Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung einer Supermarktkassiererin wegen Unterschlagung von zwei Leergutbons aufgehoben. Die Entlassung im Fall "Emmely" sei nicht gerechtfertigt, urteilten die Richter.
Erfurt - Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat die umstrittene Kündigung einer Kassiererin wegen der Unterschlagung von zwei Pfandbons aufgehoben. Der unter dem Spitznamen " Emmely" bekannt gewordenen Berlinerin war nach 31 Dienstjahren fristlos gekündigt worden, weil sie Leergutbelege im Wert von 1,30 Euro unerlaubt für sich eingelöst hatte. Ihr Arbeitgeber, die Kaiser's Tengelmann GmbH, begründete den Schritt mit einem Vertrauensverlust.
Der Zweite Senat des Gerichts entschied an diesem Donnerstag, dass das Vertrauen durch das einmalige Delikt nach der langen Betriebszugehörigkeit nicht vollkommen zerstört worden sei. Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt, weil nur eine "erhebliche Pflichtwidrigkeit" vorliege. Zudem sei die Schädigung relativ niedrig gewesen. Demnach muss die 52-Jährige wieder bei dem Supermarkt beschäftigt werden.
"Emmely" sagte nach der Entscheidung, sie sei "überwältigt". Ob sie künftig wieder an der Kasse sitzen werde, müsse abgewartet werden. Sie jedenfalls habe noch Vertrauen zu ihrem Arbeitgeber.
Für Kaiser's-Tengelmann ist das Urteil von Donnerstag ein herber Rückschlag: Bislang hatte die Supermarktkette in allen Instanzen recht bekommen. So hatten sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg dem Arbeitgeber recht gegeben. Kaiser's Tengelmann-Anwältin Karin Schindler-Abbes sagte am Donnerstag: "Ich kann die Begründung nicht nachvollziehen." Wer im Einzelhandel unehrlich arbeite, werde auch ohne Abmahnung gekündigt. Man müsse nun sehen, wo und wie die Kassiererin wieder eingesetzt werde.
Die Kassiererin hatte die Unterschlagung stets bestritten. Sie argumentierte vor den Arbeitsgerichten, sie habe jedenfalls nicht wissentlich Bons eingelöst, die ihr nicht zugestanden hätten. Der Arbeitgeber hätte es nach ihrer Auffassung bei einer Abmahnung bewenden lassen können. Die Gerichte sahen das jedoch anders: Für ihre Schuld sprächen die von ihr selbst eingeräumten Umstände, das Kassenjournal und Zeugenaussagen.
Solidaritätswelle für die Ex-Kassiererin
Der Fall "Emmely" hatte seit der Kündigung bundesweit für Aufsehen und Empörung gesorgt. Ein Komitee "Solidarität mit Emmely" aus Gewerkschaftern und politischen Gruppierungen hatte nach der Kündigung zu Protestaktionen und Kaufboykotten aufgerufen. Ihre Vermutung: Mit der Maßnahme sollte eine engagierte Gewerkschafterin kaltgestellt werden. Zudem stand im Mittelpunkt der Debatte die Frage, ob eine fristlose Kündigung bei Bagatelldelikten noch verhältnismäßig ist.
"Emmelys" Anwalt Benedikt Hopmann sieht in dem Urteil Auswirkungen für die künftige Rechtsprechung bei Bagatelldelikten. Gerichte würden künftig mehr Wert auf die Interessenabwägung legen.
Das BAG Erfurt allerdings erklärte am Donnerstag, eine untere Wertgrenze für sogenannte Bagatellkündigungen lehne es weiter ab: Über jeden Fall sei im Einzelfall zu entscheiden. (Az: 2 AZR 5341/09)
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