Freitag, 7. Mai 2010

Bundestag streicht Guantánamo von der Agenda

Die USA wollen Guantánamo schließen und suchen Staaten, die entlassene Gefangene aufnehmen. Vor einem Jahr ging eine entsprechende Bitte in Deutschland ein, doch die Debatte hierzulande ist zäh. Im Bundestag wurde sie verschoben - auf Druck der Union.

 Guantánamo (Foto: AP)Von Christoph Grabenheinrich, SR, ARD-Hauptstadtstudio


Dabei gibt es im Parlament durchaus eine breite Mehrheit, die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) den Rücken stärkt. Die FDP hat sich stets deutlich für die Aufnahme ausgesprochen, so auch der integrationspolitische Sprecher Serkan Tören: "Wir haben immer die Forderung gestellt, dass Guantánamo geschlossen werden soll. Wir finden, dass das Lager immer menschenrechtswidrig gewesen ist und waren immer dagegen. Insofern ist es konsequent, dass wir im Einzelfall überprüfen, ob wir Häftlinge aufnehmen." Auch die Grünen sehen das so. "Wir haben uns immer beschwert, dass Guantánamo ein menschenrechtlich nicht verantwortbarer Zustand ist", so der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck. "Dann müssen wir auch einen Beitrag leisten, das Lager aufzulösen, das dem Ansehen des Westens erheblich schadet."

Innenminister de Maizière selbst hat ebenfalls längst seine Bereitschaft zur Aufnahme erklärt, eine mit den USA solidarische Prüfung versprochen. Eine deutsche Delegation hat mittlerweile die drei Häftlinge - einen Jordanier, einen Syrer und einen Palästinenser - in Guantánamo befragt und dabei keine Belege gefunden, dass Gefahr von ihnen ausgehen könnte. Und dennoch ist deren Aufnahme noch lange nicht in Sicht.

"Eine Aufgabe und eine Herausforderung für die USA"

Wolfgang Bosbach (Foto: picture-alliance/ dpa)CDU-Innenexperte Bosbach stellt sich gegen den Innenminister aus seiner eigenen Partei.

Unionsfraktionschef Volker Kauder ist dagegen. Die meisten Unions-Innenminister in den Ländern, die die Gefangenen aufnehmen müssten, sind dies ebenfalls und nun stellt sich auch der Vorsitzende des Innenausschusses, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, offen gegen den eigenen Minister. Deutschland habe Guantanamo weder errichtet noch genutzt, sagt Bosbach. Der allergrößte Teil von CDU und CSU sei der Überzeugung, "dass es sich hier um eine Aufgabe und eine Herausforderung für die USA handelt. Von denen, die jetzt noch in Guantánamo einsitzen, sagt die US-Regierung, das sind die Schlimmsten der Schlimmen", so Bosbach weiter. Und es müsse schon nachdenklich machen, dass die allermeisten Gouverneure in den USA - auch solche von den Demokraten - "überhaupt nicht daran denken, irgendwelche Häftlinge aufzunehmen", sagt Bosbach.

"Die am besten geprüften Häftlinge der Welt"

Das sieht die SPD-Abgeordnete Daniela Kolbe, deren Fraktion ebenfalls für die Aufnahme ist, allerdings anders: "So viel ist sicher: von diesen am besten geprüften Häftlingen der Welt dürfte keine Gefahr ausgehen", sagt Kolbe. Diese Häftlinge seien mehrfach geprüft sowohl von der Bush- als auch von der Obama-Administration. "Sie stehen auf der Liste derer, gegen die definitiv keine Anklage erhoben werden soll", so Kolbe.

Bosbach hingegen weiß, dass er sich mit seiner Meinung in Unionskreisen in bester Gesellschaft wiederfindet, denn Innenminister de Maizière habe mindestens zwei Probleme, so Bosbach: Nicht nur eines mit der eigenen Fraktion, sondern auch eines mit den Bundesländern "Ich kenne im Moment kein Bundesland, das bereits gesagt hat, wir sind bereit, Häftlinge aus Guantánamo aufzunehmen", so Bosbach. Zwar haben einige SPD-geführte Bundesländer Unterstützung signalisiert, jedoch nur, wenn mindestens ein Unions-Innenminister mitmacht - und der ist bislang nicht in Sicht. Im Gegenteil, mehrere lehnen eine Aufnahme vehement ab.

Ändert sich die Situation nach der NRW-Wahl?

Der Bundesinnenminister hat deshalb bislang auch darauf verzichtet, offiziell bei einem Bundesland anzufragen. Seinem Sprecher, Markus Beyer, bleibt deshalb wenig anderes übrig, als zu versuchen, entsprechende Nachfragen so gut es geht abzuwiegeln: "Zur Frage der möglichen Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen kann ich keinen neuen Sachstand geben. Die Prüfung dauert so lange bis man eine verantwortbare Entscheidung vorlegen kann." Innenminister Maizière hofft nun, dass er nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wenigstens einen seiner Länderkollegen auf seine Seite ziehen kann, spätestens bei der Innenministerkonferenz Ende Mai.
Mal wieder wurde das Thema dezent umschifft. Sowohl im Innenausschuss als auch im Plenum des Bundestages hätte gestern und heute über die Aufnahme von drei Häftlingen aus Guantánamo diskutiert werden sollen, beide mal wurde es auf Druck der Union von der Agenda gestrichen.

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