Montag, 24. Mai 2010

Straßenschlachten auf Jamaika

Regierung verhängt Ausnahmezustand

Als die Polizei den Drogenboss Dudus Coke festnehmen und an die USA ausliefern will, bricht in der Hauptstadt Kingston eine gewaltsame Revolte aus.

VON HANS-ULRICH DILLMANN

Spezialeinheiten der Polizei gehen im Stadtteil Hannah Town gegen Anhänger von Drogenboss Dudus Coke vor.

SANTO DOMINGO | Nach schweren Straßenschlachten hat die Regierung Jamaikas am Sonntag über Teile der Hauptstadt Kingston und den angrenzenden Bezirk St. Andrew den Ausnahmezustand verhängt. Dieser gilt vorerst für einen Monat. Die Unruhen waren ausgebrochen, nachdem die Regierung der viergrößten Karibikinsel die Festnahme eines Bandenführers angeordnet hatte, um ihn in die USA auszuliefern. Christopher "Dudus" Coke wird von den US-Behörden vorgeworfen, einer der Hintermänner des internationalen Drogenhandels zu sein.

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen nahmen ihren Ausgang am Samstag im Stadtteil Tivoli Gardens von Kingston. Dort lebt Dudus Coke. Der 42-Jährige betreibt offiziell eine Firma, die Veranstaltungen und Streetdanceevents organisiert. Für diese Tätigkeit habe er seit 2002 Millionenbeträge vor allem von der damals amtierenden sozialdemokratischen Peoples National Party (PNP) kassiert, schreibt die Tageszeitung The Gleaner. Der pressescheue Eventmanager soll in Wirklichkeit der Boss eines kriminellen Netzes in Jamaika sein, das auch in den USA und Großbritannien operiere, sagen US-Fahnder. Seinen Reichtum habe Dudus Coke mit Waffen- und Drogenhandel gemacht. Im August vergangenen Jahres hatten die USA deshalb seine Auslieferung beantragt. Jamaika ist neben Haiti und der Dominikanischen Republik eine der Drehscheiben für den internationalen Drogenhandel.

Für die Bewohner der Armenviertel von Kingston und vor allem von Tivoli Garden ist Christopher Dudus Coke jedoch kein Drogenboss und Großdealer, sondern ein Wohltäter und Helfer. Viele Kinder, so berichtet der Gleaner, verdanken seiner finanziellen Unterstützung die Möglichkeit, eine bessere Schule zu besuchen. An Bedürftige, so wird berichtet, lasse er regelmäßig Lebensmittel verteilen. Und seiner Initiative verdanken viele Stadtteile mit vorwiegend ärmerer Bevölkerung, dass dort die Bandenkriege der letzten Jahren beigelegt worden seien, berichtet der Jamaica Observer in seiner Onlineausgabe am Sonntag.

Als am Dienstag vergangener Woche ein Richter den Auslieferungsantrag der USA unterzeichnet und Polizeibeamte den Haftbefehl gegen Dudus Coke vollstrecken wollten, verbarrikadierte sich dieser in seinem Haus in Tivoli Garden. Jugendliche begannen anschließend, Straßensperren zu errichten, um der Polizei den weiteren Zugang zum Stadtviertel zu verwehren. Frauen mit weißen T-Shirts demonstrierten derweil im Stadtzentrum gegen die Auslieferung: "Lass Dudus in Ruhe. Er ist ein gesetzestreuer Bürger", forderten die Demonstrantinnen. Seitdem aber die Anwälte des Gesuchten vor Gericht scheiterten, seine Auslieferung zu verhindern, brennt die Reggae-Metropole.

Am Sonntag eskalierte die Auseinandersetzung weiter. Stadtviertel wurden mit brennenden Straßensperren abgeriegelt. Nach Polizeiangaben in Kingston verschanzten sich Bewaffnete in mehreren Stellen der Stadt auf Dächern und beschossen anrückende Polizeieinheiten, wobei ein Polizist einer Spezialeinheit verletzt wurde. Das Polizeirevier in Hannah Town im westlichen Kingston musste aufgrund der bewaffneten Angriffe geräumt werden, weil den Polizeibeamten die Munition ausgegangen war. Demonstranten setzten das Gebäude anschließend in Brand. Polizeichef Owen Elington hat Christopher Dudus Coke aufgefordert, die Situation nicht noch weiter eskalieren zu lassen und sich zu ergeben. Das US-Außenministerium und das Auswärtige Amt haben eine Reisewarnung für ihre Staatsbürger für den Großraum Kingston herausgegeben.

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