Donnerstag, 17. Juni 2010

Murksels Pannen-Maschinist: Pofalla


Sündenbock oder Hauptschuldiger? In der Koalition macht sich wegen des schwarz-gelben Dauerdesasters Unmut über Ronald Pofalla breit. Eigentlich sollte der Kanzleramtschef geräuschlos und effizient die Regierungsgeschäfte koordinieren - doch nun wird ihm Mobbing vorgeworfen.

Kanzlerin Merkel, Pofalla: Es läuft nicht rundBerlin - Ronald Pofalla redet sich in Rage. Weit lehnt er sich in seinem Sessel zu Dirk Niebel herüber, würde kein Tisch zwischen den beiden stehen, der CDU-Politiker könnte seinem Nebenmann von der FDP mit dem fuchtelnden Zeigefinger direkt ins Gesicht stechen. Es geht um die Finanzkrise, Worte und Satzfetzen fliegen über das Podium, "Populismus" - "Enteignung" - "Das lasse ich mir nicht bieten!" Nicht im Bild, aber deutlich zu hören ist SPD-Mann Hubertus Heil: "Bloß kein Schwarz-Gelb", feixt er dazwischen. "Das wird furchtbar!"

Hubertus Heil sollte recht behalten.

Die Szene wurde vor einem Jahr bei einer Gewerkschaftstagung in Berlin aufgenommen, sie ist im Videoportal YouTube dokumentiert. Rückblickend wirken die Bilder wie ein düsterer Vorbote für das Regierungsbündnis, das wenige Monate später Wirklichkeit werden sollte. Wie damals schon ist auch heute nichts von Harmonie zu spüren.

Schuld daran, so meinen manche in der Koalition, soll vor allem einer der Hauptdarsteller der schwarz-gelben Schreierei vom März 2009 sein: Pofalla, im Streit auf offener Bühne noch CDU-Generalsekretär, ist heute Chef des Bundeskanzleramts. Er sitzt an der zentralen Stelle der Macht. Es wäre sein Job, möglichst geräuschlos im Hintergrund die Fäden zu ziehen, die Arbeit zwischen Machtzentrale, Ministerien und Ministerpräsidenten zu koordinieren, der Kanzlerin den Rücken freizuhalten.

Die Realität sieht anders aus: Union und FDP verbindet allein der Streit, die Koalition ist in Umfragen im Sinkflug, Kanzlerin Angela Merkel so unbeliebt wie noch nie als Regierungschefin.

"Ein großer Fehler"
Naturgemäß trauen sich viele nur hinter vorgehaltener Hand zu lästern - dafür aber umso schärfer. "Pofallas Arroganz steht in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Management-Fähigkeit", ätzt ein Unionsmann. Der Merkel-Vertraute führe sich bisweilen auf wie ein Nebenkanzler, sei fachlich nicht in die Details eingearbeitet, dazu schwierig im persönlichen Umgang. Aus der Staatskanzlei eines unionsgeführten Bundeslandes heißt es: "Die Abläufe waren früher strukturierter." Ein CDU-Vorstand klagt: "Es war ein großer Fehler, Thomas de Maizière gehen zu lassen."

Pofallas Vorgänger an der Spitze des Kanzleramts hatte die Regierungsgeschäfte trotz der ungeliebten Großen Koalition mit der SPD weitgehend reibungsfrei organisiert - ruhig, gelassen und kompetent. Nach der Bundestagswahl aber wechselte de Maizière ins Innenministerium. Pofalla wollte gern das Arbeitsressort übernehmen, Merkel aber machte ihren langjährigen Getreuen zum "ChefBK".

Der aber agiert nun glücklos. Erinnerungen an Bodo Hombach werden wach, den Gerhard Schröder 1998 zum Bundesminister für besondere Aufgaben machte. Hombach wurde schnell zur Reizfigur auch in den eigenen Reihen, nach gut acht Monaten lobte ihn der SPD-Kanzler zur EU weg, als Balkan-Beauftragten.

"Er sollte lieber eine Runde Gespräche mehr als zu wenige führen"
Auch für Pofalla lief es von Anfang an nicht rund in der Schaltzentrale der Macht. Der Start von Schwarz-Gelb verlief sogar noch holpriger als der von Rot-Grün. Die von der Union regierten Bundesländer brachte der Kanzleramtsminister erst im letzten Moment dazu, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zuzustimmen, die Informationspolitik in der Kunduz-Affäre war chaotisch, vom Rumpelstart der Koalition war nach 100 Tagen die Rede.

Aus dem Rumpelstart ist längst Dauerzoff geworden. Von der Gesundheitsreform über die künftige Energiepolitik bis zu den Staatsfinanzen gibt es kein großes politisches Thema, das nicht für Ärger sorgt. Pofalla schafft es einfach nicht, möglichem Streit schon im Vorfeld hinter den Kulissen vorzubeugen. "Er wäre gut beraten, wenn er Dinge, die er glaubt, bereits abschließend besprochen zu haben, nicht abhakt", heißt es in Koalitionskreisen. "Er sollte lieber eine Runde Gespräche mehr als zu wenige führen."

Zoff mit Guttenberg
Dazu kommt, dass Pofalla anderen Ministern in herzlicher Abneigung verbunden ist, was dem Klima im Kabinett nicht unbedingt zuträglich ist. Mit Umweltminister Norbert Röttgen stritt er öffentlich über die Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke. Mit Karl-Theodor zu Guttenberg geriet er jüngst während der Sparklausur aneinander, im Zusammenhang mit einem Gutachten zum Kunduz-Untersuchungsausschuss war gar von einer angeblichen Kanzleramts-Intrige gegen den Verteidigungsminister die Rede. "Ist Merkels Kanzleramtsminister der Heckenschütze in der Koalition?", fragte "Bild am Sonntag".

Die Regierung ließ dementieren. Doch bei der Schwesterpartei ist Pofalla unten durch: Der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, glaubte zu erkennen, dass sich der Apparat im Bundeskanzleramt verselbständigt habe. "Da muss der Kanzleramtsminister die Kontrolle behalten und darauf achten, dass nicht der Verdacht des Mobbings aufkommt", sagte Müller. Ziemlich viel Porzellan sei jüngst zerschlagen worden, stellt ein führender Unionsmann ernüchtert fest.

Schwelbrände im schwarz-gelben Maschinenraum
Dass aber Pofalla allein die Schuld an der Misere haben soll, will man in der Koalition nicht gelten lassen. "Einige, die sich nicht trauen, die Kanzlerin zu kritisieren, suchen sich jetzt einen Watschenmann", sagt ein CDU-Mann. In Fraktionskreisen gibt man den Schwarzen Peter gern auch an die Ministerpräsidenten der Union weiter. Von denen kämen einige nicht mit dem Gestaltungsehrgeiz des Kanzleramtsministers klar. "Pofalla versteht seine Rolle wesentlich politischer als de Maizière", heißt es in der Spitze der Unionsfraktion. Da möge sich mancher Regierungschef "in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt" fühlen.

Zudem ist nicht von der Hand zu weisen, dass es noch andere Schwelbrände im schwarz-gelben Maschinenraum gibt. Dass etwa die beiden Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Volker Kauder und Birgit Homburger, bisher nicht wirklich miteinander konnten, ist ein offenes Geheimnis. Doch inzwischen soll sich das Verhältnis "dramatisch verbessert" haben, wird beteuert. "Wir duzen uns seit kurzem", verkündete Homburger am Mittwoch stolz. Am vergangenen Sonntag habe man sich sogar bei einem Berliner Italiener zum Fußballgucken getroffen.

Vielleicht ein Vorbild für Pofalla? Der Kanzleramtschef könnte das Kabinett und die Unionsfürsten ja für eines der nächsten Deutschlandspiele in die Berliner Regierungszentrale einladen, um den Teamgeist zu stärken - und seine eigene Beliebtheit.

Mitarbeit: Severin Weiland

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