So erregt hat man Barack Obama selten gesehen. Der oft als kühl kritisierte US-Präsident echauffiert sich über den Luxus der US-Banker. Teure Büromöbel, edle Firmenjets, jetzt noch üppige Boni - obwohl der Staat die Konzerne mit Milliarden stützen muss: "Das ist der Ausbund an Unverantwortlichkeit."
New York - Es sind elende Zeiten an der Wall Street. Möchte man jedenfalls meinen: Von den einst sieben großen US-Brokerhäusern sind nur noch zwei unabhängige übrig. Zwischen Oktober und Dezember verschwanden allein in New York City fast 20.000 Jobs im Geldgeschäft. Die gesamte Branche verlor im vergangenen Jahr mehr als 35 Milliarden Dollar, und fast täglich verbuchen die Banken neue Riesenverluste. Zuletzt vermeldete Wells Fargo ein Minus von 2,6 Milliarden Dollar im letzten Quartal 2008.
Barack Obama, Finanzminister Geithner: "Jetzt ist nicht die Zeit für Boni"
Und was unternehmen die maladen Finanzinstitutionen, von denen die meisten bekanntlich nur noch dank des 700-Milliarden-Dollar-Rettungspakets auf Kosten der US-Steuerzahler überleben können? Sie genehmigten ihren Top-Managern - also den Herrschaften, die für die Misere verantwortlich sind - Jahresend-Boni von insgesamt fast 20 Milliarden Dollar für 2008.
Das entspricht einer Durchschnittssumme pro Kopf von 122.000 Dollar. Das ist, wie New Yorks Chef-Rechnungsprüfer Thomas DiNapoli ausgerechnet hat, die sechsthöchste Prämienausschüttung in der Geschichte der Wall Street - dieses Jahr teilfinanziert vom ahnungslosen Steuerzahler.
Kein Wunder, dass da nun selbst dem US-Präsidenten der Kragen geplatzt ist. In einer seltenen, doch kalkulierten Zurschaustellung präsidialen Ärgers knöpfte sich Barack Obama am Donnerstag die Wall Street vor. "Das ist der Ausbund an Unverantwortlichkeit", sagte er schäumend über die Bonus-Nachricht, die er aus der Zeitung erfahren hatte. Als "Schändlich" bezeichnete er den Geldregen für die Missmanager von der Wall Street.
Obama sagte das nicht irgendwo, sondern im Oval Office, in das er die TV-Kameras zu einem Fototermin mit seinem neuen Finanzminister gebeten hatte. Zuvor stellte er sorgfältig sicher, dass auch jeder Reporter seine Worte mitbekam: "Achtet darauf, dass alle drin sind."
Erst Milliarden erbetteln und den Steuerzahlern drohen, "dass uns das ganze System auf den Kopf fallen könnte, falls sie die Hilfe nicht gewähren" und dann sich selbst beschenken. Das gehe so nicht, rügt der Präsident. "Sie müssen anfangen, verantwortungsbewusster zu handeln", sagte Obama in seiner typisch stillen Aufwallung. "Es wird wieder eine Zeit kommen, Gewinn zu machen, und es wird eine Zeit kommen, dass sie Boni bekommen - jetzt ist diese Zeit nicht."
Es war ein ungewöhnliches Schauspiel: Der coole Präsident kocht. Obama hatte diesen Auftritt aber sorgfältig inszeniert, und sein Pressesprecher Robert Gibbs hatte ihn zwei Stunden vorher bei seinem Routinebriefing quasi angekündigt: "Der Präsident brennt darauf, ein paar Bemerkungen zu machen."
In der Tat häufen sich dieser Tage Meldungen von der Wall Street, die Beobachter, Politiker und auch Steuerzahler nur noch ratlos zurücklassen. Etwa die über John Thain, den Ex-Vorstandschef des untergegangenen Investmentbank Merrill Lynch , das seit Neujahr der Bank of America gehört.
Nicht nur, dass Thain seinen letzten Merrill-Bonus von gut zehn Millionen Dollar im Dezember nur widerwillig aufgab. Während Merrill schon Anfang 2008 gefährlich nah am Zusammenbruch vorbei schlitterte, gab Thain, der zuvor die New York Stock Exchange geleitet hatte, 1,2 Millionen Dollar an Firmengeldern aus, um sein Büro zu renovieren. Inklusive 800.000 Dollar für den Stardesigner Michael Smith, der jetzt auch das gesamte Weiße Haus für die Obamas umdekoriert.
Weitere Posten auf Thains Spesenrechnung: ein antiker Teppich (87.000 Dollar), eine antike Anrichte (68.000 Dollar), eine Kommode (35.000 Dollar), ein Mahagony-Tisch (25.000 Dollar), ein Kronleuchter (13.000 Dollar) und ein Schreibtisch für den Boss (18.000 Dollar).
Als das üppige Interieur jetzt publik wurde, rechtfertigte sich Thain per internem Memo: Die Renovierung sei ja "in einem ganz anderen Geschäftsklima" erfolgt. Auch versprach er, alles zurückzuzahlen. Doch seinem neuen Diensthaber, einer eiskalten Großbank mit Hauptsitz in North Carolina, der solche Wall-Street-Allüren fremd sind, war der Geduldsfaden längst gerissen: Vorige Woche wurde Thain zur "freiwilligen" Kündigung gezwungen.
Oder Citigroup : Die größte US-Bank muss sich jetzt aufspalten, um trotz Staatsgelder überhaupt überleben zu können. Das hinderte sie freilich nicht, wie die "New York Post" enthüllte, einen nagelneuen Luxus-Firmenjet zu bestellen - einen Dassault Falcon 7X mit zwölf Ledersitzen, Sofas und "Entertainment-Center". Kostenpunkt: 50 Millionen Dollar. Erst auf Druck von US-Finanzminister Geithner stornierte Citi die Bestellung jetzt wieder.
New Yorks Rechnungsprüfer DiNapoli wies dezent darauf hin, dass die 18,4 Milliarden Dollar Jahresendprämien für 2008 immerhin um 44 Prozent unter dem Vorjahr lagen, als 32,9 Milliarden Dollar ausgeschüttet wurden. Die wahren Leidtragenden sind jedoch andere: Der New Yorker Landeskasse - und damit den Bürgern - dürften rund eine Milliarde Dollar Steuereinnahmen verloren gehen. Plus weitere 275 Millionen Dollar für New York City, dessen städtischer Haushalt bisher zu einem Fünftel von der Wall Street bestritten wurde.
Doch die Wall-Street-Banken haben nun wohl endgültig überzogen. New Yorks Justizminister Andrew Cuomo ermittelt gegen Merrill Lynch wegen der Bonusausschüttungen: Er vermutet, dass Merrill-Direktoren und Aktionäre von der Unternehmensspitze über die wahre Schieflage des Konzerns im Ungewissen gelassen wurden. Auch erwägt eine Gruppe ehemaliger Merrill-Aktionäre, wegen der Bonuszahlungen Zivilklage zu erheben. Sie hoffen, mit einem solchen Präzedenzfall die Unsitten zu beenden.
Die bereits gezahlten Boni sind aber wohl futsch. Auch wenn der demokratische Senator Christopher Dodd am Donnerstag "alle nur möglichen legalen Mittel" ankündigte, um die Prämienmillionen wieder einzuholen. Juristen geben dem kaum Erfolgschancen. "Es ist nicht so einfach", sagte der Schadensersatzanwalt Michael Melbinger der "New York Times".
US-Vizepräsident Joe Biden hat unterdessen eine andere Vorstellung davon, was er mit den Wall-Street-Chefs am liebsten machen würde. "Ich möchte", sagte er dem TV-Sender CNBC, "diese Kerle gerne in den Knast werfen."
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