Samstag, 3. Januar 2009

Für Israel, gegen die Araber? Für die Araber, gegen die Juden?

In der Haltung zum Nahost-Konflikt und zum Islam sind Europas Rechtsextremisten und -populisten uneinig. Eines ist ihnen jedoch gemeinsam: ein tief verwurzelter Rassismus.

Von Bernard Schmid

Soll man als Rechtsextremist Israel hassen und als eine Art Weltzentrale des Bösen wahrnehmen, von der aus jüdische Weltverschwörer die Strippen ziehen? Oder soll man den nahöstlichen Staat in wertschätzen: als hochentwickelte »Insel der Zivilisation«, umgeben von der barbarischen »Dritten Welt« wie von einem Meer? Als einen wehrhaften Staat, der zeigt, wie man seine Umgebung militärisch in Schach hält – ähnlich wie Europa es mit den Hungerleidern von den anderen Kontinenten auch tun sollte?

Den zweiten Standpunkt nimmt jedenfalls der holländische Rechtspopulist Geert Wilders ein. Er wird demnächst in Israel, wo er sich privat schon über 40 mal aufhielt, einen großen Auftritt als Politiker haben – in den Räumen der Knesset. Nach einer Aufführung von Wilders’ umstrittenem Islamfilm »Fitna« wird im israelischen Parlament eine Konferenz unter dem programmatischen Titel »Facing Jihad« (sinngemäß: dem Heiligen Krieg des Islam ins Auge blicken) stattfinden. Eingeladen wurde Wilders vom Abgeordneten Arieh Eldad von der National-Religiösen Partei, die zusammen mit der Formation Israel Beitanou (Unser Haus Israel) eine rechtsextreme Allianz – Sprachrohr u.a. der radikalen Siedlerbewegung – bildet. Ursprünglich sollte die gemeinsame Veranstaltung am 15. und 16. Dezember dieses Jahres stattfinden. Da jedoch in Israel vorgezogene Neuwahlen für Februar ausgerufen wurden und der Wahlkampf begonnen hat, ist die Konferenz auf die Zeit nach diesen Wahlen verschoben worden.

Holocaust-Leugnung und Nähe zu Nazis

Eine Miniaturausgabe der Konferenz hat im Dezember dennoch stattgefunden. Vermutlich, weil die Räume in der Knesset bereits gemietet waren. Die breite internationale Beteiligung fiel aber ebenso aus wie (zumindest vorerst) die von Wilders angekündigte Gründung einer Allianz Europäischer Patrioten. An internationalen Prominenten war neben Wilders nur der US-Amerikaner Daniel Pipes (ein früherer Berater Ronald Reagans, pro-israelischer Rechter und berüchtigter Anti-Moslem-Hetzer) angereist. Pipes sprach davon, einen mit europäischen und US-Interessen kompatiblen »moderaten Islam« aufzubauen. Wilders hingegen betonte, die Attentate von Bombay bewiesen, »dass es keinen moderaten Islam geben kann«.

Mit Blick auf die »Großversion« der Konferenz forderte Wilders seine Gastgeber von der israelischen Rechten in einem Interview mit der Zeitung »Haaretz« dazu auf, auch den belgischen Vlaams Belang einladen – der soll aus Sicht von Wilders wohl neben dessen eigener niederländischer »Freiheitspartei« die zentrale Kraft in der Patrioten-Allianz werden. Bislang scheint aber nicht klar, ob Wilders' israelische Partner darauf eingehen, weil der Vlaams Belang ziemlich stark unter dem Verdacht eines Nazi-Geruchs steht.

In Wilders' Augen hat die Konferenz in Jerusalem stattzufinden, weil Israel nur die vorderste, hinausgeschobene Front im Kampf gegen »den Islam« – der durch Einwanderung Europa zu »überschwemmen« drohe – darstelle. Erwartet werden zu dem Treffen etwa 30 nationale und Europaparlamentarier aus den Niederlanden, aus Belgien, Italien, Dänemark, der Schweiz, Schweden und Großbritannien.

Die belgische Separatisten- und Rassistenpartei Vlaams Belang (Flämisches Interesse) hat selbst schon Konferenzen in Brüssel unter dem Motto »Counterjihad« ausgerichtet. Ihr Chef Franck Vanhecke erklärte Anfang November in einem Interview mit »Haaretz«, er sei »der glühendste Verteidiger Israels«. Die Neonazi-Homepage »Stormfront«, die gegen diesen »National-Zionismus« wettert, kommentierte hämisch: »Wir waren bei einer Konferenz der Parteijugend des Vlaams Belang in Brüssel. Unter den ausgelegten Büchern fanden sich Titel wie ›Die flämischen SS-Freiwilligen 1941- 45‹, ›Der wahre Adolf Hitler‹ und ›Die Wahrheit über den Holocaust‹. Die Teilnehmerschaft, mit sehr kurzen Haaren, wirkte nicht sehr pro-israelisch.« Vlaams-Belang-Chef Vanhecke selbst sprach sich – nachdem einzelne Parteimitglieder durch Holocaustleugnung auf sich aufmerksam gemacht hatten – in der Öffentlichkeit für eine »freie Meinung« zum Thema aus.

Es wäre zu kurz gegriffen, würde man annehmen, diese Schwankungen seien lediglich das Produkt einer taktischen Divergenz – etwa als Ausdruck der Kluft zwischen einer weltpolitisch geschickten, mondänen Führungsriege einerseits und Sprüchen für eine dumpfe Basis auf der anderen Seite. Die Dinge sind komplizierter. Denn die Frage, wie man zu Israel und den Arabern sowie »dem Islam« andererseits steht, ist einer der zentralen ideologischen Streitpunkte, an dem sich die Geister in der europäischen extremen Rechten entzweien.

Dabei steht gerade im Nahostkonflikt der Umgang mit historisch aufgeladenen Symbolen im Zentrum der ideologischen Konfrontationen: Der israelische Staat versucht seine Politik unter anderem dadurch zu legitimieren, dass er auf die Jahrhundert alte Geschichte der Unterdrückung von Juden verweist und seine heutigen Gegner in der Region mit den Antisemiten und Judenverfolgern von einst und jetzt zu identifizieren versucht. Umgekehrt verweisen die Araber auf die europäische Kolonialgeschichte, deren Opfer sie seien, und stellen die israelische Politik als deren Fortsetzung dar. In den Augen von Rechtsextremen muss das, bei so viel »Last der Geschichte«, schon fast Sympathie für die jeweils Kritisierten erzeugen.

Die Auseinandersetzung darüber, wie man sich vor diesem Hintergrund positioniert, ist jedoch mit anderen, strategischen Orientierungsfragen verknüpft. Man kann – grob gesprochen – jene politischen Kräfte, die seit den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts rechts von den liberal-konservativen Parteien aufsteigen, zwei gegensätzlichen Polen zuordnen. Jedenfalls in Westeuropa, während die extreme Rechte der deutschsprachigen Länder, aber auch Osteuropas eine Sonderrolle spielt. Auf der einen Seite findet man Parteien, die eine Ein-Punkt-Programmatik oder – noch öfter – ein aus zwei zentralen Punkten bestehendes Agitationsprogramm vertreten: gegen Einwanderung sowie gegen Steuern und sozialstaatliche Kosten. Man kann sie als eine Art von verschärfendem Korrektiv zu den Konservativen und Liberalen betrachten. Dies gilt etwa überwiegend für die holländischen Rechtspopulisten (gestern Pim Fortuyn, heute Geert Wilders) und ihre skandinavischen Pendants – beispielsweise in Gestalt der seit 30 Jahren auf der politischen Bühne präsenten Fortschrittspartei in Norwegen, die überwiegend ein Anti-Steuer-Programm vertritt.

Solche Kräfte verfolgen im Wesentlichen das Ziel, in der bürgerlichen Gesellschaft bestehende soziale Hierarchien noch zu vertiefen und gegen jene zu treten, die am weitesten unten stehen. Die vorherrschende »ethnische« Segmentierung des Arbeitsmarkts – auf dem die Arbeitsimmigration nach dem Zweiten Weltkrieg und bis zur Rezession von 1974 dazu diente, die am geringsten geschätzten Positionen aufzufüllen – hat zu einem solchen Zustand des Bewusstseins beigetragen. Ebenso die Erfahrung, dass zwar der Lebensstandard in den kapitalistischen Metropolenländern weit höher liegt als in der übrigen Welt; dass aber dieser Standard für die subalternen Klassen bereits wieder im Abbau begriffen ist (wobei es freilich das heimische Kapital ist, das diesen Abbau in Wirklichkeit vorantreibt). Teile der Gesellschaft möchten ihre einmal erreichte Position nun, mit aller Gewalt, gegen »den Rest der Welt« verteidigen.

Solche politischen Kräfte sind in der Regel fundamental pro-westlich eingestellt und sehen die Bedrohung in der Einwanderung, in der so genannten Dritten Welt und in der »Einkreisung« der reichen Metropolen. Dabei dient »der Islam« – die von ihnen ausgemalte globale Gefahr Nummer Eins – als wichtigste ideologische Chiffre. Diese vermag es, den Abscheu vor der »Barbarei« der armen – regelmäßig in einer vorherigen Phase vom Kolonialismus ausgeplünderten und/ oder durch die weltwirtschaftlichen Strukturen benachteiligten, mitunter auch »abgehängten« – Länder mit jenem gegen die Anwesenheit von Immigranten auf europäischem Boden zu verbinden. Das beinhaltet meist eine eher pro-amerikanische, und in der Mehrzahl der Fälle auch eine pro-israelische Ausrichtung.

Innere und äußere »Feinde«

Am entgegengesetzten Pol finden wir hingegen Parteien und Bewegungen, die auf der Erscheinungsebene eher als »revolutionäre Rechte« im Sinne des israelischen Historikers und Faschismus-Spezialisten Zeev Sternhell – auf den vor wenigen Wochen die extreme Rechte seines Landes ein Attentat verübt hat – betrachtet werden können oder wollen. Diese Kräfte reden nicht nur einer etwas verschärften Gangart gegen jene das Wort, die ohnehin sozial unten stehen. Sie wettern auch gegen die dominierenden gesellschaftlichen Eliten, oder jedenfalls gegen einen Teil von ihnen. Allerdings tun sie dies unter Zuhilfenahmen der gleichen argumentativen Grundform, die auch den vorher beschriebenen Rassismus und Sozialdarwinismus prägt, nämlich auf der Basis biologisierter Kriterien wie Abstammung, »Rasse«, Geburt. Dadurch wollen sie die Nation (oder Europa) nicht nur gegen »unten« und gegen »außen« abgrenzen – wie die Vertreter der oben genannten politischen Kräfte –, sondern nach allen Seiten hermetisch dicht machen.

Der Antisemitismus und verschwörungstheoretische Zugaben, etwa gegen finstere konspirative Lobbys, erlauben, was das Ein-Punkt-Programm des Diskurses gegen die Immigranten allein – das mit konservativer Politik und Hegemonie noch grundsätzlich vereinbar bleibt – nicht vermag. Es ermöglicht, eine alle möglichen gesellschaftlichen Aspekte umfassende, in sich geschlossene Gesellschaftstheorie und eine vermeintliche »revolutionäre Alternative« zu stiften. Wenn es darum geht, die Nation nach allen Seiten hin gegen äußere ebenso wie innere »Feinde« abzuriegeln, dann richtet sich dies auch gegen bürgerlich-demokratische Teile der Eliten, und gegen die Keime der »Subversion« innerhalb der herrschenden Gesellschaftsordnung selbst.

Auf dieser Grundlage kann man noch weit effektiver um die Verlierer der Gesellschaft werben und eine auf Dauer von den bürgerlich-konservativen Parteien autonom auftretende, »gehärtete« politische Kraft aufbauen. Solche politischen Kräfte schmücken sich oftmals mit anti-westlichen ideologischen Versatzstücken und erklären sich die bestehende internationale Hierarchie auf verschwörungstheoretische Weise. Ihr Masseneinfluss wächst oftmals vor dem Hintergrund einer ideologischen Krise oder eines Niedergangs der Linken. Dies gilt etwa, in den Jahren nach 1989, für den französischen Front National.

Eine Sonderstellung bei dem ganzen Fragekomplex nimmt die deutschsprachige Rechte in Deutschland und Österreich ein: Bei ihr steht die Abwehr historischer Schuld der eigenen Nation im Vordergrund, und dieser Versuch richtet sich auch gegen – aus der NS-Vergangenheit resultierende – Ansprüche und Kritik aus Israel. Ein Jörg Haider ebenso wie ein Jürgen Möllemann konnten erfolgreich auf der Klaviatur des »Man wird doch noch über Israel sagen dürfen ...« spielen. Dies namentlich vor dem Hintergrund eines sekundären Antisemitismus, der den Juden und Israel nicht verzeiht, dass vermeintlich eine »Normalisierung« der eigenen Nation ausbleibe.

Die osteuropäische Rechte ihrerseits weist wesentlich weniger die pro-amerikanische und pro-wirtschaftsliberale Komponente auf, die beispielsweise die holländischen Anhänger Pim Fortuyns oder Geert Wilders’ prägten. Dies hängt zum Einen besonders damit zusammen, dass wesentliche Teile der osteuropäischen Gesellschaften, und namentlich die soziale Basis dieser Parteien, zu den Verlieren des Transformationsprozesses hin zur neoliberalen Marktwirtschaft nach 1989 zählten. Einen klassischen Mittelstand, der von sozialem Abstieg gegenüber den Jahren davor bedroht wäre, gab es dort in der Ära nach 1989 nicht.

Vor diesem Hintergrund ist »der Westen«, aber insbesondere auch Israel im Diskurs dortiger rechter Parteien – die oft soziale Frustrationen ihres Publikums artikulieren und nationalistisch oder rassistisch aufladen – oft stark negativ besetzt. Hinzu kommt, dass etwa in der polnischen oder russischen politischen Landschaft der Antisemitismus traditionell relativ stark verankert ist. Heute kann er sich mit Verschwörungstheorien vermischen, die vermeintlich erklären, wie die eigenen Ländern unter die Räder westlicher Vorherrschaft geraten konnten.

In Ungarn vertritt die rechtsextreme Partei der Wahrheit und des Lebens unter dem berüchtigten Schriftsteller Istvan Csurka (sie wurde zu Anfang des Jahrzehnts vom konservativen Lager unter dem damaligen Regierungschef Viktor Orban zeitweise als Bündnispartner umworben) einen rabiaten antisemitischen Diskurs. In ihm ist der Staat Israel rein negativ besetzt. So erklärte Csurka am 12. September 2001, einen Tag nach den Anschlägen in New York und Washington: »Die unterdrückten Völker der Welt konnten nicht die Erniedrigung durch die Globalisierung, die Ausbeutung und den in Palästina planmäßig durchgeführten Völkermord ohne einen Antwortschlag erdulden.«

Mittelschicht oder Marginalisierte

Die große Ausnahme unter den rechtsextremen Parteien in Osteuropa bildet die »Großrumänienpartei« PRM unter dem zuweilen exzentrisch auftretenden Cornelius Vadim Tudor. Dieser Parteiführer, der noch im Jahr 2000 stolze 28 Prozent bei einer Präsidentschaftswahl erhielt, derzeit aber auf dem absteigenden Ast zu sitzen scheint, hat zwar in der Vergangenheit ebenfalls durch rabiate antisemitische Sprüche auf sich aufmerksam gemacht. In den Jahren 2003/04 erklärte er, seine Einstellung gegenüber dem Staat Israel positiv gewandelt zu haben, und engagierte die israelische Kommunikationsfirma von Eyal Arad für seine PR. Arad ist ein windiger Geschäftsmann, der später in Israel wegen massiven Steuerbetrugs verurteilt wurde. Vermutet wird allerdings, dass Vadim Tudor – wie man es von anderen Antisemiten kennt – in dem Glauben handelte, der jüdische Einfluss sei so stark, dass man sich (vorläufig) gut mit ihm stellen müsse, um nicht behelligt zu werden.

Die Positionen rechtsextremer Parteien in Europa bewegen sich in einem Spektrum von extrem pro-israelisch bis extrem anti-israelisch. In osteuropäischen Ländern, aber auch bei deutschsprachigen Rechtsextremen überwiegt letztere Variante. In Westeuropa finden sich beide Variationen – für welche eine rechtsextreme Partei eintritt, hängt oft von anderen Faktoren ab: etwa von der Haltung zu den USA. Es kommt nicht zuletzt darauf an, ob die Rechtsextremisten eher um Mittelklassen und Wohlstandschauvinisten werben oder ob sie die soziale Wut der Marginalisierten auf ihre Mühlen zu lenken versuchen.

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