Mittwoch, 2. Juni 2010

Zurücktreten mal anders: Satirische Köhler-Website

Eine satirische Horst-Köhler-Website wird zum Internetrenner – und verschwindet urplötzlich aus dem Netz.

VON Martin Kaul

Horst Köhler Consultung. Die seriös aussehende Satireseite sorgte für Diskussion.

Dass Horst Köhler einen beleidigten Abgang aus dem höchsten Amt des Staates gemacht hat, das ist offenbar. Aber kann ein angesäuertes Exstaatsoberhaupt so betroffen sein, dass auf seinen Amtsrücktritt ein spaßfreier Medienfeldzug folgt? Was am Tag darauf mit einer parodistischen Homepage passierte, lässt einen diese Frage stellen. Und die nach der Verfasstheit der Meinungsfreiheit im Netz.

Es ist die verstörende Geschichte einer charmanten Idee: Bereits wenige Stunden nach dem Rücktritt des Bundespräsidenten ging die auf den ersten Blick seriös wirkende Homepage horst-koehler-consulting.de online, auf der vermeintlich Horst Köhler selbst seine Beratungsdienste in der freien Wirtschaft anbot.

Auf der Seite fand sich neben dem Zitat zur Verbindung von Außenhandelspolitik und Afghanistankrieg, über das Köhler politisch gestolpert war, auch folgendes Beratungsangebot: "Mit Hilfe vielseitiger Kontakte in Politik und Wirtschaft ermutigen wir Sie, in die richtigen Bereiche zu investieren. Es geht um die Fortführung der Wirtschaft mit anderen Mitteln." Wer die Homepage besuchte, musste ihren satirischen Gehalt erkennen.

Innerhalb weniger Stunden fand die Seite massive Verbreitung im Netz, wurde laut Providerangaben bei Google zeitweise an erster Stelle gerankt und schaffte es angeblich auf bis zu 2.000 Zugriffe pro Sekunde. Noch viel besonderer: Nach nur zehn Stunden verschwand die Seite vollständig aus dem Internet. Weder unter ihrer URL noch im Google-Cache war sie zu finden.

Der Urheber der Website, der Student und Bewegungsaktivist Jean Peters, erfuhr vom Provider nicht, aus welchen rechtlichen Gründen sie nicht mehr zu finden war und wie sie selbst bei Google verschwinden konnte.

Das krisengeschüttelte Bundespräsidialamt reagierte auf Anfrage genervt. "Ich schließe aus, dass das Bundespräsidialamt oder Horst Köhler in Person auf die Sperrung der Homepage hingewirkt hat", sagte Sprecher Steffen Schulze der taz. In der Tat liegt die Frage nahe, weshalb Köhler oder auch nur einer seiner Anwälte am Folgetag seines Rücktritts nichts Besseres zu tun haben sollte, als einen witzigen Medienauftritt zu vereiteln.

Ob es von anderer staatlicher oder privater Seite ein Drängen darauf gab, die Seite gestern aktiv aus dem Cache zu entfernen, will Google nicht sagen. Auch der Provider wollte nicht mitteilen, ob das Ersuchen an den Provider zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Natur war. Wie die Seite gestern komplett aus dem Netz verschwinden konnte, darüber kann man also nur spekulieren.

Der Rostocker Spezialist für Internetrecht, Johannes Richard, sagt: "Es ist äußerst ungewöhnlich, dass eine erfolgreiche Website mit einem offenbar satirischen Inhalt sowohl vom Provider als auch aus dem Google-Cache spontan so spurlos verschwinden kann. Das hört sich danach an, als ob es hier ein Interesse von höchster Stelle gibt." Richard beobachtet, "dass die Meinungsfreiheit, die ja ein sehr hohes Gut ist, auch im Netz zunehmend mit Füßen getreten wird. Das Internet hat mittlerweile eine Funktion, die der klassischen Medien längst gleichkommt."

Peters, der auch eine Kolumne für die taz schreibt, hatte zuvor bereits unter dieter-lenzen.de mit dem Dieter-Lenzen-Fanclub ein satirisches Protestbündnis an der Freien Universität Berlin gegründet. Auf einem taz-Kongress Ende April hatte er über Strategien und Taktiken der Kommunikationsguerilla referiert.

Er erhielt nun vom Provider die Genehmigung, auf angeblich eigenes Risiko die Seite mit anderen Inhalten wieder online gehen zu lassen, und arbeitet derzeit mit anderen AktivistInnen und Anwälten daran, sie auch inhaltlich schnellstmöglich wieder bereitzustellen. Der taz sagte er: "Wenn ich in Deutschland Präsident gewesen wäre, hätte ich eine lebendige satirische Kultur doch als ein Zeichen ausgeprägter Demokratie empfunden. Ja ich würde meine Verunglimpfung als Respekt vor meinem Amt bezeichnen."

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