Mittwoch, 16. Juni 2010

Bahnfahrer ärgern sich über 59-Minuten-Phänomen

Fahrgastrecht

Geld zurück bei Verspätungen, das hat das neue Fahrgastrecht Bahnfahrern versprochen. Allerdings erst bei Verzögerungen von mehr als einer Stunde. Viele Kunden beklagen, dass Bahnmitarbeiter sie um die wesentlichen Minuten beschummeln. Der Bundestag hat nachgefragt.

Eine Minute mehr oder weniger kann bares Geld bedeuten - wenn sich ein Zug verspätet. Nach dem im Juli 2009 in Kraft getretenen Fahrgastrecht steht bei einer Verzögerung von einer Stunde dem Bahnkunden eine Erstattung von 25 Prozent, bei zwei Stunden von 50 Prozent des Ticketpreises zu. Die Erfahrung von Vielfahrern: Bestätigt werde ihnen von Bahnmitarbeitern oft nur eine Verspätung von 59 Minuten - auch wenn die Uhr nach ihrer Ansicht mehr als eine Stunde anzeigt - eine Rückzahlung ist damit nicht in Sicht.

Auch der Bundestag hat sich inzwischen mit dem Thema beschäftigt: Wie die Zeitung "Die Zeit" in ihrer Donnerstagausgabe berichtet, bat er die Deutsche Bahn um die Information, wie viele Züge mit 57, 58 oder 59 Minuten Verspätung ankommen - und wie viele 60, 61 oder 62 Minuten zu spät seien. Keine Auskunft möglich, lässt das Unternehmen mitteilen, Detailfragen zur Pünktlichkeit ihrer Züge könne es nicht beantworten. Die Bahn verfügt allerdings, so die "Zeit", über ein betriebseigenes System, das genau festhält, welcher Zug wann in welchen Bahnhof ein- und abfährt.

Der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) in Berlin ist das 59-Minuten-Phänomen bekannt. Bei rund zehn Prozent der vorliegenden Beschwerden gegen die Bahn handele es sich um angeblich falsche Bestätigungen von Verspätungen, sagt der Söp-Geschäftsführer Heinz Klewe. Die Schlichtungsstelle, die seit vergangenen Dezember arbeitet, habe aber gute Erfahrungen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn gemacht: 91 bis 92 Prozent aller Fälle, die Bahnreisen betreffen, würden im Sinne der Kunden gelöst, oftmals auch aus Kulanzgründen.

Klewe gehe davon aus, dass das 59-Minuten-Phänomen bei der Bahn bekannt sei und dass an einer Lösung gearbeitet werde. "Das Problem dabei ist, wo die Zeit gemessen wird", sagt der Geschäftsführer. Auch die Deutsche Bahn spricht in einer Stellungnahme gegenüber der "Zeit" von einem Missverständnis: Die Bahn werte als "Ankunft" des Zuges den Augenblick, in dem er in den Bahnhof einfährt. Viele Kunden hingegen betrachten als "Ankunft" den Augenblick, wo der Zug auch wirklich am Gleis steht.

Ein systematisches Kleinrechnen von Verspätungen liege nicht vor, wehrte sich ein Bahnsprecher laut der Zeitung.

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