Sonntag, 28. März 2010

Papst wehrt sich gegen "belangloses Geschwätz"

Papst Benedikt XVI.: Palmsonntagspredigt mit Seitenhieb auf Kritiker und MedienDie katholische Kirche kämpft mit Vertrauensverlust, weil Fälle sexuellen Missbrauchs vertuscht wurden. Eine persönliche Verwicklung hat der Papst am Sonntag indirekt als "belangloses Geschwätz" zurückgewiesen. Das Versagen der Kirche bei der Aufklärung belegen weitere Enthüllungen aus den USA.

Rom - Der Papst hat bei seiner Predigt am Palmsonntag an ihn gerichtete Kritik und Verdächtigungen zurückgewiesen. Sein Glaube gebe ihm die Kraft, sich nicht von Kritikern einschüchtern zu lassen, sagte er im Hinblick auf den Skandal um vertuschte Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Der 82-Jährige sprach zu Beginn der Karwoche vor Zehntausenden Menschen auf dem sonnigen Petersplatz in Rom.
Obwohl er nicht direkt auf den Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester zu sprechen kam, konnten Teile seiner Predigt durchaus als Antwort auf die momentane Krise in der Kirche gesehen werden. Papst Benedikt XVI. sagte, der Glaube an Jesus Christus gebe einem die Stärke, sich "nicht vom belanglosen Geschwätz der vorherrschenden Meinung einschüchtern zu lassen". Der Glaube führe zu Geduld, die den einzelnen und andere unterstütze. Er sprach außerdem davon, wie der Mensch manchmal "auf die niedrigsten, vulgärsten Ebenen" falle und "in den Sumpf von Sünde und Unehrlichkeit" sinke.

In einem auf portugiesisch vorgetragenen Gebet wurde Gott angerufen, jungen Menschen und denjenigen, die mit deren Erziehung und Schutz betraut sind, zu helfen. Wie Radio Vatikan berichtete, sollte dies die Haltung der Kirche in dieser schwierigen Zeit ausdrücken, in der sie mit "der Plage Pädophilie" konfrontiert sei.

Während in Europa und den USA immer neue Details zu Missbrauchsfällen bekannt werden, befindet sich der Vatikan in der Defensive. Kritische Berichte in den Medien wies die Kirche als "schmachvollen Versuch" zurück, Papst Benedikt und seinen engsten Berater "um jeden Preis" zu schaden. Am Samstag hatte der oberste Sprecher der Kirche jedoch eingeräumt, die Reaktion auf den Missbrauchsskandal sei entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Institution. Selbst jahrzehntealte Fällte müssten anerkannt und entschädigt werden.

Nach den Worten von Vatikansprecher Federico Lombardi zeigt der jüngste Hirtenbrief an die Katholiken in Irland den Aufklärungswillen des Papstes. Damit gebe Benedikt XVI. den Weg für "Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung" vor.

Neue Enthüllungen in den USA
Der Auftakt der Karwoche wird überschattet von neuen Enthüllungen über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. In den USA berichtete die "New York Times", dass gehörlose Jungen, die in den vergangenen Jahrzehnten von einem katholischen Priester missbraucht wurden, vergeblich bei kirchlichen und staatlichen Behörden der USA um Hilfe gebeten hätten. Katholische Laien in Deutschland forderten bei einem bundesweiten Treffen eine Neuausrichtung der katholischen Sexuallehre.

Die gehörlosen US-Missbrauchsopfer seien bei anderen Priestern, bei drei Bischöfen sowie bei Polizei und Staatsanwaltschaft vorstellig geworden, schrieb die "New York Times" am Samstag unter Berufung auf Dokumente und Aussagen Betroffener. Es gehe um bis zu 200 Opfer an einer Gehörlosenschule im Bundesstaat Wisconsin. Im Mittelpunkt steht den Angaben zufolge der inzwischen gestorbene Priester Lawrence Murphy, der von 1950 bis 1974 an der Schule gearbeitet hatte. 1996 habe der Erzbischof von Milwaukee, Rembert G. Weakland, den damaligen Chef der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger in zwei Briefen informiert. Ratzinger - heute Papst Benedikt XVI. - habe aber nicht geantwortet.

Zugleich wurde bekannt, dass demnächst auch Vertreter des Vatikans vor US-Gerichte geladen werden könnten. Bei Bundesgerichten in zwei Bundesstaaten liegen nach Angaben der "Washington Post" derzeit Missbrauchsklagen gegen den Kirchenstaat vor.

Diskussion über Zölibat
Die Initiative "Wir sind Kirche" fordert eine Neuausrichtung der katholischen Sexuallehre. Es müsse eine breite Diskussion über die Zölibatsverpflichtung geben. Sonst könne die "so lange vertuschte sexualisierte Gewalt innerhalb der römisch-katholischen Kirche" nicht überwunden werden, teilte die Reformbewegung zum Abschluss ihrer dreitägigen Bundesversammlung am Sonntag in Würzburg mit. Die Laienorganisation werde genau verfolgen, ob die von den deutschen Bischöfen und Orden angekündigten Beratungs-, Hilfs- und Präventionsmaßnahmen wirklich umfassend und zeitnah in Gang gebracht werden.

Neuer Fall in Osnabrück
Im katholischen Bistum Osnabrück wurde ein neuer Missbrauchsverdacht gegen einen Geistlichen bekannt. Ein Priester aus dem Emsland sei von seinen Ämtern entbunden worden, sagte ein Sprecher der Diözese. Der Geistliche habe am Freitag in einem Gespräch mit Bischof Franz-Josef Bode die Vorwürfe eingeräumt und sich der Staatsanwaltschaft gestellt. Es handele sich nicht um einen aktuellen Fall.

Niederlande kippt Verjährungsfrist
Wer in den Niederlanden Kinder sexuell missbraucht, soll dafür künftig bis an sein Lebensende strafrechtlich verfolgt werden können. Die Verjährungsfrist für solche Taten werde aufgehoben, kündigte Justizminister Ernst Hirsch Ballin im Fernsehen an. Für ein entsprechendes Gesetz gebe es eine klare Mehrheit im Parlament. In Deutschland könnte die Debatte über die Verjährung von Kindesmissbrauch durch die Neuregelung im Nachbarland neue Impulse bekommen.

Bislang beträgt die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch von Kindern in den Niederlanden 20 Jahre nach Volljährigkeit des Opfers. In der Bundesrepublik verjähren diese Taten nach dem 18. Geburtstag der Opfer; in besonders schweren Fällen 20 Jahre danach. Die niederländische Bischofskonferenz hat eine unabhängige Kommission zur Untersuchung aller Vorwürfe berufen. Bei der kirchlichen Hilfsorganisation "Hulp & Recht" (Hilfe und Recht) gingen bislang mehr als 1100 Hinweise ein.

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