Mittwoch, 30. Juni 2010

Verbotene Subventionen: Schlappe für Airbus

Von Stefan Brändle

Wenn zwei sich streiten
Die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf hat die EU wegen illegaler Beihilfen an den Flugzeugbauer Airbus gerügt. Die EU und einige ihrer Mitgliedsstaaten hätten verbotene Exportsubventionen an die EADS-Tochter gezahlt, erklärte ein WTO-Ausschuss am Mittwoch.

Das Verfahren war vom US-Flugzeugbauer Boeing angestrengt worden. Der WTO-Ausschuss kommt zum Schluss, dass rückzahlbare Darlehen grundsätzlich erlaubt seien. Verboten seien sie aber wie im Fall des Riesen-Airbus A380, wenn sie zinsgünstig gewährt werden. Diese Hilfen müssten binnen 90 Tagen zurückerstattet werden.

Der amerikanische Handelsbeauftragte Ron Kirk zeigte sich erfreut über den Entscheid, denn die EU-Hilfen hätten "dazu geführt, dass Boeing Verkäufe und Marktanteile verlor". Die EU kündigte an, den Bericht zu prüfen und dann über eine Anfechtung zu entscheiden.

Airbus begrüßte, dass die Vorschusskredite grundsätzlich zulässig seien. Dies gewährleiste die Finanzierung des erst auf dem Reißbrett bestehenden A350. Das Konsortium wird zweifellos Berufung gegen den Entscheid einlegen. Dies würde die 90-Tage-Frist für die Rückerstattung des Geldes aufheben. Wie Airbus mitteilte, könnte sich der WTO-Subventionsstreit noch "über einige Jahre" hinziehen. "Nach Abweisung der meisten US-Klagepunkte im WTO-Bericht richtet sich das Augenmerk auf die Gegenklage. Inhalt: Die Subventionen für Boeing", hieß es am Airbus-Sitz in Toulouse.

Die EU hatte in Genf 2004 selbst Klage gegen die USA eingereicht, da Boeing unzulässige Subventionen eingestrichen habe. Einen Vorentscheid in dieser Sache könnte die WTO noch im Juli fällen.

Flüchtlingsdrama in Griechenland: 16 Leichen in EU-Grenzfluss

Am türkisch-griechischen Grenzfluss Mariza sind die Leichen von 16 Menschen gefunden worden. Die afrikanischen Flüchtlinge hatten versucht, trotz Hochwassers ans andere Ufer zu schwimmen. Ihr Ziel: die EU.
 
An der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland hat sich in den vergangenen Tagen offenbar ein Flüchtlingsdrama abgespielt. Wie die griechische Polizei mitteilte, ertranken 16 Menschen bei dem Versuch, über den griechisch-türkischen Grenzfluss in die Europäische Union zu gelangen.

Am griechischen Ufer des Flusses Mariza (griechisch: Evros, türkisch: Meriç) sind die Leichen von 16 Flüchtlingen gefunden worden. Sie hatten versucht, den nach Regenfällen stark angeschwollenen Fluss - ähnlich wie hier bei einem Hochwasser im Februar - schwimmend zu überqueren. (© Archivbild: dpa)

Am griechischen Ufer des Flusses Mariza, der in der Türkei Meriç und in Griechenland Evros heißt, seien am Dienstag neun Leichen entdeckt worden. Fünf weitere wurden auf der türkischen Seite geborgen. Bereits am vergangenen Freitag wurden die Leichen zweier ertrunkener Frauen gefunden.

Neun Tote stammten den Angaben zufolge aus Afrika. Die Ertrunkenen gehörten zu einer Gruppe von Flüchtlingen, die schwimmend versucht hatte, das griechische Ufer des Flusses zu erreichen, obwohl dieser nach heftigen Niederschlägen stark angeschwollen war. Über die Identität der anderen Toten war zunächst nichts bekannt.

Die griechischen Behörden hatten auf dem Evros am Freitag 25 afrikanische und afghanische Flüchtlinge abgefangen. Unter ihnen waren auch zehn Kinder, die in einer Barke das andere Ufer erreichen wollten.

Mehr als 500 Menschen ertrunken

Nach griechischen Angaben sind seit 2007 mehr als 500 Flüchtlinge bei dem Versuch, Griechenland auf dem See- oder Flussweg zu erreichen, ertrunken.

Jedes Jahr versuchen Zehntausende Menschen, über das Land im Südosten Europas in die EU zu gelangen. Nach Angaben der für Grenzen zuständigen EU-Behörde Frontex sind 2009 drei von vier illegalen Einwanderern an der griechischen Grenze aufgegriffen worden, insgesamt 48.000 an Land und 30.400 auf dem Wasser. Erst im Januar waren zwölf Ertrunkene in Alexandropolis im Nordosten des Landes gefunden worden.

Präsidentenwahl: Merkel muss Kanzlerdämmerung fürchten

Von Sebastian Fischer, Florian Gathmann, Veit Medick und Severin Weiland

Wie konnte es zu dieser Rebellion kommen - zu dieser bitteren Abstimmungspleite für Christian Wulff? SPIEGEL ONLINE rekonstruiert die dramatischen Stunden zwischen erstem und zweitem Wahlgang: Die FDP sieht die Schuld bei der Union, die Kanzlerin ringt auch um ihre eigene Zukunft.

Berlin - Christian Wulff hat sich auf den Schock vorbereitet. Eben haben sie ihm das Ergebnis mitgeteilt. Vor der offiziellen Verkündung. Die absolute Mehrheit ist nicht nur knapp verfehlt. Sondern deutlich. Wulff fehlen im ersten Durchgang der Präsidentenwahl 44 Stimmen aus dem eigenen Lager.

Als Bundestagspräsident Norbert Lammert mit dem Ergebniszettel den Saal betritt, setzt sich Christian Wulff sehr aufrecht auf seinen Stuhl in der ersten Reihe der Bundesversammlung. Die Hände legt er auf den kleinen Tisch davor, parallel nebeneinander - und seinem Gesicht gibt er ein professionelles Lächeln.

So will er die Niederlage im ersten Wahlgang tragen.

Dann kommt der Schockmoment. Über mehrere Sekunden hängt die bittere Botschaft des Bundestagspräsidenten in der Luft. Stille. Wulff schaut geradeaus, ins Nichts. Dann hebt Merkel rechts von ihm die Hände. Sie klatscht. Schließlich klatscht der schwarz-gelbe Block.

600 Stimmen für Wulff. 499 für den rot-grünen Gegenkandidaten Joachim Gauck. Hätte die Linkspartei für den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler statt der eigenen Zählkandidatin gestimmt - Gauck wäre im ersten Wahlgang gewählt. Und Merkels Koalition wohl kurz vor dem Ende.


Es besteht Beratungsbedarf. Dringend. Die Wahlleute streben in ihre Fraktionssäle. Wulff und Merkel vorneweg. Die FDP-Abgeordnete Miriam Gruß möchte auf dem Weg noch ein Foto von sich und Wulff machen. Wulff winkt ab. Jetzt nicht, später.

"Mann, eine solche Scheiße", sagt der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok vor dem Saal. "Das ist eine Klatsche", sagt Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Brandenburgs früherer Innenminister und Ex-General Jörg Schönbohm (CDU) meint, früher habe man gewusst, "wo der Feind stand, heute ist man sich nicht mehr sicher".

Merkel wird deutlich
Drinnen wird Merkel deutlich: "Wir sollten nicht mit Misstrauen beginnen", sagt sie mit Blick auf die angestrebte Wulff-Präsidentschaft. Im zweiten Wahlgang habe man noch die Chance, die Sache in der Hand zu haben. Im dritten aber komme die Linkspartei ins Spiel."Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für die gemeinsamen politischen Ziele", sagt sie. Und noch einmal, damit es auch jeder versteht: "Wir sind eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten."


Die Kanzlerin dankt Wulff, dass er für einen zweiten Wahlgang zur Verfügung steht. Manche scheinen das lustig zu finden. Lautes Gelächter im Fraktionssaal. Merkel wird patzig: Das sei gar nicht selbstverständlich: "Das ist zu würdigen. Dafür hat er Respekt verdient."

Längst ist der Unionsführung klar: Die 44 fehlenden Stimmen sind nicht nur bei den Liberalen zu verorten. Da fehlen eigene Stimmen. Damit hatten sie nicht gerechnet.

Die Liberalen scheinen indes dankbar und glücklich zu sein, dass sie die Schuld wohl nicht alleine tragen.

FDP-Chef Guido Westerwelle ist schon drauf und dran, den Schwarzen Peter ganz in Richtung der Koalitionspartner zu schieben. Dass es neben den bekannten Abweichlern in seiner Fraktion noch weitere geben könnte, schließt er aus. Er belässt es deshalb vor seinen Wahlleuten im Fraktionssaal bei einer kurzen Ansprache. Die aber ist deutlich. Sie geht gegen CDU und CSU. Aus seiner Sicht gebe es keinen Bedarf für eine Aussprache, weil sich die FDP ja schon vorher ausgesprochen habe.

Westerwelle richtet sich gegen die Union
Was Westerwelle meint: Dass drei sächsische Liberale plus ein anonymer vierter FDP-Vertreter für Gauck stimmen würden, sei zuvor klar gewesen. Was aber ist bei der Union los?

Der FDP-Chef geht darauf nicht weiter ein. Man habe keinen Analysebedarf gegenüber dem Verhalten anderer Fraktionen. Er schlage vor, im zweiten Wahlgang wieder Christian Wulff zu wählen.

Ob er die Stimmungslage der Liberalen korrekt wiedergegeben habe, fragt er am Ende noch einmal ins Rund. Da brandet Beifall auf.

Für SPD und Grüne ist das Ergebnis hocherfreulich. 37 Stimmen mehr als ihre Parteien eigentlich haben sind ein schöner Erfolg. Genüsslich schaut die erste rot-grüne Reihe unmittelbar nach der Verkündung des Wahlergebnisses in Richtung der Kollegen von Union und FDP. Selbst wenn es im zweiten Wahlgang für Wulff klappen sollte - das Kalkül, das "bürgerliche" Lager zu spalten, ist schon jetzt aufgegangen. Und das sollen ruhig alle merken.


Doch Euphorie wird zumindest bei den Sozialdemokraten tunlichst vermieden. "Wer jetzt die Abteilung Häme bedient, hat nichts verstanden", sagt Gabriel in der Lobby des Reichstages - um sogleich leicht hämisch fortzufahren: "Das Ergebnis ist keine Niederlage für Schwarz-Gelb, sondern ein Gewinn für die Bundesversammlung."

Jürgen Trittin kommt vorbei, der Grünen-Fraktionschef fasst dem Genossen an die Schulter und lacht: "Hahahaha." Gabriel bleibt stumm.

Joachim Gauck gibt sich bescheiden
Am meisten Grund euphorisch zu sein hätte jetzt Joachim Gauck. Wulffs Gegenkandidat ist stolz, den ersten Durchgang so gut überstanden zu haben. Und dennoch drückt er am kräftigsten auf die Glückseligkeits-Bremse. In der SPD-Fraktionssitzung vor dem zweiten Wahlgang warnt er vor Übermut und Sticheleien gegenüber dem Regierungslager. Er sei immer noch genügend "Realist" um zu wissen, dass es bei dem Denkzettel für Wulff bleiben werde.

Der SPD-Vorsitzende beeilt sich derweil, den Blick auf die Linkspartei zu richten: Diese hätte jetzt eine "einmalige Chance, die DDR-Vergangenheit hinter sich zu lassen", sagt Gabriel. Klar ist: Hätten die Linken schon im ersten Wahlgang Gauck gewählt, wäre der mit absoluter Mehrheit sensationell neuer Bundespräsident geworden. Kommt eine solche Chance noch einmal? Ungewiss.

Bei den Grünen heißt es, die Linke habe für einen möglichen dritten Wahlgang bereits ihre Zustimmung für Gauck signalisiert. Doch Vertreter der Linken nennen das "blanken Unsinn". So weit wolle die Linkspartei erst mal gar nicht denken. Stattdessen gratuliert Parteichefin Gesine Lötzsch der eigenen Kandidatin Luc Jochimsen zu ihrem "hervorragenden Ergebnis". Sie bekam zwei Stimmen mehr, als die Partei Delegierte hat.

Natürlich beginnt in der Partei jetzt die Debatte über Gauck neu. Was die Pragmatiker in der Linken fürchten, ist aber, dass SPD-Chef Gabriel bei seinem Werben gewohnt aggressiv vorgeht. "Auf uns Druck zu machen, ist jetzt überhaupt nicht angesagt", sagt ein Linker, der mit Gauck gut leben könnte.

Bei den Grünen wissen sie um dieses Problem. Der DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz macht seiner Fraktion den Vorschlag, höchstpersönlich bei der Linken vorstellig zu werden und behutsam für deren Gauck-Votum zu werben.
Klar ist: Rot-rot-grüne Gespräche wird es geben. Sofern Wulff auch im zweiten Wahlgang scheitert.

Dienstag, 29. Juni 2010

Veranstalter der Gay Games erwarten eine Million Besucher

Zum ersten Mal werden die internationalen Gay Games in Deutschland ausgetragen. Zu den Wettkämpfen in Köln treten ähnlich viele Athleten an wie zu den Olympischen Spielen - nur das Rahmenprogramm aus Konzerten, Theater und Kleinkunst wird um einiges Regenbogenfarben-bunter.

 Schwulen-Aktivist (bei einer Gay-Parade in Bukarest): "Be part of it!"

Köln - Zu den ersten internationalen Gay Games in Deutschland erwarten die Veranstalter in Köln rund eine Million Besucher aus aller Welt. Knapp 10.000 Athleten aus rund 70 Nationen haben sich zu dem Breitensportturnier als Teilnehmer angemeldet. Sie repräsentieren bei den Wettkämpfen in 35 Sportarten nicht ihre Nation, sondern ihre Heimatstadt.

Die Veranstaltung unter dem Motto "be part of it!" vom 31. Juli bis zum 7. August richtet sich speziell an Homosexuelle. Die Anmeldung stand aber allen interessierten Sportlern offen, unabhängig von Fähigkeiten, Alter oder sexueller Orientierung.

"Ein wichtiges Ziel der Gay Games ist es, dass die ganze Gesellschaft daran teilnimmt", sagte einer der Organisatoren, der US-Amerikaner Rob Smitherman, im Interview mit dem Basketballmagazin "FIVE". "Deshalb ist es natürlich nicht zwingend nötig, dass du homosexuell bist. Das wäre ja auch kontraproduktiv, schließlich möchten wir uns als Teil der Gesellschaft zeigen. Warum sollten wir dann einen großen Teil davon ausschließen?"

Unter den Teilnehmern und freiwilligen Helfern seien auch viele Menschen, die in ihren Heimatländern wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert oder verfolgt würden, betonte der Leiter des Volunteer-Managements, Sascha Hüllen, am Montag in Köln. So seien auch Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Burkina Faso vertreten. Die meisten Sportler kommen allerdings aus Deutschland, den USA und Großbritannien. Schirmherr der Veranstaltung ist Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

Die Gay Games werden alle vier Jahre veranstaltet und werden nun zum ersten Mal in Deutschland ausgetragen. Unter den Sportarten sind Fußball, Tennis und Schwimmen. Zusätzlich zu den Wettkämpfen gibt es ein Rahmenprogramm mit Musik-, Theater- und Kleinkunstaufführungen.

Deutschland nutzt Folter aus

Menschenrechts-Bericht

Deutschland nutzt im Anti-Terror-Kampf Foltergeständnisse die im Ausland erpresst wurden. Die Geheimdienste behaupten, die Quellen ihrer Informationen nicht zurückverfolgen zu können.

Sichtbare Spuren der Qual: Eine neue Pentagon-Richtlinie für Verhöre verbietet Folter.

Deutschland nutzt nach Angaben von Human Rights Watch Foltergeständnisse aus dem Ausland. Auch Großbritannien und Frankreich verwendeten solche Informationen, die ausländische Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf unter Folter erpresst hätten, kritisierte die Menschenrechtsorganisation am Dienstag in London. Sie veröffentlichte dort den Bericht "Ohne nachzufragen - Geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Ländern, in denen gefoltert wird".

Human Rights Watch erinnerte die drei Regierungen daran, dass Folter nach dem Völkerrecht ohne jede Ausnahme verboten sei. Durch Folter gewonnenes Beweismaterial dürfe auch nicht in Prozessen verwendet werden. Die Geheimdienste der drei Staaten behaupteten zu ihrer Verteidigung, es sei unmöglich festzustellen, welche Quellen und Methoden hinter den übermittelten Informationen stünden. Human Rights Watch ist davon aber nicht überzeugt. Nach Ansicht der Organisation "verschärfen Menschenrechtsverletzungen im Namen der Terrorismusbekämpfung auf lange Sicht Missstände, die der politischen Radikalisierung und der Rekrutierung zum Terrorismus Vorschub leisten".

G20 in Toronto: trauriges Possenstück

Sicherheitsmaßnahmen beim G20-Gipfel in Toronto. Foto: Attac Norge

Statt sich an die vollmundig angekündigte neue globale Finanzmarktarchitektur zu machen, streiten die G20 auf der Weltbühne darüber, wer bis wann wie viel sparen muss. Das einzig Gute an dem Ergebnis von Toronto ist seine Unverbindlichkeit …

Foto von der G20-Demo am 26.6.2010. Foto: Attac NorgeDie Finanz- und Wirtschaftskrise hat ihre Ursachen sowohl in einer sich weiter zuspitzenden Polarisierung von Einkommen und Vermögen, als auch im Fehlen jeglicher Regulierung der Finanzmärkte. Angesichts dessen ist es ein schlechter Witz, wie die G20 in Toronto jede Regulierung auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben und stattdessen einen Sparkurs vereinbart haben, der den Gegensatz von Arm und Reich weiter verschärfen wird.

Mit dem Einschwenken auf den bei europäischen Regierungen derzeit so beliebten Sparkurs setzen die G20 auf ein neoliberales Weiter-So. Eine solche Sparstrategie ohne jede Perspektive für eine emanzipatorische gesellschaftliche Umgestaltung bringt den scheinbaren Sachzwang mit sich, bei der Armutsbekämpfung, bei Bildung, bezahlbaren Gesundheitsdiensten und ökologischen Schutzmaßnahmen kürzen zu müssen. Was auf der Konferenzebene so sachlich technisch daherkomme, wird millionenfaches menschliches Leid verursachen. Reiche und Superreiche dagegen werden dazu bewogen, mit ihrem Kapital noch riskantere Spekulationsspiralen in Gang zu setzen.

Polizei verhaftet mutmaßliche russische Spione

Gelbe Absperrbänder und Menschen (Foto: ap)Polizisten vom FBI sperrten das Haus eines Verdächtigten ab
 
Insgesamt seien zehn Verdächtige in verschiedenen Städten im Nordosten der USA festgenommen worden, teilte das US-Justizministerium am Montag (28.06.2010) mit. Ein weiterer Verdächtiger sei noch auf der Flucht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, für den russischen Geheimdienst tätig geworden zu sein.

Die Russen sind davon nicht entzückt. Außenminister Sergej Lawrow  erwartet Erklärungen. "Die Sache wurde uns nicht erklärt, ich hoffe, sie erklären sie uns", polterte er in Richtung Washington. Am Rande seines Besuchs in Israel fügte er ironisch hinzu, der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei "besonders anmutig" gewählt.

Denn erst am Wochenende hatten Präsident Dmitri Medwedew und US-Präsident Barack Obama, anlässlich der Unterzeichnung mehrerer Wirtschaftsverträge, die Annäherung der beiden Länder nach dem Kalten Krieg hervorgehoben. 

Langfristige Spionage
Nach Erkenntnissen der amerikanischen Justiz war es die Aufgabe der Beschuldigten, sich langfristig eine amerikanische Identität zuzulegen, um für Russland an Informationen über die USA heranzukommen. Die elf Verdächtigen sollten nach Angaben des FBI unter anderem Informationen über die US-Politik gegenüber Afghanistan und dem Iran sowie über einen damals geplanten Rüstungsvertrag zwischen Washington und Moskau sammeln. Sie sollten demnach regierungsnahe Kreise infiltrieren. Das FBI listete in seiner Klageschrift auch die Methoden des Netzwerks auf. Die Spione arbeiteten den Angaben zufolge mit verschlüsselten Botschaften, Bargeld sei ihnen von russischen Boten bei Aufenthalten in lateinamerikanischen Ländern übergeben worden. Bei Reisen nach Moskau und zurück in die USA seien die Spione zur Tarnung über Rom geflogen und hätten falsche Pässe benutzt. Neun von ihnen wird auch Geldwäsche zur Last gelegt.



Die Männer und Frauen sollen teils seit den 90er Jahren Informanten rekrutiert und Informationen für Russland gesammelt haben. Daten seien über ein geheimes elektronisches Netz von Laptop zu Laptop weitergegeben worden. Die Missionen der meisten Verdächtigen seien langfristig angelegt und extrem verdeckt gewesen.

Bis zwanzig Jahre Haft
Den Verhaftungen waren laut Ministerium jahrelange Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI vorausgegangen. US-Agenten hätten sich unter anderem als russische Regierungsbeamte getarnt und sich mit den Verdächtigten getroffen. Die Fahnder schlugen am Wochenende in den US-Staaten New Jersey, New York, Massachusetts und Virginia zu.

Agententätigkeit für eine fremde Regierung wird in den USA mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet, Geldwäsche mit bis zu 20 Jahren.

Autor: Martin Schrader, Annamaria Sigrist
Redaktion: Herbert Peckmann
Zeichnung von vier Menschen im Gerichtssaal (Foto: ap)
Diese Zeichnung der mutmaßlichen Spione wurde in einem New Yorker Gericht gemacht

Montag, 28. Juni 2010

Afghanen verschieben Hilfsmilliarden ins Ausland

Korruption und Geldwäsche in Afghanistan haben wesentlich größere Ausmaße als bisher angenommen. US-Zeitungsberichten zufolge fließen täglich zehn Millionen Dollar ins Ausland - häufig in Kisten per Flugzeug. Ein Teil des Geldes stammt möglicherweise aus westlichen Hilfsprojekten.

 Flughafen Kabul: Laut US-Ermittlern werden Kisten voller Bargeld ausgeflogen

Flughafen Kabul: Laut US-Ermittlern werden Kisten voller Bargeld ausgeflogen

Kabul/Washington - Afghanistan gilt schon lange als eines der korruptesten Länder der Welt. Doch die Zahlen, die US-Zeitungen an diesem Montag präsentieren, sind überraschend. Dem "Wall Street Journal" zufolge wurden in den vergangenen Jahren mehr als drei Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro) außer Landes gebracht.

Ein US-Ermittler sagte der Zeitung, ein Teil des Geldes stamme vermutlich aus Hilfs- und Wiederaufbauprojekten, die der Westen finanziert. "Es ist nicht so, dass das Geld hier auf den Bäumen wächst - bei einem Großteil handelt es sich wohl um unsere gestohlenen Steuer-Dollar. Und um Drogengeld natürlich", sagte er. Jedes Jahr wird aus Kabul mehr Geld ausgeflogen, als die afghanische Regierung im ganzen Land an Steuern und Zollabgaben einnimmt. Unter den Verdächtigen sind laut "Wall Street Journal" viele prominente Afghanen, unter anderem Mahmud Karzai, ein Bruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, und Vizepräsident Mohammed Fahim.

Das Geld wird den Erkenntnissen zufolge in bar aus dem Land gebracht - in Kisten, sagte ein ranghoher US-Beamter der Zeitung. "Sie haben Kisten im hinteren Stauraum von Flugzeugen. Sie haben Kerle, die im wahrsten Sinne des Wortes Kisten mit Bargeld an Bord der Flugzeuge bringen", sagte der Regierungsvertreter. Der afghanische Zoll schaut zu, denn die Ausfuhr ist legal, solange der Transfer ordentlich deklariert wird. Zielort ist häufig Dubai, wo wohlsituierte Afghanen Villen besitzen.

Der Transfer wird den Ermittlern zufolge von sogenannten Hawala-Unternehmen organisiert. Hawala kommt aus dem Arabischen und bezeichnet ein Überweisungsystem, das seinen Ursprung im frühmittelalterlichen Handelswesen des Nahen und Mittleren Ostens hatte. Meistens werden lediglich das afghanische Hawala-Unternehmen, das das Geld angenommen hat, und der ausländische Empfänger in den Papieren aufgeführt. Die Schwierigkeit für die Ermittler: Sie können häufig nicht einmal feststellen, wer der Absender des abtransportierten Geldes ist. Über die Hawalas werden laut "Wall Street Journal" 80 bis 90 Prozent der Geldtransfers ins Ausland abgewickelt.

"Washington Post": Beamte behindern Korruptionsermittler
Die ungezügelte Korruption und die mutmaßliche Verwicklung hoher Beamter in den Opiumhandel tragen dazu bei, dass die afghanische Bevölkerung ihr Vertrauen in die Regierung weiter verliert - was den radikalislamischen Taliban Zulauf verschafft. Verschärfend wirkt da noch, was die "Washington Post" an diesem Montag berichtet. Demnach sind nicht nur einflussreiche Leute in die kriminellen Machenschaften verwickelt, sondern sie haben auch noch hohe afghanische Regierungsbeamte auf ihrer Seite, die Korruptionsermittlungen verhindern.

Unter Berufung auf US-Regierungsvertreter schreibt die Zeitung, afghanische Strafverfolger und Ermittler ordneten routinemäßig an, namhafte Afghanen gegen Korruptionsermittlungen zu schützen - indem sie ihre Namen aus Untersuchungsakten streichen.

"Ab einer bestimmten Ebene sind die Menschen sehr gut geschützt", wird ein hochrangiger US-Beamter in der Zeitung zitiert. Unter Angehörigen der Eliten sei es üblich, sich gegenseitig zu decken und Ermittlungen zu unterbinden, wie im Falle eines ungenannten größeren Finanzunternehmens, das im Verdacht steht, für afghanische Funktionsträger Millionen Dollar nach Übersee geschafft zu haben.

CIA räumt Probleme beim Afghanistan-Einsatz ein
Für die US-Regierung ist es von entscheidender Bedeutung, die Korruption in Afghanistan in den Griff zu bekommen. Wenn die US-Bürger Karzais Regierung als hoffnungslos bestechlich einschätzen, könnte die Unterstützung für den Krieg schnell kippen.

Korruption und Drogenhandel erschweren den internationalen Einsatz in dem Land deutlich. Leon Panetta, Chef des US-Geheimdienstes CIA, gab Probleme zu. Man sehe zwar Fortschritte, sagte er am Sonntag dem US-Fernsehsender ABC. Die Entwicklung gehe aber "schwieriger und langsamer voran, als alle vorausgesehen haben". Als Ursache nannte Panetta das afghanische Stammesprinzip. Korruption, Drogenhandel und der Taliban-Aufstand seien in dieser Gesellschaftsform begründet. Die entscheidende Frage laute, ob die Afghanen Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen wollten.

Die Taliban seien derzeit besonders gewalttätig und begingen mehr Bombenanschläge gegen die internationalen Truppen, sagte Panetta. Der diesjährige Juni war der tödlichste Monat für sie in Afghanistan seit dem US-geführten Einmarsch Ende 2001. Fast hundert Soldaten wurden getötet.

Panetta hob allerdings auch Erfolge hervor. Das Terrornetzwerk al-Qaida, dessen Bekämpfung ein zentrales Ziel des US-Einsatzes in Afghanistan sei, sei derzeit so schwach wie wohl nie zuvor. In Afghanistan gebe es nur noch 50 bis 100 Qaida-Mitglieder, vielleicht auch weniger.

Wer so alles gegen Synagogen in Deutschland aktiv ist…

Die alte, 1938 von den Nazis zerstörte Synagoge in Herford

Wir müssen reden.

Über Nazis.

Von Jan Jetter

Reichspogromnacht 9. November 1938: auch in Herford wird die Synagoge von Nationalsozialisten und entfesseltem antisemitischen Mob zerstört, jüdische Menschen gejagt und angegriffen.  Die Synagoge brennt unter den Augen von Feuerwehr und Bevölkerung bis auf die Grundmauern aus, die Jüdische Gemeinde wird gezwungen, die Reste der Synagoge auf eigene Kosten abzureißen.

72 Jahre später wird für die kleine, aber wachsende jüdische Gemeinde am gleichen Ort wie das alte Gotteshaus eine neue Synagoge erbaut. Über einen Zuschuss zum Bau – u.a. wegen der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen wie schusssicheres Glas – wurde im Stadtrat vor zehn Tagen abgestimmt. Es gibt neben einer Enthaltung lediglich eine Gegenstimme: es ist nicht die neonazistische NPD, die dort zum Glück nicht im Stadtrat sitzt. Nein, es ist die Vertreterin der Partei “Die Linke”, Erika Zematitis, die als Einzige gegen den Zuschuss stimmt.

Wie das antifaschistische Rechercheportal redok weiter berichtet, hat  Zemaitis offensichtlich grundsätzlich kein Problem mit Räumen für Religionsgemeinschaften. So setzte sie sich vor wenigen Wochen für Räumlichkeiten für die Jesidische Gemeinde, eine  kurdische Religionsgemeinschaft, ein: “Es darf nicht sein, dass Menschen sich in unserer Stadt nicht versammeln können, um ihren kulturellen oder religiösen Interessen nachzugehen. Diese Menschen leben und arbeiten hier unter uns und müssen einen geeigneten Treffpunkt haben”, hatte demnach Zemaitis in einer Presseerklärung Anfang April betont. Darin wird der Herforder Bürgermeister  nachdrücklich aufgefordert, zu seinem Wort zu stehen und die “zugesagte Hilfe nun in die Tat umzusetzen”. Bei der Jüdischen Gemeinde sieht die Linken-Abgeordnete diesen Bedarf offensichtlich nicht, hat jedoch bis heute noch keinerlei Begründung für die skandalöse Gegenstimme geäußert, wie redok weiter schreibt:

Keine Antwort auch eine Antwort?

Anfragen nach dem Grund der Linke-Ablehnung für die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde, die an den Linke-Kreisverband und an die Stadtratsabgeordnete Zemaitis selbst gestellt wurden, blieben ohne Antwort. Sprecherin des Linke-Kreisverbands Herford ist die Bundestagsabgeordnete Inge Höger, die erst vor kurzem durch ihre Beteiligung an dem Versuch bekannt geworden war, die israelische Blockade vor Gaza mit einem Schiffskonvoi zu brechen. Somit drängt sich der unschöne Verdacht auf, das Abstimmungsverhalten der Herforder Stadtrats-Abgeordneten gegen die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde liege mit dem anti-israelischen Aktivismus von Höger auf einer Linie.

Die Bundestagsabgeordnete Höger, die ein Jahr lang stellvertretende Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion gewesen war, wusste immerhin, dass das Nicht-Beantworten einer Anfrage kontraproduktiv wirken kann. Eine weitere Anfrage an Höger persönlich wurde dann auch mit einer Antwort beschieden. Eine Auskunft über die Gründe der Ablehnung im Stadtrat konnte oder wollte sie in ihrer Email-Antwort an redok freilich auch nicht geben. Zu der Gegenstimme ihrer Parteifreundin gab sie nur zu Protokoll: “Kreisverband und Stadtverband der LINKE in Herford vertreten eine deutlich andere Position.” Ihre Partei und auch sie als Bundestagsabgeordnete “begrüßen sehr den Wiederaufbau der Synagoge”, so das knappe Höger-Statement.

Unter den Teppich

Damit bleibt die Ablehnung der Linke-Ratsfrau für die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde ohne Erklärung. Als energische Distanzierung wirkt die pluralistisch klingende Bezeichnung als “deutlich andere Position” nicht gerade. Keine Rede war auch von nötigen innerparteilichen Diskussionen oder gar Maßnahmen in Bezug auf die Gegenstimme der Linke-Ratsfrau. Es bleibt der Anschein, dass das Stadtrats-Votum gegen die Jüdische Gemeinde unter den Teppich gekehrt werden soll.

Misstrauen gegenüber dem schmallippigen Höger-Statement kommt ebenfalls auf, wenn man ihre Beteiligung an anti-israelischen Aktionen und Demonstrationen in Betracht zieht. Im November 2008 war sie selbst durch ein Abstimmungsverhalten aufgefallen, als anlässlich des 70. Jahrestages des antisemitischen Pogroms (“Reichskristallnacht”) im Bundestag eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen werden sollte. Höger gehörte zu den elf Linke-Abgeordneten, die ihre Zustimmung zu der Resolution verweigerten , obwohl die Resolution auch von der eigenen Fraktionsführung eingebracht worden war.

Nach dem Ende der Gaza-Blockadebrecher-Aktion hatte sie am 1. Juni in Berlin an einer Pressekonferenz im Bundestag teilgenommen, wo die Abschiebung der Aktivisten aus Israel als “Deportation” bezeichnet wurde. Über ihre Zeit auf dem Fährschiff Mavi Marmara (“Wir haben uns wie im Krieg gefühlt”) wusste sie bei der Pressekonferenz zu berichten:
“Da es eins von IHH, einer türkischen Organisation, organisiert war, gab es halt ein Männerdeck und ein Frauendeck. Und wir Frauen sind relativ schnell in der Nacht eingeschlossen worden. Wir konnten nicht mehr raus. Wir konnten nicht, wir wußten nicht, was da los ist, wir waren eingeschlossen. Wir haben uns die Schwimmwesten umgemacht, weil wir, äh, auf alles vorbereitet sein wollten.”
Am 4. Juni trat Höger bei einer Demonstration auf, die von Kreis- und Stadtverband der “Linken” in Herford organisiert und beworben worden war. Dabei wurden nach Angaben von Beobachtern zahlreiche Fahnen der Terror-Organisationen Hizbollah und Hamas geschwenkt.

Möglicherweise hat bei der dünnen Distanzierung von der Stadtrats-Gegenstimme auch eine Rücksichtnahme auf solche Bündnispartner eine Rolle gespielt.  Zumindest wird das linke “Frauendeck” in Herford in der Nacht derzeit noch nicht eingeschlossen.

Dass Nazis immer wieder gegen Synagogen und jüdische Gemeinden hetzen, macht schon wütend genug und sollte immer wieder mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden.

Dass sich nun aber auch die Partei “Die Linke” einmal mehr von einer unerträglich antisemitischen Seite zeigt, macht umso wütender, da hierdurch berechtigte emanzipatorische Ansätze und Positionen dieser Partei immer wieder diskreditiert werden. Es wird allerhöchste  Zeit, dass sich “Die Linke” ernsthaft mit ihrem eigenen Antisemitismus auseinandersetzt, der oftmals als mühsam kaschierte Israelkritik daher kommt, sich im Kern dann doch als üblicher Antisemitismus entpuppt. Sie muss diesen erkennen, benennen und sich auch von Protagonisten dieser Form von modernem  Antisemitismus trennen. Dann kann es auch nicht zu einer plumpen Ablehnung eines Zuschusses zu einer Synagoge kommen, die genau an dem Ort gebaut wurde, an dem die Nazis sie 1938 zerstörten.

Emanzipatorische Politik und Antisemitismus gehen nun mal nicht zusammen.

Polizei-Razzia bei Bischöfen


Aufregung über Verurteilung des Papstes

In Belgien sorgt die Razzia gegen die Bischofskonferenz in Brüssel am vergangenen Donnerstag weiter für Wirbel. Der Grund: Der Papst persönlich hat die Hausdurchsuchung verurteilt, im Vatikan zieht gar Vergleiche mit dem Kommunismus.

Mittagsjournal, 28.06.2010

Papst interveniert
Die Öffentlichkeit kann es kaum fassen. Nicht nur aggressive flämische Nationalisten attackieren den belgischen Staat, sondern auch der Heilige Vater in Rom. Der Papst hat gestern höchstpersönlich eine Razzia der belgischen Polizei am Sitz der Bischofskonferenz in Brüssel als beklagenswert und verwunderlich kritisiert. Kardinalstaatssekretär Bertone verglich die Hausdurchsuchung vergangene Woche mit kirchenfeindlichen Exzessen im Kommunismus, der Außenminister des Vatikan bestellte den belgischen Botschafter zu sich.

Razzia bei Bischöfen

Im katholischen Belgien hat diese ungewöhnlich scharfe Reaktion Roms großes Erstaunen ausgelöst, legt sich der Vatikan doch auf diese Weise mit der unabhängigen Justiz eines souveränen Staates an.

Der zuständige Untersuchungsrichter sagt, er ist auf der Suche nach geheimen Dossiers über pädophile Priester, die der Justiz möglicherweise vorenthalten wurden. Dutzende Polizisten haben am vergangenen Donnerstag das erzbischöfliche Palais in Brüssel just in dem Augenblick durchsucht, als die belgische Bischöfe bei ihrer monatlichen Sitzung waren. Die Polizei beschlagnahmte Handys, Laptops, Kalender und Notizblöcke der im erzbischöflichen Palais versammelten geistlichen Würdenträger. Auch der Computer des kürzlich zurückgetretenen Kardinals Gottfried Danneels wurde abtransportiert. Weil die 55 Computer der Erzdiözese jetzt in den Händen der Kriminalpolizei sind, müssen die Angestellten auf ihr Juligehalt warten.

Auch Gräber geöffnet

Sogar in der Krypta der Kathedrale suchten die Beamten nach Beweismaterial. Die Gräber zweiter früherer Kardinäle wurden aufgebohrt, weil der Untersuchungsrichter vermutete, dass dort geheime kirchliche Dossiers über pädophile Priester versteckt wurden, die man der Justiz vorenthalten wollte.

Tatsächlich findet sich unter Punkt fünf der bischöflichen Tagesordnung die Frage, ob "alte Dossiers über pädophile Priester, überhaupt an die zuständige kirchliche Kommission weitergeleitet werden sollen".

Was wusste die Kirche?

Neun Stunden wurden die Bischöfe während der Hausdurchsuchung festgehalten, mit dabei der vatikanische Nuntius. Die belgischen Justizbehörden wehren sich gegen den Vorwurf, dass es dabei unnötig hart zugegangen sein soll und die festgesetzten Bischöfe zum Beispiel nichts zu essen bekommen hätten, wie der Vatikan behauptet. Es gab Hendl, Tomaten und Wein, heißt es aus dem Justizpalast in Brüssel.

Erst vergangenen April ist der Bischof von Brügge zurückgetreten, weil er Kind sexuell missbraucht hat. Eine von der belgischen Bischofskonferenz eingerichtete Kommission hat 450 Akten über andere Missbrauchsfälle angelegt.

Der zuständige Untersuchungsrichter will klären, ob die Kirche über Vorwürfe gegen Priester Bescheid wusste, ihre Erkenntnisse aber geheim gehalten hat.

Geheimhaltung war erwünscht

Die katholische Kirche hat offensichtlich geglaubt, dass sie das Privileg haben wird, ihre schmutzige Wäsche ausschließlich intern zu waschen, liest man in der belgischen Tageszeitung Le Soir. Untersuchungsrichter Wim De Troy erinnert mit seinem Vorgehen daran, dass niemand über dem Recht steht.

Ein Streifzug durch die Popmusikkultur Südafrikas



Jenseits der Vuvuzela


Wir haben etwas Cherrypicking betrieben und präsentieren euch zur Fussball-Weltmeisterschaft ein paar südafrikanische Bands und Musiker jenseits der in den Fussballstadien anzutreffenden Vuvuzela. Mit dabei: die Indie-Hymne zur Weltmeisterschaft.

In einem Land, das man aufgrund seiner Multikulturalität als Regenbogennation bezeichnet, ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, sich über alle massgebenden musikalischen Subkulturen ein Bild zu machen. Elf Landessprachen und noch viel mehr ethnische Hintergründe führen zu einer völlig heterogenen kulturellen Szene.


Versuchen wir es trotzdem und schauen zuerst einmal etwas zurück: Aufbauend auf Rock ’n’ Roll und Swing ist in den 1950ern die Kwelamusik entstanden, die später in den Cape Jazz mündete. Viele schwarze Künstler, die während der Apartheid in Afrikaans oder Englisch sangen, singen heute in ihren traditionellen afrikanischen Sprachen.
Bekanntestes Beispiel von Kwela ist “Pata Pata” von der 2008 verstorbenen Miriam Makeba.

In den 80er Jahren, als sich das Ende des Apartheids-Regimes anbahnte, entwickelte sich ein spezieller südafrikanischer Musikstil, Kwaito genannt. Bekannte Vertreter dieser Musikrichtung sind beispielsweise Brenda Fassie, die mit ihrem Song “Weekend Special” sogar die britischen Charts erreichte, Lasst euch nicht durch den Disco-Einschlag von Brenda Fassie täuschen. Die Frau ist ein Bad Girl und gilt auch in den rauhen Townships als Queen of Kwaito. Die Neunzigerjahre, so sagt man, verbrachte sie mehrheitlich in einem Kokain-Rausch.

Kwaito
Kwaito ist bei den afro-amerikanischen Jugendlichen auch heute noch der Renner schlechthin.
YFM, der unter Teenagern beliebteste Radiosender Johannesburgs, sorgt seit 1997 für eine massenwirksame Verbreitung. Der Chef des Senders erklärt: “Spätestens seit 2002 ist dieser Musikstil fest etabliert, ist Kwaito eine Art weltliche Religion geworden”. Das Genre basiert auf verlangsamten House-Beats und -Akkorden, dazu kommt meist ein Sprechgesang in Zulu, Sotho, Tsotsitaal (bzw. Camtho) oder anderen Sprachen. Mit ein Grund, warum die Weissen in der Szene nur schwer Fuss fassen, da sie meistens nur Afrikaans oder Englisch sprechen. Doch im Zuge der sich vermischenden Sprachgrenzen zwischen Schwarz und Weiss, vermischen sich auch die klaren Trennungen. Seit der Jahrtausendwende sprechen mehr Farbige Afrikaans als Weisse. Lekgoa ist ein Beispiel dafür, er ist einer der wenigen weissen Kwaito-Stars.
Die in den Townships entstandene Mischung aus Hip-Hop, House, Township-Jive der Achtziger und vielen eigenen Ideen wurde von den Major-Plattenfirmen lange links liegen gelassen. Die Musiker verkauften ihre Kassetten daher aus den Kofferräumen ihrer Autos. Mittlerweile ist Kwaito längst im Mainstream angelangt. Kwaito-Acts wie Arthur Mafokate und Mdu Masilela verkaufen mittlerweile über 100’000 Platten, was in Südafrika vierfachem Goldstatus entspricht.
Der Pionier von Kwaito heisst Zola. Er ist quasi der 50cent von Kwaito und wurde 2002 an den südafrikanischen Music Awards spartenübergreifend zum besten Künstler des Landes gekürt. Als einer der ersten Rapper gründete er eine eigene Kleidungskollektion. Er hat eine Show namens “Zola 7” im staatlichen Fernsehen, die jede Woche fünf Millionen Zuschauer erreicht. Er erfüllt darin Anrufern ihre Wünsche. Ein Zuschauer wünschte sich, seinen Grossvater, begraben auf einer weissen Farm, umzubetten, doch der Farmbesitzer weigerte sich, mit rassistischen Argumenten. Zola nahm den Fall in seine Sendung. Vor fünf Jahren schrieb er den Soundtrack zum oscarprämierten Spielfilm „Tsotsi” und spielte darin, wie zuvor im Film „Drum”, seine Lebensrolle: einen Gangsta-Rapper.

African Cochie Pop
Von Kwaito muss man lediglich zwei Genre-Schritte weiter gehen und kommt bei African Cochie Pop an. So bezeichnet
Sweat.X seine Mischung aus Kwaito, Funk und Electro, die in einer besonderen Art von New Rave gipfelt. Die Outfits sind dementsprechend bunt. Kopf vom Projekt Sweat.X ist Spoek Methambo. Er gilt als südafrikanischer Poster-Boy, ist DJ, Produzent, Illustrator und Stilikone unter einem Hut. Sweat.X spielt Mitte Juli auf dem Melt!-Festival. Seine neue EP “Saviour and Messiah” kann man gratis herunterladen (Download-Link “Saviour and Messiah”).

Afrikaans HipHop
Ein weiterer Trend in der südafrikanischen Musikszene neben Kwaito ist Afrikaans HipHop. Aushängeschild ist ohne Zweifel Die Antwoord, die Anfang Jahr als Internet-Hype begonnen haben (78s-Artikel) und mittlerweile Superstars sind. Die Gruppe bezeichnet ihre Musik als “Zef”. Das bedeutet in Afrikaans „Hinterwäldler“ oder „Prolet“. Zef ist laut Band auch die unbeschreibbare Mischung aus den verschiedensten südafrikanischen Kulturen, welche sie in ihrer Musik vereint. Im Stile amerikanischer Gangsterraps wird hier unter anderem vom Aus- und Aufstieg aus den sozialen Brennpunkten der südafrikanischen Vororte erzählt („Rich Bitch“).

Ein weiterer Exponent der Afrikaans HipHop-Welle ist Jack Parow. Neben HipHop-Acts haben nach der Jahrtausendwende aber auch Rock- oder Punkbands wieder vermehrt auf Afrikaans zu singen begonnen. Eine Gegenbewegung, denn die Sprache der weissen Besatzer war nach dem Ende des Apartheitsregimes in Verruf. In ihren Songs schimpfen die Jungs auf die Buren-Kirche und die politischen Zustände in Südafrika. Dementsprechend war auch die Aufruhr gross. Fokofpolisiekar gelten als Wegbereiter für andere Bands, die ausschliesslich auf Afrikaans singen, wie zum Beispiel Die Antwoord und Jack Parow. Alle drei Bands – Die Antwoord, Jack Parow und Fokofpolisiekar – vereint, findet man auf folgendem Song:

Die Antwoord – Doos Dronk feat. Jack Parow and Fokofpolisiekar

Fokofpolisiekar – Antibiotika

Südafrikanischer Indie
Wir wären nicht 78s.ch, wenn wir euch nicht ein paar heisse Indie-Acts empfehlen würden. Die Indie-Szene in Südafrika ist vital und nicht zu unterschätzen. Desmond and The Tutus, Jax Panik, Kidofdoom und BLK JKS sind vier Beispiele für hervorragenden südafrikanischen Indie-Pop/Rock. Im Falle der BLK JKSs mit vielen Anleihen an traditionellem afrikanischen Musikschaffen. Die BLK JKS repräsentieren dabei die Gegensätze ihres Heimatlandes. Zwei von ihnen kommen aus dem berühmten Township Soweto, zwei sind im wohlhabenden Johannesburger Vorort Spruitview aufgewachsen. Im vergangenen Jahr ist ihr Debüt-Album “After Robots” auf Secretly Canadian erschienen und neu steht ihre EP “Zol” in den Regalen. “Zol” ist d-i-e Indie-Hymne zur Fussball-Weltmeisterschaft.
BLK JKS – Zol
Desmond and The Tutus – Kiss You On The Cheek
Desmond and The Tutus – Peter
Kidofdoom – Minor Disagreements
Jax Panik – Taking To Myself
Dear Reader – Dearheart


 
Weitere Artikel zum Thema:Schon Brahms und Ravel liebten die Vuvuzela
und die Gruppe Ladysmith Black Mambazo, die durch den US-amerikanischen Musiker Paul Simon bekannt wurde.

Todsünde in Blatters Reich

Aus Johannesburg berichtet Daniel Theweleit

Fußball grotesk: Ein Argentinier köpft ein Abseitstor, auf Stadionleinwänden ist alles zu sehen - und die Schiedsrichter beharren auf der Fehlentscheidung. Was in der 26. Minute im Spiel gegen Mexiko passiert ist, dürfte als Skandal in die Sportgeschichte eingehen. Und die Fifa wird ihn ignorieren.

 Entrüstete Mexikaner, Schiedsrichter Rosetti: "Das war die Schlüsselszene"
Natürlich feierten die Argentinier eine lustige Umarmungsorgie nach ihrem 3:1-Sieg gegen Mexiko, und auch auf den Rängen jubelten ein paar Leute mit. Doch wirklich ausgelassen war die Party nach dem Viertelfinaleinzug nicht.

Viele im Stadion fühlten sich um ein faires Spiel betrogen - von den Schiedsrichtern. Die Mexikaner beklagen einen Skandal, der noch größer ist als das Anti-Wembley-Tor im Spiel England-Deutschland. Dieses Achtelfinale, von den Unparteiischen zerstört, wird in die Geschichte eingehen.

Von vorn. Es ist die 26. Minute der Partie. Carlos Tévez macht einen Kopfball, trifft das Tor, die Schiedsrichter geben das 1:0. Aufregung im Stadion. Schon mit bloßem Auge haben die meisten hier gesehen, dass Stürmer Tévez klar im Abseits stand. So etwas kommt vor.

Dann aber der eigentliche Skandal: Den Schiedsrichtern wird ihr Fehler vorgeführt, und sie tun nichts dagegen.


Denn die Stadionregie lässt Sekunden nach dem Tor eine Aufzeichnung über die Anzeigetafel in der Arena flimmern. Sie dokumentiert das Abseitstor - und damit die Fehlentscheidung. Tumulte brechen aus. Alle Spieler, die 84.000 Zuschauer und natürlich auch die Schiedsrichter wissen nun sicher, dass das Tor irregulär war.


Theoretisch wäre es jetzt für die Unparteiischen kein Problem, ihre Entscheidung zu korrigieren. Das Gespann um den Italiener Roberto Rosetti könnte dieses Achtelfinale retten. Wahrscheinlich würde es von irgendeiner Organisation auch einen Fair-Play-Preis erhalten.

Doch die Männer tun nicht das, was der Zorn der Gerechten im Stadion verlangt. Sie lassen weiterspielen, als wäre nichts gewesen.

Wieso?

"Dieser Treffer hat uns umgebracht"
Im Herrschaftsbereich der Fifa wäre die Karriere der Schiedsrichter zu Ende gewesen, wenn sie das Tor kassiert hätten. Denn der Fußball-Weltverband untersagt es den Herren streng, Entscheidungen aufgrund von Fernsehbildern zu treffen. Eine Todsünde ist das im Reich des Sepp Blatter.

An prominenter Stelle der Fifa-Homepage steht seit Wochen ein Text, in dem sich der Verband vehement gegen jede Form technischer Schiedsrichterunterstützung wendet. Von einer "menschlichen Dimension" ist dort die Rede, die es zu bewahren gelte. "Die Fans lieben es, über das Spielgeschehen zu diskutieren, das macht den menschlichen Charakter unseres Sports aus."

Für die Mexikaner muss das jetzt klingen wie blanker Hohn, wie auch für die Engländer - wobei die Ereignisse rund um den argentinischen Treffer am Abend die Schande vom Nachmittag noch übertrafen, als den Engländern ihr klares Tor gegen Deutschland verwehrt wurde. Verteidiger Carlos Salcido drückte es so aus: "Das war die Schlüsselszene. Dieser Treffer hat uns umgebracht."

Die Argentinier freuten sich natürlich trotzdem über ihren Sieg, wie sich auch die Deutschen über ihren gefreut hatten - und so kommt es nun, dass am Samstag im Viertelfinale die Profiteure zweier drastischer Schiedsrichterfehler aufeinandertreffen (16 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE).

Mexiko hätte es fast geschafft, Argentinien unter Druck zu bringen
In der Debatte über den umstrittenen Führungstreffer ging ein bisschen unter, was Joachim Löw aus dem Spiel Argentien-Mexiko folgern kann. Wie gut ist Diego Maradonas Messi-Mannschaft wirklich?

Zwar behauptete der argentinische Trainer, sein Team habe "ein großartiges Spiel gewonnen" und sei "90 Minuten lang überlegen" gewesen. Doch das war nur die halbe Wahrheit.

Zu Beginn zeigten die Mexikaner, dass man die argentinische Defensive mit einem schnellen Kombinationsspiel aushebeln kann. Auch Torhüter Sergio Romero könnte ein Schwachpunkt sein. Und die Viererkette ist anfällig für Fehler. Südkorea, Nigeria, und Griechenland spielten zu schwach, um all das aufzudecken. Mexiko schaffte es. Aber nur anfangs - denn nach der 26. Minute des Spiels war man "desorientiert" (Trainer Javier Aguirre).

Cesar Luis Menotti, Fußballweiser und argentinischer Weltmeister-Trainer von 1978, sagte dieser Tage, dass die Mannschaft bei dieser WM vor allem von "der Angst ihrer Gegner" profitiere. Zwar bewundert Menotti "das gerissene Angriffsspiel". Aber er beklagt, dass das "Kollektiv schwach" sei.

Das ganze Spiel der Argentinier ist auf den Wundersturm mit Lionel Messi, Gonzalo Higuaín und Carlos Tévez ausgerichtet. Für ihre Clubs haben sie in der vergangenen Saison allein in Ligaspielen insgesamt sagenhafte 83 Tore geschossen. Gegen Mexiko jedoch war Messi unspektakulär. Und bei der WM ist er noch ohne Treffer.

Trotzdem - diese Offensive war das Beste, was dieses Turnier bisher zu bieten hatte.

"Der praktische Sündenbock"


Englands Presse fordert Capellos Kopf

Nach dem Achtelfinal-Aus gerät Englands Trainer Capello unter Druck. Viele Zeitungen fordern seinen Rücktritt. Der will davon nichts wissen und schiebt die Schuld für die Niederlage auf die Schiedsrichter.

Einsam: Fabio Capello

Nach der schmachvollen 1:4-Niederlage gegen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft haben Teile von Englands Presse den sofortigen Abschied von Coach Fabio Capello gefordert. "Zeit zu gehen, Fabio", schrieb das mit knapp drei Millionen Exemplaren auflagenstärkste Boulevardblatt The Sun am Montag und wurde noch deutlicher: "Verzieh Dich, und nimm Deine Spieler mit." Auch der Mirror forderte den 64 Jahre alten Italiener unter der Überschrift "Fabi-Go" zum "Rücktritt in Schande" auf.

Nach der Schlappe gegen die glänzend aufspielende DFB-Elf hatte sich Capello zunächst ambivalent geäußert. Ein Rücktritt sei ausgeschlossen, aber er werde mit dem Vorsitzenden des englischen Fußballverbandes FA, Sir Dave Richards, ein Gespräch über die Zukunft führen. "Ich habe Zeit zu entscheiden", erklärte der Nationaltrainer.

Die FA hatte Capellos bis 2012 laufenden Vertrag noch kurz vor der Abreise nach Südafrika modifiziert und den italienischen Erfolgstrainer eine Ausstiegsklausel streichen lassen, die es ihm erlaubt hätte, sein Amt nach der WM niederzulegen.

Insgesamt ging Englands Presse am Tag nach dem WM-Aus mit den "Three Lions" hart ins Gericht. England habe "Fußball aus dem Mittelalter" gespielt, behauptete die Sun. "England wurde von einem geschmeidigeren, schnelleren, clevereren Deutschland an die Wand gespielt", urteilte die Times und wollte den Verweis auf "praktische Sündenböcke" mit dem uruguayischen Linienrichter als letztem in einer langen Linie nicht mehr geltenlassen. "Die Fehlschläge in Serie zwingen uns, genauer hinzusehen. Es liegt nicht an ihnen. Es liegt an uns."


Beim Schuss von Frank Lampard in der 38. Minute war der Ball von der Unterkante der Latte deutlich vor der Torlinie aufgekommen. "Das Spiel wäre nach dem 2:2 völlig anders verlaufen", hatte Fabio Capello nach dem Spiel gewettert. Die Schiedsrichter hatten das aber übersehen.

Hier ein paar weitere Auszüge aus den englischen Kommentaren:

The Guardian
"Echos von 1966: Aber für Englands goldene Generation ist alles aus - Einer der kontroversesten Momente in Englands Fußballgeschichte kehrte zurück, um die Nationalspieler der heutigen Generation zu verfolgen. England führt das Drama des Scheiterns wieder auf. Diese 44 Jahre ohne einen WM-Sieg sind wohl nur der Auftakt der Wartezeit."

The Independent
"Opfer einer grausamen Ungerechtigkeit, aber am Ende wurde England zu Recht geschlagen. Die gewitzteren Deutschen ließen England chronisch träge aussehen. Am Ende machte die Qualität des Augenlichts des Linienrichters den Unterschied aus, und Deutschlands überlegene Schnelle, in den Beinen wie im Kopf."

Daily Telegraph
"Lassen Sie sich nicht von Fabio Capellos Vernebelungsmanöver über Frank Lampards "Tor" in die Irre führen. Selbst wenn das außergewöhnliche Tor des Mittelfeldmannes gegolten hätte, was es hätte sollen, kann sich England nicht der brutalen Erkenntnis entziehen, dass Deutschland in allen Belangen überlegen war."

The Times
"England draußen, Capello gibt Schiedsrichter die Schuld, Englands alte Garde zeigt alle alten Schwächen - Irgendwo, unbeachtet im Gewirr grimmig dreinblickender England-Spieler und fröhlicher, junger Deutscher wäre der Sündenbock zu finden gewesen. Irgendwo im Bauch des Free State Stadium war der uruguayische Linienrichter ... In der Vergangenheit gab es immer praktische Sündenböcke, auf die sich englische Frustrationen richten konnten - Peter Bonetti, Diego Maradona, David Beckham, Phil Neville, Cristiano Ronaldo oder Urs Meier, der Schweizer Schiedsrichter -, aber die Fehlschläge in Serie zwingen uns, genauer hinzusehen. Es liegt nicht an ihnen. Es liegt an uns."

The Sun
"Zeit zu gehen, Fabio - Verzieh Dich, und nimm Deine Spieler mit. Deutschland reißt England in Stücke, Fans sauer auf "Müll"-Team. Manche Dinge ändern sich nie: Wieder eine WM, und wieder verabschiedet sich England früh, mit gesenktem Kopf und ruiniertem Ruf, nachdem es Fußball aus dem Mittelalter spielte."

The Mirror
"Fabi-Go: Capello sollte in Schande seinen Rücktritt einreichen. Three Lions? Wir waren eher wie drei Kätzchen."

Daily Mail
"Oh mein Gott - die Worte des Linienrichters, als er die Fernsehbilder sah. Es ist sinnlos, über Frank Lampards nicht gegebenes Tor zu weinen, die Anzeigentafel lügt nicht. Wäre es so sehr anders gelaufen, wenn es nach 38 Minuten 2:2 gestanden hätte? Hat jemand Rooney gesehen?"

Express
"Deutschland zerstört Englands WM-Träume - Nach 44 Jahren der Schmerzen und des schwelenden Ärgers nahm Deutschland Revanche. Heute trägt England alle Wunden davon. ... Dieses Mal überschritt der Ball klar die Linie, aber England blieb deutlich hinter den Anforderungen zurück."