Montag, 28. März 2011

Berlusconi teilt aus - vor Gericht

Seine Taktik ist die gleiche wie immer: Die Staatsanwälte beschimpft er als Handlager der Linken, die ihn aus ideologischen Gründen bekämpfen wollen. Erstmals seit langem ist Italiens Ministerpräsident Berlusconi wieder persönlich vor Gericht erschienen.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist zwar in mehreren Verfahren angeklagt - persönliche Auftritte hat er sich in den vergangenen Jahren aber meist gespart. Am Montag erschien der 74-jährige Medienmogul nun erstmals seit langem in einem Gerichtssaal.

Der Prozess, der für Berlusconi am unangenehmsten werden kann, kommt dabei erst noch. Erst in einem Monat muss sich der Ministerpräsident wegen des Vorwurfs verantworten, er habe Sex mit einer minderjährigen Prostituierten gehabt.
Der aktuelle Gerichtstermin war für den gerichts- und verfahrenserprobten Berlusconi beinahe schon Routine. Es ging um eine Anhörung im Vorprozess zum sogenannten Mediatrade-Verfahren. Die Richter müssen entscheiden, ob ein weiterer Prozess gegen Berlusconi eröffnet wird. "Tutto bene" - "Alles in Ordnung" versicherte der Regierungschef unerschütterlich lächelnd nach der eineinhalbstündigen nichtöffentlichen Anhörung.
Auch an Rückendeckung fehlte es nicht: Vor dem Gerichtsgebäude warteten etwa 100 Fans. Unter ihren anfeuernden Rufen hatte der Premier am Morgen das abgesperrte Mailänder Gericht betreten. Und auf der Tagesordnung des Parlaments in Rom stand am Montag ein neues Amnestie-Gesetz, welches eine starke Verkürzung der Verjährungsfristen zur Folge hätte. Sollte das Gesetz in den kommenden Wochen das Parlament passieren, könnte Berlusconi davon in mehr als einem seiner Verfahren profitieren.
Im Detail geht es bei Mediatrade um Steuervergehen beim Verkauf von Film- und TV-Rechten, ähnlich wie im Mediaset-Prozess, in dem Berlusconi und sein Konzern angeklagt sind, mit derartigen Geschäften 470 Millionen Euro schwarz in Übersee verdient haben.
Insgesamt gibt es ein Dutzend Angeklagte, darunter Berlusconis Sohn Piersilvio und Mediaset-Präsident Fedele Confalonieri. "Der Prozess ist wie viele andere vor ihm nur ein Versuch der Linken, das größte Hindernis für einen Wahlsieg aus dem Weg zu räumen", hatte Berlusconi noch kurz vor Beginn der Anhörung per Telefon in einem Radiosender gestichelt. "Ich habe mich innerhalb des Mediaset-Konzerns nie um den Kauf von Filmrechten gekümmert."
Im Übrigen sei er einer der Meistverfolgten der Geschichte, ein Justizopfer, so Berlusconi. Wie auch in anderen Verfahren gegen ihn warf der 74-Jährige der Linken vor, sich der Justiz und "politisierter Richter" zu bedienen, weil sie ihn politisch nicht besiegen könne. Seit das italienische Verfassungsgericht im Januar ein umstrittenes Immunitätsgesetz teilweise aufgehoben hatte, muss sich der Regierungschef bereits in zwei weiteren Korruptionsverfahren verantworten.
Hinzu kommt der Prozess in der Sexaffäre um eine junge Marokkanerin: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Bezahlung einer Minderjährigen für Sex und Amtsmissbrauch vor. Das sogenannte "Ruby"-Verfahren soll am 6. April beginnen. Die nächste Anhörung im Vorprozess zum Mediatrade-Verfahren wurde hingegen auf den kommenden Montag gelegt. Ob Berlusconi in den kommenden Anhörungen selbst aussagen wird, stehe noch nicht fest. "Wir werden sehen", konterte sein Anwalt und Gefolgsmann Niccolò Ghedini.

Am anderen Ende der Macht

In Stuttgart streiten CDU und FDP am Montag über ihre Zukunft. Der CDU droht ein Machtkampf: Es müssen Fraktionsvorsitz und Landesvorsitz neu besetzt werden. Nun heißt es: Modernisieren oder bewahren?

Von Rüdiger Soldt, Stuttgart

Er geht, sie kommt? Tanja Gönner ist Mappus' Kandidatin für den LandesvorsitzEr geht, sie kommt? Tanja Gönner ist Mappus' Kandidatin für den Landesvorsitz

Er geht, sie kommt? Tanja Gönner ist Mappus' Kandidatin für den LandesvorsitzDer CDU im Südwesten bleibt nach 58 Jahren wenig von ihrer Macht. Genau genommen sind auf Landesebene noch drei Ämter und zwei Dienstlimousinen zu verteilen. Landesvorsitz, Parlamentspräsident und Fraktionsvorsitz. Darum geht es jetzt. Im Vergleich zu früher ist das nur ein Zipfelchen Macht. Dort, wo die siegestrunkenen „Stuttgart 21“-Gegner am Sonntag bis spät in die Nacht mit beleidigenden Parolen und Mappus-Masken dessen Niederlage feierten, fahren am Montagabend die Limousinen der Präsidiums- und Vorstandsmitglieder des CDU-Landesverbandes vor. Am Ende der langen nächtlichen Sitzungen in der „Alten Kanzlei“ wird Stefan Mappus wohl nach nur 16 Monaten seinen Rücktritt vom Landesvorsitz erklären. Er hätte das auch schon am Sonntagabend tun können, aber der 44 Jahre alte Politiker möchte noch ein Wort mitbestimmen, wie es weitergeht mit der einst so mächtigen Südwest-CDU, bei der die Junge Union automatisch „Regierungsjugend“ hieß.
Es geht jetzt um die Frage, wer, in welchem Zeitraum, Mappus im Landesvorsitz nachfolgt. Ein kleines Signal in diese Richtung gab es am Wahlabend: In die Pressekonferenz mit allen Spitzenkandidaten schickte der gescheiterte Ministerpräsident seine engste Vertraute: die 41 Jahre alte Umweltministerin Tanja Gönner. Ein Wechsel auf den schwankenden Berliner Boden, heißt es, sei ihr ja nicht zu empfehlen. Sie war immer seine engste Beraterin. Sie war die Vertreterin der Landesregierung in der Schlichtung. Sie gehört seit Jahren zum eher konservativen Flügel in der Südwest-CDU, zu dem sich auch Annette Schavan, Volker Kauder und Helmut Rau rechnen. Diese innerparteiliche Gruppe hatte im Herbst 2009 einen maßgeblichen Einfluss auf die Ablösung Günther Oettingers und die Entscheidung, den damaligen Fraktionsvorsitzenden Stefan Mappus zum Nachfolger zu machen. Oettinger galt ihnen als „Totengräber der Union“, mit ihm sei die kommende Landtagswahl schwer zu gewinnen, behaupteten sie immer und einige Medien griffen abfällige Charakterisierungen Oettingers aus diesem Kreis geradezu begierig auf. Von einer Protestbewegung gegen „Stuttgart 21“ sprach damals noch niemand. Für die These Kauders und Schavans spricht seit Sonntagabend im Grunde nichts mehr: Nicht Oettinger führte die Südwest-CDU in eine historische Niederlage, sondern Mappus. Auch wenn die 39 Prozent unter den schwierigen politischen Umständen für die CDU noch ein erstaunlich gutes Ergebnis sind.

Von Mappus zu Gönner?

Dennoch stößt das Vorgehen der Gönner-Befürworter in Teilen der CDU-Führung auf starkes Befremden. Ein letztes Mal versuche Mappus mit seiner üblichen Basta-Politik Tanja Gönner durchzusetzen. Am Montagnachmittag wurde in Stuttgart damit gerechnet, dass Mappus am Abend Tanja Gönner als Landes- und Fraktionsvorsitzende vorschlagen würde. Eigentlich galt die Bestätigung des Fraktionsvorsitzenden Peter Hauk als sicher, er war einer der engsten Vertrauten Oettingers. Am Sonntag hieß es dann, das Präsidium der Landespartei wolle eine Verschiebung der Wahl erreichen, damit hätte Tanja Gönner Zeit gewonnen, um als Gegenkandidatin Hauks größere Chancen zu haben. Formal kann das CDU-Präsidium der Fraktion nichts vorschreiben, es bleibe bei dem vereinbarten Termin an diesem Dienstag, sagte die Fraktionssprecherin am Montag. Die totgesagten innerparteilichen Lager, die Konservativen um Gönner und die Modernisierer um Hauk, liefern sich seit die Niederlage feststeht, einen klassischen Machtkampf. „Mappus versucht nun mit der geliehenen Autorität der Bundeskanzlerin, Tanja Gönner als Fraktions- und Landesvorsitzende durchzusetzen“, sagen diejenigen im Landesverband, die sich eine längere innerparteiliche Debatte wünschen. Sie argumentieren, die CDU sei nun eine Oppositionspartei und könne sich bei der Auswahl des Führungspersonals Zeit lassen.

Es gebe drei Varianten, wie nun vorgegangen werden könne: Wenn es mehrere Bewerber für den Landesvorsitz gebe, könne der Kandidat für den Landesvorsitz per Mitgliederentscheid bestimmt werden. Zumindest sei ein längeres Nachdenken über die inhaltlichen und personellen Konsequenzen der Niederlage notwendig. Frau Gönner stehe für den „alten Politikstil“, der mit Mappus abgewählt worden sei. Die Mappus-Kritiker, die in seinen autoritären Politikstil gegenüber den eigenen Leuten und gegenüber den Bürgern einen Grund für die Niederlage sehen, wollen zunächst einmal innehalten. Sie sprechen sich im Hinblick auf den Landesvorsitz für ein „personalpolitisches Moratorium“ aus, um zu einem wirklichen Neuanfang zu kommen. Sie wollen über Stil und Inhalte künftiger CDU-Politik nachdenken. „In den Grünen Hochburgen ist wegen unseres Ministerpräsidenten jeder Grüne zur Wahl gegangen“, sagt ein junges CDU-Mitglied. In Konstanz, Tübingen, Heidelberg, Stuttgart hat die CDU Direktmandate verloren. Die CDU brauche jetzt „mehr Röttgen und weniger Mappus“ und müsse erreichen, dass sie künftig mit der SPD und irgendwann auch mit den Grünen wieder koalitionsfähig sei. Eine Schlüsselfrage sei eine moderne Energiepolitik, das Thema „Stuttgart 21“ sei ja irgendwann vergessen. „Die Unterstützer von Frau Gönner arbeiten wie eine politische Sekte, früher war es die Mappus-Sekte, jetzt ist es die Gönner-Sekte“, sagt ein führender CDU-Politiker.
Am Montagnachmittag lässt Umweltministerin Tanja Gönner dann mitteilen, dass sie am Dienstag für den Fraktionsvorsitz kandidieren werde. Der Plan, die Wahl zu verschieben, ließ sich offenbar nicht durchsetzen. Jetzt spricht vieles für einen parteiinternen Deal: Tanja Gönner tritt gegen Peter Hauk an, wird dabei vermutlich unterliegen, ist dann aber als Landesvorsitzende „gesetzt“. Hauk hätte so kaum noch Chancen, nach dem Parteivorsitz zu greifen - das hätte er nur gekonnt, wenn er ohne Gegenkandidat Fraktionsvorsitzender geworden wäre. Zugleich wäre Mappus gescheitert, weil er Tanja Gönner nur ein Amt verschafft hätte.

Die Nachdenklicheren in der CDU sagen jetzt auch, man dürfe sich nicht länger allein auf die FDP als Koalitionspartner festlegen. Schließlich wäre die CDU noch weiterhin Hausherrin in der Villa Reitzenstein, wenn die FDP die üblichen sieben bis zehn Prozent in ihrem Stammland eingefahren hätte. Die FDP erreichte aber nur 5,3 Prozent. Das zweitschlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte. Das ist nun wiederum auch für die FDP Grund genug, um über ihre Nibelungentreue zur CDU zu diskutieren. Mitglieder fordern Regionalkonferenzen. Ein Kreisverband auf der Ostalb will einen Sonderparteitag. „Es gab dieses Mal keine Stimmungssonderkonjunktur für die FDP“, sagt Michael Theurer, Europa- und früherer Landtagsabgeordneter. Die Partei müsse sich „von Grund auf modernisieren“. Über die Zukunft der Landesvorsitzenden Brigit Homburger wird es eine Diskussion geben, denn der Landesvorsitzende hat ein Anrecht auf den ersten Listenplatz bei der nächsten Bundestagswahl. Die Bundestagsabgeordneten Florian Toncar, Hartfrid Wolf und auch der Europaabgeordnete Theurer werden als Nachfolger genannt. Schriftliche Warnungen über die einfallslose Wahlkampfkampagne hat es jedenfalls schon Monate vor der Wahl gegeben.

Text: F.A.Z.

Bildmaterial: dpa