Mittwoch, 12. Mai 2010

Die schlafmützige Politik und das Schimpfen auf Spekulanten

boehme
Von: Christian Böhme

Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Spekulant. Dieser skrupellose Pleitegeier greift doch den Euro an, schwächt ihn und bereichert sich dann auf unsere Kosten. Ganze Wolfsrudel von nimmersatten Zockern treiben die Währungsmärkte vor sich her und uns schon bald in die Inflation. Schulden, nichts als Schulden.

Oh, liebe D-Mark, wir wollen dich wiederhaben! Als du noch im Portemonnaie lagst, gab es so etwas wie diese ekligen Hedge-Fonds nicht. Nieder mit den immer gieriger werdenden Jägern der höheren Rendite! Nieder mit dem finsteren Treiben dieser anglo-amerikanischen Mächte!

Nein, in diesen Zeiten taumelnder Finanzmärkte und ängstlicher Verbraucher möchte man nicht als Spekulant gescholten werden. Der Prototyp des rücksichtslosen Kapitalisten ist in der öffentlichen Wahrnehmung zum Feindbild Nummer eins geworden. Und die Politik lässt nichts unversucht, die Bürger in ihrem Eindruck zu bestärken.

Es stimmt ja: Die Geschäftemacher und Börsenmanager à la Gordon Gekko, Protagonist im Film “Wall Street”, kennen keine Grenzen. Sie riskieren alles, vor allem auf Kosten der anderen. Das ist anrüchig, rücksichtslos und gefährlich. Hier zeigt der Kapitalismus, der sonst für unser aller Wohlergehen sorgt, seine abstoßende Fratze.

Doch viele Experten bezweifeln, dass die derzeitige Finanzmisere tatsächlich allein die Schuld von Spekulanten ist. Der Ausverkauf an den Börsen sei in erster Linie ein Misstrauensvotum gegenüber dem Euro und dem Krisenmanagement der Europäer gewesen, schreibt Armin Mahler auf Spiegel Online (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,694110,00.html).

Die Masse der Anleger reagierte also nur auf von der Politik sträflich ignorierte oder billigend in Kauf genommene Fehlentwicklungen – geringes Wirtschaftswachstum im Euroland, hohe Staatsschulden, schnell zusammengeschusterte Rettungspakete. Und einige Großspekulanten sprangen auf den satte Gewinne verheißenden Zug auf. Skrupel gegenüber ohnehin schwächelnden Volkswirtschaften sind ihnen gänzlich fremd. Ihr Motto lautet: Seid verschlungen, Milliarden!

Dass es so weit kommen konnte, hat wiederum nicht zuletzt mit der Politik zu tun. Denn die versagt immer aufs Neue dabei, dem ungezügelten Spekulationsunwesen Fesseln anzulegen. Was ist denn nach der Lehman-Pleite passiert?

Nichts! Dass erst jetzt wieder mal über Steuern auf Finanztransaktionen nachgedacht wird, zeugt bestenfalls von Schlafmützigkeit und schlechtestenfalls von Hilflosigkeit gegenüber einer Krise, die das normale Vorstellungsvermögen vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt. Da nutzt das laute Schimpfen über Spekulanten herzlich wenig.

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