Ungeduldig warten Gläubige und Kritiker der katholischen Kirche auf eine Erklärung des Papstes zu den Missbrauchsskandalen in Deutschland. Doch der Pontifex schweigt. Erzbischof Robert Zollitsch stellt jetzt klar: Benedikt XVI. muss sich nicht äußern - weil er das bereits "unmissverständlich" getan hat.
"Ich weiß aus meinem Gespräch mit dem Papst, wie sehr ihn der Kindesmissbrauch durch Priester erschüttert, gerade auch in Deutschland", schrieb der Freiburger Erzbischof in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Die Welt" vom Donnerstag. Papst Benedikt XVI. habe sich bereits "unmissverständlich" zu dem sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche geäußert. "Das schon Gesagte bewahrt sein Gewicht, wenn es nicht ständig wiederholt wird", so Zollitsch.
Am vergangenen Freitag hatte Zollitsch sich zu einem 45-minütigen Gespräch mit dem Papst getroffen, der den sexuellen Missbrauch an Kindern mehrfach als "abscheuliches Verbrechen" bezeichnet hatte.
"Mein Papst, dein Papst" - der oberste Hirte müsse derzeit für vieles herhalten, ärgert sich der Erzbischof in seinem Kommentar. Oft genug wolle niemand den Pontifex hören, nun werde ihm plötzlich sein Schweigen vorgehalten. Zollitsch betonte, dass Benedikt XVI. das Oberhaupt aller Katholiken weltweit sei. Die Annahme, dass er sich zu den Missbrauchsfällen in Deutschland äußern müsse, weil er selbst von da stamme, sei ebenso "kurzsichtig wie oberflächlich".
"Die Mär vom schweigenden Papst"
"Bei der Mär vom schweigenden Papst wird übersehen, dass es nicht den Papst für Deutschland und nicht den Papst für Spanien gibt. Es gibt nur den einen Papst für die weltweite Kirche. Folglich muss Benedikt XVI. klug abwägen, wann er wo und zu wem was in welcher Form sagt."
Der Erzbischof zitiert den Pontifex, der erklärt hatte: "Keines meiner Worte könnte die durch einen solchen Missbrauch zugefügten Schmerzen und Leiden beschreiben."
Während Kritiker unterstellen, der Vatikan wolle das Problem aussitzen oder gar vertuschen, hatte der Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Silvano Tomasi, in Genf erklärt, die katholische Kirche wolle das Problem "definitiv lösen".
Zollitsch selbst hatte sich im Februar zum Auftakt der Bischofskonferenz in Freiburg "zutiefst erschüttert" über die Missbrauchsfälle gezeigt und sich "bei allen, die Opfer eines solchen Verbrechens wurden" entschuldigt. Im Raum der Kirche wiege der Missbrauch besonders schwer, weil es ein besonderes Vertrauen von Kindern und Jugendlichen in den Priester gebe.
Missbrauchsvorwürfe in Irland: Entschuldigung ja, Rücktritt nein
Alle, die auf eine Stellungnahme des Papstes zu den Missbrauchsvorwürfen in Deutschland warten, müssen sich gedulden: Am Freitag will der Papst italienischen Medien zufolge zunächst einen Brief an die Kirche Irlands zum Missbrauch veröffentlichen - um "die Wunden zu heilen", wie die Zeitung "La Stampa" schreibt. Als Zeichen seiner "tiefen Sorge" habe er das Schreiben verfasst, sagte der Papst am Mittwoch in Rom. "Ich bitte euch, den Brief selbst zu lesen, mit offenem Herzen und in bestem Glauben", forderte der Papst die Gläubigen auf. "Meine Hoffnung ist, dass es helfen wird auf dem Weg der Reue, der Heilung und des Neubeginns."
Dem "Corriere della sera" zufolge vertritt Benedikt XVI. in dem Schreiben eine harte Linie. Demnach will der Papst die Stellung des Bischofs gegenüber Ordenseinrichtungen stärken.
Erst am Mittwoch hatte sich das Oberhaupt der katholischen Kirche in Irland, Kardinal Sean Brady, wegen der Vertuschung von Kindesmissbrauch bei den Opfern entschuldigt. "Ich will mich bei allen, die von jedem Versagen meinerseits verletzt wurden, aus ganzem Herzen entschuldigen", sagte Brady bei einer Messe in Armagh. "Wenn ich zurückschaue, schäme ich mich, dass ich nicht immer die Werte, an die ich glaube, hochgehalten habe."
Opferverbände und Kritiker in Irland hatten den Rücktritt Bradys gefordert, weil er in den siebziger Jahren nicht angezeigt hatte, dass missbrauchte Kinder in der Diözese Kilmore dazu gebracht wurden, ein Schweigegelübde abzulegen. Doch der Kardinal scheint vorerst im Amt bleiben zu wollen. Er denke über seine Zukunft nach, ließ er lediglich verlauten.
Brasilien: Missbrauch per Video im Fernsehen geoutet
Auch in Brasilien wird derzeit gegen drei katholische Priester ermittelt, die über viele Jahre Kinder missbraucht haben sollen. Der Skandal war hier losgetreten worden, nachdem der Fernsehsender SBT Videomaterial gezeigt hatte, auf dem ein 82-jähriger Geistlicher beim Sex mit einem 19-jährigen Chorknaben zu sehen ist.
Dem Sender zufolge hatte ein weiteres, 21-jähriges Opfer heimlich die Aufnahmen gemacht. Der junge Mann erklärte, er sei seit seinem zwölften Lebensjahr von dem Priester Luiz Marques B. missbraucht worden. Auch ein 52-jähriger und ein 43-jähriger Geistlicher sind in Brasilien des Kindesmissbrauchs verdächtig.
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