Donnerstag, 20. Mai 2010

Google bläst zum Codec-Angriff

Von Felix Knoke

Jetzt geht es Adobe und Apple an den Kragen: Google will Web-Entwickler mit einem freien Videoformat hinter sich scharen. Außerdem: Kartenbetrüger von Hackern enttarnt, Adobe & Apple auf Kuschelkurs und FTC dreht bösem Web-Anbieter den Saft ab. Das und mehr im Überblick.

Jetzt geht es Adobes Flash-Videos und Apples Lieblings-Video-Codec H.264 an den Kragen: Das Internetunternehmen, schreibt ORF Futurezone, hat auf seiner Entwicklerkonferenz I/O den Videocodec VP8 des kürzlich übernommenen Unternehmens On2 für die lizenzfreie Nutzung als Open Source veröffentlicht. Zusammen mit dem ebenfalls lizenzfreien Audiocodec Ogg will Google so ein neues, für Internetbelange optimiertes Videoformat WebM anbieten. Es geht darum, Flash verschwinden zu lassen - und alles Multimediale zum integralen Bestandteil des Geschehens im Browser zu machen. Gut für das Web-Unternehmen Google, weniger gut für alle, die auf proprietäre Software oder Hardware setzen.

Als Teil von HTML 5 können WebM-Videos direkt in Websites eingebaut werden, ohne sie erst etwa in Adobes Flash-Format bringen zu müssen. ZDNet.de schreibt dazu: Viele Browser-Anbieter, darunter Apple, Mozilla, Microsoft, Google und Opera, wollen Videos direkt in Websites integrieren, ohne dass dafür ein Plug-in wie Flash benötigt wird. Auf der Projekt-Website heißt es: " Das WebM-Projekt will ein hochwertiges, offenes Videoformat für das Internet entwickeln, das für alle kostenlos ist." Doch das wichtigste Argument gilt für Entwickler und Videoanbieter: Für WebM fallen keine Lizenzgebühren an, ganz im Gegensatz zu Apples und Adobes patentbewehrtem Lieblingsformat H.264, dem darüber hinaus sogar noch eine Patentklage droht.

Allerdings läuft WebM nur in passender Software-Umgebung. Neue Browser sollen automatisch WebM verstehen, für aktuelle Versionen müssen Entwicklerversionen heruntergeladen werden. Microsoft, Opera und Mozilla haben bereits ihre Unterstützung für WebM zugesagt. Bei YouTube werden ab sofort alle Videos im WebM-Format gespeichert.

Doch um WebM das Internet erobern zu lassen, fehlt noch eine umfassende Hardware-Unterstützung: Nur wessen Videodaten direkt von einem Prozessor entschlüsselt werden können, darf auf Erfolg auf mobilen Geräten hoffen, wo eine Hardwareunterstützung von Videocodecs eine längere Akkulaufzeit bedeutet. Ars Technica schreibt der WebM-Beteiligung von Firmen wie AMD, Arm, Nvidia und Qualcomm deshalb eine besondere Bedeutung zu - allesamt Chip-Hersteller und Hardware-Produzenten.

Noch mal Google: Kooperation mit Staatsanwaltschaft angekündigt
Einen Tag nach Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens gegen Google hat der Internetkonzern seine Kooperationsbereitschaft mit der Staatsanwaltschaft bekundet. "Wir arbeiten zusammen mit den relevanten öffentlichen Stellen, um ihre Fragen zu beantworten", erklärte Google am Donnerstag.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt wegen des Verdachts des Abfangens von Daten beim Straßenfotodienst Street View gegen unbekannte Mitarbeiter von Google. Der Datenabgriff über offene W-Lan-Netze sei erfolgt, als Fahrzeuge des Konzerns mit aufmontierten Kameras deutsche Innenstädte abfotografierten.

Google hatte am Wochenende eingeräumt, die dabei gesammelten Daten gespeichert zu haben. Ein Sprecher beteuerte aber, dass dies unabsichtlich geschehen sei. Die Staatsanwaltschaft will nun prüfen, wie belastbar die Vorwürfe gegen den Konzern sind. "Es wird vor allem zu klären sein, ob das Delikt vorsätzlich begangen worden ist", erklärte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.
apn
Adobe & Apple: Streithähne halten wieder zusammen
Wie passend: Pünktlich zu Googles Angriffssignal gegen Konkurenten mit "A" verbünden sich die alten Feinde Adobe und Apple - die beiden Firmen, die sich im Streit um die Zukunft des Web-Videos öffentlichkeitswirksam in die Haare bekamen.

Am Mittwoch teilte Adobe Systems Tausenden Software-Entwicklern mit, dass man künftig in Sachen Web-Video gut findet, was Apple gut findet, nämlich HTML5. Ein HTML5-Plug-in für die Creative Suite 5 ist quasi eine Einladung an Web-Entwickler, Adobes Flash-System zu kannibalisieren. Via HTML5 sollen Web-Videos Plug-in-frei auf iPhones, iPods und iPads dargestellt werden können - was auf diesen Geräten mit Flash wegen Apples Flash-Verweigerung nicht möglich war.

Adobes Chef-Entwickler Kevin Lynch: "HTML5 ist großartig."

Ob er damit meint: Großartig, weil HTML5 zwar WebM versteht, aber auch H.264 und wir so im Notfall einfach unser Flashvideo-Plug-in entsorgen und mit einer HTML5-Entwicklungsumgebung weitermachen können? Adobe, so viel ist klar, hat in diesem Formatkrieg die ungünstigste Position. Die Entscheidungen fallen entweder auf Browser/OS- oder auf Web-Video-Anbieter-Seite. Adobe steht dazwischen, muss mit beiden Seiten koalieren - und arbeitet trotz der Apple-Allianz eben auch mit Google zusammen, um Flashvideos auf Android-Handys darstellen zu können ...

Kartenbetrüger von Hackern enttarnt
Hacker sind in ein Forum für Kartenbetrüger eingebrochen, haben die Forumseinträge, Nachrichten und IP-Adressen der rund 5000 Mitglieder in drei Dateien bei Rapidshare veröffentlicht. Sicherheitsexperte Brian Krebs zitiert aus einer Nachricht, welche die Hacker diesen Dateien anhefteten: "Viele von Euch kennen diesen wuchernden deutschen 'Untergrund'-Scheiß namens Carders.cc." Es handele sich dabei um einen "Marktplatz, der randvoll mit allem Illegalen und Schlechten" sei: Geldkartenbetrug, Abzocke, Drogen, Waffen und haufenweise Kiddies (wohl: Scriptkiddies, junge Möchtegernhacker).

Die Veröffentlichung der möglicherweise brisanten Daten soll dem Carder-Treiben ein Ende bereiten - und anderen Möchtegernhackern eine Lehre sein: Das Forum war dermaßen schlecht abgesichert, dass es den guten Hackern (Krebs nennt die ganze Aktion "sehr retro") mühelos gelang, an die Daten zu gelangen. Mit der Veröffentlichung auch von massenweise geklauten Kreditkartendaten könnten Banken nun die Bestohlenen warnen und Karten sperren. Mittlerweile soll sich laut Szeneblog Gulli.com ein Betreiber des Cracker-Forums zu Wort gemeldet haben. Der Dateneinbruch sei "ein dunkler Tag für die Szene, auch wenn sich jetzt viele schadenfroh im Keller einen ablachen. Leider wissen oder verstehen diese Menschen nicht, was für Konsequenzen so etwas haben kann."

Ob der Datenveröffentlichung nun eine Polizeiaktion folgt, ist unklar. Durch die Veröffentlichung geschah bereits eine Gefahrenabwehr, welche die Auswertung solcher durch gute Hacker veröffentlichten Daten erschwert. Eine individuelle Warnung der betroffenen Karteninhaber erscheint angesichts der Flut von gestohlenen Kartendaten durch automatisierte Botnetze unrealistisch.

FTC dreht bösem Web-Anbieter den Saft ab
Die amerikanische Handelsaufsichtsbehörde FTC hat den berüchtigten Internetanbieter 3FN endgültig dichtgemacht. 3FN bot aktiv seine Dienste als perfekte Plattform für Spam, Botnets, Kinderpornographie und andere bösartige und illegale Inhalte an, schreibt die FTC in einer euphorischen Pressemitteilung. Alle Rechner des Unternehmens wurden beschlagnahmt, die Betreiber müssen 1,08 Millionen Dollar (850.000 Euro) an unrechtmäßigen Einnahmen an die FTC überweisen.

3FN war eine Spam-Schleuder. Als die FTC im Juni 2009 eine einstweilige Verfügung gegen 3FN erwirkte und das Unternehmen seine Dienste einstellen musste, fiel das Spam-Aufkommen kurzzeitig um 15 Prozent. 3FN hatte aktiv um Spammer geworben und seine Angestellten in der Errichtung von Botnetzen ausgebildet.

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