Montag, 28. Juni 2010

Ein Streifzug durch die Popmusikkultur Südafrikas



Jenseits der Vuvuzela


Wir haben etwas Cherrypicking betrieben und präsentieren euch zur Fussball-Weltmeisterschaft ein paar südafrikanische Bands und Musiker jenseits der in den Fussballstadien anzutreffenden Vuvuzela. Mit dabei: die Indie-Hymne zur Weltmeisterschaft.

In einem Land, das man aufgrund seiner Multikulturalität als Regenbogennation bezeichnet, ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, sich über alle massgebenden musikalischen Subkulturen ein Bild zu machen. Elf Landessprachen und noch viel mehr ethnische Hintergründe führen zu einer völlig heterogenen kulturellen Szene.


Versuchen wir es trotzdem und schauen zuerst einmal etwas zurück: Aufbauend auf Rock ’n’ Roll und Swing ist in den 1950ern die Kwelamusik entstanden, die später in den Cape Jazz mündete. Viele schwarze Künstler, die während der Apartheid in Afrikaans oder Englisch sangen, singen heute in ihren traditionellen afrikanischen Sprachen.
Bekanntestes Beispiel von Kwela ist “Pata Pata” von der 2008 verstorbenen Miriam Makeba.

In den 80er Jahren, als sich das Ende des Apartheids-Regimes anbahnte, entwickelte sich ein spezieller südafrikanischer Musikstil, Kwaito genannt. Bekannte Vertreter dieser Musikrichtung sind beispielsweise Brenda Fassie, die mit ihrem Song “Weekend Special” sogar die britischen Charts erreichte, Lasst euch nicht durch den Disco-Einschlag von Brenda Fassie täuschen. Die Frau ist ein Bad Girl und gilt auch in den rauhen Townships als Queen of Kwaito. Die Neunzigerjahre, so sagt man, verbrachte sie mehrheitlich in einem Kokain-Rausch.

Kwaito
Kwaito ist bei den afro-amerikanischen Jugendlichen auch heute noch der Renner schlechthin.
YFM, der unter Teenagern beliebteste Radiosender Johannesburgs, sorgt seit 1997 für eine massenwirksame Verbreitung. Der Chef des Senders erklärt: “Spätestens seit 2002 ist dieser Musikstil fest etabliert, ist Kwaito eine Art weltliche Religion geworden”. Das Genre basiert auf verlangsamten House-Beats und -Akkorden, dazu kommt meist ein Sprechgesang in Zulu, Sotho, Tsotsitaal (bzw. Camtho) oder anderen Sprachen. Mit ein Grund, warum die Weissen in der Szene nur schwer Fuss fassen, da sie meistens nur Afrikaans oder Englisch sprechen. Doch im Zuge der sich vermischenden Sprachgrenzen zwischen Schwarz und Weiss, vermischen sich auch die klaren Trennungen. Seit der Jahrtausendwende sprechen mehr Farbige Afrikaans als Weisse. Lekgoa ist ein Beispiel dafür, er ist einer der wenigen weissen Kwaito-Stars.
Die in den Townships entstandene Mischung aus Hip-Hop, House, Township-Jive der Achtziger und vielen eigenen Ideen wurde von den Major-Plattenfirmen lange links liegen gelassen. Die Musiker verkauften ihre Kassetten daher aus den Kofferräumen ihrer Autos. Mittlerweile ist Kwaito längst im Mainstream angelangt. Kwaito-Acts wie Arthur Mafokate und Mdu Masilela verkaufen mittlerweile über 100’000 Platten, was in Südafrika vierfachem Goldstatus entspricht.
Der Pionier von Kwaito heisst Zola. Er ist quasi der 50cent von Kwaito und wurde 2002 an den südafrikanischen Music Awards spartenübergreifend zum besten Künstler des Landes gekürt. Als einer der ersten Rapper gründete er eine eigene Kleidungskollektion. Er hat eine Show namens “Zola 7” im staatlichen Fernsehen, die jede Woche fünf Millionen Zuschauer erreicht. Er erfüllt darin Anrufern ihre Wünsche. Ein Zuschauer wünschte sich, seinen Grossvater, begraben auf einer weissen Farm, umzubetten, doch der Farmbesitzer weigerte sich, mit rassistischen Argumenten. Zola nahm den Fall in seine Sendung. Vor fünf Jahren schrieb er den Soundtrack zum oscarprämierten Spielfilm „Tsotsi” und spielte darin, wie zuvor im Film „Drum”, seine Lebensrolle: einen Gangsta-Rapper.

African Cochie Pop
Von Kwaito muss man lediglich zwei Genre-Schritte weiter gehen und kommt bei African Cochie Pop an. So bezeichnet
Sweat.X seine Mischung aus Kwaito, Funk und Electro, die in einer besonderen Art von New Rave gipfelt. Die Outfits sind dementsprechend bunt. Kopf vom Projekt Sweat.X ist Spoek Methambo. Er gilt als südafrikanischer Poster-Boy, ist DJ, Produzent, Illustrator und Stilikone unter einem Hut. Sweat.X spielt Mitte Juli auf dem Melt!-Festival. Seine neue EP “Saviour and Messiah” kann man gratis herunterladen (Download-Link “Saviour and Messiah”).

Afrikaans HipHop
Ein weiterer Trend in der südafrikanischen Musikszene neben Kwaito ist Afrikaans HipHop. Aushängeschild ist ohne Zweifel Die Antwoord, die Anfang Jahr als Internet-Hype begonnen haben (78s-Artikel) und mittlerweile Superstars sind. Die Gruppe bezeichnet ihre Musik als “Zef”. Das bedeutet in Afrikaans „Hinterwäldler“ oder „Prolet“. Zef ist laut Band auch die unbeschreibbare Mischung aus den verschiedensten südafrikanischen Kulturen, welche sie in ihrer Musik vereint. Im Stile amerikanischer Gangsterraps wird hier unter anderem vom Aus- und Aufstieg aus den sozialen Brennpunkten der südafrikanischen Vororte erzählt („Rich Bitch“).

Ein weiterer Exponent der Afrikaans HipHop-Welle ist Jack Parow. Neben HipHop-Acts haben nach der Jahrtausendwende aber auch Rock- oder Punkbands wieder vermehrt auf Afrikaans zu singen begonnen. Eine Gegenbewegung, denn die Sprache der weissen Besatzer war nach dem Ende des Apartheitsregimes in Verruf. In ihren Songs schimpfen die Jungs auf die Buren-Kirche und die politischen Zustände in Südafrika. Dementsprechend war auch die Aufruhr gross. Fokofpolisiekar gelten als Wegbereiter für andere Bands, die ausschliesslich auf Afrikaans singen, wie zum Beispiel Die Antwoord und Jack Parow. Alle drei Bands – Die Antwoord, Jack Parow und Fokofpolisiekar – vereint, findet man auf folgendem Song:

Die Antwoord – Doos Dronk feat. Jack Parow and Fokofpolisiekar

Fokofpolisiekar – Antibiotika

Südafrikanischer Indie
Wir wären nicht 78s.ch, wenn wir euch nicht ein paar heisse Indie-Acts empfehlen würden. Die Indie-Szene in Südafrika ist vital und nicht zu unterschätzen. Desmond and The Tutus, Jax Panik, Kidofdoom und BLK JKS sind vier Beispiele für hervorragenden südafrikanischen Indie-Pop/Rock. Im Falle der BLK JKSs mit vielen Anleihen an traditionellem afrikanischen Musikschaffen. Die BLK JKS repräsentieren dabei die Gegensätze ihres Heimatlandes. Zwei von ihnen kommen aus dem berühmten Township Soweto, zwei sind im wohlhabenden Johannesburger Vorort Spruitview aufgewachsen. Im vergangenen Jahr ist ihr Debüt-Album “After Robots” auf Secretly Canadian erschienen und neu steht ihre EP “Zol” in den Regalen. “Zol” ist d-i-e Indie-Hymne zur Fussball-Weltmeisterschaft.
BLK JKS – Zol
Desmond and The Tutus – Kiss You On The Cheek
Desmond and The Tutus – Peter
Kidofdoom – Minor Disagreements
Jax Panik – Taking To Myself
Dear Reader – Dearheart


 
Weitere Artikel zum Thema:Schon Brahms und Ravel liebten die Vuvuzela
und die Gruppe Ladysmith Black Mambazo, die durch den US-amerikanischen Musiker Paul Simon bekannt wurde.

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