Eine bosnische Bande klaute nur die teuersten Motorräder - dank einer Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung kannte kannte sie die Adressen der Besitzer.
Wie sicher sind Bürgerdaten im Kreisverwaltungsreferat? Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung, die mit Informationen aus ihrer Behörde eine Bande beim Diebstahl vieler hochwertiger Motorräder unterstützt haben soll. Dadurch entstand ein Schaden von 250.000 Euro. Der Bande wird derzeit der Prozess gemacht.
Sechs Männer und zwei Frauen, alle kroatischer oder bosnischer Herkunft, waren angeklagt, als die Hauptverhandlung im vergangenen Jahr vor der 7.Strafkammer des Landgerichts München I begann.
Sechs Männer und zwei Frauen, alle kroatischer oder bosnischer Herkunft, waren angeklagt, als die Hauptverhandlung im vergangenen Jahr vor der 7.Strafkammer des Landgerichts München I begann.
Mittlerweile sind noch zwei Angeklagte übrig - die anderen wurden zu Haftstrafen zwischen einem Jahr neun Monaten und vier Jahren acht Monaten verurteilt. In der Sache waren die Angeklagten großteils geständig; es ging nur noch um die Anzahl der Taten, die ihnen jeweils zur Last gelegt wurde.
Im Januar 2007, so die Anklageschrift, hatte sich die Bande zusammengetan. Sie mieteten Transporter, fuhren damit in Tiefgaragen, brachen Gitterboxen auf, in denen Motorräder verwahrt wurden, luden die Beute ein und brachten sie zu einem Lager in der Atterseestraße nahe des Westbads oder zu einem Stellplatz in der Gulbranssonstraße in Sendling.
Von dort wurden die Fahrzeuge dann ins Ausland gebracht und verkauft - zumeist nach Sarajewo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas. Einige Dutzend Motorräder wechselten so illegal den Besitzer - der Schaden wird auf eine Viertelmillion Euro geschätzt. Im Sommer 2007 wurden die Diebe verhaftet.
Doch woher wussten die Männer, in welchen Tiefgaragen stehlenswerte Beute zu finden sein würde? Einen Hinweis darauf lieferte ein Dialog aus einer Telefonüberwachung, zu einer Zeit, als die Polizei den Dieben schon auf der Spur war. Ein Bandenmitglied sagte zum anderen: "Ich werde ihr die Kennzeichen heute geben, vielleicht schafft sie's, dann können wir morgen arbeiten."
Von wem war die Rede? Den Verteidigern im Prozess war die Stelle nicht groß aufgefallen - bis sie dann erfuhren, dass es noch eine neunte Beschuldigte gab, die Ex-Ehefrau des Angeklagten Mladen S. Doch warum saß sie nicht mit auf der Anklagebank? Die Staatsanwältin druckste herum und sagte schließlich, dass es bei der Frau, Kristina S., 33, länger dauere, weil wegen des Paragraphen 353b des Strafgesetzbuchs ermittelt werde.
Da dämmerte es den Rechtsanwälten. Denn dieser Paragraph 353b regelt die "Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht". Wenn der Staatsanwalt in einer solchen Sache ermitteln möchte, braucht er dazu das Einverständnis durch den Dienstherrn des Beschuldigten - dadurch die Verzögerung.
Wichtig aber vor allem: Dieses Delikt kann nur ein sogenannter "Amtsträger" begehen - das heißt, Kristina S. musste in der öffentlichen Verwaltung arbeiten und Zugang zu Kennzeichendaten haben. Die Diebe fuhren offenbar in der Stadt umher auf der Suche nach teuren Motorrädern, notierten die Kennzeichen, übergaben die Notizen Kristina S., und die suchte dann die dazugehörigen Adressen heraus.
Da blieb als Arbeitsstelle nur eins übrig - das Kreisverwaltungsreferat. Und tatsächlich weist das interne Telefonbuch der Stadt eine Kristina S. als stellvertretende Leiterin eines Sachgebiets in der Unterabteilung Verkehrsüberwachung aus.
Die Staatsanwältin jedoch mauerte: Mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen verweigerte sie die Herausgabe der Ermittlungsakten, obwohl in ihnen ja eventuell Erhellendes über die Zuordnung der Taten zu finden sein könnte. Kristina S. wurde als Zeugin geladen, verweigerte jedoch - am 6. November 2008 - die Aussage unter Berufung auf den Paragraphen 55 der Strafprozessordnung: Kein Zeuge muss aussagen, wenn er dadurch Gefahr läuft, sich selbst einer Straftat zu bezichtigen. Und der Polizist, der die Frau verhört hatte, erhielt keine Aussagegenehmigung.
Die Staatsanwaltschaft München I bestätigt nur, dass unter dem Aktenzeichen 113Js11811/08 Ermittlungen gegen Kristina S. geführt werden, gibt aber keine weiteren Auskünfte. Und auch aus dem KVR nur ein halber Satz: "Kein Kommentar", sagt Sprecher Christopher Habl. Die Verteidiger rätseln, warum sie vor einer Mauer des Schweigens stehen. Soll das KVR in Zeiten wachsender Datensensibilität vor einem Skandal geschützt werden? Oder hat der Angeklagte Mladen S. etwas ausgehandelt?
Er, dem 40 Taten vorgeworfen wurden, kam relativ glimpflich mit einer Haftstrafe von drei Jahren und elf Monaten davon. Sein "Kollege" Edin B., dem nur vier Taten zur Last gelegt wurden, erhielt immerhin zwei Jahre und acht Monate. Mladen S. entwickelte sich im Laufe des Verfahrens zu einer Art Kronzeugen - hat er, so fragen sich die Anwälte, neben einer milden Strafe für sich auch noch schonende Behandlung für seine Ex-Ehefrau herausgeschlagen?
In zwei bis drei Monaten soll das Ermittlungsverfahren gegen Kristina S. abgeschlossen sein. Dann werden Staatsanwaltschaft und KVR Farbe bekennen müssen.
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