Dienstag, 22. Juni 2010

Minsk dreht die Gasventile zu

Detailaufnahme eines Hahnes an einer Gasleitung (Foto: AP)

Lukaschenko ordnete an, die Transitleitungen für russisches Gas zu schließen

Weißrussland hat den Streit mit Russland um Gaslieferungen verschärft. Die Regierung in Minsk stoppte alle Transitlieferungen Richtung Deutschland. Präsident Lukaschenko droht bereits mit einem "Gaskrieg".


Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko ordnete am Dienstag (22.06.2010) an, die für Westeuropa wichtigen Transitleitungen für russisches Gas abdrehen zu lassen, meldete die Agentur Interfax aus der Hauptstadt Minsk. Die Anordnung gelte, solange der russische Energieriese Gazprom "nicht den Transit seines Gases bezahlt", sagte der autoritär regierende Lukaschenko bei einem Treffen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow, das im Fernsehen übertragen wurde. Die beiden Nachbarstaaten steuern auf einen "Gas-Krieg" zu, warnte er mit kräftigen Worten: "Die Aussagen der russischen Führer erniedrigen das weißrussische Volk."

Lukaschenko kündigte an, Lieferungen erst wieder zuzulassen, wenn Russland offene Rechnungen für den Transit in Höhe von 260 Millionen Dollar bezahlt habe. Russland pocht dagegen seinerseits auf die Begleichung von Schulden für Gaslieferungen an den Nachbarn in Höhe von 192 Millionen Dollar. Moskau lehnt eine Verrechnung ab. Russland hatte seinem Nachbarn in dem Konflikt um ausstehende Zahlungen am Morgen den Gashahn weiter zugedreht. Die Lieferungen nach Weißrussland seien um 30 Prozent des üblichen Niveaus gekürzt worden, teilte Gazprom in Moskau mit. Gespräche zur Lösung des Zwists waren am Wochenende gescheitert.

EU pocht auf Verpflichtungen

Detailaufnahme eines missmutig blickenden Alexander Lukaschenko (Foto: AP)
Besonders das EU-Mitglied Litauen ist von der Blockade betroffen, da das baltische Land zu 100 Prozent über diesen Weg versorgt wird. Auch die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad um das frühere Königsberg ist nun von Lieferungen ausgeschlossen. Die EU-Kommission forderte Russland und Weißrussland auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Rund ein Zehntel des russischen Gases gelangt über Weißrussland in die EU.

Mit Versorgungsengpässen in Deutschland wird vorerst nicht gerechnet. "Wir erwarten, dass die Gasversorgung nach Westeuropa nicht beeinträchtigt wird und dass die Verträge erfüllt werden", sagte eine Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Brüssel. Rund 6,25 Prozent seines Gases erhält die EU über das Transitland Weißrussland. Gazprom hatte angekündigt, notfalls mehr Gas für den Westen durch die Ukraine zu pumpen, sollte Weißrussland die Transitpipelines anzapfen oder abdrehen.

Geplante Zollunion verschoben

Ähnliche Krisen zwischen den beiden Ländern gab es in den vergangenen vier Jahren immer wieder. Grundsätzlich haben die Beziehungen zwischen Russland und Weißrussland zuletzt erheblich gelitten. Zuerst wurde eine Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan verschoben und dann nahm Weißrussland auch noch den entmachteten Präsidenten Kirgistans, Kurmanbek Bakijew, auf. Das Vorgehen Moskaus wird dabei von vielen Staaten sehr genau beobachtet: Der Westen hat Russland in der Vergangenheit häufiger vorgeworfen, seine Macht in der Energiebranche zu missbrauchen, um kleinere Nachbarn einzuschüchtern.

Autor: Marcus Bölz (afp, rtr, dpa)

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