In den FDP-Landesverbänden trauen viele der Bundeskanzlerin nicht mehr über den Weg. Das Wort "Schwarze Witwe“ macht die Runde – im Tierreich verschlingt die Spinne ihren Partner nach der Paarung. Auch die SPD habe die große Koalition mit Angela Merkel (CDU) fast nicht überlebt, wird argumentiert. Die liberalen Parteifreunde zum Beispiel in Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt fürchten auch mit Blick auf den Absturz in den Umfragen immer mehr um das politische Überleben. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wird schließlich im nächsten Frühjahr gewählt.
Zu oft lasse sich die Bundes-FDP über den Tisch ziehen, maulen die Landesfürsten nun auch immer häufiger öffentlich. Ob bei der weiteren Steuersenkung oder der Kür des Kandidaten Christian Wulff für die Nachfolge von Bundespräsident Horst Köhler: Merkel habe den Freien Demokraten zuletzt den Schneid abgekauft.
Und so nahmen die Fraktionschefs in den Landtagen Ende vergangener Woche das Heft in die Hand. „Bei der Telefonkonferenz am Freitag hat Westerwelle nichts Freundliches gehört“, heißt es aus mehreren Ländern. Der FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle wurde vehement aufgefordert, jetzt mal etwas in der Innenpolitik durchzusetzen.
Die CSU hatte zuvor das Fass zum Überlaufen gebracht, indem sie Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) bloßstellte.Der Südwest- FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke beschrieb die Stimmung so: „Am Donnerstag nicken wir den Kandidaten der Union ab, im Gegenzug heißt es am Freitag, die Gesundheitsreform wird abgeblockt.“
Szenen keiner Ehe
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- Foto: dpa Sie sind die meist fotografierten Politiker Deutschlands. Guido Westerwelle und Angela Merkel. WELT ONLINE hat sie auf der Regierungsbank beobachtet. Szenen einer politischen Ehe.
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- Foto: dpa/DPA 30. Oktober 2009: missbilligend.
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- Foto: dpa/DPA 12. November 2009: ratlos.
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- Foto: dpa/DPA 12. November 2009: interessiert.
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- Foto: dpa/DPA 19. Januar 2010: gehässig.
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- Foto: dpa/DPA 17. März 2010: amüsiert.
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- Foto: dpa/DPA 17. März 2010: zupackend.
Die Bundes-FDP ging denn auch zum Gegenangriff auf die CSU über. FDP-Gesundheits- Staatssekretär Daniel Bahr wetterte, die CSU verhalte sich wie eine „Wildsau“, und brach damit einen heftigen Streit vom Zaun. Doch dann stellte sich Merkel am Mittwoch auch noch gegen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der Bundeshilfen für Opel abgelehnt hatte.
Und so verstärkte die FDP in den Ländern noch mal den Druck: Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn drohte damit, Wulff hängenzulassen, wenn die Union nicht abrüste. „Der Schlüssel liegt in der Hand von Angela Merkel.“ Die Liberalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt liebäugeln sowieso damit, den rot-grünen Bundespräsident-Aspiranten Joachim Gauck zu unterstützen.
Der Magdeburger FDP-Fraktionschef Veit Wolpert war „stinksauer“, dass die Bundespartei Wulff einfach so akzeptierte. Sachsens FDP-Generalsekretär Torsten Herbst schäumte, diese „Art Kommandowirtschaft von oben“ sei nicht akzeptabel.
Die Drohkulisse war errichtet. Die Baden-Württemberger sahen in der Opel-Frage sogar eine Sollbruchstelle in der Koalition in Berlin. „Dann steht die Koalition auf der Kippe“, sagte Wirtschaftsminister Ernst Pfister. Er orchestrierte damit die Drohung von Generalsekretär Christian Lindner, ein Ja zu Opelhilfen könnte das Ende des einstigen Wunschbündnisses sein. Nun müsse sich „Mutti“ – wie Merkel auch von vielen in der FDP genannt wird – entscheiden, „ob sie zurück an die Brust von Peer und Frank will“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Die schwarz-gelbe Koalition hat seit ihrem Amtsantritt vor knapp acht Monaten viel gestritten. Unterschiedliche Meinungen gab es unter anderem darüber, ...
...ob die Regierung an den im Koalitionsvertrag vereinbarten Entlastungen von bis zu 24 Milliarden Euro jährlich festhalten kann. Ein Rückblick:
28. Oktober 2009:
Angela Merkel (CDU) wird mit der Mehrheit von CDU, CSU und FDP als Bundeskanzlerin wiedergewählt. Das neue Kabinett nimmt seine Arbeit auf.
9. November:
Die Regierung beschließt Steuerentlastungen für Eltern, Unternehmen, Erben und die Hotelbranche um jährlich bis zu 8,5 Milliarden Euro. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Hotels wird heftig kritisiert.
13. November:
„Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung, wie sie sich im Koalitionsvertrag finden, sind unseriös", mahnen die „Wirtschaftsweisen". Im Dezember bemängelt der Bundesrechnungshof die Steuer- und Haushaltspolitik der Regierung.
17. und 18. November:
Kabinettsklausur in Meseberg (Brandenburg) -an den Steuersenkungsplänen soll festgehalten werden.
16. Dezember:
Das Kabinett verabschiedet den Haushaltsentwurf für 2010, der Ausgaben von 325,4 Milliarden Euro vorsieht. Die Neuverschuldung steigt auf 85,8 Milliarden Euro. Das ist die mit Abstand größte in der Geschichte der Bundesrepublik.
17. Januar 2010:
Nach wochenlangen Auseinandersetzungen über Steuersenkungen einigen sich Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle darauf, die Steuerreform wie vereinbart umzusetzen. Entscheidungen zu Start und Umfang der Entlastungen will die Regierung nach der Steuerschätzung im Mai treffen.
7. Februar:
Die FDP-Führung will bis April ein Steuerreformkonzept vorlegen. Die Union reagiert zurückhaltend. Im Streit um die Zukunft der Jobcenter einigt sich die Union auf eine gemeinsame Linie.
11. Februar:
Vizekanzler Westerwelle schreibt in der Zeitung „Die Welt": „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein." Es hagelt Kritik – auch von der Union. Im Streit um die Berufung der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), in den Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einigen sich die Fraktionsspitzen von Union und FDP sowie die BdV-Präsidentin auf einen Kompromiss.
24. März:
Union, FDP und SPD verständigen sich auf eine Änderung des Grundgesetzes zum Erhalt der Jobcenter. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Hartz-IV-Verwaltung neu geregelt werden.
25. April:
Auf ihrem Bundesparteitag verabschiedet die FDP ihr umstrittenes Steuerkonzept. Es soll den Steuerzahlern spätestens von 2012 an Entlastungen von 16 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Zweifel der Union an der Finanzierbarkeit weist Westerwelle zurück.
10.Mai:
Einen Tag nach der Wahlniederlage der CDU/FDP-Regierung in Nordrhein-Westfalen und dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat schließt Merkel weitere Steuerentlastungen für die Jahre 2011 und 2012 aus. Die FDP signalisiert Kompromissbereitschaft.
19. Mai:
Nach zähem Ringen beschließt das Kabinett, Wehr- und Zivildienst von neun auf sechs Monate zu verkürzen.
7. Juni:
Sparpaket: Die Regierung beschließt, dass bis 2014 rund 80 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Die größten Einschnitte gibt es bei Sozialleistungen, aber auch die Wirtschaft muss sich auf Milliardenbelastungen einstellen. SPD, Linke und Gewerkschaften kündigen Widerstand gegen die Sozialkürzungen an. Im Streit um die Gesundheitsreform attackieren sich FDP und CSU. Grund ist die von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geplante, von der CSU aber abgelehnte Kopfpauschale für Kassenversicherte.
Merkel votierte – wenn man so will – vorerst gegen eine Rückkehr zur großen Koalition mit Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier (beide SPD). Sie akzeptierte Brüderles Absage an Opelhilfen. Rülke zeigte sich erfreut: „Das Überdruckventil ist erstmal geschlossen.“ Nun hofft er, dass die Unionsspitze weiter am Koalitionsfrieden arbeitet.
Allein der 48-Jährige hat da so seine Zweifel: Zu oft kämen aus Merkels Umfeld Querschüsse. So zuletzt von Peter Altmaier, Unions- Fraktionsgeschäftsführer, der schon wieder Steuererhöhungen ins Gespräch gebracht hatte. Dass der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki auch über einen höheren Spitzensteuersatz nachdenkt, löst bei vielen in der FDP Kopfschütteln aus. „Der braucht für seine Meinungsbildung keine Argumente“, heißt es aus der FDP in Stuttgart.
Das Hauen und Stechen in Berlin trübe selbstverständlich auch die Aussichten für das aus seiner Sicht „sehr erfolgreiche Bündnis“ mit der CDU im Südwesten bei der Landtagswahl Ende März 2011, bilanziert Rülke. Zum Glück sei die Südwest-CDU mit Stefan Mappus an der Spitze nicht darauf aus, die FDP kleinzumachen.
Auch Sachsens FDP-Chef Volker Zastrow hofft, dass der Bund sich endlich ein Beispiel an der schwarz-gelben Zusammenarbeit in den Ländern nimmt: „Der Streit hier wird auf einem anderen Niveau geführt. Wir sind fair im Umgang miteinander.“
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