Samstag, 24. Januar 2009

Flüchtlinge brechen aus Lager aus


Weiter Chaos auf Lampedusa

Hunderte Flüchtlinge sind aus einem Auffanglager auf der italienischen Insel Lampedusa ausgebrochen, um gegen die neuen Abschiebeverfahren zu demonstrieren. Die verheerende Lage in dem Lager hat sich zwar wieder etwas entspannt - doch noch immer ist es deutlich überbelegt.

Von Gregor Hoppe, ARD-Hörfunkstudio Rom

"Freiheit" und "Hilfe" haben sie gerufen, die Flüchtlinge, die ohne größere Probleme und gewaltfrei aus dem Aufnahmelager auf Lampedusa ausbrachen und zum Rathaus der kleinen Insel zogen. Eine weitere Eskalation, die die Notlage der Menschen zeigt. Wie die Flüchtlinge das umzäunte Lager so einfach verlassen konnten? Der für Flüchtlingsfragen zuständige Präfekt aus dem Innenministerium, Mario Morconi, erklärte das so: "Dies ist ein Aufnahmelager. In Verwahrungslagern anderswo in Italien herrschen schärfere Sicherheitsvorkehrungen."

Und wie soll es nun weitergehen? Morconi verweist auf seinen Dienstherren in Rom, Innenminister Roberto Maroni von der separatistischen Lega Nord. Dieser hatte beschlossen, auf Lampedusa eine Militärbasis zu einem neuen Abschiebelager für Bootsflüchtlinge umzufunktionieren. Plan des Ministers war es, zum Zweck der Abschreckung keinen der Menschen, die in halb abgewrackten Schiffen an der Insel anlanden, mehr nach Norden weiterzuschicken. Damit war aber absehbar, dass die Kapazitäten auf Lampedusa binnen weniger Tage hoffnungslos überbelegt sein würden. Und so kam es auch.

Lager ist weiter deutlich überbelegt

Inzwischen hat sich die Lage in der bislang einzigen Unterkunft jedoch wieder etwas entspannt. Knapp 80 Frauen wurden in das neue Lager verlegt. Und mehr oder weniger stillschweigend schicken die Behörden seit kurzem die Flüchtlinge nun doch wieder in den Norden des Landes, in andere italienische Auffanglager. Im Ursprungslager verblieben sind nun rund 1300 Flüchtlinge, das sind allerdings immer noch 50 Prozent mehr als die vorgesehenen Aufnahmekapazität. Rom kündigte zudem an, in der nächsten Woche mit nordafrikanischen Regierungen Abkommen zu schließen. So soll die Abschiebung der Bootsflüchtlinge beschleunigt werden. Fraglich ist, ob die betreffenden Regierungen - vor allem Libyen - dabei die gleiche Eile verspüren wie Italien.

Flüchtlinge erheben schlimme Beschuldigungen

Auf Lampedusa kursieren von Seite der Flüchtlinge die schlimmsten Beschuldigungen gegenüber den Behörden: Von Elektroschocks und chemischer Ruhigstellung ist die Rede. Vorwürfe, die der Präfekt aus dem Innenministerium der Aufmerksamkeit der Medien zuschreibt: "Ich kann vom Menschlichen her verstehen, dass die Hoffnung oder die Verzweiflung die Menschen zu allen möglichen Dingen bringt. Es gibt hier Journalisten, es gibt die internationalen Hilfsorganisationen, und die Beamten, die jeden Tag die Lage besehen – ich weiß ehrlich gesagt nicht, was die Auswanderer alles erzählen." Allerdings protestiert auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gegen die Zustände und die Behandlung der Aufnahmesuchenden auf Lampedusa. Oppositionsabgeordnete sind vor Ort und erheben gleichfalls schwere Vorwürfe gegen die Regierung.

Eines scheint festzustehen: Mit seinem Plan, keine weiteren Verlegungen mehr von Lampedusa vorzunehmen, hat Innenminister Maroni das Chaos sehenden Auges in Kauf genommen. Und sich damit auch um die letzten Sympathien der Inselbewohner gebracht.

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