Eine 25-köpfige Sonderkommission hat nach dem tödlichen Unglück bei einer Bombenentschärfung in Göttingen die Ermittlungen übernommen. Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes hatten am Dienstagabend die Entschärfung des Blindgängers vorbereitet, als dieser explodierte. Dabei kamen drei Sprengstoffexperten im Alter von 55, 52 und 38 Jahren ums Leben, die in direkter Nähe der Bombe arbeiteten. Ein 49-jähriger und ein 46-jähriger Kollege wurden schwer verletzt. Vier Bombenräumer erlitten einen Schock und konnten noch nicht zum Unglückshergang befragt werden. Wie es zu dem Unglück kommen konnte, ist noch völlig unklar. "Das sind alles langjährig erfahrene Fachleute", sagte Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse am Mittwoch.
Umkreis bleibt vorerst gesperrt
Das Umfeld des Explosionsortes wurde abgesperrtDie Polizei hielt den Explosionsort auf dem Schützenplatz am Mittwochmorgen in einem Umkreis von 300 Metern weiter abgeriegelt. Die Absperrung solle mindestens bis Donnerstag aufrechterhalten werden, sagte ein Sprecher der Stadt. Von der Sperrung sind auch Schulen und Kindertagesstätten sowie ein Betrieb betroffen. Die Ermittler sind dabei, Spuren zu sichern. Durch die Wucht der Explosion wurden Trümmerteile und Bombensplitter mehrere Hundert Meter weit geschleudert. Die Polizei forderte Bürger auf, etwaige Funde der Polizei zu melden. Sprengstoffexperten aus Thüringen waren noch in der Nacht zur Unterstützung gerufen worden, um sicherzustellen, dass sich in der Umgebung des Explosionsortes keine weiteren Blindgänger befanden. Erfahrene Sprengmeister getötet
Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zeigte sich am Mittwoch tief betroffen von dem Unglück "Wir sind tief bestürzt über das schreckliche Ereignis des gestrigen Abends", sagte der Minister. Man sei in Gedanken bei den Angehörigen. Der Innenminister hatte sich zuvor an der Unglücksstelle selbst einen Eindruck verschafft. "Das ist schon unvorstellbar!", sagte Schünemann. Die drei Männer seien alle seit mehr als 20 Jahren im Dienst und an der Entschärfung von 600 bis 700 Bomben beteiligt gewesen. Schünemann betonte die wichtige Funktion der Kampfmittelbeseitigung in Niedersachsen. Den Angehörigen sei psychologische Unterstützung angeboten worden, sagte Schünemann. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Die Nachricht habe ihn tief erschüttert, sagte eine Sprecherin in Hannover. "Die Opfer haben ihr Leben zur Sicherheit aller riskiert und dabei verloren." Der Göttinger Landtagsabgeordnete und Fraktionschef der Grünen, Stefan Wenzel, nannte die tödliche Explosion "extrem tragisch".
Ursache noch völlig unklar
Rettungskräfte eilten nach der Explosion zum Unglücksort.
Zu der Explosion war es bei den Vorbereitungsarbeiten zur Entschärfung gekommen. Nach Polizeiangaben detonierte der Blindgänger um 21.36 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt habe keiner der Sprengstoffexperten an der Bombe gearbeitet, sagte ein Feuerwehrsprecher am Mittwoch. Deshalb sei noch völlig unklar, wie es zu der Explosion kommen konnte. Die Evakuierung des Stadtteiles sei noch nicht vollständig abgeschlossen gewesen, sagte Stadtsprecher Detlef Johannson. "Die eigentliche Entschärfung war für 22.30 Uhr geplant", sagte Johannson. Nach Aussage von Zeugen war die Detonation so heftig, dass der Knall noch in einigen Kilometern Entfernung zu hören gewesen war. Nach Feuerwehrangaben entstanden durch die Explosion auch kleinere Sachschäden an Häusern. Sachverständige untersuchten die Gebäude. Noch sei nicht geklärt, wer für die Schäden aufkomme, sagte Göttingens Polizeipräsident Kruse.
Neuartige Technik im Einsatz
Der Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg war bei Bauarbeiten für eine neue Sportarena in sieben Metern Tiefe entdeckt worden. Die Zehn-Zentner-Bombe verfügte nach Angaben des Katastrophenstabs über einen Säurezünder und sollte mit einem sogenannten Wasserschneider entschärft werden. Bereits am Donnerstag vergangener Woche war eine Bombe gleicher Bauart auf dem Areal gefunden und erfolgreich entschärft worden. Bei dem Wasserschneider handelt es sich um ein neues Gerät, dass es erst seit Ende 2009 gibt. "Das war die dritte oder vierte Echtanwendung", sagte Christian Grahl von der Polizeidirektion Niedersachsen am Mittwoch. Ob die Explosion in Zusammenhang mit dem neuen Verfahren steht, ist allerdings noch unklar. Das Wasserstrahl-Schneidegerät stand nach Polizeiangaben am Dienstag zwar bereit, war aber noch nicht zum Einsatz gekommen. Unterdessen leitete die Staatsanwaltschaft Göttingen ein Vorermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ein. Damit solle geprüft werden, ob dem verantwortlichen Kolonnenführer des Kampfmittelräumdienstes ein strafbares Verhalten vorzuwerfen sei, sagte ein Sprecher.
7.200 Menschen von Evakuierung betroffen
Für die Entschärfung am Dienstag sollten 7.200 Menschen in einem Radius von einem Kilometer um den Fundort ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Auch der Bahnhof, die Nord-Süd-Bahnstrecke sowie ein Kino sollten geräumt werden. Die Anwohner, die ihre Häuser verlassen hatten, konnten noch in der Nacht in ihre Wohnungen zurückkehren. In Niedersachsen gibt es noch zahlreiche Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Allein im Jahr 2008 hat der Kampfmittelräumdienst 88 Bomben entschärft oder kontrolliert gesprengt.
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