Selbstmord eines Flüchtlings
Ein 17-jähriger Georgier sollte abgeschoben werden - er erhängte sich in einem Hamburger Gefängnis. Die Politik in der Hansestadt steht unter Druck: Opposition und Verbände kritisieren die Ausländerpolitik scharf. Der Innensenator setzt die Abschiebehaft für Minderjährige aus.
Hamburg - Der Selbstmord von David M. hat die Hamburger Politik aufgerüttelt. Der 17-jährige Georgier sollte nach Polen abgeschoben werden, trat im Krankenhaus des Untersuchungsgefängnisses in einen Hungerstreik - und starb später. Er hatte sich erhängt.
Verbände und Politik zeigten sich schockiert - und forderten Konsequenzen. "Alle Kinderschutzmechanismen haben in Hamburg versagt und einen jungen Menschen das Leben gekostet", erklärte der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge in München. Schutzbedürftige junge Menschen dürften nicht in Abschiebehaft kommen, sondern müssten der Obhut des Jugendamts übergeben werden.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl unterstützte diese Forderung. Sie verlangte eine lückenlose Aufklärung des Falls und ein bundesweites Verbot, unbegleitete Minderjährige zu inhaftieren und abzuschieben. "Kinder und Jugendliche gehören nicht ins Gefängnis und dürfen nicht wie Stückgut durch Europa verschickt werden", kritisierte Europareferent Karl Kopp.
Zu einer Demonstration gegen Abschiebehaft, zu welcher der Hamburger Flüchtlingsrat aufgerufen hatte, kamen am Dienstagabend nach Angaben der Polizei rund 450 Menschen.
Auch die politischen Parteien reagierten auf den Suizid des 17-Jährigen. Die Linke-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft beklagte eine "unmenschliche Abschiebepolitik": Man kritisiere scharf, "dass minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die bereits vor Elend, Krieg und Hunger geflüchtet sind, nun auch hier durch die Behörden drangsaliert werden". Die grüne Bundestagsfraktion forderte: "Das Kindeswohl muss generell Vorrang vor ausländerrechtlichen Aspekten haben."
Hungerstreik in Haft
David M. war nach einem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg am 9. Februar in Abschiebehaft genommen worden. Als er dort die Nahrung verweigerte und trotz psychologischer und medizinischer Ansprache nicht essen wollte, wurde er am 25. Februar in das Krankenhaus verlegt. Einen Tag vor seinem Selbstmord hatte er nach Angaben der Justizbehörde wieder Nahrung zu sich genommen. "Suizidabsichten ließen sich aus den Gesprächen und Beobachtungen nicht erkennen", hieß es.
Laut einer Sprecherin der Justizbehörde hatte David M. in Polen einen Asylantrag gestellt und war dann illegal nach Deutschland eingereist. Nun sollte er nach Polen abgeschoben werden.
Der Innensenator der Hansestadt, Christoph Ahlhaus, will nun Konsequenzen aus dem Tod des jungen Mannes ziehen. Der CDU-Politiker kündigte am Dienstagabend eine Änderung der Abschiebehaftpraxis bei Minderjährigen an.
Er bedauere den Tod des jungen Mannes tief, sagte Ahlhaus. Eine Überprüfung der bisherigen Praxis der Abschiebehaft habe ergeben, dass es im vorliegenden Fall keinerlei Fehlverhalten der Ausländerbehörde gegeben habe. "Gleichwohl haben wir uns für die Zukunft darauf verständigt, grundsätzlich bei minderjährigen Ausreisepflichtigen keinen Antrag auf Zurückschiebungshaft beim Amtsgericht mehr zu stellen." Ausnahme sei, wenn die Jugendlichen straffällig geworden seien.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft prüft in einem sogenannten Todesermittlungsverfahren die genaue Todesursache, wie Behördensprecher Wilhelm Möllers sagte. Die Leiche von David M. solle daher obduziert werden. Ein Selbstmord im Gefängnis werde immer untersucht.
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