Sie haben an alles gedacht, auch an den Lärm der Vuvuzelas. Es ist zwar nur ein Trainingsgelände, auf dem die 29 Schiedsrichter-Trios der WM täglich üben, doch aus den Lautsprechern dröhnt der Sound dieser Wochen. Ohrenbetäubender Lärm. Auf einem Spielfeld wird gerade Gymnastik und Lauftraining gemacht, auf dem anderen werden mit Nachwuchsspielern Spielsituationen nachgestellt. Die tägliche Arbeit der WM-Schiedsrichter. Zwischen den Feldern steht eine Beton-Tribüne, bevölkert von 200 Journalisten, die diesen zweiten Media Day der WM-Schiedsrichter besuchen.
Einer aus dem Stab der Fifa führt stolz die Videotechnik vor. "Wir spielen Referee gegen Spieler", sagt er. Immer wieder werden Abseitsszenen simuliert. Die Entscheidungen der Referees werden sofort ausgewertet. "Ja, richtig", schreit der Fifa-Mann. "Eins zu Null für die Schiedsrichter!"
Er fordert die Journalisten zum Beifall auf. Diese Szene erklärt das Dilemma der Branche sehr schön: Denn hier beim Training ist der Videobeweis hilfreich und erwünscht. Im Ernstfall aber verweigert die Fifa den Einsatz technischer Hilfsmittel. Etliche haarsträubende Fehlentscheidungen in diesem Turnier hätten sich leicht korrigieren lassen - etwa der Treffer der US-Amerikaner gegen Slowenien, der ungerechtfertigter Weise aberkannt wurde. Oder das doppelte Handspiel von Brasiliens Stürmer Luís Fabiano, das zum 2:0 gegen die Elfenbeinküste führte, und den Weg zum 3:1-Sieg ebnete.
Referees bauen auf "menschlichen Faktor" - und schweigen
Mit welchen Schiedsrichtern man auch spricht, ob mit Wolfgang Stark (Deutschland), Massimo Busacca (Schweiz) oder Howard Webb (England): Sie sind alle gegen den Videobeweis. Sie sehen sich als Teil einer großen Schiedsrichterfamilie. Sie müssen und wollen mit Fehlern leben und nehmen in Kauf, dass sie vor vielen Millionen Menschen als Buhmann dastehen, wenn sie falsch entscheiden. Es entspricht der offiziellen Fifa-Terminologie, auf diesen so genannten "menschlichen Faktor" zu bauen. Selbst wenn dieser Fehlentscheidungen produziert, die ganze Nationen ins Trauma stürzen können, die ungerechtfertige Ergebnisse produzieren und auch sehr viel Geld kosten.
Anders als in der Bundesliga oder der englischen Premier League, wo die Referees nach der Partie Auskunft geben dürfen, gilt bei der WM Sprechverbot. Keine Kommentare! Bei diesen Medienterminen im Schiedsrichterlager darf zwar jeder Referee reden, Journalisten dürfen auch jedem alle Fragen stellen - doch Kommentare zu Spielszenen oder ganz grundsätzlich zur Leistung der Unparteiischen sind strikt untersagt. Nicht einmal zu eigenen Spielen dürfen sie sich äußern. Wolfgang Stark etwa, der die Partie zwischen Argentinien und Nigeria gepfiffen hat und vor dem Siegtreffer der Argentinier vielleicht ein Foulspiel übersah, erklärt nur: "Dazu gibt es von mir keine Auskunft."
In der Bundesliga gilt Stark als meinungsstarker und auskunftsfreudiger Typ. In Pretoria sagt er: "Wir dürfen uns doch äußern, aber eben nicht zu Spielsituationen. Wir sind hier, um Spiele zu leiten, das ist unsere Aufgabe. Die Leute sollen sich darüber selbst ihre Meinung bilden."
Ex-Schiedsrichter Merk: "Wettbewerbsverzerrung"
Das Problem ist: "Die Leute", wie Stark formuliert, die Fans weltweit, haben sich ihre Meinung gebildet. Die Öffentlichkeit, hunderte Millionen Menschen, beobachten täglich in Superzeitlupe und aus verschiedenen Kamera-Perspektiven haarsträubende Fehlentscheidungen. Auch Fachleute kritisieren die Leistungen der Unparteiischen. Etwa Markus Merk, einstiger WM-Schiedsrichter, der am Sonntag von "Wettbewerbsverzerrung" sprach und insbesondere den Spanier José María Garcia-Aranda schwer kritisierte, den Schiedsrichterobmann der Fifa. "Die Diskrepanz in der Regelauslegung bei der WM ist gravierend", sagte Merk dem Sportinformationsdienst. "Und es sind ja keine Einzelfälle. Das wird sich durch das ganze Turnier ziehen."
Stark will sich auch "zur Meinung von Herrn Merk nicht äußern". Schiedsrichterobmann Garcia-Aranda hat eine ganz andere Wahrnehmung als Merk. Der Spanier, bei der WM 1998 und der Euro 2000 selbst als Referee aktiv, sprach von bislang erstklassigen Leistungen der Unparteiischen in Südafrika. Alle Schiedsrichter, die über einen langen Zeitraum ausgewählt, ausgebildet, trainiert und beobachtet wurden, würden sich an die Vorgaben der Fifa halten. "Alle halten sich an die Regeln, einheitlich und konstant", sagt Garcia-Aranda. Sicher, so wie die Superstars der WM-Teams, die manchmal aufs Tor schießen wollen und die Eckfahnen treffen, machen auch Schiedsrichter Fehler. Grundsätzlich aber gelte: "Wir sind sehr, sehr zufrieden mit den Schiedsrichtern bei dieser WM. Wir haben exzellente Leistungen gesehen."
Über strittige Fälle spricht Garcia-Aranda nicht. "Wir sind hier, um die Schiedsrichter vorzubereiten, und nicht um zu diskutieren", sagt er. Journalisten seien erfahren genug und könnten sich selbst ein Bild von der Qualität der Schiedsrichterleistungen machen.
Nachbesprechung ohne positive Folgen
Jan-Hendrik Salver, neben Mike Pickel einer von Starks Assistenten, erlebt bereits sein siebtes großes Turnier. Er stand bei der Euro 2004 an der Seitenlinie, bei Olympischen Spielen, bei der WM 2006 als Assistent von Markus Merk, und ist nun schon zum zweiten Mal bei einer WM. Auch er sagt, alle Schiedsrichter seien bestens vorbereitet. "Seit ungefähr zehn Jahren läuft das hoch professionell, da wird kaum etwas außer Acht gelassen."
Die Schiedsrichter haben auch Psychologen dabei. Unmittelbar nach der Partie erfolgt die persönliche Auswertung mit einer Note in einem Beobachtungsbogen. "Analog zu allen anderen Auswertungen, wie auch beim DFB oder der Uefa."
Alle zwei bis drei Tage gibt es dann im gesamten Team ein so genanntes De-Briefing, bei dem die strittigen Szenen per Video diskutiert werden. "Was nicht lief, wird uns aufgezeigt", sagt Salver. Das ist manchmal bitter für die Betroffenen. Doch es hat für das Turnier keine Folgen.
Bei einem dieser kollektiven Auswertungen hat der spanische Schiedsrichter Alberto Undiano, der im Spiel zwischen Deutschland und Serbien acht gelbe Karten verteilte, seine Leistung als gut befunden. "Ich muss mich nicht entschuldigen", sagte Undiano am Montag in Pretoria. "Es gab nichts, was ich mir vorwerfen muss." Alberto Undiano hat damit gegen die Fifa-Regeln verstoßen. Denn eigentlich dürfen sich Schiedsrichter ja nicht äußern - sie dürfen sich nicht einmal loben.
Einer aus dem Stab der Fifa führt stolz die Videotechnik vor. "Wir spielen Referee gegen Spieler", sagt er. Immer wieder werden Abseitsszenen simuliert. Die Entscheidungen der Referees werden sofort ausgewertet. "Ja, richtig", schreit der Fifa-Mann. "Eins zu Null für die Schiedsrichter!"
Er fordert die Journalisten zum Beifall auf. Diese Szene erklärt das Dilemma der Branche sehr schön: Denn hier beim Training ist der Videobeweis hilfreich und erwünscht. Im Ernstfall aber verweigert die Fifa den Einsatz technischer Hilfsmittel. Etliche haarsträubende Fehlentscheidungen in diesem Turnier hätten sich leicht korrigieren lassen - etwa der Treffer der US-Amerikaner gegen Slowenien, der ungerechtfertigter Weise aberkannt wurde. Oder das doppelte Handspiel von Brasiliens Stürmer Luís Fabiano, das zum 2:0 gegen die Elfenbeinküste führte, und den Weg zum 3:1-Sieg ebnete.
Referees bauen auf "menschlichen Faktor" - und schweigen
Mit welchen Schiedsrichtern man auch spricht, ob mit Wolfgang Stark (Deutschland), Massimo Busacca (Schweiz) oder Howard Webb (England): Sie sind alle gegen den Videobeweis. Sie sehen sich als Teil einer großen Schiedsrichterfamilie. Sie müssen und wollen mit Fehlern leben und nehmen in Kauf, dass sie vor vielen Millionen Menschen als Buhmann dastehen, wenn sie falsch entscheiden. Es entspricht der offiziellen Fifa-Terminologie, auf diesen so genannten "menschlichen Faktor" zu bauen. Selbst wenn dieser Fehlentscheidungen produziert, die ganze Nationen ins Trauma stürzen können, die ungerechtfertige Ergebnisse produzieren und auch sehr viel Geld kosten.
Anders als in der Bundesliga oder der englischen Premier League, wo die Referees nach der Partie Auskunft geben dürfen, gilt bei der WM Sprechverbot. Keine Kommentare! Bei diesen Medienterminen im Schiedsrichterlager darf zwar jeder Referee reden, Journalisten dürfen auch jedem alle Fragen stellen - doch Kommentare zu Spielszenen oder ganz grundsätzlich zur Leistung der Unparteiischen sind strikt untersagt. Nicht einmal zu eigenen Spielen dürfen sie sich äußern. Wolfgang Stark etwa, der die Partie zwischen Argentinien und Nigeria gepfiffen hat und vor dem Siegtreffer der Argentinier vielleicht ein Foulspiel übersah, erklärt nur: "Dazu gibt es von mir keine Auskunft."
In der Bundesliga gilt Stark als meinungsstarker und auskunftsfreudiger Typ. In Pretoria sagt er: "Wir dürfen uns doch äußern, aber eben nicht zu Spielsituationen. Wir sind hier, um Spiele zu leiten, das ist unsere Aufgabe. Die Leute sollen sich darüber selbst ihre Meinung bilden."
Ex-Schiedsrichter Merk: "Wettbewerbsverzerrung"
Das Problem ist: "Die Leute", wie Stark formuliert, die Fans weltweit, haben sich ihre Meinung gebildet. Die Öffentlichkeit, hunderte Millionen Menschen, beobachten täglich in Superzeitlupe und aus verschiedenen Kamera-Perspektiven haarsträubende Fehlentscheidungen. Auch Fachleute kritisieren die Leistungen der Unparteiischen. Etwa Markus Merk, einstiger WM-Schiedsrichter, der am Sonntag von "Wettbewerbsverzerrung" sprach und insbesondere den Spanier José María Garcia-Aranda schwer kritisierte, den Schiedsrichterobmann der Fifa. "Die Diskrepanz in der Regelauslegung bei der WM ist gravierend", sagte Merk dem Sportinformationsdienst. "Und es sind ja keine Einzelfälle. Das wird sich durch das ganze Turnier ziehen."
Stark will sich auch "zur Meinung von Herrn Merk nicht äußern". Schiedsrichterobmann Garcia-Aranda hat eine ganz andere Wahrnehmung als Merk. Der Spanier, bei der WM 1998 und der Euro 2000 selbst als Referee aktiv, sprach von bislang erstklassigen Leistungen der Unparteiischen in Südafrika. Alle Schiedsrichter, die über einen langen Zeitraum ausgewählt, ausgebildet, trainiert und beobachtet wurden, würden sich an die Vorgaben der Fifa halten. "Alle halten sich an die Regeln, einheitlich und konstant", sagt Garcia-Aranda. Sicher, so wie die Superstars der WM-Teams, die manchmal aufs Tor schießen wollen und die Eckfahnen treffen, machen auch Schiedsrichter Fehler. Grundsätzlich aber gelte: "Wir sind sehr, sehr zufrieden mit den Schiedsrichtern bei dieser WM. Wir haben exzellente Leistungen gesehen."
Über strittige Fälle spricht Garcia-Aranda nicht. "Wir sind hier, um die Schiedsrichter vorzubereiten, und nicht um zu diskutieren", sagt er. Journalisten seien erfahren genug und könnten sich selbst ein Bild von der Qualität der Schiedsrichterleistungen machen.
Nachbesprechung ohne positive Folgen
Jan-Hendrik Salver, neben Mike Pickel einer von Starks Assistenten, erlebt bereits sein siebtes großes Turnier. Er stand bei der Euro 2004 an der Seitenlinie, bei Olympischen Spielen, bei der WM 2006 als Assistent von Markus Merk, und ist nun schon zum zweiten Mal bei einer WM. Auch er sagt, alle Schiedsrichter seien bestens vorbereitet. "Seit ungefähr zehn Jahren läuft das hoch professionell, da wird kaum etwas außer Acht gelassen."
Die Schiedsrichter haben auch Psychologen dabei. Unmittelbar nach der Partie erfolgt die persönliche Auswertung mit einer Note in einem Beobachtungsbogen. "Analog zu allen anderen Auswertungen, wie auch beim DFB oder der Uefa."
Alle zwei bis drei Tage gibt es dann im gesamten Team ein so genanntes De-Briefing, bei dem die strittigen Szenen per Video diskutiert werden. "Was nicht lief, wird uns aufgezeigt", sagt Salver. Das ist manchmal bitter für die Betroffenen. Doch es hat für das Turnier keine Folgen.
Bei einem dieser kollektiven Auswertungen hat der spanische Schiedsrichter Alberto Undiano, der im Spiel zwischen Deutschland und Serbien acht gelbe Karten verteilte, seine Leistung als gut befunden. "Ich muss mich nicht entschuldigen", sagte Undiano am Montag in Pretoria. "Es gab nichts, was ich mir vorwerfen muss." Alberto Undiano hat damit gegen die Fifa-Regeln verstoßen. Denn eigentlich dürfen sich Schiedsrichter ja nicht äußern - sie dürfen sich nicht einmal loben.
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