Auf einem israelischen Berg nahe des Gazastreifens sammeln sich Kriegstouristen, die jede Explosion jenseits der Grenze mit Applaus kommentieren - als wäre ein Tor im Fußball gefallen. Die von dort berichtenden Journalisten müssen sich Häme gefallen lassen.
Berg der Schande heißt die Erhebung mit dem besten Blick auf den Gaza-Streifen inzwischen im Journalistenjargon. "Hill of Shame" deshalb, weil er zum Symbol des israelischen Umgangs mit der Welt-Presse geworden ist. Israel lässt nach wie vor keine ausländischen Berichterstatter in das Kriegsgebiet. Was die Betroffenen davon halten, spiegelt sich im Namen, den sie ihrem Ausweichquartier gegeben haben.
Dutzende Fernsehteams drängen sich am Abend auf der Anhöhe. Sie sind hier, um wenigstens aus der Ferne die Bilder der Zerstörung zu zeigen, die das wohl schwerste Bombardement seit Kriegsbeginn vor drei Wochen anrichtet.
Das ist nicht leicht: Denn zu den Journalisten haben sich etwa hundert israelische Schlachtenbummler gesellt, die ihr möglichstes tun, um die Reporter an der Arbeit zu hindern. Eine winzige Minderheit, deren Verhalten jedoch für Empörung unter den Journalisten sorgt.
Als ein türkischer Korrespondent zu einem Live-Aufsager ansetzt, brüllen sie dazwischen. "Türke, geh nach Hause", skandieren Dutzende Männer, einige von ihnen in der Tracht der Ultra-Orthodoxen. "Muslime raus aus Israel!" Dann werden die Störer abgelenkt. In der Ferne fliegen Salven orangeglühender Panzergranaten in Richtung einer Häuserfront. "Eins, zwei, drei – Bumm", jubeln die Männer und applaudieren, als ein paar Sekunden später das Wummern der Explosionen den Hügel hinaufschallt.
Über Gaza liegt zu diesem Zeitpunkt schon ein Teppich aus schwarzen Rauchwolken. Am Horizont ist ein loderndes Feuer zu erkennen: Der Lage nach müsste es das UNRWA-Hauptquartier sein, das am Mittag von der israelischen Armee beschossen wurde.
Auf Seiten der Palästinenser gab es im Lauf der letzten Jahre immer wieder Bilder von jubelnden Gruppen, wenn irgendwo ein Selbstmordattentäter Menschen in den Tod riss. Auch bei rechts-nationalistischen Israelis kam es immer wieder zu Freudenbekundungen, wenn palästinensische Ziele angegriffen wurden. Doch Szenen, wie man sie jetzt auf dem "Hügel der Schande" erlebt, sind in dieser Qualität in Israel neu.
Es ist nicht möglich, mit den Schaulustigen auf dem Hügel zu sprechen, zu hören, was sie zu ihrem Verhalten bewegt: Einige Angesprochene drehen sich weg, einer tut so, als würde er ausspucken.
"Israel hat den Eindruck, dass die Weltpresse nicht fair berichtet", sagt einer, der dann doch reden will. Hagai Ben Kuzari wohnt im Kibbutz Nir Am, wenige hundert Meter von dem Presse-Hügel entfernt. Der Filmstudent wollte mit eigenen Augen sehen, wie die Presse arbeitet, deshalb ist er nach der Uni hergefahren.
Die ersten, die er traf, waren jedoch keine Journalisten, sondern nur als solche verkleidet: Drei Frauen aus der Nähe aus Tel Aviv fanden es lustig, sich mit Perrücken und Clowns-Nase unter die Presseleute zu mischen. Eine hielt einen Spielzeug-Fernseher und eine Puppe in der Hand. Immer wieder tat sie so, als müsse sie weinen: Es sollte eine Parodie auf die westliche Presse sein, die zu viele Tränen über die in Gaza getöteten Kinder vergießt.
Ben Kuzari ist ob des Verhaltens seiner auf dem Hügel versammelten Landsleute schockiert. "Die Leute hier verhalten sich, als seien sie bei einem Fußballspiel, dabei sterben da drüben Menschen", sagt er.
Natürlich könne man der Ansicht sein, dass der Krieg gegen die Hamas gerechtfertigt sei: "Ich weiß, wie zermürbend die ständige Angst vor den Kassams ist." Seit eineinhalb Jahren schon lebe er im Kibbutz und somit in Reichweite der Geschosse. "Aber das heißt doch nicht, dass ich mich freue, wenn Palästinenser sterben", sagt er.
In diesem Moment schießt im Hintergrund eine riesige, betongraue Rauchwolke auf – ein israelischer Hubschrauber hat ein Gebäude getroffen. Die Menge johlt.
"Das ist eine Schande", sagt Ben Kuzari und schüttelt auf dem "Hill of Shame" den Kopf.
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