Eine Jüdin solidarisiert sich mit den Palästinensern: "Möchte schreien, aber kann nur weinen"
Zur Person: Frau des Friedens Paula Abrams-Hourani
Ganz in Schwarz gehüllt, öffnet sie uns die Tür zu ihrer Altbauwohnung in der Wiener Kirchengasse. Ihr Mann, der palästinensische Schriftsteller Fayssal Hourani, werkt in der Küche. "Er kann viel besser Kaffee kochen als ich", erklärt die Friedensaktivistin und wirft ihm einen dankbaren Blick zu, als er den wunderbaren Kaffee serviert. Es ist ganz still im Wohnzimmer, nur auf dem weißen Flügel flackert ein kleines Kerzenlicht.
Paula Abrams-Hourani hat ausdrucksstarke, traurige dunkle Augen. Sie spricht gepflegtes Deutsch, aber wenn ihre Gedanken heftig werden, wechselt sie übergangslos ins Amerikanische. "So angeregt wie ihr euch unterhaltet, habt ihr den jüdisch-palästinensischen Konflikt bald gelöst", meint Fayssal mit verzweifeltem Lächeln, bevor er wieder lautlos in der Küche verschwindet.
Frau Abrams-Hourani, wie haben Sie Silvester verbracht?
Paula Abrams-Hourani: Sehr leise und zurückgezogen, mit meinem Mann hier in unserer Wohnung. Wem ist in dieser Zeit schon nach Feiern zumute? Das einzige Feuerwerk, das uns berührt, ist jenes in Gaza.
Mehr als 440 Tote und Tausende Verletzte haben die Angriffe der israelischen Luftwaffe im Gaza-Streifen bislang gefordert. Wie geht es Ihnen als Friedensaktivistin mit diesen Zahlen?
Ich bin entsetzt und deprimiert. Am liebsten möchte ich laut schreien, aber alles was ich tun kann, ist weinen. Es ist schwer für mich zu schlafen, wenn in den besetzten Gebieten so viele unschuldige Menschen sterben, unter ihnen viele Frauen und Kinder.
Wie kommt es, dass Sie als Jüdin nicht auf der Seite von Israel stehen?
Das wird mir sehr oft vorgeworfen. Ich sei beeinflusst von meinem Mann, der Palästinenser ist. Aber ich habe mich schon, bevor ich Fayssal kennengelernt habe, immer mehr von Israel entfernt. Je öfter ich in die besetzten Gebiete gefahren bin, und dort die Verbrechen des israelischen Militärs gesehen habe – Tötungen, Massaker, Zerstörungen – desto sicherer war ich mir, nie mehr auf dieser Seite stehen zu wollen.
Aber auch die andere Seite tötet: 10.300 Raketen hat die radikale Hamas seit 2001 auf israelische Grenzstädte abgeschossen.
Das ist richtig, und ich will auf keinen Fall die Hamas verteidigen. Man kann aber deren selbstgebastelte Raketen auf keinen Fall mit den hochtechnologischen Waffen der Nuklearmacht Israel vergleichen. Außerdem: Was erwartet man von Menschen, die seit vielen Jahrzehnten eingesperrt sind in einem Freiluftgefängnis, einem Getto, umschlossen von Hochsicherheit und Mauern, aus dem es kein Entrinnen gibt?
Israel verteidigt sein Vorgehen mit dem Argument, dass es seine Bevölkerung vor den Selbstmordattentätern und Raketen der Palästinenser schützen muss.
Damit versucht Israel, seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu rechtfertigen bzw. zu vertuschen. Was die Verzweiflungstaten der Palästinenser betrifft, so macht die Abhängigkeit von Israel dieses Volk einfach zornig, denn Israel entscheidet, ob Wasser, Elektrizität, Lebensmittel und Medikamente nach Gaza hineingelassen werden. Von Abraham Lincoln stammt das Zitat "You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time.” Das gilt auch für die Lage im Gaza-Streifen.
Was können die "Frauen in Schwarz" mit ihren Protesten da erreichen?
Marareth Mead, eine großartige Anthropologin, hat gesagt: "Zweifellos kann eine kleine Gruppe von überzeugten Menschen die Welt verändern. Denken Sie nur an Jean Ziegler, diesen mutigen, klugen Kämpfer gegen die Armut. Außerdem müssen wir einfach dafür sorgen, dass auch die andere Wahrheit ans Licht kommt.
Welche Wahrheit meinen Sie?
Was ich sage, will keiner hören. Trotzdem: Israel nennt sich demokratisch und ignoriert die Menschenrechte. Israel wurde von den Vereinten Nationen gegründet und hat seither alle Resolutionen dieser Organisation ignoriert. Israel agiert mit seinem Rassismus nicht nur gegen die Palästinenser, sondern gefährdet die Zukunft seines eigenen Volkes.
Verstehen Sie jene Israelis, die trotzdem wollen, dass ihr Staat jüdisch bleibt?
Darüber kann man mit den meisten Israelis nicht sprechen. Hier kommt stets der Holocaust ins Spiel. Aber die Demokratie sollte über der Religion stehen. Ich fürchte, dass das, was derzeit in Gaza passiert, den Antisemitismus auf der Welt verstärken und letztlich den Weltfrieden gefährden wird. Deshalb fordern auch immer mehr jüdische Menschen Sanktionen und Boykott gegen Israel. Auf diese Stimmen hört man aber nicht genug. Über sie wird auch nicht berichtet.
Haben Sie gar keine Angst, als Jüdin die Vorwürfe gegen Israel so offen auszusprechen?
Nein, das ist der Luxus des Alters, dass ich alles sagen kann, wovon ich überzeugt bin.
Sind Sie enttäuscht von Ihrem Präsidenten, Barack Obama, der sich bislang noch gar nicht zu dieser Tragödie im Nahen Osten geäußert hat?
Er ist nicht mein Präsident! Mein Präsident ist Heinz Fischer, ich bin nämlich seit einem Jahr Österreicherin. Zu Barack Obama fällt mir nicht viel ein, außer dass er seine allererste Rede an die israelische Lobby gehalten hat.
Was wollen Sie damit sagen, Frau Abrams-Hourani?
Dass sich Israel sein brutales Vorgehen ohne die Supermacht Amerika im Rücken nicht leisten könnte. Die wahre Tragödie ist, dass auch die Europäische Union dieser Linie letztlich folgt, genauso wie manche arabische Staaten von den USA abhängig sind.
Wenn Sie einen Tag lang die Welt regieren könnten, was würden Sie machen?
Israel zur Vernunft bringen. Verhandlungen ankündigen, bei denen Israelis und Palästinenser vollkommen gleichberechtigt sind. Den Staatsterror in den besetzten Gebieten beenden und dem palästinensischen Volk endlich die Freiheit schenken.
Zur Person: Frau des Friedens Paula Abrams-Hourani
Ihr Leben: Paula Abrams-Hourani, geboren als Tochter jüdischer Eltern am 14. Juni 1940 in Cleveland, Ohio (USA). Tanz- und Musikstudium in Toronto, New York und Salzburg. In Wien arbeitet sie für die IAEA (International Atomic Energy Agency) und lernt ihren Mann, einen palästinensischen Schriftsteller, kennen. Er bringt drei Töchter in die Ehe mit. Seit 2007 ist Abrams-Hourani österreichische Staatsbürgerin.Dienstagvormittag dieser Woche vor der israelischen Botschaft in Wien-Währing: Eine Gruppe von "Frauen in Schwarz" demonstriert gegen die Angriffe Israels auf Gaza. "UN-Resolutionen gelten auch für Israel." "Stoppt das Massaker in Gaza!" "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost." Die jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost gehört Paula Abrams-Hourani.
Ihr Kampf: Die Friedensaktivistin sammelt Gelder für kurdische Flüchtlinge nach dem ersten Irak-Krieg sowie für bosnische Flüchtlinge während des Jugoslawien-Konflikts, für jüdische Familien in Sarajevo und eine Kinderbibliothek in einem Flüchtlingslager in Gaza. 2001 initiiert sie die Friedensinitiative "Women in Black" in Wien. Paula Abrams-Hourani ist Mitglied des "Exekutiv-Komitees der europäischen Juden für gerechten Frieden in Nahost" und hat viele Reisen nach Israel und in die besetzten palästinensischen Gebiete unternommen.
Ihre Mitstreiterinnen: "Frauen in Schwarz" ist eine weltweite Initiative gegen Krieg, Gewalt, Besatzung und Militarismus. Zuletzt demonstrierten die "Frauen in Schwarz" vor der israelischen Botschaft in Wien gegen die Kriegsverbrechen am palästinensischen Volk.
Ganz in Schwarz gehüllt, öffnet sie uns die Tür zu ihrer Altbauwohnung in der Wiener Kirchengasse. Ihr Mann, der palästinensische Schriftsteller Fayssal Hourani, werkt in der Küche. "Er kann viel besser Kaffee kochen als ich", erklärt die Friedensaktivistin und wirft ihm einen dankbaren Blick zu, als er den wunderbaren Kaffee serviert. Es ist ganz still im Wohnzimmer, nur auf dem weißen Flügel flackert ein kleines Kerzenlicht.
Paula Abrams-Hourani hat ausdrucksstarke, traurige dunkle Augen. Sie spricht gepflegtes Deutsch, aber wenn ihre Gedanken heftig werden, wechselt sie übergangslos ins Amerikanische. "So angeregt wie ihr euch unterhaltet, habt ihr den jüdisch-palästinensischen Konflikt bald gelöst", meint Fayssal mit verzweifeltem Lächeln, bevor er wieder lautlos in der Küche verschwindet.
Frau Abrams-Hourani, wie haben Sie Silvester verbracht?
Paula Abrams-Hourani: Sehr leise und zurückgezogen, mit meinem Mann hier in unserer Wohnung. Wem ist in dieser Zeit schon nach Feiern zumute? Das einzige Feuerwerk, das uns berührt, ist jenes in Gaza.
Mehr als 440 Tote und Tausende Verletzte haben die Angriffe der israelischen Luftwaffe im Gaza-Streifen bislang gefordert. Wie geht es Ihnen als Friedensaktivistin mit diesen Zahlen?
Ich bin entsetzt und deprimiert. Am liebsten möchte ich laut schreien, aber alles was ich tun kann, ist weinen. Es ist schwer für mich zu schlafen, wenn in den besetzten Gebieten so viele unschuldige Menschen sterben, unter ihnen viele Frauen und Kinder.
Wie kommt es, dass Sie als Jüdin nicht auf der Seite von Israel stehen?
Das wird mir sehr oft vorgeworfen. Ich sei beeinflusst von meinem Mann, der Palästinenser ist. Aber ich habe mich schon, bevor ich Fayssal kennengelernt habe, immer mehr von Israel entfernt. Je öfter ich in die besetzten Gebiete gefahren bin, und dort die Verbrechen des israelischen Militärs gesehen habe – Tötungen, Massaker, Zerstörungen – desto sicherer war ich mir, nie mehr auf dieser Seite stehen zu wollen.
Aber auch die andere Seite tötet: 10.300 Raketen hat die radikale Hamas seit 2001 auf israelische Grenzstädte abgeschossen.
Das ist richtig, und ich will auf keinen Fall die Hamas verteidigen. Man kann aber deren selbstgebastelte Raketen auf keinen Fall mit den hochtechnologischen Waffen der Nuklearmacht Israel vergleichen. Außerdem: Was erwartet man von Menschen, die seit vielen Jahrzehnten eingesperrt sind in einem Freiluftgefängnis, einem Getto, umschlossen von Hochsicherheit und Mauern, aus dem es kein Entrinnen gibt?
Israel verteidigt sein Vorgehen mit dem Argument, dass es seine Bevölkerung vor den Selbstmordattentätern und Raketen der Palästinenser schützen muss.
Damit versucht Israel, seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu rechtfertigen bzw. zu vertuschen. Was die Verzweiflungstaten der Palästinenser betrifft, so macht die Abhängigkeit von Israel dieses Volk einfach zornig, denn Israel entscheidet, ob Wasser, Elektrizität, Lebensmittel und Medikamente nach Gaza hineingelassen werden. Von Abraham Lincoln stammt das Zitat "You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time.” Das gilt auch für die Lage im Gaza-Streifen.
Was können die "Frauen in Schwarz" mit ihren Protesten da erreichen?
Marareth Mead, eine großartige Anthropologin, hat gesagt: "Zweifellos kann eine kleine Gruppe von überzeugten Menschen die Welt verändern. Denken Sie nur an Jean Ziegler, diesen mutigen, klugen Kämpfer gegen die Armut. Außerdem müssen wir einfach dafür sorgen, dass auch die andere Wahrheit ans Licht kommt.
Welche Wahrheit meinen Sie?
Was ich sage, will keiner hören. Trotzdem: Israel nennt sich demokratisch und ignoriert die Menschenrechte. Israel wurde von den Vereinten Nationen gegründet und hat seither alle Resolutionen dieser Organisation ignoriert. Israel agiert mit seinem Rassismus nicht nur gegen die Palästinenser, sondern gefährdet die Zukunft seines eigenen Volkes.
Verstehen Sie jene Israelis, die trotzdem wollen, dass ihr Staat jüdisch bleibt?
Darüber kann man mit den meisten Israelis nicht sprechen. Hier kommt stets der Holocaust ins Spiel. Aber die Demokratie sollte über der Religion stehen. Ich fürchte, dass das, was derzeit in Gaza passiert, den Antisemitismus auf der Welt verstärken und letztlich den Weltfrieden gefährden wird. Deshalb fordern auch immer mehr jüdische Menschen Sanktionen und Boykott gegen Israel. Auf diese Stimmen hört man aber nicht genug. Über sie wird auch nicht berichtet.
Haben Sie gar keine Angst, als Jüdin die Vorwürfe gegen Israel so offen auszusprechen?
Nein, das ist der Luxus des Alters, dass ich alles sagen kann, wovon ich überzeugt bin.
Sind Sie enttäuscht von Ihrem Präsidenten, Barack Obama, der sich bislang noch gar nicht zu dieser Tragödie im Nahen Osten geäußert hat?
Er ist nicht mein Präsident! Mein Präsident ist Heinz Fischer, ich bin nämlich seit einem Jahr Österreicherin. Zu Barack Obama fällt mir nicht viel ein, außer dass er seine allererste Rede an die israelische Lobby gehalten hat.
Was wollen Sie damit sagen, Frau Abrams-Hourani?
Dass sich Israel sein brutales Vorgehen ohne die Supermacht Amerika im Rücken nicht leisten könnte. Die wahre Tragödie ist, dass auch die Europäische Union dieser Linie letztlich folgt, genauso wie manche arabische Staaten von den USA abhängig sind.
Wenn Sie einen Tag lang die Welt regieren könnten, was würden Sie machen?
Israel zur Vernunft bringen. Verhandlungen ankündigen, bei denen Israelis und Palästinenser vollkommen gleichberechtigt sind. Den Staatsterror in den besetzten Gebieten beenden und dem palästinensischen Volk endlich die Freiheit schenken.
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