Dienstag, 6. Januar 2009

Gasstreit schlägt auf Deutschland durch

Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat am Dienstag erstmals auch auf die Lieferungen nach Deutschland durchgeschlagen. Seit dem Morgen seien die für Europa bestimmten russischen Erdgasmengen massiv eingeschränkt, teilte die größte deutsche Ferngasgesellschaft E.ON Ruhrgas mit. Die Versorgung der Kunden sei zwar derzeit sichergestellt, bei zunehmender Dauer des Konflikts stoße der Konzern aber an seine Grenzen. In Österreich griff der Gaskonzern OMV auf seine Reserven zurück, nachdem nur noch zehn Prozent der üblichen Mengen aus Russland ankamen.

Wirtschaftsminister Michael Glos kam am Nachmittag in Berlin mit dem Vizechef des russischen Gasmonopolisten Gazprom, Alexander Medwedew, zusammen. Nach Angaben Gazproms strömten am Dienstag 65 Millionen Kubikmeter Gas in Richtung Westen. In den Tagen zuvor habe die Liefermenge noch etwa 300 Millionen Kubikmeter betragen. "Es gab eine Bestellung für 130 Millionen Kubikmeter. Bei der Lieferung haben wir 65,3 Millionen Kubikmeter abgezogen." Der Konzern wirft der Ukraine vor, seit dem Neujahrstag 65,3 Millionen Kubikmeter Gas gestohlen zu haben.

E.ON RUHRGAS: IN WAIDHAUS KEIN GAS MEHR AUS UKRAINE
Der Chef des ukrainischen Staatskonzerns Naftogaz, Oleh Dubyna, kündigte an, am Donnerstag in Moskau die Gespräche mit der Gazprom-Führung wieder aufzunehmen. Gazprom erklärte, jederzeit dazu bereit zu sein. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft brachte als "extreme Möglichkeit" einen Dreier-Gipfel mit Russland und der Ukraine ins Spiel. Derzeit bestehe die EU aber weiterhin darauf, dass die Konfliktparteien sich direkt einigten, sagte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek.

Während in den vergangenen Tagen die Versorger in Deutschland kaum Auswirkungen des Konflikts spürten, änderte sich die Lage am Dienstag. "Es wird damit gerechnet, dass im Laufe des Tages an der deutschen Grenzlieferstation Waidhaus die Lieferungen der über die Ukraine dorthin transportierten Gasmengen vollständig ausfallen", erklärte Ruhrgas. Das deutsch-russische Gashandelsunternehmen Wingas berichtete von Mengenkürzungen auf der Transitroute durch die Ukraine. Der ostdeutsche Versorger VNG erklärte hingegen, sein bestelltes Gas zu erhalten.

DEUTSCHE ENERGIEWIRTSCHAFT: VERSORGUNG IST SICHERGESTELLT
Angesichts der klirrenden Kälte in Deutschland bemühte sich die Energiewirtschaft, Sorgen zu zerstreuen. "Trotz erster Lieferausfälle können sich die Verbraucher auf eine sichere Versorgung mit Erdgas verlassen", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Martin Weyand. Deutschland beziehe zwei Drittel seines Gases aus Westeuropa. Um die derzeitigen Schwankungen und Lieferausfälle auszugleichen, könnten die Erdgasmengen aus anderen Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden kurzfristig teilweise erhöht werden. Zudem hätten die 46 Untertage-Speicher eine Kapazität, die einem Viertel des Jahresverbrauchs von 2007 entspreche.

Gazprom hatte am 1. Januar wegen des Streits um Gaspreise die Versorgung der Ukraine eingestellt, Europa aber eine weitere Durchleitung zugesichert. Europa bezieht ein Fünftel seiner Gasversorgung über Leitungen durch die Ukraine. Bulgarien sprach von einer "Krisensituation", nachdem die russischen Gaslieferungen über die Ukraine in das Land zum Erliegen kamen. Auch die Türkei, Mazedonien, Griechenland, Slowenien und Kroatien meldeten ein Ende der Lieferungen. Die kroatische Regierung berichtete allerdings später von einer teilweisen Wiederaufnahme der Lieferung. Die Slowakei stand wegen der angespannten Lage nach einer Meldung der tschechischen Nachrichtenagentur CTK vor der Ausrufung des Notstands.

(Tom Käckenhoff, Christian Lowe, James Kilner, Pavel Polityuk, Anna Mudeva, Michael Shields, Vera Eckert, Frank Siebelt; redigiert von Alexander Ratz)

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