Sonntag, 6. Juni 2010

Hintergrund: Je gläubiger desto machohafter?

Studie zu jungen Muslimen

(dpa) Die Ergebnisse dürften Wirbel unter gläubigen Moslems auslösen und Wasser auf die Mühlen von Islamkritikern sein. Der Kriminologe Christian Pfeiffer stellt deshalb vorsichtshalber klar: «Ich bringe nur Fakten an den Tag.» 2007 und 2008 befragten die Wissenschaftler um Pfeiffer rund 45 000 Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren. Sie wollten unter anderem herausfinden, welche Rolle die Religion im Leben der jungen Menschen, vor allem von Migranten, spielt. Das Resultat: Junge, männliche Muslime sind - im Gegensatz zu christlichen Jugendlichen - umso weniger integriert und umso gewalttätiger, je gläubiger sie sind.

Beispiel türkische Jugendliche: «Sehr religiöse türkische Migranten haben nur zu 21,7 Prozent deutsche Freunde, besuchen nur zu 11,5 Prozent das Gymnasium und fühlen sich nur zu 14,5 Prozent als Deutsche», schreiben die Autoren der Studie. Und dies, obwohl die befragten jungen Türken ganz überwiegend in Deutschland geboren seien. Bei nicht-religiösen türkischen Jugendlichen sieht es dagegen ganz anders aus: Zu mehr als 43 Prozent sind sie mit deutschen Jugendlichen befreundet. Sie streben zu rund 22 Prozent das Abitur an. Und mehr als die Hälfte fühle sich als Deutsche.

Von der Deutlichkeit der Ergebnisse ist Pfeiffer selbst überrascht. Er geht davon aus, dass muslimische Geistliche, die Imame, eine Rolle spielen. Er stützt sich auf Befunde des türkischstämmigen Religionswissenschaftlers Rauf Ceylan, der das Selbstverständnis und die Arbeit türkischer Imame untersucht hat. Die meisten der 2000 Imame in Deutschland sind demnach im Ausland geprägt worden. Die Mehrheit sei konservativ und sehr autoritär geprägt. Pfeiffer glaubt, dass sie entsprechende Werte an Jugendliche vermitteln.

Ceylan selbst meint, dass es für die beobachteten Sachverhalte mehrere Ursachen gibt. «Man muss viele Faktoren zusammentragen, um dieses Phänomen wissenschaftlich-differenziert und fundiert zu erörtern», erklärt er. Pfeiffer hält es auch für denkbar, dass die Befunde mit einem wachsenden Misstrauen von Deutschen gegenüber dem Islam seit den Anschlägen vom 11. September 2001 zusammenhängen könnten und die Jugendlichen auf dieses Misstrauen reagieren. Junge Muslime, die sichtbar weniger religiös seien, würden wohl auch eher von Deutschen akzeptiert. Dass er selbst mit den Ergebnissen die Angst vor dem Islam schüren könnte, weist Pfeiffer vehement zurück.

Zum Erklärungsansatz seiner Studie sagt Pfeifer: «Ich sage ausdrücklich, das ist kein Problem des Islam, sondern der Vermittlung des Islam.» Seiner Meinung nach müssen aus den Erkenntnissen aber Konsequenzen gezogen werden: Er fordert, dass Imame in Deutschland nur arbeiten dürfen, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen, Kenntnisse der deutschen Kultur haben und die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptieren. Andernfalls müsse ihnen die Einreise ins Land verweigert werden. Er sieht auch die muslimischen Gemeiden in der Pflicht. «Sie müssen selbst ein Interesse daran haben, Imame zu bekommen, die in Deutschland verankert sind», meint Pfeiffer.

Ceylan arbeitet darauf hin, dass in Deutschland aufgewachsene junge Muslime hier die Möglichkeit haben, islamische Theologie zu studieren. Die Universität Osnabrück baut ein islamisches Institut auf. Vom Wintersemester 2012/13 an sollen hier zum ersten Mal in Deutschland muslimische Theologen ausgebildet werden.

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