Montag, 19. Januar 2009

"Die Mörder sind unter uns"


Ein Nachruf von Uwe Klussmann, Moskau

Der Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow ist in Moskau getötet worden - von einem Unbekannten, auf offener Straße, mit einem Kopfschuss. Er hatte mehrfach Familien vertreten, deren Angehörige Opfer von Tätern in Uniform waren. Auch eine Reporterin kam bei dem Anschlag ums Leben.

Moskau - Als ich den jungen Moskauer Rechtsanwalt Stanislaw Markelow das letzte Mal traf, in einem Straßencafé nahe des Roten Platzes im Juli 2007, sagte er einen Satz, der auch Eingang in den SPIEGEL (Heft 31/2007) fand: "Die Mörder sind unter uns."


Ermittler, Mordopfer Markelow: Auf offener Straße erschossen
An diesem Montag ist Stanislaw ermordet worden, am helllichten Tag auf einer Straße im Zentrum Moskaus, von einem unbekannten Täter in den Kopf geschossen - auch die Journalistin Anastasja Baburowa kam bei dem Anschlag ums Leben.

Damit verliert Russland einen mutigen Anwalt, der die Interessen von Bürgern vertrat, die Opfer der Willkür von Staatsbediensteten geworden waren, auch von mörderischer Gewalt.

Er sprach immer wieder über Täter in Uniform, die frei herumlaufen, obwohl sie in Tschetschenien Zivilisten ermordet hatten. Markelow war als Anwalt unter anderem für die Familie Kungajewa tätig. Deren 18 Jahre alte Tochter Elsa Kungajewa war zu Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 vom Armee-Obersten Jurij Budanow brutal misshandelt und ermordet worden. Budanow hatte sie verdächtigt, eine Scharfschützin der Untergrundkämpfer zu sein. Der nach einem langen juristischen Gezerre schließlich verurteilte Täter ist vor einigen Tagen vorzeitig freigelassen worden.

Stanislaw Markelow vertrat russische Bürger nicht nur vor einheimischen Gerichten, sondern auch vor dem Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg. Seine Mandanten waren in mehreren Fällen Menschen, die keine Hoffnung auf Gerechtigkeit mehr hatten, weil russische Ermittler und Gerichte nicht in der Lage waren, die Mörder ihrer Familienangehörigen zu bestrafen, die in Tschetschenien "verschwunden" waren, gekidnappt von Soldaten oder Polizisten.

Markelow betrieb seine anwaltlichen Geschäfte so entschieden wie furchtlos und unaufgeregt, im Vertrauen darauf, das Recht auf seiner Seite zu haben. Er war überzeugt, dass sein von den Juristen Präsident Dmitrij Medwedew und Premier Wladimir Putin regiertes Land mehr Rechtsstaatlichkeit braucht.

Mutig kritisierte er die "Degradierung des Rechtssystems" in Russland. Entsprechend hieß eine von ihm gegründete Nichtregierungsorganisation "Institut für die Vorherrschaft des Rechts". Diesem Anliegen hat Markelow unter Einsatz seines Lebens gedient.

Stanislaw Markelow wusste, dass er sich Feinde gemacht hatte unter denen, die im Schutze des Staatssymbols Doppeladler auf Doppelbödigkeit setzen, auf die Macht der Gewalt unter der Maske des Rechtsstaats. Er fuhr immer wieder nach Tschetschenien, obwohl er wusste, dass dort in den vergangenen Jahren sechs Anwälte ihr berufliches Engagement mit dem Leben bezahlen mussten.

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