden von Missbrauchsfällen Ende der 90er Jahre an der Schule tätig gewesen. "Der Internatsleitung geht es nur darum, Schaden von der Schule abzuwenden", kritisierte der Betroffenen-Anwalt.
Der Rücktritt des Vorstands war schon seit längerem erwartet worden. Bereits Mitte März hatten einzelne Vorstandsmitglieder erklärt, dass das Gremium geschlossen zurücktreten werde. Kurz darauf hies es jedoch wieder, der Rücktritt sei noch längst nicht beschlossene Sache. Altschüler hatten dem Gremium vorgeworfen, die Aufklärung des Skandals zu behindern.
33 Opfer meldeten sich
An der Odenwaldschule waren vor zweieinhalb Wochen Jahrzehnte zurückliegende Missbrauchsfälle bekanntgeworden. Bisher haben sich 33 ehemalige Schüler als Opfer von Übergriffen in den Jahren 1966 bis 1991 gemeldet. Acht ehemalige Lehrer werden beschuldigt.
Im Zentrum der Kritik steht der frühere Leiter des Elite-Internats, Gerold Becker. Der 73-Jährige hatte Ende der vergangenen Woche sexuelle Verfehlungen zugegeben. In einem Brief an Schulleiterin Kaufmann bat er um Entschuldigung. Becker war von 1969 bis 1985 an der Schule.
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