Die Farce ist (zunächst) vorbei. Der Prozess gegen die zentralen Akteure im baskischen Friedensprozess wurde nun eingestellt. Rechtsradikale Organisationen hatten den baskischen Regierungschef, fünf Mitglieder der baskischen Partei Batasuna und zwei Führungsmitglieder der baskischen Sektion der spanischen Sozialisten (PSOE) wegen den Friedensgesprächen angezeigt und die Richter der ultrarechten Volkspartei (PP) hatten das Verfahren gegen die bisherige Rechtsprechung vorangetrieben ( http://de.indymedia.org/2006/10/159135.shtml), um den baskischen Regierungschef vor den Regionalwahlen am 1. März auf der Anklagebank zu sehen. Doch das entwickelte sich zum Rohrkrepierer. Die linke Unabhängigkeitsbewegung hat eine neue Wahloption vorgestellt, um nach den neuen Verboten ( http://de.indymedia.org/2008/09/227886.shtml) daran teilnehmen zu können.
Es dürfte ein einmaliger Vorgang gewesen sein, dass ein Regierungschef auf der Anklagebank Platz nimmt, weil er eine Dialoglösung für einen bewaffneten Konflikt gesucht hat. In Spanien ist das möglich. Deshalb begann am vergangen Donnerstag am Obersten Baskischen Gerichtshof der Prozess gegen den baskischen Regierungschef Juan José Ibarretxe. Ibarretxe und andere sollen gegen das Parteiengesetz verstoßen haben, weil sie mit Vertretern von Batasuna (Einheit) im Rahmen eines Friedensprozesses 2006 und 2007 verhandelten ( http://de.indymedia.org/2005/05/115232.shtml).
Die Partei wurde 2003 verboten, weil sie die Anschläge der Untergrundorganisation ETA nicht verurteilt ( http://de.indymedia.org/2003/03/44768.shtml). Ende 2004 hatte sie auf einer Veranstaltung einen Vorschlag zur friedlichen Beilegung ( http://de.indymedia.org/2004/11/99240.shtml) des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts gemacht ( http://de.indymedia.org/2004/11/99236.shtml) und der führte zu einer Waffenruhe der ETA und zu offiziellen Verhandlungen der spanischen Regierung mit der ETA.
Dass dieser Prozess absurd ist, sind sich in Spanien fast alle einig. Denn obwohl die spanische Regierung unter Jose Luis Rodriguez Zapatero direkt mit der ETA verhandelte, wurde gegen sie kein Verfahren eingeleitet. Dass neben Ibarretxe und den Batasuna-Führern Arnaldo Otegi, Pernando Barrena, Rufi Etxeberria, Olatz Dañobeitia und Juan Joxe Petrikorena auch die baskischen Sozialistenchefs Patxi López ( http://de.indymedia.org/2006/06/148689.shtml) und Rodolfo Ares auf der Anklagebank sitzen, macht deutlich, dass den Sozialisten das repressive Parteiengesetz auf die Füße fällt. Im Schnellverfahren hatten sie es mit der konservativen Volkspartei (PP) durch die Instanzen gepeitscht, um Batasuna zu verbieten ( http://de.indymedia.org/2003/03/44127.shtml). Nun wurde also auch über Lopéz zu Gericht gesessen, der am 1. März bei den Regionalwahlen baskischer Regierungschef werden will, weil auch er im Dialog mit Batasuna gegen dieses Gesetz verstoßen habe.
Dass den Sozialisten der Prozess nicht passt, zeigte sich daran, dass ihr Ministerium für Staatsanwaltschaft darin kein Vergehen sah und keine Anklage erhob. Der Prozess wurde auf Basis von Anzeigen von zwei rechtsextremen Organisationen eröffnet. Doch ohne Anklage der Staatsanwaltschaft hatte der Oberste Gerichtshof in Spanien solche Verfahren fast immer für nichtig. Alleinige Ausnahme war das Verfahren gegen den baskischen Parlamentspräsidenten und zwei Fraktionschefs ( http://de.indymedia.org/2003/06/53932.shtml). In diesem Fall verurteilte sie der Oberste Gerichtshof Juan María Atutxa (PNV), Gorka Knörr (EA) und Kontxi Bilbao (IU) zu Geldstrafen, weil sie sich des "Ungehorsams" schuldig gemacht hätten, als sie 2003 nach dem Batasuna-Verbot deren Fraktion nicht auflösten. Sie dürfen zudem 18 Monate keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden.
Doch es war nicht zu erwarten, dass sich die Mehrheit der Richter im Fall, wo davon auch der Sozialist Patxi Lopez betroffen wäre, zu einer solchen Ausnahme durchringen würden und damit in direken Konflikt mit der Regierung begeben würden. So forderten die Sozialisten am Donnerstag die sofortige Einstellung des Verfahrens. Batasuna argumentierte ähnlich, deren Verteidigerin forderte aber die Suspendierung, um sich korrekt auf ein Hauptverfahren vorbereiten zu können. Anders als die übrigen Angeklagten sitzen die Batasuna-Führer fast alle in unterschiedlichen Knästen, weshalb die Verteidigung im Vorfeld erfolglos ihre Zusammenlegung beantragt hatte. Die spanische Regierung ließ die gesamte Parteiführung nach dem gescheiterten Friedensprozess inhaftieren ( http://de.indymedia.org/2007/10/196143.shtml), nur Otegi kam im vergangenen August frei ( http://de.indymedia.org/2008/09/225880.shtml).
Für eine Überraschung im Prozess hatte Ibarretxe gesorgt. Dessen Verteidiger forderte, das Hauptverfahren zu eröffnen, um einen Freispruch zu erreichen. Sonst wirke es wie eine Strafe, dass erstmals ein baskischer Regierungschef vor Gericht sitze. Das "legitime Recht zum Dialog" für eine Friedenslösung müsse verteidigt werden. "Knast für Dialog", dürfe nicht weiter im Raum schweben. Ibarretxe, der im März im Amt bestätigt werden will, versucht so die PP anzugreifen, die schon mit allen Mitteln den Friedensprozess torpediert hatte. Sie besetzte in ihrer Regierungszeit bis 2004 zentrale Stellen der Justiz mit Anhängern, die dieses Verfahren vorantrieben. Sie will den Friedensprozess aburteilen. Es ist auch kein Zufall, dass der Prozess nun direkt im Wahlkampf zelebriert wird.
Der Prozess wurde am Donnerstag ausgesetzt und heute gaben die Richter nun die erwartete Einstellung bekannt, eben weil es keine Anklage der Staatsanwaltschaft gab. Das ist angesichts der Tatsache, dass im Vorfeld diese Einstellung aus diesem Grund sechs Mal gefordert wurde, schon ein Skandal genug. Der Prozess hätte nie eröffnet werden dürfen. Die Einstellung ist zwar nun ein harter Schlag für die PP, die Ibarretxe und Lopez im Wahlkampf auf der Anklagebank sehen wollten und über den Friedensprozess zu Gericht sitzen lassen wollten, doch sie läßt eine Hinterfür offen. Auf die wiesen auch die Angeklagten hin, schließlich haben die Rechtsextremen einen Einspruch beim spanischen Obersten Gerichtshof angekündigt und der ist wieder stark von PP-Richtern besetzt, die wie im Fall Atutxas entscheiden könnten.
Eine definitive Entscheidung, dass Prozesse zur friedlichen Beilegung von Konflikten nicht justiziabel sind, schließlich werden Politiker zur Problemlösung von ihren Wählern in die Parlamente geschickt ist nicht gefallen. Wenn die PP irgendwann wieder die Macht hat kann sie über das Ministerium für Staatsanwaltschaft wieder Anklage erheben und dann sind die formalen Vorraussetzungen erfüllt. Otegi bezeichnete den Prozess als Versuch den Dialog als Mittel zur Beilegung von Konflikten anzugreifen. Er verteidigte die friedliche Konfliktlösung und bekräftigte den Friedensvorschlag von 2004, wonach alle Parteien sich an einen Tisch setzen sollten, um zu einem Übereinkommen zu kommen ( http://www.gara.net/azkenak/01/116082/es/Otegi-afirma-que-juicio-pretendia-poner-mas-obstaculos-procesos-futuros)
Die linke Unabhängigkeitsbewegung hat nun eine Liste (D3M) für die Wahlen am 1. März
präsentiert, um nach den neuen Verboten wieder ins baskische Parlament einziehen zu können ( http://www.gara.net/paperezkoa/20090111/115922/es/D3M-pide-apoyos-para-lograr-cambio-mirar-futuro). Sie wurde von historischen Führer von Herri Batasuna vorgestellt, die eigentlich alle gewählt werden könnten, denn ihnen wurden ja nie die Bürgerrechte entzogen. Der Name lautet: "Demokratie für drei Millionen" gemeint sind natürlich die Basken. Heute wurde damit begonnen die nötigen 18.000 Unterschriften zu sammeln. Sieht man sich die Verbote der letzten Jahre, ja sogar im Friedensprozess wurde ja eine Neugründung von Batasuna verboten ( http://de.indymedia.org/2007/05/175419.shtml), obwohl die neue Partei sogar das neue Parteiengesetz erfüllte, dann darf erneut ein undemokratisches Verbot aus Madrid erwartet werden. In spanischen Medien wird darüber spekuliert, die baskische Linke hoffe auf einen Rettungsschirm vom Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg, der alsbald über die Rechtmäßigkeit des Batasuna-Verbots entscheiden wird ( http://de.indymedia.org/2007/12/202645.shtml). Doch das ist wenig wahrscheinlich, denn in der abertzalen Linken hat man kaum Hoffnungen auf internationale Institutionen.
© Ralf Streck, den 12.01.2009
Die Partei wurde 2003 verboten, weil sie die Anschläge der Untergrundorganisation ETA nicht verurteilt ( http://de.indymedia.org/2003/03/44768.shtml). Ende 2004 hatte sie auf einer Veranstaltung einen Vorschlag zur friedlichen Beilegung ( http://de.indymedia.org/2004/11/99240.shtml) des seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts gemacht ( http://de.indymedia.org/2004/11/99236.shtml) und der führte zu einer Waffenruhe der ETA und zu offiziellen Verhandlungen der spanischen Regierung mit der ETA.
Dass dieser Prozess absurd ist, sind sich in Spanien fast alle einig. Denn obwohl die spanische Regierung unter Jose Luis Rodriguez Zapatero direkt mit der ETA verhandelte, wurde gegen sie kein Verfahren eingeleitet. Dass neben Ibarretxe und den Batasuna-Führern Arnaldo Otegi, Pernando Barrena, Rufi Etxeberria, Olatz Dañobeitia und Juan Joxe Petrikorena auch die baskischen Sozialistenchefs Patxi López ( http://de.indymedia.org/2006/06/148689.shtml) und Rodolfo Ares auf der Anklagebank sitzen, macht deutlich, dass den Sozialisten das repressive Parteiengesetz auf die Füße fällt. Im Schnellverfahren hatten sie es mit der konservativen Volkspartei (PP) durch die Instanzen gepeitscht, um Batasuna zu verbieten ( http://de.indymedia.org/2003/03/44127.shtml). Nun wurde also auch über Lopéz zu Gericht gesessen, der am 1. März bei den Regionalwahlen baskischer Regierungschef werden will, weil auch er im Dialog mit Batasuna gegen dieses Gesetz verstoßen habe.
Dass den Sozialisten der Prozess nicht passt, zeigte sich daran, dass ihr Ministerium für Staatsanwaltschaft darin kein Vergehen sah und keine Anklage erhob. Der Prozess wurde auf Basis von Anzeigen von zwei rechtsextremen Organisationen eröffnet. Doch ohne Anklage der Staatsanwaltschaft hatte der Oberste Gerichtshof in Spanien solche Verfahren fast immer für nichtig. Alleinige Ausnahme war das Verfahren gegen den baskischen Parlamentspräsidenten und zwei Fraktionschefs ( http://de.indymedia.org/2003/06/53932.shtml). In diesem Fall verurteilte sie der Oberste Gerichtshof Juan María Atutxa (PNV), Gorka Knörr (EA) und Kontxi Bilbao (IU) zu Geldstrafen, weil sie sich des "Ungehorsams" schuldig gemacht hätten, als sie 2003 nach dem Batasuna-Verbot deren Fraktion nicht auflösten. Sie dürfen zudem 18 Monate keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden.
Doch es war nicht zu erwarten, dass sich die Mehrheit der Richter im Fall, wo davon auch der Sozialist Patxi Lopez betroffen wäre, zu einer solchen Ausnahme durchringen würden und damit in direken Konflikt mit der Regierung begeben würden. So forderten die Sozialisten am Donnerstag die sofortige Einstellung des Verfahrens. Batasuna argumentierte ähnlich, deren Verteidigerin forderte aber die Suspendierung, um sich korrekt auf ein Hauptverfahren vorbereiten zu können. Anders als die übrigen Angeklagten sitzen die Batasuna-Führer fast alle in unterschiedlichen Knästen, weshalb die Verteidigung im Vorfeld erfolglos ihre Zusammenlegung beantragt hatte. Die spanische Regierung ließ die gesamte Parteiführung nach dem gescheiterten Friedensprozess inhaftieren ( http://de.indymedia.org/2007/10/196143.shtml), nur Otegi kam im vergangenen August frei ( http://de.indymedia.org/2008/09/225880.shtml).
Für eine Überraschung im Prozess hatte Ibarretxe gesorgt. Dessen Verteidiger forderte, das Hauptverfahren zu eröffnen, um einen Freispruch zu erreichen. Sonst wirke es wie eine Strafe, dass erstmals ein baskischer Regierungschef vor Gericht sitze. Das "legitime Recht zum Dialog" für eine Friedenslösung müsse verteidigt werden. "Knast für Dialog", dürfe nicht weiter im Raum schweben. Ibarretxe, der im März im Amt bestätigt werden will, versucht so die PP anzugreifen, die schon mit allen Mitteln den Friedensprozess torpediert hatte. Sie besetzte in ihrer Regierungszeit bis 2004 zentrale Stellen der Justiz mit Anhängern, die dieses Verfahren vorantrieben. Sie will den Friedensprozess aburteilen. Es ist auch kein Zufall, dass der Prozess nun direkt im Wahlkampf zelebriert wird.
Der Prozess wurde am Donnerstag ausgesetzt und heute gaben die Richter nun die erwartete Einstellung bekannt, eben weil es keine Anklage der Staatsanwaltschaft gab. Das ist angesichts der Tatsache, dass im Vorfeld diese Einstellung aus diesem Grund sechs Mal gefordert wurde, schon ein Skandal genug. Der Prozess hätte nie eröffnet werden dürfen. Die Einstellung ist zwar nun ein harter Schlag für die PP, die Ibarretxe und Lopez im Wahlkampf auf der Anklagebank sehen wollten und über den Friedensprozess zu Gericht sitzen lassen wollten, doch sie läßt eine Hinterfür offen. Auf die wiesen auch die Angeklagten hin, schließlich haben die Rechtsextremen einen Einspruch beim spanischen Obersten Gerichtshof angekündigt und der ist wieder stark von PP-Richtern besetzt, die wie im Fall Atutxas entscheiden könnten.
Eine definitive Entscheidung, dass Prozesse zur friedlichen Beilegung von Konflikten nicht justiziabel sind, schließlich werden Politiker zur Problemlösung von ihren Wählern in die Parlamente geschickt ist nicht gefallen. Wenn die PP irgendwann wieder die Macht hat kann sie über das Ministerium für Staatsanwaltschaft wieder Anklage erheben und dann sind die formalen Vorraussetzungen erfüllt. Otegi bezeichnete den Prozess als Versuch den Dialog als Mittel zur Beilegung von Konflikten anzugreifen. Er verteidigte die friedliche Konfliktlösung und bekräftigte den Friedensvorschlag von 2004, wonach alle Parteien sich an einen Tisch setzen sollten, um zu einem Übereinkommen zu kommen ( http://www.gara.net/azkenak/01/116082/es/Otegi-afirma-que-juicio-pretendia-poner-mas-obstaculos-procesos-futuros)
Die linke Unabhängigkeitsbewegung hat nun eine Liste (D3M) für die Wahlen am 1. März
präsentiert, um nach den neuen Verboten wieder ins baskische Parlament einziehen zu können ( http://www.gara.net/paperezkoa/20090111/115922/es/D3M-pide-apoyos-para-lograr-cambio-mirar-futuro). Sie wurde von historischen Führer von Herri Batasuna vorgestellt, die eigentlich alle gewählt werden könnten, denn ihnen wurden ja nie die Bürgerrechte entzogen. Der Name lautet: "Demokratie für drei Millionen" gemeint sind natürlich die Basken. Heute wurde damit begonnen die nötigen 18.000 Unterschriften zu sammeln. Sieht man sich die Verbote der letzten Jahre, ja sogar im Friedensprozess wurde ja eine Neugründung von Batasuna verboten ( http://de.indymedia.org/2007/05/175419.shtml), obwohl die neue Partei sogar das neue Parteiengesetz erfüllte, dann darf erneut ein undemokratisches Verbot aus Madrid erwartet werden. In spanischen Medien wird darüber spekuliert, die baskische Linke hoffe auf einen Rettungsschirm vom Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg, der alsbald über die Rechtmäßigkeit des Batasuna-Verbots entscheiden wird ( http://de.indymedia.org/2007/12/202645.shtml). Doch das ist wenig wahrscheinlich, denn in der abertzalen Linken hat man kaum Hoffnungen auf internationale Institutionen.
© Ralf Streck, den 12.01.2009
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