Donnerstag, 27. Mai 2010

Jesuiten haben Missbrauch vertuscht

München. Die Jesuiten haben über Jahrzehnte systematisch sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder an den Schulen des Ordens vertuscht. Die Täter wurden in mehreren Fällen von ihren Oberen gedeckt und an andere Orte versetzt.

Das sagte Ursula Raue, die Missbrauchs-Beauftragte der Jesuiten, am Donnerstag bei ihrem Abschlussbericht zu dem Skandal in München. «Man hat dafür gesorgt, dass die verschoben wurden.» Insgesamt gingen bei Raue seit dem Bekanntwerden des Skandals Ende Januar 205 «Opfermeldungen» ehemaliger Schüler des Berliner Canisius-Kollegs und mehrerer anderer Jesuitenschulen ein. Die meisten Fälle ereigneten sich größtenteils in den 70er und frühen 80er Jahren.

Raue ließ keinen Zweifel, dass die Vorgesetzten mehrerer pädophiler Patres die Täter deckten: «Man wusste, da ist einer, der fummelt gerne rum, und der andere hat den Spitznamen "Pavian"», schilderte die Missbrauchsbeauftragte.

Die zwei Haupttäter, von Raue als «Pater Anton» und «Pater Bertram» identifiziert, waren beide im Laufe der Jahre sowohl am Berliner Canisius-Kolleg wie auch an anderen Jesuiten-Schulen tätig - versetzt wurden sie jeweils stillschweigend eben wegen der Missbrauchs-Vorwürfe. Beide sind heute nicht mehr Mitglieder des Ordens. Mehrere Ordensleute schlugen die ihnen anvertrauten Kinder brutal. Dabei sei häufig ein «sexueller Aspekt» dabei gewesen, sagte Raue. «Er (der Täter) hat gestöhnt, und es hat komisch gerochen.»

Zu Missbrauchsfällen kam es nach Raues Bericht an den drei Jesuiten-Kollegien in Berlin, St. Blasien und Bonn sowie an zwei weiteren Einrichtungen, die der Orden heute nicht mehr betreibt. In den meisten Fällen machten sich die Ordensleute an Jungen heran. Mehrfach als Täter genannt wurden zwölf Patres, von denen sechs inzwischen starben.

Provinzial Stefan Dartmann sagte anschließend: «Im Namen des Ordens anerkenne ich mit Scham die Schuld und das Versagen des Ordens.» Er entschuldigte sich bei den Opfern und räumte ein, dass die Aufklärung nur langsam anlief: Die Jesuiten seien «dem Drängen der Opfer nicht immer so schnell nachgekommen, wie diese das gefordert haben». Dartmann forderte Erklärungen von den damaligen Oberen der Gesellschaft: «Als Provinzial erwarte ich, dass die Mitbrüder, die damals in Verantwortung standen, ihrerseits Stellung zu den nun vorliegenden Fakten beziehen.» Die damaligen Ordens-Verantwortlichen, die die Täter deckten, sind heute alle über 70 und inzwischen pensioniert.

Die «Gesellschaft Jesu» will nun um Versöhnung bei den Opfern werben. Dartmann erklärte, er sei bereit, «jedes Opfer persönlich um Entschuldigung zu bitten». Finanzielle Entschädigung will Dartmann aber nicht zahlen, solange der Runde Tisch der Bundesregierung keine Empfehlung dazu ausgesprochen hat.

Die Jesuiten hatten im Januar unbeabsichtigt die Flut der Missbrauchs-Vorwürfe gegen katholische Geistliche ins Rollen gebracht. Auslöser war ein Brief des heutigen Leiters des Berliner Canisius-Kollegs, der den Missbrauchs-Vorwürfen als erster systematisch nachging.

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