Montag, 12. Januar 2009

Was hat der Nahost-Konflikt mit Religion zu tun?

Reaktionen auf STANDARD-Kommentare und -Berichte zur Gaza-Offensive der israelischen Armee im Allgemeinen und zu den einschlägigen Protest- und Solidaritätskundgebungen in Österreich im Besonderen

Immer wieder stößt man, auch im Standard, auf Formulierungen, die den Eindruck nahelegen, dass die Autoren den israelisch-palästinensischen Konflikt ausschließlich oder überwiegend als einen islamisch-jüdischen Religionskonflikt interpretieren, obwohl sein primärer Charakter zweifellos ein kolonialer ist. Zwei Beispiele: Im Standard vom 3. Jänner findet man da auf Seite 1 ein Foto mit dem Bildtext: „Musliminnen protestieren gegen die Gaza-Angriffe in Wien. Die Behörden befürchteten Auseinandersetzungen mit Teilnehmern einer projüdischen Kundgebung, es blieb jedoch friedlich." Abgesehen davon, dass es schon einigermaßen verwunderlich ist, eine Straßenaktion von Israel-Lobbyisten mit geschätzten 10 bis 15 Teilnehmern gewissermaßen als Gegenveranstaltung zu einer Großdemonstration mit rund 10.000 Teilnehmern darzustellen, hatte die Aktion dieser Lobbyisten absolut keinen jüdischen, sondern ausschließlich pro-israelischen Charakter.

In der gleichen Ausgabe findet sich ein Bericht über eine Kundgebung, welche zwei Tage früher vor der israelischen Botschaft stattgefunden hat, veranstaltet von zwei Organisationen, denen zumindest ein gewisser jüdischer Charakter nicht abzusprechen ist: „Frauen in Schwarz" und die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten". Dabei kam es auch zu einer kurzen und heftigen Debatte mit dem israelischen Botschafter, der die Kundgebung als eine „Pro-Hamas-Demonstration" bezeichnete. Dass dann der Bericht im Standard diese Etikettierung übernahm, die Herkunft der Organisatoren aber völlig unter den Tisch fallen ließ, ist doch einigermaßen befremdlich.

Die tatsächlichen Wurzeln des Nahostkonflikts liegen nun einmal nicht im Religionsbekenntnis, sondern in der großteils gewaltsamen Eroberung der Heimat eines Volkes durch ein anderes. Wer dies ignoriert, wird den Nahostkonflikt nie verstehen und auch keine brauchbaren Lösungen dafür zustande bringen.(Fritz Edlinger, Generalsekretär Gesellschaft für Österreichisch-Arabische
Beziehungen)

Als Organisatorin der Mahnwache der „Frauen in Schwarz (Wien)" und der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost (EJJP-Österreich)" am 30. Dezember 2008 vor der Israelischen Botschaft in Wien, war ich über Ihre inhaltlich falsche Berichterstattung, wonach diese Veranstaltung eine „Pro-Hamas"-Kundgebung gewesen wäre, wahrhaftig schockiert.

Diese Mahnwache wurde von Teilnehmern der beiden oben genannten Gruppen abgehalten, die verschiedener Herkunft sind und aus den unterschiedlichsten Berufen und Religionen stammen. Sie sind Menschen mit hoher Reputation, respektiert in unserer Gesellschaft, und kamen zur Botschaft, um gegen die eklatanten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zu protestieren, die im Gazastreifen durch die israelische Armee verübt werden. (Paula Abrams-Hourani, 1070 Wien)

Dr. Anas Schakfeh wird unter Intellektuellen gern als „moderater" islamischer Gesprächspartner gesehen. Seine im Standard-Interview geäußerten Ansichten („Hier geht es nicht um die Juden an sich", 2. 1. 2009) vermitteln hingegen eine Mischung aus Unwahrheiten und Menschenverachtung.

„Es gibt keinen islamischen Antisemitismus": Der arabische Antijudaismus manifestiert sich in eindeutigen Suren im Koran (5:82 „Juden als die allerschlimmsten Feinde der Gläubigen"), in antijüdischen Pogromen (Hebron 1929, 1936, Safed 1929), Judenverfolgungen (Nord-Afrika, Syrien, Jemen etc.), Vertreibung von 900.000 Juden (samt Einziehung ihres Vermögens) aus fast allen arabischen Staaten seit 1947 (die meisten von ihnen wurden in Israel integriert), Hasstiraden in Moscheen und Hetze in Schulbüchern.

Was heißt „verhältnismäßig" reagieren? Soll Israel nach jeder Hamas-Rakete ungezielt auf Gaza- Stadt zurückschießen? Auf jeden durch Selbstmörder in die Luft gesprengten israelischen Bus mit der Sprengung eines arabischen Busses antworten?

„Die Vernichtung Israels eine Utopie": Hier merkt man das Bedauern des „moderaten" Schakfeh, dass das nicht gelungen ist. Es ist ein Kennzeichen aller Antijudaisten, dass sie den Juden, als einzigem Volk der Welt, das Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht absprechen!

(Dr. Theodor Much, per Internet)

85 Organisationen haben am 2. Jänner eine Demonstration für Gaza veranstaltet. Der _Standard berichtete, die Hamas habe zum „Tag des Zorns" aufgerufen; die IMÖ habe die Kundgebung angemeldet. Dies ist nachweislich falsch, die IMÖ hat die Kundgebung nicht angemeldet. Mit solcher Berichterstattung wird suggeriert, dass die Initiative und ich Befehlsempfänger der Hamas in Wien seien. Nichtsdestotrotz bin ich auf die Demonstration gegangen - nicht weil die Hamas dazu aufgerufen hat, sondern weil ich zum völkerrechtswidrigen Vorgehen Israels gegen die Zivilbevölkerung in Gaza nicht schweigen wollte und konnte. (DI. Omar Al-Rawi, Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) )

P.S.: Hans Rauscher hat unlängst in einer seiner Seite-1-Glossen unter dem Titel „Was Guckst du?" die Aussagen des grünen Bundesrates Dönmez bewertet: „Ein blöder Spruch ist ein blöder Spruch, auch wenn er nicht von einem aus der Strache-Fraktion kommt." Dem kann man nur beipflichten. Doch dann heißt es: „Er ist nämlich einer jener äußerst seltenen Vertreter der muslimischen Zuwanderer-Community, der zu Selbstkritik bereit ist." -

Dazu zwei Anmerkungen:

  1. Dönmez ist laut eigenem Bekunden alevitischer Herkunft und ohne Bekenntnis.
  2. Würde ein Politiker afrikanischen Pfarrern in Österreich mit den Worten „Pfarrer brauchen eine Ausbildung und dürfen keine Bloßhapperten aus dem Busch sein" begegnen, würde wohl jedem der plumpe Rassismus ins Auge stechen - und sicher niemand auf die Idee kommen, dieses Statement als Selbstkritik eines Vertreters der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu werten ...

Christliches Verständnis
Ich habe insofern Verständnis für die Hamas, weil die Palästinenser wie in einem Gefängnis leben müssen - ja teilweise sogar noch schlechter, weil in einem Gefängnis die Gefangenen wenigstens mit den notwendigen Lebensmitteln versorgt werden und eine normale Gesundheitsversorgung haben.
Der Krieg gegen die Palästinenser verstößt gegen das Völkerrecht und auch gegen jegliches humanitäre Empfinden. Wahrer Friede ist erst dann möglich, wenn ich nicht nur für die Leiden des eigenen Volkes sensibel bin, sondern auch für die Leiden des Feindes. (Franz Sieder, kath. Priester, „Christen für die Friedensbewegung", 3300 Amstetten)

Wo war der Protest früher?
Weshalb war all die Zeiten über, in welchen Israels Zivilgebiete tagtäglich von von der Hamas abgeschossenen Raketen getroffen wurden, nicht eine kritische Zeile jener Leserbriefschreiber gegenüber der Hamas zu lesen, die jetzt Israels Reaktion darauf kritisieren. (Hans Gamliel, 9400 Rohrschach) (DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2009)

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