Nahost und die gespaltene Linke
Von Peter Nowak
Ein linkes Hausprojekt in Frankfurt am Main ist im Sommer 2005 zutiefst zerstritten: Ein Jugendlicher hat einen Davidstern und eine mit Israel solidarische Parole an eine Hauswand gemalt und ist daraufhin von einigen Hausbewohnern verprügelt worden. Auf einer Sommerschule der trotzkistischen Socialist Worker Party (SWP) outet sich im 2006 der Islamist Azzam Tamimi als Mitglied der Muslimbruderschaft und Hamas-Unterstützer und erhält stehende Ovationen.
Der Leipziger Sozialwissenschaftler Peter Ullrich hat 57 Linke aus den unterschiedlichsten Spektren in Deutschland und Großbritannien interviewt. Er wollte wissen, warum Linke, die alle gleichermaßen Marx zitieren, einerseits für bedingungslose Solidarität mit Israel eintreten, andererseits uneingeschränkte Parteinahme für die Hamas einfordern. Man könnte die Frage noch erweitern. Auch Menschen, die sich auf Bakunin oder Negri berufen, fühlen sich entweder mit Israel oder den Palästinensern verbunden.
Ullrich registriert unterschiedliche Diskursfelder in Deutschland und in Großbritannien. Hierzulande erfolgt jede Stellungsnahme im Nahostkonflikt im Schatten der NS-Vergangenheit. Dieser Befund gilt nicht nur für die israelsolidarische Strömung. »Selbst viele antiimperialistisch positionierte Israelkritiker beachten, dass aktuelle und historisch bedingte Einflüsse wie die Shoah die Frage der Parteilichkeit im Nahostkonflikt zumindest erschweren«, betont Ullrich. Damit ist in der politischen Praxis eine Mäßigung oder zumindest eine moderate Verpackung der Kritik an Israel verbunden. Der Vulgär-Antizionismus der 70er und 80er Jahre wurde von den meisten israelkritischen Gesprächspartnern des Autors angelehnt.
In Großbritannien hingegen erfolgen die Diskussionen vor dem Hintergrund von Kolonialismus und Rassismus. Dabei wird der israelischen Seite überwiegend die Rolle des Unterdrückers zugewiesen und werden die Palästinenser als Opfer beklagt. Wenn auch der Flirt mit dem Islam in der britischen Linken in der Regel selten so weit geht, wie bei der SWP oder deren Bündnisorganisation »Respect«, so ist doch generell eine Position, die auch die Nöte Israels berücksichtigt, eher marginal, so Ullrichs Befund. Erst in jüngster Zeit hat sich mit dem »Euston-Manifest« eine Gruppe von Intellektuellen zu Wort gemeldet, die auch den Antizionismus als eine Form von Rassismus klassifizieren, der legitime Rechte der Palästinenser ausnutze. Auch in der britischen Blogger-Szene finden sich mittlerweile vereinzelt Positionen, die sich den israelsolidarischen Linken in Deutschland annähern.
Ullrichs kürzlich im Karl Dietz Verlag Berlin erschienene Studie »Gespaltene Solidarität. Die Linke, Israel und Palästina« (328 S., 19,90 ¤) regt zum Nachdenken an und vermag vielleicht zu helfen, aus einer linken Krux auszubrechen.
Von Peter Nowak
Ein linkes Hausprojekt in Frankfurt am Main ist im Sommer 2005 zutiefst zerstritten: Ein Jugendlicher hat einen Davidstern und eine mit Israel solidarische Parole an eine Hauswand gemalt und ist daraufhin von einigen Hausbewohnern verprügelt worden. Auf einer Sommerschule der trotzkistischen Socialist Worker Party (SWP) outet sich im 2006 der Islamist Azzam Tamimi als Mitglied der Muslimbruderschaft und Hamas-Unterstützer und erhält stehende Ovationen.
Der Leipziger Sozialwissenschaftler Peter Ullrich hat 57 Linke aus den unterschiedlichsten Spektren in Deutschland und Großbritannien interviewt. Er wollte wissen, warum Linke, die alle gleichermaßen Marx zitieren, einerseits für bedingungslose Solidarität mit Israel eintreten, andererseits uneingeschränkte Parteinahme für die Hamas einfordern. Man könnte die Frage noch erweitern. Auch Menschen, die sich auf Bakunin oder Negri berufen, fühlen sich entweder mit Israel oder den Palästinensern verbunden.
Ullrich registriert unterschiedliche Diskursfelder in Deutschland und in Großbritannien. Hierzulande erfolgt jede Stellungsnahme im Nahostkonflikt im Schatten der NS-Vergangenheit. Dieser Befund gilt nicht nur für die israelsolidarische Strömung. »Selbst viele antiimperialistisch positionierte Israelkritiker beachten, dass aktuelle und historisch bedingte Einflüsse wie die Shoah die Frage der Parteilichkeit im Nahostkonflikt zumindest erschweren«, betont Ullrich. Damit ist in der politischen Praxis eine Mäßigung oder zumindest eine moderate Verpackung der Kritik an Israel verbunden. Der Vulgär-Antizionismus der 70er und 80er Jahre wurde von den meisten israelkritischen Gesprächspartnern des Autors angelehnt.
In Großbritannien hingegen erfolgen die Diskussionen vor dem Hintergrund von Kolonialismus und Rassismus. Dabei wird der israelischen Seite überwiegend die Rolle des Unterdrückers zugewiesen und werden die Palästinenser als Opfer beklagt. Wenn auch der Flirt mit dem Islam in der britischen Linken in der Regel selten so weit geht, wie bei der SWP oder deren Bündnisorganisation »Respect«, so ist doch generell eine Position, die auch die Nöte Israels berücksichtigt, eher marginal, so Ullrichs Befund. Erst in jüngster Zeit hat sich mit dem »Euston-Manifest« eine Gruppe von Intellektuellen zu Wort gemeldet, die auch den Antizionismus als eine Form von Rassismus klassifizieren, der legitime Rechte der Palästinenser ausnutze. Auch in der britischen Blogger-Szene finden sich mittlerweile vereinzelt Positionen, die sich den israelsolidarischen Linken in Deutschland annähern.
Ullrichs kürzlich im Karl Dietz Verlag Berlin erschienene Studie »Gespaltene Solidarität. Die Linke, Israel und Palästina« (328 S., 19,90 ¤) regt zum Nachdenken an und vermag vielleicht zu helfen, aus einer linken Krux auszubrechen.
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