Montag, 28. Juni 2010

Polizei-Razzia bei Bischöfen


Aufregung über Verurteilung des Papstes

In Belgien sorgt die Razzia gegen die Bischofskonferenz in Brüssel am vergangenen Donnerstag weiter für Wirbel. Der Grund: Der Papst persönlich hat die Hausdurchsuchung verurteilt, im Vatikan zieht gar Vergleiche mit dem Kommunismus.

Mittagsjournal, 28.06.2010

Papst interveniert
Die Öffentlichkeit kann es kaum fassen. Nicht nur aggressive flämische Nationalisten attackieren den belgischen Staat, sondern auch der Heilige Vater in Rom. Der Papst hat gestern höchstpersönlich eine Razzia der belgischen Polizei am Sitz der Bischofskonferenz in Brüssel als beklagenswert und verwunderlich kritisiert. Kardinalstaatssekretär Bertone verglich die Hausdurchsuchung vergangene Woche mit kirchenfeindlichen Exzessen im Kommunismus, der Außenminister des Vatikan bestellte den belgischen Botschafter zu sich.

Razzia bei Bischöfen

Im katholischen Belgien hat diese ungewöhnlich scharfe Reaktion Roms großes Erstaunen ausgelöst, legt sich der Vatikan doch auf diese Weise mit der unabhängigen Justiz eines souveränen Staates an.

Der zuständige Untersuchungsrichter sagt, er ist auf der Suche nach geheimen Dossiers über pädophile Priester, die der Justiz möglicherweise vorenthalten wurden. Dutzende Polizisten haben am vergangenen Donnerstag das erzbischöfliche Palais in Brüssel just in dem Augenblick durchsucht, als die belgische Bischöfe bei ihrer monatlichen Sitzung waren. Die Polizei beschlagnahmte Handys, Laptops, Kalender und Notizblöcke der im erzbischöflichen Palais versammelten geistlichen Würdenträger. Auch der Computer des kürzlich zurückgetretenen Kardinals Gottfried Danneels wurde abtransportiert. Weil die 55 Computer der Erzdiözese jetzt in den Händen der Kriminalpolizei sind, müssen die Angestellten auf ihr Juligehalt warten.

Auch Gräber geöffnet

Sogar in der Krypta der Kathedrale suchten die Beamten nach Beweismaterial. Die Gräber zweiter früherer Kardinäle wurden aufgebohrt, weil der Untersuchungsrichter vermutete, dass dort geheime kirchliche Dossiers über pädophile Priester versteckt wurden, die man der Justiz vorenthalten wollte.

Tatsächlich findet sich unter Punkt fünf der bischöflichen Tagesordnung die Frage, ob "alte Dossiers über pädophile Priester, überhaupt an die zuständige kirchliche Kommission weitergeleitet werden sollen".

Was wusste die Kirche?

Neun Stunden wurden die Bischöfe während der Hausdurchsuchung festgehalten, mit dabei der vatikanische Nuntius. Die belgischen Justizbehörden wehren sich gegen den Vorwurf, dass es dabei unnötig hart zugegangen sein soll und die festgesetzten Bischöfe zum Beispiel nichts zu essen bekommen hätten, wie der Vatikan behauptet. Es gab Hendl, Tomaten und Wein, heißt es aus dem Justizpalast in Brüssel.

Erst vergangenen April ist der Bischof von Brügge zurückgetreten, weil er Kind sexuell missbraucht hat. Eine von der belgischen Bischofskonferenz eingerichtete Kommission hat 450 Akten über andere Missbrauchsfälle angelegt.

Der zuständige Untersuchungsrichter will klären, ob die Kirche über Vorwürfe gegen Priester Bescheid wusste, ihre Erkenntnisse aber geheim gehalten hat.

Geheimhaltung war erwünscht

Die katholische Kirche hat offensichtlich geglaubt, dass sie das Privileg haben wird, ihre schmutzige Wäsche ausschließlich intern zu waschen, liest man in der belgischen Tageszeitung Le Soir. Untersuchungsrichter Wim De Troy erinnert mit seinem Vorgehen daran, dass niemand über dem Recht steht.

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