Angela Merkel muss rasch einen Kandidaten für Schloss Bellevue präsentieren. Ursula von der Leyen, Spitzname Röschen, wäre wohl eine gute Wahl als Präsidentin: Sie ist äußerst populär, hat das Plazet der Koalitionspartner - und könnte nebenbei die Opposition in ein Dilemma stürzen.
Berlin - Angela Merkel macht sich in diesen Tagen selber Mut. "Der Mensch wächst mit seinen Herausforderungen", sagt sie und lächelt dabei fast ein bisschen. Jetzt sei eben noch eine hinzugekommen. So ist sie, die Kanzlerin. Ihren wahren Gemütszustand kehrt sie selten nach außen, vielleicht gibt es ein paar entlarvende Wortgirlanden, die Mundwinkel ziehen sich noch ein bisschen weiter nach unten oder die Müdigkeit breitet sich sichtbar in ihrem Gesicht aus.
Ansonsten: Besonnenheit ist die oberste Kanzlerpflicht. Alles wird gut.
Diese Zuversicht im Unionslager zu verbreiten, ist derzeit nicht so einfach. Die Wut über den plötzlichen Abtritt von Bundespräsident Horst Köhler ist groß. Als ob es nicht schon genug zu bewältigen gäbe, vieles davon mit dem Wort Krise passend beschrieben: Finanzkrise, Euro-Krise, Haushaltskrise, Koalitionskrise - und jetzt auch noch eine Präsidentenkrise.
Die letzte ist die erste, die Angela Merkel jetzt lösen muss, und das möglichst souverän. Schnell muss es gehen, nicht nur weil die Frist bis zur Neuwahl kurz ist, sondern weil große Aufgaben anstehen, die die volle Kraft und Konzentration der Regierung erfordern. Gleichzeitig darf nicht der Eindruck einer überstürzten, verzweifelten Kandidatensuche entstehen. Bis Freitag, so ist zu hören, will man einen Bewerber präsentieren.
Geht das schief, verhaken sich die Koalitionspartner im Streit um einen künftigen Bundespräsidenten, wäre das ein fatales Signal für die Sparklausur am Wochenende, die CSU-Chef Horst Seehofer zur entscheidenden Wegmarke für die Zukunft der Koalition erklärt hat. Sie halte von "bestimmten Dramatisierungen" nichts, kommentierte Merkel den Einwurf. Doch sie weiß: Es sind die Wochen der Wahrheit, auch für sie.
Stärker aus der Krise hervorzugehen, dieses Ziel predigt die Kanzlerin seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise. Es gilt auch für das neue Staatsoberhaupt. Die Kanzlerin muss Führungsstärke beweisen, die Koalition rasch dazu bringen, sich geschlossen hinter einem Bewerber zu versammeln. Es muss ein Vorschlag sein, der sofort überzeugt, ein Name mit Aha-Effekt, eine Persönlichkeit mit Strahlkraft, die das Volk lieben kann wie Horst Köhler, die aber nicht wie er mit dem Berliner Politikbetrieb fremdelt.
Ein Gewinn für Bellevue - ein Verlust für das Kabinett
Ursula von der Leyen also? Auf die Arbeitsministerin fokussiert sich die Nachfolgedebatte in diesen Stunden, sie soll die Favoritin der Kanzlerin sein. Vom Anforderungsprofil her ist die 51-Jährige keine schlechte Wahl: Sie ist sehr beliebt, außer bei der Web-Community, die sie wegen ihres Gesetzes zu Internet-Sperren als "Zensursula" verspottete. Als siebenfache Mutter vermittelt sie familiäre Wärme. Und sie ist eine Vertraute der CDU-Chefin, ohne im Verdacht zu stehen, Merkel nach dem Mund zu reden.
Würde von der Leyen - Spitzname Röschen - neue Schlossherrin in Bellevue, bräuchte Merkel Ersatz im Arbeitsressort - zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode nach dem Rücktritt des früheren Ministers Franz Josef Jung. Das allein wäre kein Hindernis, aber gerade sie verlöre mit von der Leyen eines der populärsten Kabinettsmitglieder in einer ohnehin nicht allzu schillernden Ministerriege. Wer soll diesen Verlust aufwiegen? Jürgen Rüttgers? Ronald Pofalla? Wohl kaum.
Bei den Koalitionspartnern regt sich kein Widerstand gegen eine Nominierung von der Leyens - zur Beruhigung Merkels. Schließlich gab es in Unionskreisen durchaus Befürchtungen, die Arbeitsministerin könnte der FDP "zu sozialdemokratisch inspiriert" sein. Und Merkel weiß, dass man einen geschwächten Partner nicht noch zusätzlich reizen sollte, zumal mancher Beobachter den Rücktritt Köhlers schon als Menetekel für Schwarz-Gelb sieht. Nun aber legt auch die FDP vor allem Wert auf eine möglichst geräuschlose Kandidatenkür. "Wir können Handlungsfähigkeit nicht nur anhand der Person des Kandidaten, sondern auch in einem streitfreien Ablauf bis zur Wahl zeigen", heißt es in FDP-Kreisen.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte am Mittwoch: "Die CSU würde einen geeigneten Vorschlag der CDU unterstützen." Und der darf trotz aller früheren Vorbehalte gegen ihre moderne Familienpolitik auch Ursula von der Leyen sein. Die Personalie treffe auf "große Zustimmung", berichten Teilnehmer aus der Telefonkonferenz des CSU-Präsidiums.
Zwar haben Union und FDP in der Bundesversammlung, die am 30. Juni das neue Staatsoberhaupt wählt, eine satte Mehrheit. Die Kanzlerin sähe es aber auch gern, wenn der Kandidat der Koalition auch in der Opposition auf Zustimmung stöße. Die SPD ringt derzeit noch mit sich: Soll sie einen eigenen Vorschlag machen?
SPD fürchtet die Niederlage vor der Sommerpause
Die Personalie von der Leyen würde die Lage für die Sozialdemokraten jedenfalls nicht einfacher machen. Einerseits halten die Genossen die Arbeitsministerin für eine "klar parteipolitische Kandidatin und Symbol für Merkels Netzwerk", was in den Augen mancher Genossen eine Gegenkandidatur zwingend erforderlich machte. Doch das ist leichter gesagt als getan.
So dürfte es schwierig werden, jemanden zu finden, der sich freiwillig in ein wohl aussichtsloses Rennen begibt, aber trotzdem genügend Gewicht mitbringt - und nicht Gesine Schwan heißt. Zweitens ahnt man in der Parteispitze, dass eine Gegenkandidatur zur äußerst populären von der Leyen als kleinkariert empfunden werden könnte, steht sie doch wie niemand anders für die "schleichende Sozialdemokratisierung" der Union. Drittens wäre es grundsätzlich wenig attraktiv, mit einer Niederlage den Sommer zu beginnen.
Insgeheim hofft die SPD noch auf einen "überparteilichen" Vorschlag der Regierung oder jemanden vom Schlage der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die auch unter Sozialdemokraten angesehen ist. Dass SPD-Innenexperte Sebastian Edathy die Liberale am Mittwochmorgen ins Spiel brachte, wurde von der Fraktionsspitze allerdings als nicht besonders geschickt beurteilt. Die Personalie dürfte sich damit erledigt haben.
Auch nach Ansicht der Grünen wäre eine Koalitionskandidatin von der Leyen ein Signal dafür, dass es die Kanzlerin eben nicht ernst meint mit ihrer Ankündigung, eine Persönlichkeit mit allgemeiner Akzeptanz als Köhler-Nachfolger zu benennen. Einen solchen Vorschlag hätten die Grünen möglicherweise mitgetragen. "Umso konkreter würden wir uns andernfalls Gedanken über einen Gegenkandidaten machen, am besten gemeinsam mit der SPD", heißt es aus Grünen-Kreisen, vielleicht sogar in Abstimmung mit der Linken. Das sollte bestenfalls kein reiner Zählkandidat sein.
Wer das sein könnte, dazu will sich bei den Grünen allerdings noch niemand äußern. "Aber ein reiner SPD-Kandidat wäre für uns sicher nicht akzeptabel", ist aus dem Umfeld eines Spitzen-Grünen zu hören. Ein eigener grüner Kandidat, das scheint den meisten klar zu sein, macht keinen Sinn.
Nicht einmal einer wie Ex-Außenminister Joschka Fischer. Der ist zwar enorm populär und inzwischen bürgerlicher als viele im schwarz-gelben Lager - aber für viele bei Union und FDP eben immer noch ein Grüner.
Berlin - Angela Merkel macht sich in diesen Tagen selber Mut. "Der Mensch wächst mit seinen Herausforderungen", sagt sie und lächelt dabei fast ein bisschen. Jetzt sei eben noch eine hinzugekommen. So ist sie, die Kanzlerin. Ihren wahren Gemütszustand kehrt sie selten nach außen, vielleicht gibt es ein paar entlarvende Wortgirlanden, die Mundwinkel ziehen sich noch ein bisschen weiter nach unten oder die Müdigkeit breitet sich sichtbar in ihrem Gesicht aus.
Ansonsten: Besonnenheit ist die oberste Kanzlerpflicht. Alles wird gut.
Diese Zuversicht im Unionslager zu verbreiten, ist derzeit nicht so einfach. Die Wut über den plötzlichen Abtritt von Bundespräsident Horst Köhler ist groß. Als ob es nicht schon genug zu bewältigen gäbe, vieles davon mit dem Wort Krise passend beschrieben: Finanzkrise, Euro-Krise, Haushaltskrise, Koalitionskrise - und jetzt auch noch eine Präsidentenkrise.
Die letzte ist die erste, die Angela Merkel jetzt lösen muss, und das möglichst souverän. Schnell muss es gehen, nicht nur weil die Frist bis zur Neuwahl kurz ist, sondern weil große Aufgaben anstehen, die die volle Kraft und Konzentration der Regierung erfordern. Gleichzeitig darf nicht der Eindruck einer überstürzten, verzweifelten Kandidatensuche entstehen. Bis Freitag, so ist zu hören, will man einen Bewerber präsentieren.
Geht das schief, verhaken sich die Koalitionspartner im Streit um einen künftigen Bundespräsidenten, wäre das ein fatales Signal für die Sparklausur am Wochenende, die CSU-Chef Horst Seehofer zur entscheidenden Wegmarke für die Zukunft der Koalition erklärt hat. Sie halte von "bestimmten Dramatisierungen" nichts, kommentierte Merkel den Einwurf. Doch sie weiß: Es sind die Wochen der Wahrheit, auch für sie.
Stärker aus der Krise hervorzugehen, dieses Ziel predigt die Kanzlerin seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise. Es gilt auch für das neue Staatsoberhaupt. Die Kanzlerin muss Führungsstärke beweisen, die Koalition rasch dazu bringen, sich geschlossen hinter einem Bewerber zu versammeln. Es muss ein Vorschlag sein, der sofort überzeugt, ein Name mit Aha-Effekt, eine Persönlichkeit mit Strahlkraft, die das Volk lieben kann wie Horst Köhler, die aber nicht wie er mit dem Berliner Politikbetrieb fremdelt.
Ein Gewinn für Bellevue - ein Verlust für das Kabinett
Ursula von der Leyen also? Auf die Arbeitsministerin fokussiert sich die Nachfolgedebatte in diesen Stunden, sie soll die Favoritin der Kanzlerin sein. Vom Anforderungsprofil her ist die 51-Jährige keine schlechte Wahl: Sie ist sehr beliebt, außer bei der Web-Community, die sie wegen ihres Gesetzes zu Internet-Sperren als "Zensursula" verspottete. Als siebenfache Mutter vermittelt sie familiäre Wärme. Und sie ist eine Vertraute der CDU-Chefin, ohne im Verdacht zu stehen, Merkel nach dem Mund zu reden.
Würde von der Leyen - Spitzname Röschen - neue Schlossherrin in Bellevue, bräuchte Merkel Ersatz im Arbeitsressort - zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode nach dem Rücktritt des früheren Ministers Franz Josef Jung. Das allein wäre kein Hindernis, aber gerade sie verlöre mit von der Leyen eines der populärsten Kabinettsmitglieder in einer ohnehin nicht allzu schillernden Ministerriege. Wer soll diesen Verlust aufwiegen? Jürgen Rüttgers? Ronald Pofalla? Wohl kaum.
Bei den Koalitionspartnern regt sich kein Widerstand gegen eine Nominierung von der Leyens - zur Beruhigung Merkels. Schließlich gab es in Unionskreisen durchaus Befürchtungen, die Arbeitsministerin könnte der FDP "zu sozialdemokratisch inspiriert" sein. Und Merkel weiß, dass man einen geschwächten Partner nicht noch zusätzlich reizen sollte, zumal mancher Beobachter den Rücktritt Köhlers schon als Menetekel für Schwarz-Gelb sieht. Nun aber legt auch die FDP vor allem Wert auf eine möglichst geräuschlose Kandidatenkür. "Wir können Handlungsfähigkeit nicht nur anhand der Person des Kandidaten, sondern auch in einem streitfreien Ablauf bis zur Wahl zeigen", heißt es in FDP-Kreisen.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte am Mittwoch: "Die CSU würde einen geeigneten Vorschlag der CDU unterstützen." Und der darf trotz aller früheren Vorbehalte gegen ihre moderne Familienpolitik auch Ursula von der Leyen sein. Die Personalie treffe auf "große Zustimmung", berichten Teilnehmer aus der Telefonkonferenz des CSU-Präsidiums.
Zwar haben Union und FDP in der Bundesversammlung, die am 30. Juni das neue Staatsoberhaupt wählt, eine satte Mehrheit. Die Kanzlerin sähe es aber auch gern, wenn der Kandidat der Koalition auch in der Opposition auf Zustimmung stöße. Die SPD ringt derzeit noch mit sich: Soll sie einen eigenen Vorschlag machen?
SPD fürchtet die Niederlage vor der Sommerpause
Die Personalie von der Leyen würde die Lage für die Sozialdemokraten jedenfalls nicht einfacher machen. Einerseits halten die Genossen die Arbeitsministerin für eine "klar parteipolitische Kandidatin und Symbol für Merkels Netzwerk", was in den Augen mancher Genossen eine Gegenkandidatur zwingend erforderlich machte. Doch das ist leichter gesagt als getan.
So dürfte es schwierig werden, jemanden zu finden, der sich freiwillig in ein wohl aussichtsloses Rennen begibt, aber trotzdem genügend Gewicht mitbringt - und nicht Gesine Schwan heißt. Zweitens ahnt man in der Parteispitze, dass eine Gegenkandidatur zur äußerst populären von der Leyen als kleinkariert empfunden werden könnte, steht sie doch wie niemand anders für die "schleichende Sozialdemokratisierung" der Union. Drittens wäre es grundsätzlich wenig attraktiv, mit einer Niederlage den Sommer zu beginnen.
Insgeheim hofft die SPD noch auf einen "überparteilichen" Vorschlag der Regierung oder jemanden vom Schlage der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die auch unter Sozialdemokraten angesehen ist. Dass SPD-Innenexperte Sebastian Edathy die Liberale am Mittwochmorgen ins Spiel brachte, wurde von der Fraktionsspitze allerdings als nicht besonders geschickt beurteilt. Die Personalie dürfte sich damit erledigt haben.
Auch nach Ansicht der Grünen wäre eine Koalitionskandidatin von der Leyen ein Signal dafür, dass es die Kanzlerin eben nicht ernst meint mit ihrer Ankündigung, eine Persönlichkeit mit allgemeiner Akzeptanz als Köhler-Nachfolger zu benennen. Einen solchen Vorschlag hätten die Grünen möglicherweise mitgetragen. "Umso konkreter würden wir uns andernfalls Gedanken über einen Gegenkandidaten machen, am besten gemeinsam mit der SPD", heißt es aus Grünen-Kreisen, vielleicht sogar in Abstimmung mit der Linken. Das sollte bestenfalls kein reiner Zählkandidat sein.
Wer das sein könnte, dazu will sich bei den Grünen allerdings noch niemand äußern. "Aber ein reiner SPD-Kandidat wäre für uns sicher nicht akzeptabel", ist aus dem Umfeld eines Spitzen-Grünen zu hören. Ein eigener grüner Kandidat, das scheint den meisten klar zu sein, macht keinen Sinn.
Nicht einmal einer wie Ex-Außenminister Joschka Fischer. Der ist zwar enorm populär und inzwischen bürgerlicher als viele im schwarz-gelben Lager - aber für viele bei Union und FDP eben immer noch ein Grüner.
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