Rücktritt des Bundespräsidenten
Von Severin Weiland
Berlin - Peter Gauweiler ist das, was man in der Politik gemeinhin einen alten Hasen nennt. Er war Stadtrat, Kreisverwaltungsreferent, Staatssekretär, bayerischer Umweltminister. Seit acht Jahren sitzt er nun im Bundestag. Wenn er über den Alltag im Parlament in Berlin spricht, ist eines seiner Lieblingsworte: "Verzwergung". Er meint damit das System der gegenseitigen Abhängigkeiten und Rücksichtnahmen, die Maschinerie der Fraktionsdisziplin, die bei den Parlamentariern Angst vor dem Absturz produziert - besonders bei Neulingen.
Ein Zwerg, das will der CSU-Bundestagsabgeordnete auf keinen Fall sein.
Für seine Unionsfraktion ist Gauweiler ein Unbequemer. In diesen Tagen, da die Kandidaten für die Bundespräsidenten-Wahl, Christian Wulff und Joachim Gauck,
durch die Lande ziehen, bewegt ihn vor allem eine Frage: Warum ist Horst Köhler von seinem Amt zurückgetreten? War wirklich die massive öffentliche Kritik an seinem Interview im "Deutschlandradio" der Auslöser, in dem er über Einsätze der Bundeswehr auch zum Schutz von Wirtschaftsinteressen nachgedacht hatte? "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen", lautet Köhlers zentraler Satz.
War die Eurokrise Auslöser für Köhlers Rücktritt?
Gauweiler glaubt, dass es andere Gründe geben muss. Köhler sei ein erfahrener Mann, habe auch zuvor Kritik ausgehalten. Er fragt sich, ob nicht Köhler aus der Bundesregierung heraus unter Druck gesetzt wurde - nicht wegen des Interviews. Sondern in der bislang größten Herausforderung der Bundesrepublik - der Euro-Krise. Er hat seine Vermutungen in einem offenen Brief an Köhler zusammengefasst, der diese Woche im SPIEGEL erschien.. Dreh- und Angelpunkt ist für Gauweiler das Tempo, mit dem der Euro-Rettungsschirm von bis zu 147,6 Milliarden Euro durch Bundestag und Bundesrat gebracht wurde. Das geschah an einem einzigen Tag, dem 21. Mai.
Am selben Tag landete Köhler - am Ende seiner Afghanistan-Reise - erst spät in der Nacht in Berlin. Bereits am nächsten Tag, einem Samstag, unterzeichnete Köhler das Gesetz. Um 16 Uhr meldete dpa Vollzug. So schnell sei noch nie ein so wichtiges Vorhaben durchgebracht worden. "Von einer ernsthaften Prüfung kann doch keine Rede sein", sagt Gauweiler. In seinem Brief an Köhler fragt er denn auch: "Ist es wirklich wahr, dass Sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Prozedur hatten? Haben Sie aus freien Stücken in so ungewöhnlicher Eile das Gesetz unterschrieben und ausfertigen lassen?"
Nun ist Gauweiler Partei - der erfahrene Anwalt hat gegen dieses Euro-Schutz-Gesetz geklagt, er befürchtet eine Aushöhlung des Stabilitätspaktes. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar seinen Eilantrag noch am 21. Mai abgewiesen, eine endgültige Entscheidung jedoch steht aus.
Es ist jedoch nicht allein Gauweiler, der Köhlers Gründe für den Rücktritt in diesem Punkt sucht. Hans-Olaf Henkel, der frühere Chef des Bundesverbands der Industrie, hat mit Köhler kurz nach dessen Afghanistan-Reise gesprochen. Sie kennen sich aus Zeiten, als Henkel mit ihm zusammen im Treuhand-Verwaltungsrat war. Anfang Juni hatte Henkel in der ARD-Talkrunde bei Sandra Maischberger gesessen. Es ging um Köhlers Rücktritt, Henkel sprach über das Zustandekommen des Euro-Rettungsschirms und sagte: "Da ist ja wirklich was passiert, man muss es ja fast einen Putsch nennen." Da sei das 148-Milliarden Programm "am Morgen durch den Bundestag, am Nachmittag durch den Bundesrat gejagt worden, und am nächsten Tag - vielleicht musste - der Bundespräsident das schon unterschreiben". Das, sagte Henkel, "wäre der einzig akzeptable Grund für einen Rücktritt".
Bundesregierung dementiert
Sind das alles wilde Verschwörungstheorien? Es gibt in der Tat Merkwürdigkeiten rund um Köhlers Rückkehr aus Afghanistan, die stutzig machen und die Gauweilers Büro dokumentiert hat:
Vielleicht lief es ja tatsächlich profaner als Gauweiler vermutet. Vielleicht gab es in Köhlers Apparat einen Abstimmungsfehler, wurde dort die Entscheidung des Bundespräsidenten vorweggenommen, weil die dramatische Lage es erforderte. Vielleicht befürchtete man auch einfach, Gauweilers Klage in Karlsruhe könnte das Verfahren blockieren. Es sind alles Vermutungen.
"Erklären Sie sich", hat Gauweiler in seinem offenen Brief im SPIEGEL an Horst Köhler deshalb verlangt. Die Antwort des Bürgers und Ex-Bundespräsidenten steht noch aus. Nur sie könnte Klarheit hineinbringen. Von einem Interview in einer großen Wochenzeitung wird in Berlin geraunt. Bei der Vereidigung seines Nachfolgers am kommenden Mittwoch wird er auf jeden Fall dabei sein.
Eine Rede aber, wie kürzlich spekuliert wurde und wie sie ihm formal auch zustehen würde, wird Köhler dort nicht halten.
Ein Zwerg, das will der CSU-Bundestagsabgeordnete auf keinen Fall sein.
Für seine Unionsfraktion ist Gauweiler ein Unbequemer. In diesen Tagen, da die Kandidaten für die Bundespräsidenten-Wahl, Christian Wulff und Joachim Gauck,
durch die Lande ziehen, bewegt ihn vor allem eine Frage: Warum ist Horst Köhler von seinem Amt zurückgetreten? War wirklich die massive öffentliche Kritik an seinem Interview im "Deutschlandradio" der Auslöser, in dem er über Einsätze der Bundeswehr auch zum Schutz von Wirtschaftsinteressen nachgedacht hatte? "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen", lautet Köhlers zentraler Satz.
War die Eurokrise Auslöser für Köhlers Rücktritt?
Gauweiler glaubt, dass es andere Gründe geben muss. Köhler sei ein erfahrener Mann, habe auch zuvor Kritik ausgehalten. Er fragt sich, ob nicht Köhler aus der Bundesregierung heraus unter Druck gesetzt wurde - nicht wegen des Interviews. Sondern in der bislang größten Herausforderung der Bundesrepublik - der Euro-Krise. Er hat seine Vermutungen in einem offenen Brief an Köhler zusammengefasst, der diese Woche im SPIEGEL erschien.. Dreh- und Angelpunkt ist für Gauweiler das Tempo, mit dem der Euro-Rettungsschirm von bis zu 147,6 Milliarden Euro durch Bundestag und Bundesrat gebracht wurde. Das geschah an einem einzigen Tag, dem 21. Mai.
Am selben Tag landete Köhler - am Ende seiner Afghanistan-Reise - erst spät in der Nacht in Berlin. Bereits am nächsten Tag, einem Samstag, unterzeichnete Köhler das Gesetz. Um 16 Uhr meldete dpa Vollzug. So schnell sei noch nie ein so wichtiges Vorhaben durchgebracht worden. "Von einer ernsthaften Prüfung kann doch keine Rede sein", sagt Gauweiler. In seinem Brief an Köhler fragt er denn auch: "Ist es wirklich wahr, dass Sie keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Prozedur hatten? Haben Sie aus freien Stücken in so ungewöhnlicher Eile das Gesetz unterschrieben und ausfertigen lassen?"
Nun ist Gauweiler Partei - der erfahrene Anwalt hat gegen dieses Euro-Schutz-Gesetz geklagt, er befürchtet eine Aushöhlung des Stabilitätspaktes. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar seinen Eilantrag noch am 21. Mai abgewiesen, eine endgültige Entscheidung jedoch steht aus.
Es ist jedoch nicht allein Gauweiler, der Köhlers Gründe für den Rücktritt in diesem Punkt sucht. Hans-Olaf Henkel, der frühere Chef des Bundesverbands der Industrie, hat mit Köhler kurz nach dessen Afghanistan-Reise gesprochen. Sie kennen sich aus Zeiten, als Henkel mit ihm zusammen im Treuhand-Verwaltungsrat war. Anfang Juni hatte Henkel in der ARD-Talkrunde bei Sandra Maischberger gesessen. Es ging um Köhlers Rücktritt, Henkel sprach über das Zustandekommen des Euro-Rettungsschirms und sagte: "Da ist ja wirklich was passiert, man muss es ja fast einen Putsch nennen." Da sei das 148-Milliarden Programm "am Morgen durch den Bundestag, am Nachmittag durch den Bundesrat gejagt worden, und am nächsten Tag - vielleicht musste - der Bundespräsident das schon unterschreiben". Das, sagte Henkel, "wäre der einzig akzeptable Grund für einen Rücktritt".
Bundesregierung dementiert
Sind das alles wilde Verschwörungstheorien? Es gibt in der Tat Merkwürdigkeiten rund um Köhlers Rückkehr aus Afghanistan, die stutzig machen und die Gauweilers Büro dokumentiert hat:
- Am 21. Mai, als Köhler noch in der Luft war, meldete die Nachrichtenagentur apn, Köhler habe das Gesetz bereits ausgefertigt und den Verkündungsauftrag für das Bundesgesetzblatt erteilt.
- Am Samstagmorgen jedoch - Köhler ist mittlerweile wieder in Berlin - bringt die Agentur eine Korrektur heraus: Köhler prüfe das Gesetz "doch noch". Zitiert wird ein Sprecher des Bundespräsidialamtes, wonach "versehentlich" bereits am Freitag eine Bestätigung verschickt worden sei. Die Agentur stellte ausdrücklich in ihrem Bericht fest: Aufgrund einer schriftlichen Bestätigung aus dem Bundespräsidialamt habe man am Freitagabend gemeldet, das Gesetz sei bereits unterzeichnet.
Vielleicht lief es ja tatsächlich profaner als Gauweiler vermutet. Vielleicht gab es in Köhlers Apparat einen Abstimmungsfehler, wurde dort die Entscheidung des Bundespräsidenten vorweggenommen, weil die dramatische Lage es erforderte. Vielleicht befürchtete man auch einfach, Gauweilers Klage in Karlsruhe könnte das Verfahren blockieren. Es sind alles Vermutungen.
"Erklären Sie sich", hat Gauweiler in seinem offenen Brief im SPIEGEL an Horst Köhler deshalb verlangt. Die Antwort des Bürgers und Ex-Bundespräsidenten steht noch aus. Nur sie könnte Klarheit hineinbringen. Von einem Interview in einer großen Wochenzeitung wird in Berlin geraunt. Bei der Vereidigung seines Nachfolgers am kommenden Mittwoch wird er auf jeden Fall dabei sein.
Eine Rede aber, wie kürzlich spekuliert wurde und wie sie ihm formal auch zustehen würde, wird Köhler dort nicht halten.
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